BLKÖ:Schmid, Hermann

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 30 (1875), ab Seite: 262. (Quelle)
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52. Schmid, Hermann, auch Hermann Theodor (Dichter und Schriftsteller, geb. zu Waizenkirchen in Oberösterreich am 30. März 1815). Sein Vater bekleidete zur Zeit von S.’s Geburt die Stelle eines Gerichts-Assessors im damaligen Innviertel und lebte zu Waizenkirchen. Die Mutter Constanze geborne Stöger starb, erst 21 Jahre alt, an einem Brustleiden. Hermann genoß eine sehr sorgfältige Erziehung, und obgleich die Mutter früh hinwegstarb, pflanzte sie doch, wie unsere Quelle berichtet, dem Knaben den ersten Keim alles Schönen und Edlen in die zarte Seele. Nach beendetem Gymnasialstudium bezog S. die Münchener Hochschule. Sein Vater war zuletzt zum Rathe bei dem Ober-Appellationsgerichte in München befördert worden. Den Sohn zog Talent und Neigung mehr zur Pflege der schönen Wissenschaften hin, aber der Wille des Vaters, der auf einem ernsten Berufsstudium bestand, fiel entscheidend in’s Gewicht, S. vollendete die Rechte und wurde Doctor. Nach einer mehrjährigen Praxis an verschiedenen Gerichten wurde er im Jahre 1843 Actuar bei dem Polizeigerichte in München. Diese, dem Dichter selbst wenig zusagende Stelle, in welche er eintrat, da eben im Augenblicke keine andere erledigt war, verdankte er dem Könige Ludwig I., dessen Neigung für talentvolle Schöngeister bekannt ist, und der, nachdem er ein Werk Schmid’s, sein Trauerspiel „Camoens“, bei der ersten Aufführung auf der Münchener Hofbühne kennen gelernt, dem angehenden Poeten den Aufenthalt in München zur weiteren Ausbildung ermöglichen wollte. In seiner amtlichen Laufbahn nach und nach zum Stadtgerichts-Assessor vorgerückt, wurde S. im Jahre 1850, in welchem man eben wieder vollkommen zu sich gekommen war und nun Zeit gefunden hatte, auch über Jene, so 1848 in ihrem Verhalten nicht ganz correct geblieben, zu Gericht zu sitzen, in den Ruhestand versetzt, denn S. hatte sich in den Jahren 1848 und 1849 politisch und religiös mißliebig gemacht. „Ich bin nicht der Einzige“, äußerte der Dichter selbst gegen einen seiner Besucher, „den die Achtundvierziger-Fluth gehoben und seitab geführt hat. Man hat mich aus der richterlichen Laufbahn herausgerissen und im besten Mannesalter (33 Jahre) in Ruhestand versetzt, aber ich ließ darum die Flügel nicht hängen, sondern gedachte die unfreiwillig erlangte Muße zu nützen, und so ist, was vielleicht arg gemeint war, mir doch zum Guten geworden. Jeder Mensch hat seine Sturm- und Drangperiode, die meine hat mich Besonnensein und Arbeiten gelehrt.“ In der ersten Zeit lebte S. nicht ausschließlich seiner Muse, der er sich erst später, nachdem sein Name in der Erzählerwelt bald zu den beliebtesten gehörte, ganz [263] zuwendete; er arbeitete mehrere Jahre bei einem Anwalte, und nur die Stunden, die sein Beruf ihm übrig ließ, widmete er dem dichterischen Schaffen jener reizenden Naturschilderungen und plastischen Charaktere mitten aus dem Volksleben heraus, die Jeden, der noch Sinn für mit Wahrheit verbundene Schönheit besitzt, so ungemein fesseln und anregen. Auch S. trat nicht, wie die Minerva, mit Schild, Helm und Speer gepanzert aus Jupiter’s Kopf, mit Anerkennung, Dichterruhm und einem gefeierten Namen fertig mitten in das Publicum. „Ich habe mit meinen Erzählungen“, bemerkt er selbst, „hübsch lange feil gehalten, bis sich ein Abnehmer fand. Edmund Höfer in seinen Stuttgarter „Hausblättern“ war der Erste, der es mit meinem „Greis“ und „Unverhofft“ wagte. Darauf kam mir die Einladung zum Eintritte in die „Gartenlaube“, und mit der „Huberbäuerin“ war auf einmal und unvermuthet das Eis gebrochen. Der „Gartenlaube“ verdanke ich meinen Namen und meine Popularität.