Bajulus, Podestà, Consules

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Autor: Hans von Kap-herr
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Titel: Bajulus, Podestà, Consules
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 5 (1891), S. 21–69.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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[21]
Bajulus, Podestà, Consules.
Von
Hans von Kap-herr.


Die hier veröffentlichte Untersuchung ist vor sechs Jahren geschrieben worden. Sie zeigt, dass die Normannische Verfassung in Unteritalien die Grundsätze der Byzantinischen Provincialverfassung beibehalten hat, welche hier vor der Normannischen Herrschaft in Gültigkeit waren. Sie weist sodann nach, dass Friedrich I. bei seinem Versuche einer Italienischen Staatsgründung sich den Normannischen Staat zum Vorbild genommen hat, und zeigt schliesslich, dass auch die Consulatsverfassung von den Einrichtungen der Süditalienischen Byzantinischen Städte ihren Ursprung genommen hat.

Als ich diese Abhandlung schrieb, stand ich unter dem Banne des von Brunner und Sohm in die Wissenschaft eingeführten Receptionsgedankens. Mir ist die Stunde noch in lebhafter Erinnerung, da Sohm in seinem Colleg über Deutsche Rechtsgeschichte an die Brunner’schen Forschungen anknüpfend die Gedanken entwickelte, welche er in seinen „Prolegomena zur Deutschen Rechtsgeschichte“ ausgeführt hat[1]. Fränkisches und Römisches Recht sind die beiden Weltrechte, welche sich um ihr Herrschaftsgebiet streiten. Das Recht der Salischen Franken wird von Frankreich nach Deutschland, nach Italien und nach England getragen; das Römische Privatrecht, welches sich in Italien zunächst dem Fränkischen Rechte gebeugt hatte, gewinnt hier mit dem 12. Jahrhundert an Boden und nimmt im 16. und [22] 17. Jahrhundert im ganzen Abendlande den Kampf mit dem Fränkischen Rechte auf[2], in Italien und Deutschland siegt das Römische Recht, Frankreich und England wissen sich gegen den fremden Eindringling zu schützen und tragen ihr einheimisches Recht in die Neue Welt[3].

Dagegen bleibt auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts das Fränkische Recht unbestrittener Sieger. Die Verfassung der Franken wird die Verfassung des Französischen und Deutschen Königreichs. Durch die Normannen wird sie nach England getragen. Auch nach Italien wird sie durch die Franken und speciell nach Süditalien durch die Normannen verpflanzt.

Hier hat Brünneck[4] den Siegeszug der Fränkischen Verfassung zu verfolgen versucht; er meint, Sicilien sei nach Fränkischem Vorbild in Grafschaften getheilt gewesen[5], die justiciarii itinerantes, welche Brunner als Nachfolger der Fränkischen missi dominici auffasst, findet er in Sicilien wieder. Auch darin erblickt Brünneck[6] eine Uebereinstimmung der Französisch-Normannischen und der Sicilischen Rechtsentwicklung, dass sich in Sicilien, ähnlich wie in der Normandie, die Umwandlung des Vicecomitats in das Amt des Bailli vollzogen habe. Brünneck spricht sich nicht darüber aus, ob er hier auch an eine Reception von Frankreich denkt. Ebenso, wie in Frankreich, so meint er, sei in Sicilien „mit der Concentration und Steigerung der Staatsgewalt das Bedürfniss hervorgetreten, an Stelle der in Feudalherren umgewandelten vicecomites, Baillis, Amtleute im eigentlichen Sinne des Wortes“, einzusetzen.

Aehnlich hatte sich auch Brunner[7] über den Ursprung des Bailliamts ausgesprochen; die Einsetzung von Baillis wird als eines von den Mitteln betrachtet, durch welche es dem Französischen Königthum gelungen ist, den Feudalismus zu brechen[8]. [23] Die herrschende Ansicht lässt den modernen Staat in continuirlicher Folge aus dem mittelalterlichen Staate hervorgehen; der Uebergang vollzieht sich gleichsam im Rahmen des geltenden Fränkischen Rechts: aus dem Rechte der Salischen Bauern wird ein Recht, welches den Bedürfnissen städtischer Cultur, auf die sich das moderne Leben gründet, zu genügen vermag.

