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BLKÖ:Zay von Csömör, Karl Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Zay, Adolf
Band: 59 (1890), ab Seite: 221. (Quelle)
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Zay von Csömör, Karl Graf (Staatsmann, geb. in Ungarn am 12. Februar 1797, gest. daselbst am 8. October 1871). Eine jener merkwürdigen Gestalten des alten ungarischen Adels, die täglich seltener werden, vielleicht gerade mit ihm ausgestorben sind. Er ist der Sohn des Grafen Emmerich aus dessen Ehe mit Maria Elisabeth Freiin von Calisch (Calisius)[WS 1], welcher merkwürdigen Frau wir eine besondere Lebensskizze widmen. Ueber das Geschlecht, dem er entstammt, eines von den wenigen, die ihren Adel und Besitz nicht Donationen, sondern der Arpád’schen Eroberung Ungarns verdanken und bereits seit Jahrhunderten im Besitze des erblichen ungarischen Reichsbaronates sich befinden, berichten die Quellen S. 224. Graf Karl genoß eine sorgfältige Erziehung im Elternhause und auf Unterrichtsanstalten seiner Heimat und richtete schon im Vormärz sein Augenmerk auf die politischen und confessionellen Zustände seines Vaterlandes, welche nicht immer verfassungsmäßig sich entwickelten und Manches zu wünschen übrig ließen. Der einzige evangelisch-lutherische Graf in Ungarn – reformirte gibt es mehrere – wurde er schon 1840 zum Generalinspector der evangelischen Kirchen und Schulen Augsburger Confession im Königreich Ungarn aus freier Wahl erhoben. Er war der Erste, der es wagte, die Forderung der gesetzlichen Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken öffentlich auszusprechen, sowie auch die Aufforderung zur Union der beiden evangelischen Confessionen ergehen zu lassen. Dabei aber machte er Regierung und Nation auf die panslavistischen Umtriebe im Lande aufmerksam. In seinem voll- und selbstbewußten Magyarenthum witterte er aber auch in jeder harmlosen Regung des slavischen Nationalbewußtseins – das ja den Slaven ebenso gut zukommt wie den Ungarn ihr magyarisches – gleich das Schreckbild eines Einverständnisses mit Rußland oder des Abfalls von der nationalen Sache und brachte sich als Generalinspector den meisten slavischen Gemeinden gegenüber bald in eine falsche Stellung, gelangte aber auf diese Weise zu dem nicht eben sehr schmeichelhaften Rufe eines Märtyrers der Spracheinheit. Dieses Auftreten gegen das Slaventhum machte ihn dann auch umso weniger beliebt, als sein Vater Emmerich – namentlich durch Verbreitung slavischer Bibeln – sich um seine slovakischen Glaubensgenossen vielfache Verdienste erworben hatte, so daß dessen Andenken heute noch bei ihnen in großer Verehrung steht. Durch sein schroffes Verhalten gegen den Slavismus hat aber der Graf demselben mehr genützt als geschadet. Mit diesem erwähnten Fehler verband er einen zweiten, bei weitem schlimmeren, nämlich daß er Magyarismus [222] und Protestantismus gleichstellte, eine Ansicht, der man auf betreffender Seite keinen Glauben schenkte, und welche vielmehr confessionelle Abneigung gegen die ungarische Sprache aufstachelte. Schon im Vormärz verfolgte der Graf energisch sein Ziel, die völlige Magyarisirung Ungarns und dessen gänzliche Trennung von Oesterreich in Bezug auf die Reichsverwaltung, das heißt, unter demselben Herrscher ein eigenes verantwortliches Ministerium, eigene Finanzverwaltung, eine eigene Armee, als Hauptaufgaben seines Lebens. Er führte die Ausarbeitung und einstimmige Annahme eines neuen Unterrichtssystems durch, in dessen Folge die Studienordnung den Forderungen der Gegenwart