BLKÖ:Jaell, Alfred
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 10 (1863), ab Seite: 39. (Quelle) | |||
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Czerny’s [Bd. III, S. 105], des Nestors des Clavierspieles in solchem Maße theilhaftig wurde, daß dieser die ferneren Studien des jungen Virtuosen zu leiten sich antrug. Mehrere Monate genoß J. Czerny’s Unterricht; und nun begab sich der Vater mit seinem Sohne zuerst nach München, dann nach Stuttgart und Cöln, wo die Erfolge des jungen Pianisten glänzend waren. Einem längeren Aufenthalte in Holland folgte der Besuch von Paris, wo Jaell in Erard’s Salon auftrat, nach geschlossener Saison noch zwei zahlreich besuchte Concerte gab, in welchen er auch zuerst eigene Compositionen vortrug. 1847 concertirte J. in verschiedenen Städten Belgiens, wo ihn die philantropische und philharmonische Gesellschaft von Brüssel zum Ehrenmitgliede ernannte. Die Jahre 1848 und 1849 wurden nacheinander in Holland und Paris zugebracht. Im October 1851 trat J., mehreren an ihn ergangenen Einladungen folgend, die schon 1847 beabsichtigte Reise nach Nordamerika an, wo er am 15. November zum ersten Male mit außerordentlichem Erfolge auftrat und nun [40] nach Montreal, Kingston, Toronto, Boston, Providence, Worcester, Washington, Philadelphia, Baltimore, Cincinnati, Louisville, St. Louis, kurz nach den bedeutendsten Städten der neuen Welt eine Künstlerfahrt machte, die eigentlich mehr einem Triumphzuge glich. Während der Fahrt hatten sich noch folgende Künstler zusammengefunden, die nun vereint den Künstlerzug ausführten: Henriette Sontag mit ihrem Gemale, dem Grafen Rossi, Capellmeister Eckert, der Pariser Violinvirtuose Paul Jullien, der Tenor Pozzolini, der Bariton Rocco und der Bassist Badiali. Im Jänner 1854 gab diese Gesellschaft ihre letzten Concerte in Neu-Orleans, dann kehrte Jaell nach Europa zurück. Im Sommer 1854 spielte J. am Rhein und in den Taunusbädern, 1855 in Paris, wo J. der Erste Wagner’sche Opernmotive in brillanten eigenen Bearbeitungen und größere Compositionen von K. Schumann und A. Rubinstein einführte. Im September d. J. concertirte er in Hannover, darauf in Berlin, wo ihn die philharmonische Gesellschaft Berlins zum Ehrenmitglieds ernannte. Im Jahre 1856 nach Hannover zu einem Hofconcert geladen, ernannte ihn der König zum Hofpianisten. Die folgenden Jahre machte J. Kunstausflüge nach dem Norden Deutschlands, dann in die rheinischen Bäder, Ende 1857 und Anfangs 1858 nach Italien, wo er in Mailand allein sechs zahlreich besuchte Concerte gab. Nach seiner Rückkehr bereiste er wieder deutsche Städte und Bäder. Den neuesten Berichten aus London zufolge spielte J. unter außerordentlichem Zudrange im Ausstellungsgebäude und unternahm im Sommer 1862 eine zweimonatliche Kunstreise in England, befand sich aber schon im December 1862 wieder in Wien, wo er im Vereine mit Laub Concerte gab. Jaell’s Repertoire umfaßt die Meisterwerke von Bach bis auf Rubinstein, der neueren Musikrichtung folgend, spielt er doch viel ältere classische Musik. Besonders glücklich ist er im Vortrage Chopin’scher Werke, zu deren richtigen Auffassung der Umgang J.’s mit dem genialen Componisten im Winter 1846 auf 1847 beitragen mochte. Ueberdieß sind Liszt, Schumann, Rubinstein in seinen Concerten stark vertreten. Wie bereits bemerkt worden, ist J. auch Tonsetzer und bereits im Jahre 1858 brachte die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ seine 84. Composition „Gruß an Karlsbad“ [das Verzeichniß der Compositionen Jaell’s siehe unten in den Quellen]. Bei der Jugend J.’s, er zählt jetzt 30 Jahre, läßt sich bei dieser Menge von Compositionen auf eine große Leichtigkeit im Componiren schließen. Die meisten seiner Arbeiten – ganz der modernen Richtung huldigend – sind für das Concert berechnet; manches Neue in der Applicatur und vieles Originelle enthaltend, zeichnen