Diese letzte Anwendung des Receptionsgedankens hat mir von vornherein nicht eingeleuchtet. Sie widersprach meiner Vorstellung von dem Zusammenhang der Verfassung eines Volkes mit seiner Cultur. Die Formen des öffentlichen und privaten Rechts, meinte ich, seien abhängig davon, wie das Volk lebt, vor allem davon, wie es die einfachsten Bedürfnisse befriedigt, also, wie es geniesst und wie es arbeitet, um zu geniessen. Da schien es mir nun nicht wahrscheinlich, dass ein Kleid, welches dem Bauern und dem Lehnsherrn gepasst hat, nun auch dem Handwerker und dem Kaufmann gepasst haben sollte. Der Städter braucht einen neuen Rock aus anderem Tuche als der Bauer, dem sein Leinenkittel genügt, und auch das ritterliche Wams wird ihm nicht zusagen.

In dieser Vorstellung wurde ich durch Schmoller bestärkt. Da ich mich damals für die Frage nach dem Ursprung der Deutschen Stadtverfassung interessirte, gab mir Schmoller die Anregung, dem nachzuforschen, wann und wie das feudale Beamtenthum in den Deutschen Städten durch Beamte mit Geldbesoldung ersetzt worden sei. Schmoller mochte wohl der Ansicht sein, dass sich auf den Gegensatz von Nationalwirthschaft und Geldwirthschaft der entscheidende Umschwung zurückführen lasse, der den mittelalterlichen Bauernstaat von dem modernen Staate trennt.

Indem ich diesen Gedanken mit dem Receptionsgedanken combinirte, schloss ich, dass der moderne Staat ein passenderes Vorbild in dem antiken geldwirthschaftlich organisirten Staatswesen gefunden haben möchte, als in dem feudalen Staate des Mittelalters. Wenn das moderne Leben in Kunst und Wissenschaft, wenn es in dem Privatrecht an die Ueberlieferung der Antike anknüpft, sollte sich nicht auch auf staatlichem Gebiete eine Periode der Renaissance nachweisen lassen?

Als ich nun in einer Chronik von Bari den Griechischen Strategen als bajulus bezeichnet fand, glaubte ich die Brücke [24] gefunden zu haben, die von dem Staate des Alterthums zu dem Staate der Neuzeit hinüberfuhrt.

So entstand die vorliegende Arbeit.

Weitere Ermittelungen ergaben dann, dass sich der Bailli in Spanien und Frankreich, in England, ja sogar in Deutschland und in Polen nachweisen lässt, und zwar so, dass aus dem Vorkommen des Namens bajulus in verschiedenen Ländern auf eine Uebertragung von Verfassungsinstitutionen nicht zu schliessen ist.

Bajulus ist ein vulgär-lateinisches Wort, es bedeutet den Pfleger, bajula ist die Amme, die das Kind pflegt, bajulus auch der Erzieher der Kinder und der Vormund, dann weiterhin derjenige, dem ein Auftrag zur pflegsamen Ausführung anvertraut wird, z. B. der Briefträger, der Dienstmann, schliesslich derjenige, dem ein Land oder Volk zu Schutz und Pflege anvertraut wird, der Landpfleger. Bajulus entspricht dem in Deutschen Quellen üblichen Vogt, es wird ebenso wie dieses Wort sowohl für das persönliche Verhältniss des Vormunds zum Mündel, als zur Bezeichnung des Beamten in seinem Verhältniss zu dem seiner Pflege (bajulia) anvertrauten Volke, als auch zur Bezeichnung eines obersten Schutzherrn verwendet. In diesen Bedeutungen lässt sich das Wort in Italien, Spanien, Frankreich und England, und zwar schon in frühen Documenten nachweisen, die die Möglichkeit einer Uebertragung des Sprachgebrauchs ausschliessen.