angepaßt und das magyarische Idiom zur Unterrichtssprache erhoben wurde. Auf den Reichstagen sprach er sich wiederholt markig für die Vollberechtigung der Bürger und Bauern, für die Gleichstellung aller übrigen christlichen Confessionen und selbst der Juden mit den Katholiken aus. Im Siege des Magyarenthums sieht er den Sieg des Protestantismus, im Siege des letzteren die glorreiche Zukunft seines Vaterlandes. Auf diese Lichtseiten seines staatsmännischen Wirkens, womit er offenbar der Zeit voraneilte, fielen aber als Schlagschatten die unzähligen Schmähungen, Verleumdungen, Drohungen, die ihm Slaven und Romanisten in vollem Maße spendeten. Mit diesem unverfälschten Magyarenthum verband er aber unerschütterliche Treue gegen die österreichische Dynastie, von der Ueberzeugung getragen, daß die Existenz Ungarns unzertrennlich mit der Aufrechthaltung jener verbunden sei. Die Muße, welche ihm die öffentlichen und Berufsgeschäfte übrig ließen, widmete er der Verwaltung seines Besitzes und der Literatur, vorzugsweise der deutschen, was ihn aber nicht hinderte, in allem Deutschen und von Deutschen Kommenden ein Blendwerk des Satans zu erblicken. Er schrieb selbst mehrere Flugschriften und Zeitungsartikel in deutscher und magyarischer Sprache, ohne jedoch seinen Namen zu nennen. Von diesen sind uns überhaupt bekannt: „Dies Buch gehört dem Vaterlande“ (184.); – „Schreiben an die Professoren zu Leutschau“ (Leipzig 1841, Otto Wigand, gr. 8°.) und „Die ungarische Frage im wahren Lichte“ (Pesth 1864, Ráth, gr. 8°.). Auch schrieb er für den Wiener „Wanderer“, und sollen die mit „Von der Donau“ bezeichneten Artikel aus seiner Feder stammen. Schließlich erwähnen wir noch, daß Graf Zay im denkwürdigen Reichstage von 1861 seine kurze Rede mit den Worten schloß: „Er hatte wohl gewünscht, daß die Adresse ein Mißtrauensvotum gegen das Wiener Ministerium enthalten hätte, doch wolle er sich der Ansicht der Majorität [vgl. zum Verständniß: Jámbor, Bd. X, S. 60] unterordnen und erkläre sich einfach für Deák’s Adresse, den er nach Luther, Washington und Széchényi am höchsten achte.“ Graf Karl war zwei mal vermält: seit 22. Mai 1820 mit Karoline geborenen von Prónay von Tóth-Próna (geb. 27. Februar 1803, gest. 24. Februar 1852); zum zweiten Male seit 16. Februar 1857 mit der katholischen Aloisia geborenen Gräfin Berényi von Karancs-Berény (geb. 23. Jänner 1831), die ihn überlebte. Nur aus erster Ehe hatte er Kinder, und zwar fünf Söhne und eine Tochter, sämmtlich aus der Stammtafel ersichtlich.

Einige Kraftstellen aus des Grafen Karl Zay politischen Reden und Aufsätzen. [Wir wählen [223] eben nur sehr wenige, weil diese genügen, den ganzen Mann zu charakterisiren.] Im Wiener Blatte „Der Wanderer“ vom 1. December 1857, Nr. 275 schreibt der Graf: „Der Magyar liebt seine Nationalität mehr als die Menschheit, mehr als die Freiheit, mehr als Gott und seine Seligkeit.“ – Im denkwürdigen Reichstage 1861 sagt der Graf in seiner ungemein kurzen Rede: „Ich will als Ungar lieber in die Hölle, denn als Deutscher in den Himmel kommen.“ – Im Verlauf der weiteren Rede corrigirt er aber den eben mitgetheilten Ausspruch dahin: „Er möchte doch nicht zur Hölle fahren, weil er dort deutschen Ministern begegnen könnte.“ – Ein anderer Ausspruch des Grafen: „Die Magyaren, da alle ihre Lebenspulse für das Vaterland schlagen, sie nur als Magyaren auf Erden und im Himmel selig werden wollen, ziehen, wir wiederholen es, das strengste Säbelregiment, wenn es nur zum Ruhme, zur Wohlfahrt und Größe ihres Vaterlandes, ihrer Nationalität geführt wird, selbst den freiesten beide gefährdenden Institutionen der Welt vor.