“ So der Dichter selbst. Doch sind es wohl zunächst das ausgezeichnete Erzählertalent, der waldfrische, kernige Geist, der durch alle Arbeiten S.’s weht und die Kunst mit einer Plastik ohne Gleichen die Charaktere des bayerischen und Tiroler Gebirges zu gestalten, die sich in jeder neuen Arbeit des Dichters immer wieder und vollendeter offenbaren, welche demselben den verdienten Erfolg bereitet haben. Seither lebt S. immer in München, seit mehreren Jahren in der fernsten Vorstadt der Residenz, in Giesing jenseits der Isar, wo er in einer anmuthigen, selbstgeschaffenen Häuslichkeit im Kreise der Seinigen, die zu seiner poetischen Welt die liebliche irdische bilden, schaffet und arbeitet. Schmid hat bisher folgende Werke veröffentlicht: „Das Schwalberl. Ein Bauernroman aus dem oberbayerischen Gebirge“ (München 1861); – „Alte und neue Geschichten aus Bayern“ (ebd. 1861); – „Der Kanzler von Tirol. Geschichtlicher Roman“. 3 Bde. (1862); – „Mein Eden. Eine Münchener Geschichte aus den Zeiten Karl Theodor’s“ (ebd. 1862); – „Im Morgenroth. Eine Münchener Geschichte aus der Zeit Max Joseph’s III.“, 2 Bde. (Berlin 1864); – „Die Mordweihnacht, oder der Jägerwirth von München. Eine Erzählung aus den Zeiten Max Emanuel’s“ (München 1864); – „Almenrausch und Edelweiss. Erzählung aus dem bayerischen Hochgebirge“ (Berlin 1864), wohl dieselbe, welche ein Jahr früher in der „Gartenlaube“ erschienen ist; – „Bayerische Geschichten aus Dorf und Stadt“, 2 Bde. (Berlin 1864); – „Friede! und Oswald. Roman aus der Tiroler Geschichte“, 3 Bde. (ebd. 1866), vorher in Otto Janke’s „Roman-Zeitung“; – „Sanct Barthelmä. Dorfgeschichte aus alter Zeit“ (Augsburg 1868); – „Mütze und Krone. Roman“. 5 Bde. (Leipzig 1869). Außerdem erschienen seine „Gesammelten Schriften“ in 19 Bänden in einer Volks- und Familienausgabe (Leipzig 1867–1869, 8°.) Seine lieblichsten Volksgeschichten aus den bayerischen und Tiroler Bergen brachte aber die Leipziger „Gartenlaube“, und zwar: „Die Huberbäuerin (1860); – „Das Bombardement von Schärding“ (1861, S. 721); – „Der Holzgraf. Eine oberbayerische Geschichte§ (ebd., S. 417); – „Blut und Blut“ (1862, S. 625); – „Almenrausch und Edelweiß“ (1863, S. 161); – „Der Kranz am Marterl“ (1864, S. 1); – „Der Dorfcaplan“ (1865, S. 705); – „Der bayerische Hiesel“ (1865, S. 177); – „Der Dommeister von Regensburg. Geschichtliche Erzählung“ (1866, S. 505); – „Die Brautschau. Ein Bild aus den [264] oberbayerischen Bergen“ (1867, S. 1); – „Der Habermeister. Ein Volksbild“ (1867, S. 577); – „Süden und Norden. Eine bayerische Dorfgeschichte aus dem Jahre 1866“ (1868, S. 577); – „Die Gasselbuben. Eine Geschichte aus den bayerischen Vorbergen“ (1869, S. 723); – „Der Bergwirth“ (1870, S. 353): – „Die Zuwiderwurzen“ (1871, S. 121). – „Der Loder“ (1873, S. 349); – „Die Geschichte vom Spötterl“ (1874, S. 635). Aber nicht blos im Gebiete des Romans, wenngleich er demselben seinen Dichterruf und seine Volksthümlichkeit zunächst verdankt, auch auf dramatischem Gebiete war S. vielfach thätig, und einem Trauerspiele, dem „Camoens“, verdankt er eben, daß er nicht in ein Landstädtchen verschlagen wurde, wie es Hippolyt Schaufert [Bd. XXIX, S. 129] geschah. Mit seinen Dramen trat er auch zeitlicher auf, da er seine „Dramatischen Schriften“, 2 Bde. (Leipzig 1853, Arnold, 8°.), erscheinen ließ, welche neben erwähntem „Camoens“ noch: „Bratislav“, Trauerspiel in 5 Aufzügen; „Raphael“, dramatisches Gedicht in 1 Aufz.; – „Christoph der Kämpfer“, Schauspiel in 5 Aufz.; – „Straßburg“ Trauerspiel in 5 Aufz., und „Der Theuerdank“, romantisches Lustspiel in 3 Aufz., enthalten. Aber ungleich mehr, als gedruckt erschienen sind, hat S. gedichtet und mehrere davon sind auf verschiedenen Bühnen mit Erfolg gegeben worden. Von S.’s dramatischen Arbeiten sind mir noch bekannt: „Karl Stuart I.“, Trauerspiel in 5 Acten; – „Thassilo“; – „Ludwig im Bart“; – „Münchnerkindeln“; – „Columbus“. Vieles mag der Dichter noch im Pulte liegen haben. In den letzteren Jahren, als man die Errichtung eines „Volkstheaters“ in München plante und zur Ausführung brachte, trat S. als Dramaturg und Director dem Unternehmen bei, um eine Enttäuschung mehr, an die er nicht erinnert sein will, zu erleben. Als Roman- und Dramendichter hat S. den Kreis seines Schaffens vollkommen und in einer den Besten seiner Zeit ebenbürtigen Weise ausgefüllt. Er selbst ist sich seines Dichterberufes völlig bewußt, indem er sagt: „Für meinen Theil schwebt es mir als Aufgabe vor, in meinen Geschichten und Romanen ein Stück schöner Lebenskunst zu geben, zumal auf Grund und Boden und auf der Geschichte meines engeren Vaterlandes, das mir am nächsten liegt, weil ich es am besten kenne; ist ja unser Volksleben in Gegenwart und Vergangenheit wohl eigenthümlich, und bedeutend genug, um unter allen Verhältnissen einen würdigen Stoff zu geben. Ich habe mich lange mit dem Gedanken getragen, die Geschichte Bayerns in einer zusammenhängenden Reihe von Erzählungen und Dramen dichterisch zu gestalten – der Tod des Königs Maximilian, der sich mit einem ähnlichen Plane trug, hat das wohl zu nichte gemacht – aber, was schon dasteht, die Dramen: „Thassilo“, „Christoph der Kämpfer“, „Ludwig im Bart“, Münchnerkindeln“, sowie die Erzählungen: „Der Jägerwirth“, „Morgenroth“, „Mein Eden“, mag mindestens als ehrenwerthe Bruchstücke dessen gelten, was ich gewollt. Ich darf wohl sagen, ich habe sie mit dem Herzen geschrieben und in ihnen niedergelegt, was ich dem Volke, dem ganzen deutschen Volke wünsche an Freiheit in Staat und Leben, an Licht und Feuer im Gemüthe, an Wissen und Bildung in Aufklärung und Vernichtung der Vorurtheile.“ Die Gestalten, welche Schmid in seinen Geschichten auftreten läßt, sind sämmtlich dem Leben entnommen, und die Scenen, die [265] er uns schildert, schildert er so anschaulich und dabei so frisch, so poetisch schön, daß es uns wundert, daß noch kein Verleger auf den Gedanken kam, eine illustrirte Ausgabe von Schmid’s Geschichten zu veranstalten. Welche Fülle von Stoffen für einen Maler! Und was bei S. besonders betont werden muß, ist die sittliche Reinheit, mit welcher er seinen schriftstellerischen Arbeiten den Stempel edler Gesinnung aufdrückt. In all’ den zahlreichen Schöpfungen seiner Muse findet sich kein Wort, das auch das zarteste Gemüth beleidigen könnte. Wir denken, einen solchen Hauptvorzug eines Schriftstellers sollte ein unparteiischer katholischer Literarhistoriker doch auch nicht unerwähnt lassen! [s. d. Quelle].

