BLKÖ:Neipperg, Wilhelm Reinhard Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 20 (1869), ab Seite: 159. (Quelle) | |||
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Eberhard Friedrich’s Freiherrn von Neipperg [s. d. S. 154, Nr. 2] aus dessen Ehe mit Margarethe Lucretia von Hornberg. Gleich seinem Vater, der kaiserlicher Feldzeugmeister war, trat auch Wilhelm Reinhard 1702 in kaiserliche Dienste. Im Jahre 1717 war er bereits Oberst eines Infanterie-Regiments, zeichnete sich im Türkenkriege der Temesvár und Belgrad aus, ward 1723 General-Major und Erzieher des Herzogs Franz Stephan von Lothringen, nachmaligen Kaisers Franz I., und später dessen vertrauter Freund. Im Jahre 1730 kam er als Commandant nach Luxemburg, 1733 machte er als Feldmarschall-Lieutenant den Krieg in Italien mit, wo er Mirandola entsetzte; wurde 1735 Feldzeugmeister und im Jahre 1737 nach Abberufung Hamilton’s aus dem Banate Gouverneur von Temesvár. Im Banate wurden bereits alle Vorbereitungen zu einem neuen Kampfe mit den Türken getroffen, da Kaiser Karl VI. mit Rußland eine Offensiv- und Defensiv-Allianz geschlossen, welcher zufolge er denn im Kriege Rußlands gegen die Türkei mitthätig auftreten mußte. Im April 1738 waren die Türken schon zu Felde und bedrohten das Banat. Der Feldzug, der Anfangs österreichischer Seits mit Glück geführt wurde, nahm allmälig eine nachtheilige Wendung, und mit der Schlacht von Krozka (22. Juli 1739) den unglücklichsten Ausgang. Durch die hirnlosen Dispositionen des Grafen Wallis, der den Beistand des-Grafen Neipperg entschieden zurückwies, ging diese Schlacht, eine der blutigsten, die je geschlagen worden, verloren. Der Kampf hatte vom frühen Morgen bis zum Sonnenuntergange gedauert, das kaiserliche Heer zählte 5722 Todte und 4536 Verwundete. Ein paar glückliche Erfolge der kaiserlichen Waffen vor Pancsowa (29. Juli), die Antwort der Festung Belgrad auf die Aufforderung des Großveziers, sich zu ergeben (30. Juli), welche in Kanonenschüssen gegeben wurde, vermochten doch nicht den schimpflichen Belgrader Friedensschluß aufzuhalten, der aber durch des Grafen Neipperg Voreiligkeit zu Stande kam. Indem nämlich noch keine bestimmten Aufträge, den Frieden zu unterhandeln, wohl aber die ausgedehntesten Vollmachten gegeben waren, begab sich der Graf, durch die entmuthigendsten Berichte über die Unmöglichkeit, Belgrad länger zu halten, irregeführt, in’s Lager des Großveziers, wo er von Seite dieses übermüthigen Siegers die roheste Behandlung erfahren mußte. Zudem unterschlug Graf Wallis, aus Haß gegen Neipperg, alle ferneren, für Neipperg bestimmten Nachrichten und Weisungen. So sich selbst überlassen, ganz in des [160] Großveziers Gewalt, von dem französischen Gesandten Villeneufve, der aus dem Schimpfe der kaiserlichen Waffen nur Vortheil ziehen mußte, überredet und irregemacht, vereinbarte Neipperg am 1. September 1730 die höchst unerbaulichen Präliminarien, vermöge deren der Pforte Belgrad und Szabats mit Schleifung der neuen Festungswerke, dazu Serbien, die ganze österreichische Walachei, die Insel und Festung Orsova und die Elisabethschanze zuerkannt wurde, und 17 Tage darauf schloß er unter Frankreichs Gewährleistung nach dem Inhalte der Präliminarien den förmlichen Friedensvertrag auf 27 Jahre. Schweren Herzens unterzeichnete der Kaiser am 2. October den schimpflichen Frieden und erklärte in einem Circularschreiben an seine Gesandten bei den auswärtigen Höfen: „Graf Neipperg habe seine Vollmacht überschritten, sich ohne kaiserlichen Befehl und ohne Anfrage in’s türkische Lager begeben. Er als Kaiser habe von der Friedensunterhandlung nicht eher etwas erfahren, als bis die Präliminarien schon berichtigt gewesen und sei durch die übereilte Vollziehung derselben ganz außer Stand gesetzt worden, dasjenige, was seine Diener wider die ihnen ertheilte Vollmacht zugestanden hätten, zu mißbilligen.