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BLKÖ:Neipperg, Erwin Franz Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 20 (1869), ab Seite: 155. (Quelle)
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Neipperg, Erwin Franz Graf (k. k. Feldmarschall-Lieutenant, geb. 6. April 1813). Sohn des Grafen Adam Adalbert [s. d. S. 146] aus dessen erster Ehe mit Therese Josephine Walpurgis Gräfin Thurn-Valsassina, geschied. Remondini, und Halbbruder des nunmehrigen Fürsten Wilhelm Albrecht von Montenuovo. Wenn daher das „Neue Wiener Tagblatt“ meldet, daß Graf Erwin Neipperg ein Sohn der Herzogin von Parma, Maria Louise, ist, so ist das ein Irrthum; da sein Stiefbruder Wilhelm Albrecht, der den Namen eines Fürsten Montenuovo führt, aus der morganatischen Ehe des Grafen Adam Adalbert[WS 1] mit Maria Louise entstammt. Der Graf widmete sich der militärischen Laufbahn, trat in einem kaiserlichen Cavallerie-Regimente ein und war schon vor dem Jahre 1848 Rittmeister und Escadronscommandant im 2. Chevauxlegers-Regimente. Er wurde dann Major und im Jahre 1849 Oberstlieutenant im Regimente, im Jahre 1850 aber Oberst und Commandant des zweiten Dragoner-Regiments. Er commandirte dasselbe vier Jahre, rückte am 27. Juli 1854 zum General-Major und Brigadier im 9. Armeecorps vor und wechselte nun mehrmals seine Bestimmung, so wurde er im Jahre 1858 Brigadier im 1. Armeecorps, im Jahre 1859 im 3. Armeecorps und im Jahre 1860 im 1. Cavallerie-Armeecorps. Am 19. März 1863 zum Feldmarschall-Lieutenant ernannt, erhielt er eine Cavallerie-Division zu Oedenburg in Ungarn, wurde im Jahre 1865 beim 6. Armeecorps-Commando zugetheilt und im Jahre 1866 Festungscommandant der Bundesfestung Mainz. Beim Ausbruche des mörderischen Bruderkrieges im genannten Jahre zwischen Oesterreich und Preußen war Graf Erwin Commandant der aus der kais. österreichischen, herzoglich nassauischen Brigade und den beiden churfürstlich hessischen Huszaren-Escadronen formirten 4. Division beim 8. Armeecorps. Die herzoglich nassauische Brigade unter ihrem Commandanten General-Major von Roth war in das eigene Herzogthum zurückbeordert worden, und so [156] hatte Graf Erwin, als er dem vom Corpscommando am 13. Juli erhaltenen Befehle, sofort über Darmstadt nach Aschaffenburg sich zu begeben, nachkam, nur die kaiserlich österreichische Brigade unter seinem Commando, welche aus 3 Bataillonen Wernhardt Nr. 16, 1 Bataillon Reischach Nr. 21, 1 Bataillon Heß Nr. 40 und dem Bataillon Nobili Nr. 74, sämmtliche Bataillone à 6 Compagnien, ferner aus dem neuerrichteten Jäger-Bataillon Nr. 35 à 4 Compagnien, dann aus einer acht- und vierpfündigen Batterie, jede zu 8 Geschützen, einer Munitionsreserve, 3 bespannten Sanitätswagen und einer Proviantcolonne bestand. Nebenbei gesagt, macht Oberst Rüstow in seinem Werke über den Sechsundsechziger Krieg in Deutschland den – unabsichtlichen oder auch absichtlichen – Irrthum, daß er obige Bataillone sämmtlich in Regimenter umwandelt. Am 14. Juli bestand Graf Erwin mit seinen Truppen das Gefecht bei Aschaffenburg mit einem namentlich an Cavallerie stark überlegenen Feinde, denn die von Goldbach aus gegen Aschaffenburg in drei Colonnen vorrückenden Preußen bestanden aus den Brigaden Wrangel und Kummer, dem 13., 53., 15. und 55. Infanterie-Regimente, dem westphälischen Kürassier-Regimente Nr. 4 und dem westphälischen Huszaren-Regimente Nr. 8, nebst 4 Batterien. Es standen also 7 Infanterie-Bataillone und 2 Batterien der Unseren, 4 feindlichen Infanterie-, 2 Cavallerie-Regimentern und 4 Geschützbatterien gegenüber. Der Feind war demnach mindestens doppelt so stark. Ueber den Ausgang dieses blutigen, beiderseits mit der größten Tapferkeit geführten Kampfes, der bei dem Rückzuge der Oesterreicher mit einem hartnäckigen Straßenkampfe in Aschaffenburg endete, gibt Graf Erwin selbst ausführlichen Bericht in einem, zuerst in der „Allgemeinen Militär-Zeitung“ veröffentlichten Aufsatze: „Das Gefecht von Aschaffenburg“, der auch in der Zeitschrift „Der Kamerad“ 1867, Nr. 13, S. 111, abgedruckt ist. Derselbe bildet einen lehrreichen Beitrag zu den mancherlei Uebelständen, welche das Mißgeschick der österreichischen Armee im Jahre 1866 erklären, überdieß bildet diese Darstellung eine interessante, aber entscheidende Episode aus der Geschichte des Bruderkrieges 1866 überhaupt. Im Jahre 1867 wurde der Graf Commandant der 14. Division in Preßburg, in welcher Stellung sein Name im Februar und