Welser Anzeiger (Welser Localblatt) 1870, Nr. 13, im Feuilleton: „Zur Erinnerung an einen Landsmann“, mitgetheilt von A. Seibert. – Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt (Leipzig, Ernst Keil, 4°.) XV. Jahrg. (1867), S. 506: „Ein Erzähler der Gartenlaube“. – Ueber Land und Meer. Allgemeine illustrirte Zeitung (Stuttgart, Ed. Hallberger, kl. Fol.) 1864, Nr. 5, S. 76. – Kehrein (Jos.), Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im 19. Jahrhunderte (Zürch, Stuttgart, Würzburg, 1870, L. Wörl, gr. 4°.) Bd. II, S. 103. – Kurz (Heinrich), Geschichte der deutschen Literatur mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller (Leipzig 1872, B. G. Teubner, schm. 4°.) Bd. IV: Von Goethe’s Tode bis auf die neueste Zeit. S. 4 a, 501 a, 509 b, 511 b, 513 au. b, 519 b, 521 b, 658 b, 666 b, 667 a, 679 a, 689 b. [Schmid hat bei beiden Literaturhistorikern, die seiner gedenken, wenig Glück. Beide wissen über sein Leben gar nichts. Bei Kehrein hat er es überdieß mit dem Roman „Im Morgenroth“ vollends verschüttet, „denn so poetisch der Titel klingt“, schreibt Kehrein, „seine Bedeutung löst sich höchst prosaisch dahin auf, daß jenes „Morgenroth“ den Uebergang von der finsteren Nacht des katholischen Glaubens zu dem hellen Tage der ungläubigen Aufklärung bildet. Damit ist die Tendenz dieses Romans sattsam gekennzeichnet, und sein künstlerischer Werth mag ebenfalls genug angedeutet sein, wenn wir bemerken, daß die Ausmalung gewisser Scenen und die sentimental-romantische Sprache der Helden uns unaufhörlich an die historischen Romane der unerreichbaren Fabrikantin Louise Mühlbach erinnerte!“ Da ist doch der gewissenhafte Kritiker mit dem römischen Katholiken, der ja um jeden Preis einen Schlag, der sitzen bliebe, versetzen wollte, durchgegangen. Hermann Schmid und Louise Mühlbach!! So steht’s gedruckt. – Heinrich Kurz behandelt Schmid, den er übrigens in zwei Personen, in den Romandichter Hermann Schmid und in den dramatischen Dichter Hermann Theodor Schmid spaltet, glimpflicher. Nur gegen die Nebeneinanderstellung Schmid’s und Breier’s muß im Namen des Ersteren Protest erhoben werden, denn während aus jeder Zeile des Ersteren der gründlich durch und durch wissenschaftlich gebildete, künstlerisch gestaltende Poet durchblickt, ist Letzterer nichts mehr und nichts weniger als ein praktischer Autodidakt, der sein ungebildetes Lesepublicum mit Klößen tractirt, die gut geschmorrt, aber für jeden feinen Magen geradezu unverdaulich sind. Und daß Breier je künstlerisch gestalten wollte, ja könne, den Gedanken – nun den wagt er selbst nicht zu denken.] – Porträte. 1) Holzschnitt. Müller sc., aus der xyl. Anst. v. W. Aarland in der „Gartenlaube“ 1867, S. 508[WS 1]; – 2) nach einer Photographie von Greth aus E.(duard) H.(allberger)’s xylogr. Anstalt in „Ueber Land und Meer“ 1865, S. 76.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 509