sie sich durch echt claviermäßige Spielart, harmonischen Fluß, melodischen Reiz und große Eleganz aus. Als Pianist hat er ungeachtet kurzer, die Octave kaum umspannender Finger einen musterhaften, vorzugsweise an den Thalberg’schen erinnernden Anschlag; mit Ruhe, Sicherheit und Ausdauer überwindet er die colossalsten technischen Schwierigkeiten, wohlthuend ist überdieß die Weichheit und Zartheit seines Spieles und besonders Eigenthümliches leistet er im Triller, den er vom feinsten Piano bis zum markvollsten Forte und ebenso abschnellend mit Blitzesschnelle schwirrend sich entrollen läßt. Das Schladebach’sche Universal-Lexikon der Tonkunst, welches [41] sein Spiel als vorzugsweise glänzend, weniger musikalisch bedeutsam bezeichnet, räumt seinen Compositionen, „welche nur den Fingern, gar nicht aber dem Geiste Nahrung geben“, weiter keinen Vorzug ein, als ein prunkendes Passagengewand.“
Jaell, Alfred (Piano-Virtuos und Tonsetzer, geb. zu Triest 5. März 1832). Jaell’s Vater, Eduard J. (gest. im September 1849), selbst ein vorzüglicher Violinspieler, war Musikdirector in Wien, begab sich auf Kunstreisen und ließ sich zuletzt in Triest nieder, daselbst eine Musikschule gründend. Der Sohn zeigte früh großes Talent für die Musik und erhielt vom Vater Unterricht im Violinspiele. Im 7. Jahre verfiel der Knabe in eine gefährliche Krankheit, von welcher genesen, J. auf den Rath der Aerzte dem Violinspiel entsagen mußte. Nun erst begann sein Unterricht im Clavier, aber aus Besorgniß für seine Gesundheit erhielt er ihn nicht regelmäßig. Erst später, nachdem er sich gekräftigt, durfte er sich mit allem Eifer dem Clavierspiele widmen. Im Jahre 1843 trat der 11jährige J. seine erste Kunstreise an und in Venedig wollte er zuerst auftreten. Aber der Director des San Benedettotheaters weigerte sich, den schwächlichen Knaben auftreten zu lassen, endlich gestattete er ihm in den Zwischenacten einige Stücke vorzutragen. Der Erfolg war, daß am folgenden Abend J. im nämlichen Theater ein eigenes Concert bei gedrängt vollem Hause gab. Mit gleich günstigem Erfolge spielte der Knabe 1844 in Mailand. Der Vater entschloß sich nun, den Sohn die Künstlerlaufbahn betreten zu lassen, gab seine Schule in Triest auf und begab sich zunächst nach Wien, wo Alfred im Winter 1844 auftrat, sehr gefiel und namentlich des Beifalls- I. Jaell’s Compositionen. Von Jaell’s Compositionen, deren Hundert wohl schon voll sein dürfte, sind mir bekannt geworden: „Morceau de Concert sur la Hymne nationale autrichienne“, Op. 3; – „Ode au Rhin. Adagio et Polonaise brillante pour le Violon av. acc. de Quatuor“, Op. 4; – „Nocturne“, Op. 6; – „Romance de A. Leonhard, transcrite“, Op. 7; – „Caprice sur le Prophète“, Op. 9; – „Fantaisie de Concert sur le Val d’Andorre d’Halevy“, Op. 10; – „Caprice sur i Lombardi de Verdi“, Op. 11; – „Caprice sur une Romance de Wilhelm“, Op. 12; – „Romance varié“, Op. 13; – „La Danse de Fées. Rhapsodie“, Op. 14; – „Souvenir d’Hongrie. Méditation. E“, Op. 15; – „Un Moment en Hongrie. 2ième meditation As“, Op. 16; – „Souvenir de Percenico. 3ième meditation. Des“, Op. 17; – „Rigoletto. Illustration sur un motif de Verdi“, Op. 18; – „Rhapsodie américaine“, Op. 19; – „Norma. Réminiscences“, Op. 20; – „Polka bohémienne paraphrasée“, Op. 21; – „Le Carnevale de Venise. Variant-burlesques“, Op. 22; – „Les Belles de Boston. Galop fantastique“, Op. 23; – „Transcriptions, Nr. 1: Home, sweet home“, Op. 24, – Nr. 2: „The last rose of summer“, Op. 25; – „La Fée. Polka“, Op. 26; – „Fantaisie sur l’opera: „La Fille du Régiment“, Op. 27; – „Waldesflüstern. Illustration“, Op. 28; – „Liebestraum. Polka“. Op. 29; – „La Prima Donna. Valse de Julien paraphrasée“, Op. 30; – „Transcriptions, Nr. 3: Come in thro’ the Rye“, Op. 31; – „Farewell. Polka“, Op. 32; – „La Rosée du Matin. Polka“, Op. 33; – „Des Dichters Traum. Notturno“, Op. 34; – „Aus R. Wagner’s