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BLKÖ:Haas, Philipp

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Haas, Michael
Band: 6 (1860), ab Seite: 104. (Quelle)
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Haas, Philipp (Industrieller, geb. zu Gumpendorf in Wien 7. Juni 1791). Der Sohn eines unbemittelten – aber nicht armen – Webers, der aus Passau in Baiern stammt, und in der Fremde sein Brot suchen mußte. Der Sohn wurde in früher Kindheit beim Webestuhle verwendet, mußte jedoch auch, u. z. bis zum zwölften Jahre, die Gumpendorfer Schule, dann die Manufactur-Zeichnenschule bei St. Anna besuchen. Mit 16 Jahren mußte er den Schulbesuch aufgeben, und sich ganz dem Webegeschäfte widmen. Nun hatte der Sohn eine schwere Aufgabe zu bestehen, der Vater, ein Mann alten Schlages, der es immer mit den Alten hielt; der Sohn, den es vorwärts drängte, der lebendigen Geistes das Unhaltbare des bisherigen Schlendrians erfaßte, standen sich als Vertreter zweier Perioden, zweier entgegengesetzten Systeme gegenüber. Während der Vater sich von allen seinen Gewerbegenossen überholen ließ, sann der vorwärtsschreitende Geist des Sohnes auf Mittel, den Vater zur Ueberzeugung zu bringen, daß es in der alten Weise nimmermehr gehe. Er unterließ nichts um sich selbst weiter zu bilden, so besuchte Philipp den Sonntags-Unterricht über Mechanik und Physik auf der Universität, [105] was ihn in seinem Geschäfte sehr förderte. Mit neunzehn Jahren bewarb er sich um den Preis in der Manufactur-Zeichnungsschule; der zweite Preis wurde ihm in Aussicht gestellt, sich aber um den ersten zu bewerben, ihn vom Director der Anstalt selbst abgerathen, da er in einem sehr geschickten Collegen einen unbesiegbaren Nebenbuhler habe. Philipp aber ließ sich’s nicht ausreden, er warb um den ersten Preis, und erhielt ihn auch. Um das Geld des ersten Preises kaufte Philipp Wolle, welche er nun in einen damals neuen Stoff verarbeitete, und in sechs Wochen waren aus den 60 fl. 360 fl. erarbeitet. Damit beginnt sein selbstständiges Wirken. Es schien nun eine bessere Zeit für den jungen Industriellen eintreten zu wollen, als der Tod des Vaters und dessen ungeschickt abgefaßtes Testament den Ruin des ohnehin kleinen Vermögens herbeiführten. Jedoch die Energie des jungen Mannes ließ ihn sich aus den mißlichsten Umständen herausarbeiten, wozu ihm ein Mädchen behilflich war, das anfänglich im Hause arbeitete, später aber seine Frau wurde, deren erfinderischer Geist, rastlose Thätigkeit und völlige Hingebung zum Geschäfte wesentlich beitrugen zu dem Flor, in welchem das Haus gegenwärtig steht. Von entscheidendem Einflusse waren in dieser Zeit zwei Ereignisse. Nachdem H. es bis auf 60 Stühle gebracht, quälte er sich mit Versuchen ab, in den sogenannten glatten Organtinen mit dem Auslande concurriren zu können. Da brachte ihm der Besuch eines Jugendfreundes, der in Paris arbeiten gesehen hatte, mit Einemmale Licht; es hing an dem Regulator, den er schon Tags darauf fertig hatte, und nun ging die Arbeit von Statten. Das Zweite war die Nachahmung der gleichfalls aus dem Auslande gekommenen Linons, nämlich, was die Steife und Klarheit desselben betrifft. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es ihm eine Mischung zu Stande zu bringen, und nach weiteren Mühen auch, diese Mischung, was Anfangs sehr schwer ging, auf den Stoff aufzutragen. Der Erfolg war ein ungeheurer und lohnender. So mit Besiegung aller Hindernisse, die sich ihm oft genug in den Weg stellten, durch fleißiges Studium der neuen Erfindungen, durch stetes Vorwärtsschreiten hob sich das Geschäft vom Jahre 1810, wo es Philipp mit seinem Gewinne so zu sagen begründet, und nur mit wenigen Webestühlen zu thun hatte, zu einer Fabrikation, die heut in fünf verschiedenen Etablissements ausgebreitet ist, u. z. in Gumpendorf, von wo auch die oberste Geschäftsleitung stattfindet; zu Ebergassing, wo sich die auf 12.000 Spindeln eingerichtete Baumwollenspinnerei befindet; zu Mitterndorf, welches zwar im Jahre 1856 abgebrannt ist, aber nunmehr neu aufgebaut wird; zu Hlinsko in Böhmen, und seit 1856 zu Bradford in England. In diesen fünf Anstalten werden Jahr ein Jahr aus über 1000 Arbeiter verwendet. Die Arbeiten, welche aus diesen Fabriken hervorgehen, sind Teppichstoffe aller Art, von dem kostbarsten Wandteppich bis zum einfachen Laufteppich, Damast in Seide und in Wolle, Utrechter Sammt, Deckenstoffe, Tapeten in verschiedenen Stoffen. Die Erfolge, welche Philipp Haas erreicht hat, sind die sprechenden Beweise der Bedeutenheit seiner Industrien. Schon in den Jahren 1839 u. 1845 erhielt H. in Wien goldene, 1844 in Berlin die silberne Preismedaille, 1850 bei der deutschen Industr.-Ausstllg. in Dresden in Anerkennung seiner ausgezeichneten Arbeiten das Ritterkreuz des sächsischen Civil-Verdienstordens, bei der großen Industrie-Ausstellung zu London im J. [106] 1851 die sogenannte „Prize Medaille“, bei der allgemeinen Ausstellung zu München im J. 1854 die große Medaille, und in der Pariser Ausstellung 1855 in zwei verschiedenen Classen Preismedaillen erster Classe. Zeit dem Jahre 1850 hat Philipp Haas in seine Firma seine beiden Söhne Robert und Eduard, welche im Geiste des Vaters das Geschäft mitleiten, aufgenommen, und sie führt nunmehr die Bezeichnung: Philipp Haas und Söhne. Welche bedeutende Stellung diese Firma in der österreichischen Industrie einnimmt, dafür bieten mehrfache Belege die Urtheile der Preisrichter in der Pariser Welt-Ausstellung, welche im Auszuge in den Quellen mitgetheilt werden.

Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1855. Herausgegeben unter der Redaction (anfänglich von Novak) später von Dr. Eberhard Jonák (Wien 1857/58, Staatsdruckerei, 8°.) XX. Classe: Schafwoll-Industrie, S. 111 [wird gemeldet, daß das große, rühmlichst bekannte Fabrikshaus Philipp Haas & Söhne in Wien, auf der Ausstellung in Paris glänzend vertreten war]; – XXI. Classe: Seiden-Industrie, S. 68 u. 70 [wirf das Etablissement Haas als solches bezeichnet, welches der österreichischen Industrie zur Ehre gereicht. „Die Damaste von Wolle und Seide sind die Specialität des Etablissements, das darin den französischen Erzeugnissen nichts nachsteht.“ Haas und Söhne erhielten in dieser Classe die Medaille erster Classe]; – XXIII: Classe: Teppiche, Wirkwaaren, Stickereien, Spitzen, S. 17, 18 [daselbst heißt’s: „Oesterreich war in dieser Classe durch seine größte und beste Teppichfabrik, Philipp Haas und Söhne in Wien, vertreten. Die Leistungen des Fabrikshauses Haas und Söhne sind bekannt und zeichnen sich durch eine aufmerksame und correcte Ausführung, durch schöne Muster, feurige frische Farben und durch ein sehr gelungenes Colorit aus. Der Gesammteffect der Haas’schen Teppiche erschien günstiger als der der Berliner Fabrikate , es war mehr Sorgsamkeit in der Fabrikation zu erkennen.“ In dieser Classe erhielt Philipp Haas und Söhne die Medaille erster Classe]. – Notice sur l’Exploitation des Manufactures de MM. Philippe Haas et fils à Vienne; lithographirter Separat-Abdruck aus dem Catalogue officiel de l’Exposition universelle a Paris 1855, No. 1333 et 1432. – Presse vom 22. Juli 1855: „Die österreichische Industrie auf der Pariser Welt-Ausstellung“. XVI [wird die Bedeutenheit dieses Fabrikhauses und seiner Leistungen gewürdigt und bemerkt, daß die Fabrikation der Möbeldamaste in Oesterreich zuerst von Philipp Haas eingeführt worden und vordem jener Artikel in Oesterreich völlig unbekannt gewesen]. – Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen u. s. w. Von St. Ritter v. Keess und W. C. Blumenbach (Wien 1829, Carl Gerold) I. Bd. [Interessant sind die folgenden, aus dieser Darstellung genommenen Daten, die Mittheilungen eines anerkannten Fachmannes über einen österr. Industriezweig vor 30 Jahren, und zwar S. 320: „Der Webermeister Philipp Haas in Wien erhielt den 12. Mai 1822 ein fünfjähriges ausschl. Privilegium auf die Erfindung, mittelst einer an dem Webestuhle anzubringenden Maschine bei allen Baumwollgeweben, vorzüglich aber bei feinen und dünnen Zeugen, z. B. beim Vapeur, Organdin etc, sowohl glatten als façonnirten, die möglichst vollkommene Gleichheit und beliebige Dichtheit zu erzwecken, ohne daß in dieser Hinsicht nur das Mindeste von der Willkühr und Geschicklichkeit des Webers allein abhinge. Dieser Regulator besteht darin, daß bei jedem Schlage die Walze sich dreht und das Gewebe gerade um jenen Theil vorrückt, als der Schuß beträgt“; – ferner S. 312: „Philipp Haas erhielt schon den 8. December 1823 ein fünfjähriges ausschl. Privilegium auf die Erfindung, den sogenannten englischen Spitzengrund oder Bobbinet so zu erzeugen, daß er dem echt englischen sowohl rücksichtlich des Gewebes und daher der Haltbarkeit im Waschen, als auch rücksichtlich der Feinheit gleichkommt. Ein zweites fünfjähriges Privilegium erhielt er den 14. April 1826 auf die Erfindung eine mechanische Vorrichtung an den Spitzenmaschinen anzubringen, welche zum Aufwinden der Fäden bestimmt ist und bei der Erzeugung des Bobbinets ihre Anwendung findet. Haas und Kammerzell haben nach mehrjährigen kostspieligen Bemühungen wirklich Bobbinet-Maschinen, ganz nach den englischen Principien eingerichtet, zu Stande gebracht, welche ziemlich feinen, ellenbreiten Bobbinet, und zwar täglich 11/2–2 Ellen verfertigen“; – S. 499: „Der Webermeister Philipp Haas in Wien erhielt den 12. December 1827 ein zweijähriges ausschl. Privilegium auf [107] die Erfindung, Bänder von allen Gattungen und Farben, mit gehörigen Leisten versehen, auf dem gewöhnlichen Webestuhle in beliebiger Anzahl und Breite auf einmal, nicht sowohl aus Seide, als vielmehr aus Baumwolle zu erzeugen. ... Man will sogar glauben, daß diese Methode, die Bänder aus breiten gewebten Zeugen zu verfertigen, die ursprüngliche gewesen sei.“]