Bei diesen Forschungen traten sehr verschiedenartige Formen der Amtstechnik zu Tage: Collegialität der Beamten, jährlicher Wechsel, kurze Amtsdauer, Anstellung auf Lebenszeit, Pacht des Amtes und feste Besoldung, die Bestimmung, dass der Beamte nicht aus dem Orte stammen durfte, da er seines Amtes waltete, und wiederum die entgegengesetzte Bestimmung kehrte zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten wieder; und zwar so, dass eine Uebertragung ausgeschlossen schien. Wiederum solche Erscheinungen der Amtstechnik, welche man geneigt ist für specifisch feudal zu halten: Erblichkeit des Amtes, Besoldung durch einen Antheil aus dem Ertrage des Amtes fanden sich zu Zeiten entwickelter Geldwirthschaft.

Die Voraussetzung, dass es ein Amtsrecht für die Periode der Geldwirthschaft und ein anderes für die Periode der Naturalwirthschaft gibt, hat sich nicht bestätigt. Auch unter der Herrschaft [25] der Geldwirthschaft kommt eine Gewinnbetheiligung der Beamten, eine Besoldung durch Tantièmen vor, auch hier kann sich der Beamte die ihm ursprünglich amtsweise anvertrauten Rechte und Einkünfte zu eigener Verfügung und zu erblichem Besitz erwerben.

Es erwies sich, dass die Hilfsmittel der herrschenden historischen Methode zur Lösung des Problems nicht ausreichten.

Die Methode, welche sich zur Feststellung historischer Thatsachen bewährt hat, genügt nicht zum Verständniss derselben. Es kommt nicht bloss darauf an, Thatsachen chronologisch einzureihen, man muss verwandte Thatsachen vergleichen, und zwar aus verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern. Die Geschichtschreibung muss die systematische Methode neben der historischen anwenden, wie die Naturgeschichte die historische Methode neben der systematischen verwendet hat, um zu Gesetzen zu gelangen. Denn historische Gesetze gibt es trotz alledem, und es lohnt sich keine historische Forschung, es hat auch keine historische Forschung gegeben, welche nicht bewusst oder unbewusst Gesetze gesucht hat.

Die Deutsche Verfassungsgeschichte hat das Gesetz der Entwicklung Deutscher Verfassung in der Eigenthümlichkeit Deutschen Geistes gesehen: sie ist beherrscht von dem nationalen Gedanken, sie sucht in der Deutschen staatlichen Vergangenheit die Manifestation Deutschen Geistes.

Diese Auffassung ist nun meines Erachtens nicht berechtigt. In der vergleichenden Betrachtung der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung der Europäischen Culturnationen tritt die Gleichartigkeit der Institutionen und ihrer Geschichte deutlich zu Tage – und zwar eine Gleichartigkeit, die sich nicht etwa auf eine gemeinsame Germanische Wurzel zurückführen lässt, oder auf Entfaltung gemeingermanischer Rechtsgedanken. Sie findet sich auch dort, wo nachweislich Germanisches Recht keine Rolle gespielt hat. Dieselben Institutionen lassen sich auch in dem Altrömischen Rechtsleben nachweisen. Aber auch auf die Reste Römischen Lebens, welche sich im Mittelalter erhalten haben, lässt sie sich nicht zurückführen: wir finden analoge Institutionen im Skandinavischen Norden wieder. Die Uebereinstimmung in der Geschichte der Institutionen ergibt sich aus der Gleichartigkeit der culturgeschichtlichen Entwicklung. Nationale Gegensätze [26] spielen hier zweifellos eine Rolle, aber keineswegs die entscheidende. Ein Volk wird durch die Cultur erzogen, die Cultur bildet sich den nationalen Charakter, viel mehr als dass der nationale Charakter die Cultur und die aus der Cultur erwachsenden socialen Bildungen bestimmt. Der Volkscharakter spielt gleichsam die Rolle des Metalls, aus dem das Kunstwerk des socialen Baues geschmiedet wird.