Lohengrin und Tannhäuser. Paraphrase“, Op. 35; – „Caprice sur la romance gav. de l’opera: Il Giuramento di Mercadante“, Op. 36; – „Aux bords de Mississippi. Morceaux caractéristique“, Op. 37; – „Illustrations de l’opera: Il Trovatore de Verdi“, Op. 38; – „Lohengrin’s Verweis an Elsa, aus R. Wagner’s Lohengrin. Transcription“, Op. 39; – „Idylle Nr. 1. H“, Op. 40; – „Idylle Nr. 2me. E“, Op. 41; – „3 Lieder von Robert Schumann (Stille Liebe. Frage. Stille Thränen), Op. 42; – „Mazurka“, Op. 43; – „Sérénade italienne“, Op. 44; – „Andante. Morceaux de Salon“, Op. 46; – „Gebet aus Wagner’s Lohengrin. Transcription“, Op. 47; – „Gebet aus Wagner’s Tannhäuser. Transcription“. Op. 48; – „Barcarole Nr. 2. D“, Op. 49; – „Un deux Souvenir. Mélodie“, Op. 50; – „Etude. Fis“, Op. 51; – „Nocturne. Fis-moll“, Op. 52; – „Le torrent. Impromptu“, Op. 53; – „Du bist wie eine Blume. Lied, von Sr. Maj. dem Könige Georg V. von Hannover paraphrasirt“, Op. 54; – „Rêverie“, Op. 55; – „Prière de l’opera l’Etoile du Nord de Meyerbeer variée“, Op. 56; – „Bolero de l’opera Les vêpres siciliennes de Verdi transcrit“, Op. 57; – „Serenade“, Op. 58; – „Bluette“, Op. 59; – „Zwei Transcriptionen aus R. Wagner’s Tannhäuser“, Nr. 1: „Pilgerchor“; Nr. 2: „Phantasie Wolfram’s: O du mein holder Abendstern“. Op. 60; – „Le Ruisseau“, Op. 61; – „La Lucciole. Bluette Nr. 2“, Op. 62; – „Souvenir de l’Italie“, Nr. 1: „Caprice brillant sur la Traviata de Verdi“, Op. 63, – Nr. 2: „Rapsodie sur la Traviata“, Op. 64; – Nr. 3: „Il Trovatore de Verdi. Paraphrase“, Op. 65; – „L’Espérance. Mélodie-Etude“. Op. 66; ; – „Transcription de la Romance favorite de l’opera „l’Ebreo“ d’Apolloni“, Op. 67; – „l’Adieu. Improvisation“, Op. 68; – „Traviata. Illustration sur un motif de Verdi“, Op. 70; – „Simon Boccanegra, opera de G. Verdi. Transcription“, Op. 72; – „Deux Transcriptions du Prophète de Meyerbeer“, N. 1: „Arioso: Ah mon tils“, Op. 74, – Nr. 2: „Choeur d’enfants et choeur général“ Op. 75; – „Gruß an Karlsbad“, Op. 84.
- II. Zur Biographie Jaell’s. Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) 1858, Nr. 780, S. 383 [auf S. 384 J.’s wohlgetroffenes Porträt und die Originalcomposition „Gruß an Karlsbad“, Op. 84]. – Salzburger Zeitung 1858, Nr. 195 und 196: „Alfred Jaell“ [Abdruck der Biographie aus der Illustrirten Zeitung]. – Neue Wiener Musik-Zeitung, redigirt von F. Glöggl, V. Jahrg. (1856), Nr. 40: „Alfred Jaell, Hofpianist des Königs von Hannover“. [42] – Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 1844, Nr. 4, S. 11: „Alfred Jael im Teatro della Canobbiana. – Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Jul. Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden, Schäfer, gr. 8°.) Bd. II, S. 480. – Wiener Zeitung 1862, Beilage: Wiener Tagesbericht, Nr. 207, S. 1241.
- III. Porträte. 1) Lithographie (Offenbach, J. Andre, gr. Fol.). – 2) Stahlstich von Weger (Leipzig, Baumgartner, 4°.) [auch als Beilage zur Allgemeinen Leipziger Moden-Zeitung].
- IV. Zur künstlerischen Charakteristik Jaell’s. Hanslick, in der Musik der competenteste Kunstkrititer der Gegenwart, schreibt über Jaell’s Spiel: „Ein köstlicher Anschlag, sammtweich und dennoch von kräftiger Fülle, in den Tutti mit Leichtigkeit das Orchester beherrschend, eine nach allen Seiten ausgebildete, glänzend ausgefeilte Technik, die die Passagen perlengleich hinstreut und im Triller culminirt. Vor allem ist J. Salonspieler im besten, nämlich im Sinne des Wortes, der die musikalische Bildung und das Verständniß höherer künstlerischer Sphären nicht ausschließt. So weit man mit dem Geschmack ausreicht, weiß J. auch classischen Compositionen gerecht zu werden. Allein seine Natur gehört zu jener weiblichen anschmiegenden, die sich gerne in kleinen Formen im Kreise des Zierlichen und Anmuthigen bewegen, dem Großen, Leidenschaftlichen lieber aus dem Wege gehen.“ [Presse 1862, Nr. 352.]