“ Graf Wallis, aber auch Graf Neipperg wurden in Folge dieses für Oesterreichs Waffenehre so schimpflichen Staatsactes verhaftet. Neipperg kam auf die Festung nach Brünn, wo er einige Zeit seine Strafe abbüßte, wurde aber bald nach des Kaisers Tode aus der Haft entlassen und wieder in volle Gnaden ausgenommen. Als König Friedrich von Preußen den Krieg gegen die Kaiserin Maria Theresia begonnen hatte, wurde Graf Neipperg 1741 mit dem Obercommando der in Schlesien aufgestellten Armee betraut. Der damals junge König hatte das von Truppen völlig entblößte Schlesien reich besetzt, während Neipperg erst von allen Seiten der Monarchie seine Armee sammeln mußte. Mit dieser rückte er in den ersten Tagen des Aprils vor, in der Absicht, die Preußen in ihren Winterquartieren zu überfallen. Da aber die darauf abzielenden Bewegungen nicht rasch genug ausfielen, errieth Friedrich die Absicht derselben, und um dem ihm drohenden Schlage zuvorzukommen, sammelte er seine Truppen und beschloß, selbst anzugreifen. Am 10. April 1741 um 2 Uhr Nachmittags erfolgte dieser Angriff bei Mollwitz. Die Oesterreicher zählten kaum 20.000 Mann und waren den Preußen an Cavallerie überlegen. Hingegen war die preußische Infanterie und Artillerie an Zahl und Güte weit voraus. Feldmarschall-Lieutenant Römer, der die österreichische Cavallerie befehligte und den Aufmarsch unserer Infanterie deckte, welche von dem Geschütze der Preußen ungemein litt, griff mit dem größten Ungestüm den Flügel der Preußen an und warf ihn. Friedrich, die Schlacht bereits verloren gebend, floh vom Schlachtfelde und Feldmarschall Schwerin übernahm den Oberbefehl des preußischen Heeres. Da unternahm Römer mit seiner Cavallerie einen Angriff auf das zweite Treffen der Preußen, dieser aber scheiterte an der eisernen Ausdauer der von Leopold von Anhalt-Dessau befehligten Truppen. Die österreichische Cavallerie hatte furchtbar unter dem kleinen Gewehrfeuer der preußischen Infanterie gelitten. Römer fiel zu Tode getroffen und seine Reiter eilten durch die preußischen Linien auf den rechten Flügel Neipperg’s, da griff Schwerin mit seinem Fußvolke das [161] österreichische Fußvolk an, und hier bewies der eiserne Ladstock sein Uebergewicht. Ein neuer Angriff unserer, nun von Berlichingen geführten Cavallerie auf die Cavallerie des preußischen linken Flügels war auch mißlungen. Eine allgemeine Vorrückung der Preußen mit dem Bajonnete entschied den Sieg. Graf Neipperg mußte um 7 Uhr Abends den Rückzug befehlen, der in ziemlicher Ordnung vollzogen wurde. Die Oesterreicher zählten an Todten, Verwundeten und Vermißten 4410, die Preußen 4612 Mann weniger in ihren Reihen. Die ersteren hatten überdieß 1735 Pferde und 6 Kanonen verloren. Unter den Todten waren die Feldmarschall-Lieutenants Römer und Göldlin, verwundet waren ferner die Feldmarschall-Lieutenants Browne, Grünne nebst 5 General-Majors. Von preußischer Seite waren der Feldmarschall Schwerin, die Generale Markowich, Kleist und Markgraf Karl verwundet. Neipperg zog sich nun mit seiner Armee nach Mähren zurück. Uebrigens darf dieses Mißgeschick Neipperg’s bei Mollwitz ihm nicht zu sehr zur Last gelegt werden. Friedrich II., in dieser Hinsicht ein gewiß beachtenswerther Gewährsmann, sprach ungeachtet seines Sieges immer mit der größten Achtung von dem Grafen Neipperg, ja mit größerer Achtung als von Browne und Daun. Er gesteht selbst zu, daß seine Erfolge von 1741 nicht die Schuld Neipperg’s gewesen, sondern „daß die Weiber in Breslau viel zu viel Diplomatie getrieben“. Neipperg habe unter solchen Umständen als Feldherr mehr als man von ihm erwarten konnte, ja er habe Wunder gewirkt, und die hölzernen Ladstöcke der österreichischen Infanterie hätten bei Mollwitz, selbst wenn er sie flugs in eiserne verwandelt hätte, wenig zur Aenderung des Resultates beigetragen. Im Jahre 1742 wurde Graf N. abberufen. Noch wohnte er im Jahre 1743 der Schlacht bei Dettingen bei, bald darauf aber ging er nach Wien, wo er im Jahre 1753 commandirender General in Oesterreich wurde, im Jahre 1754 den Kaiser Franz in’s Lager von Kollin begleitete und im folgenden Jahre Hofkriegsrath-Präsident wurde. Im Jahre 1774 starb der Graf im hohen Alter von 90 Jahren. Der Graf war mit Maria Franziska Theresia Gräfin Khevenhüller vermält, aus welcher Ehe ein Sohn Graf Leopold Johann Nepomuk [s. d. S. 157] und eine Tochter Maria Wilhelmine Josepha, nachmalige Johann Adam Joseph Fürst Auersperg [s. d. S. 154, in den Quellen, Nr. 6], besonders bemerkenswerth sind.