Ein culturgeschichtlicher Umschwung bedingt nun unzweifelhaft die verfassungsgeschichtliche Entwicklung, deren erste Phasen hier gezeichnet sind. Durch den Uebergang von Naturalwirthschaft zu Geldwirthschaft wird er nicht ausreichend charakterisirt. Neben dem Geld spielt die Schrift und das Rechnen die entscheidende Rolle. Der Germanische Laienstaat, der sich auf die uncontrolirte Treupflicht seiner Beamten verlassen musste, verschaffte sich in Geld, Schrift und Rechenkunst die Hilfsmittel der Controle seiner Beamten, die ihm bisher gefehlt hatte.

Es sind dies Hilfsmittel städtischer Cultur, die er sich mit dem Aufblühen städtischen Lebens zu eigen machte – auch ohne Nachahmung eines fremden Vorbildes – auch ohne Reception. Aber allerdings hat die Nachahmung eines fremden Musters die Entwicklung gefördert und modificirt: sie gibt zwar nicht den entscheidenden, aber einen mitbestimmenden Factor in der Entwicklung der Dinge.

Wie die heutige, specifisch so genannte sociale Frage in England, Deutschland, Frankreich und Amerika jeweilig verschieden auftritt, und doch im Wesen dieselbe ist, so ist es auch dieselbe sociale Bewegung, welche in den verschiedenen Staaten Europas den Feudalstaat des Mittelalters gestürzt hat. Und wie heute die Stände verschiedener Staaten, und die Staaten selbst ihre Einrichtungen gleichsam zur Vereinfachung des Verfahrens nachahmen, so geschah es auch im Mittelalter. Eine viel grössere Rolle, als die Reception staatlicher Einrichtungen hat die Reception städtischer Verfassung und städtischen Privatrechts von Stadt zu Stadt, von Land zu Land gespielt: die sociale Frage, welche damals die Völker bewegte, war zugleich eine Frage der Organisation staatlicher Arbeit und der Organisation wirthschaftlicher privater Arbeit. Ihre Lösung fand sie hier wie dort in einer Aenderung der Verhältnisse von Capital und Arbeit, hier [27] in einer Neuordnung der Staats- und Gemeindeverfassung, dort in einer Neuordnung privaten Rechts.

Die Geschichte dieser socialen Bewegung lässt sich vorläufig noch nicht schreiben, aber als eine Vorarbeit mag die vorliegende Arbeit dienlich sein.


I. Bajulus und Strategus.

In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts schien es, als ob die Reste Griechischer Herrschaft in Unteritalien, welche sich in den Kämpfen mit den Langobarden behauptet hatten, dem Vordringen der Araber und der Franken erliegen sollten. Die Araber hatten seit 827 in Sicilien Fuss gefasst und die Insel allmählich erobert, im Jahre 840 war auch in Apulien eine Arabische Herrschaft aufgerichtet worden: jetzt vermochten die Griechen nur noch einige Städte zu behaupten. Als dann Kaiser Ludwig II. die Arabische Herrschaft in Apulien vernichtete, fand er Unterstützung durch eine Byzantinische Flotte; aber sogleich nach der Eroberung von Bari erwachte die Griechische Eifersucht und verbündete sich mit dem Verrath der Langobarden gegen die Fränkische Vorherrschaft. Die Griechen verstanden es, sich die Erfolge der Franken zu nutze zu machen, im December 876 wurde Bari für die Griechen gewonnen, und von dort aus drangen sie erobernd vor, bis sie die beiden südlichen Halbinseln Italiens unterworfen hatten. Diese wurden seitdem als die Provinzen (Themata) Langobardien und Calabrien von Griechischen Statthaltern verwaltet.