März 1868 anläßlich eines Balles viel genannt wurde, den der Preßburger Honvéd-Verein – ein humanitärer, die Unterstützung der hinterlassenen Witwen und Waisen Honvéds bezweckender Verein – veranstaltete, und zu dem derselbe den commandirenden Grafen Neipperg und das ihm unterstehende Officierscorps einlud. Zum Verständnisse der Sachlage sei bemerkt, daß die Honvéds, welche im Jahre 1848 die eigentliche Revolutionsarmee gebildet haben, nach dem im Jahre 1867 bewerkstelligten Ausgleiche mit Ungarn von Sr. Majestät dem Kaiser in Gnaden aufgenommen und daß der Kampf der Honvéds gegen die Existenz und Einheit des Reichs und der Dynastie vergeben und vergessen worden. Das erhabene Beispiel des Monarchen, der neben Soldatentugenden auch Regentenpflichten üben muß, findet insbesondere unter den erwähnten Umständen nicht immer und so leicht Nachahmung. Als demnach die Honvéd-Deputation vor dem Grafen Neipperg erschien, um ihm ihre Einladung zu dem Balle vorzutragen, [157] empfing sie der Graf mit einer Ansprache, die nach einer kurzen politischen Einleitung etwa in folgenden Worten gipfelte: „er erkenne zwar den Honvéd-Verein als ein gesetzlich constituirtes untadelhaftes Humanitäts-Institut, allein, er wisse ganz bestimmt, daß die Honvéds solche Zwecke verfolgen, denen er als kaiserlicher Officier fern bleiben müsse. Er wisse bestimmt, daß die Honvéds dahin trachten, die kaiserlich österreichische Armee eher heute als morgen über die Grenze zu bringen, daß sie Denkmäler einer traurigen Vergangenheit errichten und an der Geschichte der ruhmvollen österreichischen Armee mäkeln; ferner daß an der Einheit der kaiserlichen Armee, die den Gesammtstaat nach außen allein zu schützen im Stande war und ist und die Ruhe nach innen allein garantirt, nicht gerüttelt werden dürfe. Nach alldem sei es ihm leid, den Herren erklären zu müssen, daß er ihre Einladung zu dem beabsichtigten Balle ablehne und auch nicht gestatten könne, wie er es auch bei Gelegenheit der jüngst stattgehabten Theatervorstellung gethan, daß die Officiere der hiesigen (Preßburger) Garnison an dem Balle theilnehmen“. Diese Erklärung des Generals Grafen Neipperg wurde selbstverständlich von der Deputation des Honvéd-Vereins nicht so ohne weiteres entgegengenommen. Den Schluß der Geschichte sollte ein Duell bilden. Bereits war die Abrede zu einem solchen zwischen dem Grafen und dem Vorstande des Honvéd-Vereins, Herrn Udvárnoky, getroffen, selbst schon die Secundanten waren gewählt, nämlich General-Major Bertlin und Oberst Vlasits als jene des Grafen Neipperg, Joseph Baron Vay und Graf Bethlen als jene seines Gegners, aber durch Intervenirung des Grafen Wenkheim und, wie es damals verlautete, im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers wurde die Sache im gütlichen Wege ausgeglichen. Feldmarschall-Lieutenant Graf Neipperg wurde aber alsbald von seinem Preßburger Divisionscommando abberufen; am 27. Februar 1869 hat der Graf nach Feldzeugmeister Hartung provisorisch das Generalcommando in Wien übernommen. Der Graf Erwin ist gegenwärtig das Haupt des Grafenhauses Neipperg und, da der älteste in der Familie württembergischer Standesherr, ist er als solcher Mitglied der Kammer der Standesherrn in Württemberg. Graf Erwin ist zweimal vermält, zuerst (seit 19. April 1845) mit Henriette gebornen Gräfin von Waldstein-Wartenberg (geb. 23. December 1823, gest. 18. Juli 1845), zum anderen Male (seit 25. August 1852) mit Rosa gebornen Prinzessin von Lobkowitz (geb. 13. Juni 1832), Sternkreuz-Ordens- und Palastdame Ihrer Majestät der Kaiserin Elisabeth von Oesterreich. Nur aus der zweiten Ehe sind Kinder vorhanden: Graf Reinhard (geb. 30. Juli 1856), Gräfin M. Anna Bertha (geb. 7. August 1857) und Gräfin M. Hedwig Sidonie (geb. 22. Juli 1858).

Der Kamerad (Wiener Soldatenblatt, 4°.) 1867, Nr. 13, S. 111: „Das Gefecht von Aschaffenburg“. – Neues Wiener Tagblatt 1868, Nr. 45: „Graf Neipperg“ Nr. 46: „Zur Neipperg-Affaire“ – Neue freie Presse (Wiener polit. Journal) 1868, Nr. 1236: „Ein Refus“; Nr. 1240: „Politik und Disciplicin eines Generals“, und Nr. 1245: „Affaire Neipperg“. – Fremden-Blatt von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1868, Nr. 45 u. 46: „Zur Duell-Affaire Graf Neipperg“. – Porträt. Facsimile des Namenszuges: Erwin Graf Neipperg, k. k. Oberst. Gabriel Decker (lith.) (Wien 1854, gedr. bei Höfelich’s Witwe, Halb-Fol.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wilhelm Reinhard.