“ – In der denkwürdigen Sitzung vom 3. October 1844, in welcher der edle Széchényi infolge der maßlosen von dem Grafen Zay gegen ihn geschleuderten Vorwürfe plötzlich ohnmächtig zusammenbrach, geißelte Graf Zay die Corruption des Comitatsadels und rief: „Es wäre fürwahr großartiger gewesen, wenn die Regierung ihre gelben Hebel (das Gold), mit deren Hilfe sie die unglückseligen Nachtragsinstructionen bezüglich der städtischen Administratoren durchsetzte, zur Förderung der vaterländischen Industrie und die Hundshäute (Pergament der Adelsbriefe) zu Stiefeln für die armen Blinden und Taubstummen verwendet hätte.“ – In der nämlichen Sitzung entgegnete er auf die Behauptung: daß die ungarische Aristokratie bisher die Nationalität erhalten habe: „Daß die ungarische Aristokratie unsere Nationalität erhalten hatte, dem widerspricht die Geschichte; in den Hütten der armen reformirten Prediger und des niederen Landadels ward die Nationalität erhalten, aber keineswegs durch die Ritter des goldenen Vließes und durch die Großkreuze der übrigen Ritterorden, oder durch die inneren Geheimräthe.“
Quellen. Borbis (J.). Die evangelisch-lutherische Kirche Ungarns in ihrer geschichtlichen Entwickelung u. s. w. Mit einer Vorrede von Dr. Theol. Chr. Ernst Luthardt (Nördlingen 1861, H. C. Beck, gr. 8°.) S. 209, 212, 222, 233, 318, 365, 383, 397, 401. – Deutsche allgemeine Zeitung, 1860, Nr. 465: „Der Adel Ungarns“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) XVIII. Jahrg., 5. März 1864, Nr. 65: „Graf Zay’sche Phantasien“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig. J. J. Weber, kl. Fol.) Bd. II, 25. Mai 1844, Nr. 48, S. 342 im Artikel: „Preßburg und der ungarische Landtag“; Bd. III, 9. November 1844. Nr. 71: „Graf Zay von Csömör“. – Der Kamerad. Oesterreichische Militärzeitung (Wien, 4°.) IV. Jahrgang, 31. October 1865, Nr. 87: „Antwort an Graf K. Z.“ [eine mannhafte Antwort auf die Repräsentanten des ungarischen Chauvinismus]. – Norddeutscher Gebirgsbote (Rumburg) 1861, Nr. 24. – Die Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, 13. Jahrgang, 28. Jänner 1860, Nr. 28 in der „Zeitungsschau“ [entgegnet auf die im Wiener Blatte „Wanderer“ abgedruckte Ansicht des Grafen Zay „daß Oesterreich seinen Schwerpunkt nicht in Deutschland, sondern in Ungarn zu suchen habe“, kurz und treffend: „Oesterreichs Schwerpunkt liegt nicht in Deutschland, liegt aber auch nicht ausschließlich in Ungarn – er liegt eben im Gesammtstaate und in der Gleichberechtigung aller seiner Bestandtheile“. – Möchten sich dies alle politischen Schwärmer in Cis und Trans ein für allemal gesagt sein lassen]. – Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Osterlamm, 8°.) Bd. III, S. 85 [Die Rede ist kurz, aber echt magyarisch]. – Magyar Magnások életrajza s arcképcsarnoka, d. i. Biographien und Bildnisse der ungarischen Magnaten (Pesth) Bd. I, 1860. – Országgyülési emlény (Pesth 1848) Bd. I, S. 52. – Protestans képes naptár, d. i. Protestantischer Bilderkalender (Pesth. schm. 4°.) 1857, S. 50: „Zay Károly (gróf)“. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntagsblatt (Pesth, 4°.) 185,9 Nr. 50.
Porträts. 1) Holzschnitt von Nicholls und Allanson, nach Zeichnung von [CR][WS 2] in der „Illustrirten Zeitung“ 1844, Nr. 71. – 2) Ohne Angabe des Zeichners und Xylographen im Protestans képes naptár 1857.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Maria Eleonore Freiin von Calisch (Calisius).
  2. Abbildung des Monogramms des Zeichners.