Neipperg, Wilhelm Reinhard Graf (k. k. Feldmarschall und Ritter des goldenen Vließes, geb. 27. Mai 1684, gest. 26. Mai 1774). Ein Sohn- Arneth (Alfred Ritter von), Maria Theresia’s erste Regierungsjahre (Wien 1864, Braumüller, 8°.) Bd. I, S. 10, 11, 50, 51, 75, 93, 138, 139, 149, 150, 152, 158–162, 164, 167 bis 169, 214–216, 218, 232, 246, 308, 323, 331 bis 334, 336–340, 344, 349, 363, 382, 386. – Der Kamerad (Wiener Soldatenblatt, 4°.) 1865, Nr. 22, im Aufsatze: „Zur Geschichte des österreichischen Heerwesens“. – Großes vollständiges (sogenanntes Zedler’sches) Universal-Lexikon (Halle und Leipzig, (Joh. H. Zedler, kl. Fol.) Bd. XXIV. Sp. 300. – Oesterreichisches Archiv für Geschichte u. s. w. Herausgegeben von Ridler[WS 1] (Fortsetzung des Hormayr’schen, Wien, 4°.) Jahrg. 1833, S. 169, in den geschichtlichen Erinnerungen; S. 172. in den Miscellen. – Reilly (Franz Joh. Jos. v.), Skizzirte Biographien der berühmtesten Feldherren Oesterreichs von Maximilian I. bis auf Franz II. (Wien 1818, Kunst- und Industrie-Comptoir, kl. 4°.) S. 264.– Der Tempel des Nachruhms, oder Sammlung kurzverfaßter Lebensgeschichten großer ausgezeichneter Militärpersonen u. s. w. (Wien 1797, J. G. Binz, 8°.) Bd. I, S. 114. – Neue militärische Zeitschrift (Wien, 8°.) 1818, Bd. IV, Heft 12, S. 401: „Schreiben [162] Maria Theresia’s und Franz Stephan’s an Neipperg nach der Schlacht von Mollwitz“. – Schwicker (Joh. Heinr.), Geschichte des Temeser Banates (Groß-Becskerek 1861, Fr. P. Bettelheim, 8°.) S. 332–347. – Minerva. Journal histor. polit. Inhalts, herausg. von v. Archenholz (Berlin und Hamburg. 8°.) Jahrg. 1810, Bd. I: „Zwei noch ungedruckte Briefe Friedrich’s II. an Leopold v. Dessau“. – Militärisches Wochenblatt, herausgegeben unter der Redaction des königl. Generalstabes (Berlin), Jahrg. 1825, Nr. 471. – Oesterreichische militärische Zeitschrift (8°.) Jahrgang 1813, Band 3. – Hoyer’s Neues militärisches Magazin historischen und scientifischen Inhalts (Leipzig), III. Bd. 6. Stück. – Neue Bellona ... herausgegeben von v. Porbeck (Leipzig), Bd. X. [Diese vier letztgenannten Zeitschriften in den Artikeln über die Schlacht von Mollwitz.] – Schlosser (F. C), Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts und des neunzehnten bis zum Sturze des französischen Kaiserreichs (Heidelberg 1836 u. f., J. C. B. Mohr, 8°.) Bd. I, S. 407, 410; Bd. II, S. 22, 34. – Ranfft, Genealogischer Archivar, Bd. IV, S. 288; Bd. VIII, S. 335 ; Bd. XI, S. 230 ; III. Supplem. (1734), S. 709; Bd. XVII, S. 181, 193; Bd. XX, S. 475; IV. Suppl. (1735), S. 53; Bd. XXXII, S. 182, 192; Bd. XXXV, S. 488; Bd. XL, S. 941; Bd. XLIV, S. 263; Bd. XLIX, S. 746.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Riedel.