BLKÖ:d’Astorga, Emanuel

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 1 (1856), ab Seite: 81. (Quelle)
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d’Astorga, Emanuel, gewöhnlich Baron genannt (Tonsetzer, geb. nach Bermann zu Palermo 11. Dec. 1681; nach Gerber 1680; nach der Biographie universelle 1686; gest. nach Bermann in einem böhmischen Kloster 21. Aug. 1736; nach der Biogr. univ. um das J. 1755). Emanuel war als 20jähriger Jüngling der Zeuge der Hinrichtung seines Vaters, der auf Befehl Philipp V. von Spanien, in dessen Gewalt Sicilien sich befand, diesem Lose als Parteigänger für die Unabhängigkeit der Insel verfiel. Nachdem der Jüngling wochenlang nicht von der Stätte des Entsetzens wich, ließ ihn die berühmte Obersthofmeisterin der Königin, Gräfin Ursini, ins Kloster Astorga bringen. Ueber seinen wahren Namen, da die Mutter, auch Zeugin der Hinrichtung ihres Gatten, vor Entsetzen auf der Stelle gestorben und Emanuel das Bewußtsein verloren, schwebt noch unaufgehelltes Dunkel; von dem Kloster, wohin er gebracht worden und wo er in der Kunst allein Trost fand, führt er den Namen. Er hatte in der Musik den Unterricht Scarlatti’s und Caldara’s genossen und ging aus dem Kloster an den Hof von Parma (1704), wo er mit der Tochter des Fürsten, Elisabeth Farnese, ein Liebesverhältniß anfing. Als der Herzog dies durchblickte, schickte er A. nach Wien, wo Kaiser Leopold I., ein großer Freund der Musik, eine vortreffliche Capelle unterhielt und des genialen Tondichters großer Gönner wurde. Als Kaiser Leopold starb (1705), ging A. noch an verschiedene europ. Höfe, überall den Ruhm seines Genius zurücklassend. 1720 erschien er wieder in Wien, begab sich aber bald darauf nach Prag und zog sich endlich ganz in ein Kloster Böhmens zurück, wo er sein Leben beschloß. A.’s Werke sind: „Stabat mater für vier Stimmen“ (1719); die Pastoraloper „Daphne“ (1709), — dann 44 Cantaten und ebenso [82] viele Duette; 2 Cantaten für Sopran und ein „Requiem, bisher erst in Trümmern entdeckt. Astorga nähert sich in Erfindung, Geschmack und Kunst dem Durante, ist gründlicher und tiefer als Pergolese, und ist im Styl, das Wort technisch genommen, dem Marcello befreundet. In seinen Melodien waltet eine seltene Kunst, Fertigkeit und Sicherheit, dabei weiß er dieselben einfachschön und ausdrucksvoll in immer neuen Weisen contrapunctisch zu verflechten, ohne ihnen doch hinsichtlich der Faßlichkeit und des Ausdrucks den geringsten Eintrag zu thun. Zu bezeichnend ist aber des geistreichen Riehl Schilderung der Werke A.’s, um sie nicht herzusetzen. Nachdem er in A.’s Werken die Natur seines Vaterlandes und den Charakter seiner Lebensschicksale wiederfindet, schreibt Riehl: „Es ist vielleicht mehr als ein Spiel des Zufalls, daß Astorga in seinem herrlichen „Stabat mater“ die Stelle: Fac ut animae donetur Paradisi gloria in Moll gesetzt hat. Und dann die Stelle, wo es heißt, daß ein Schwert durch das seufzende Herz der Mutter Gottes gegangen sei: Pertransivit gladius. Die Bässe schreiten bei den Worten in chromatischen Gängen gegen die wogenden Oboestimmen heran, sie schneiden als mit Schwertesschärfe in das Gewebe derselben ein. Wenige Tonmeister lassen das Martervolle in dieser, unzählige Male componirten Stelle dem Hörer so durch Mark und Bein gehen, als der sonst so milde Astorga. Das ist das Schwert, welches auf dem Richtplatze durch die Seele des Jünglings gegangen, als es seines Vaters Leben mitten entzwei schnitt und vielleicht unbewußt hat er die Geschichte seiner eigenen Qual hier in Noten gesetzt. Verehrer Astorga’s haben sein „Stabat mater“ vor etlichen Jahren stechen lassen. Die Firma eines Verlegers ist nicht auf dem Titelblatte der Partitur zu sehen, dieses ist nur durch ein einfaches Kreuz geschmückt. Es ist das Kreuz, an das die ideale Tondichtung der alten Zeit von den modernen Musikanten geschlagen worden.“ - Das sind doch wahre Worte!

Ost-Deutsche Post 1851. Nr. 234. — Riehl (W. H.), „Musikalische Charakterköpfe“ (Stuttgart und Tübingen, Cotta, 1853). — Wanderer 28. Jahrg. (Wien 1841), Nr. 155-160: „Baron d’Astorga“ von Günzburg. — Fetis, Biographie générale des Musiciens.