Der Griechische Feldherr, welcher im Jahre 876 Bari einnahm, und später Apulien als Statthalter verwaltete, wird bajulus genannt. Lupus Protospatharius[9] schreibt: Intraverunt Graeci in Baro – – – Gregorius stratico, qui et bajulus dicebatur. Erchempertus[10] erwähnt ihn zu dem Jahr 877 als bajulus imperialis Grecorum. Denselben Gregorius können wir auch urkundlich nachweisen. Im Jahr 885[11] nennt er sich primicerius imperialis protospatharius et bajulus. Die Urkunde stammt aus dem Register des Petrus Diaconus; sie ist gleichzeitige officielle [28] Uebersetzung des Griechischen Originals, wie alle in dem Register enthaltenen Urkunden, die aus dem Griechischen Unteritalien stammen[12].

Im Jahre 888 wird in einer Chronik von Monte Cassino[13] ein „Constantinus augustorum balivus“ erwähnt.

Im 10. Jahrhundert trat an die Stelle des Strategen der kaiserlichen Provinz Langobardien der Katapan von Italien[14]: auch dieser wird als bajulus bezeichnet. Der Katapan Basilius schreibt[15]: „haec civitas per multos annos destructa a nobis bajulis [statt bajulo[16]] domino imperatoris restaurata est – – – ita nos bajuli [statt bajulus] domini imperatoris divisimus – – –“. Neben dem Katapan fungirt als Zeuge in der Urkunde ein „Leo de Maralda bajulus domini imperatoris“. Wenn nach Lupus [29] bajulus ein anderer Ausdruck für στρατηγός ist, so werden wir nicht fehl gehen, wenn wir in Leo de Maralda den Strategen der Byzantinischen Provinz Calabrien erblicken[17]. Beide sind Statthalter des Kaisers: bajuli domini imperatoris. Das Wort bajulus fand gleichermassen auf den Katapan von Italien (= Langobardien[18]) und auf den Strategen von Calabrien Anwendung.

Ebenso sind in der Normannischen Verfassung Stratege, Bajulus und Katapan gleichbedeutende Ausdrücke für dasselbe Amt.

In einer Urkunde vom Jahre 1126[19] verspricht Herzog Wilhelm von Apulien (der Sohn von Herzog Roger) dem Abte von Monte Cassino: quod nullus straticotus vel balivus aliquis das Castell betreten solle, welches er dem Kloster schenkt. König Roger verpflichtet sich in der Stadt Trani keinen straticotus vel balivus einzusetzen[20], der nicht die Rechte der Traneser halten werde. Im Jahre 1172 gibt Gaufridus Syracusae stratigotus Rechenschaft de bajulia sua[21]. Eine Urkunde von 1223[22] beginnt: στρατηγεύοντος κὰμον Μαρτίνου καὶ Ἀνδρέου; in der Unterschrift stehen die Strategen als: Martinus tunc bajulus und Andreas de Paganoto tunc bajulus. Auf der Rückseite der Urkunde steht: τὸ ἀπδικτικὸν τοῦ στρατηγοῦ κθε.

Den Normannischen Bailli-Strategen finden wir hie und da auch als Katapan bezeichnet. Aus Oletta haben wir Urkunden aus den Jahren 1163, 1164, 1170 und 1178; abwechselnd nennt sich der Bailli Stratege und Katapan.

1163. Temporibus piissimi domini nostri regis Guglielmi et strategi Olettae magistri Basilii ferrarii filii presbiteri Nicolai Capelli[23].

[30] 1164. Temporibus piissimi domini nostri regis Guglielmi et catapani Olettae Lupini Pappacarbune[24].

Im Jahre 1170 war Basilius, welcher das Amt schon 1163 bekleidet hatte, wieder Stratege geworden: eine Urkunde wird unterschrieben: Temporibus piissimi domini nostri Comitis Orrici et strategi Olettae magistri Basilii filii presbyteri Nicolai de Capello[25].

Im Jahre 1178 wird eine Urkunde ausgestellt: temporibus comitissae nostrae Adelasiae et catapani civitatis Olettae Guglielmi filii Nicolai Thepenti[26].

Die Stadt Noha hatte im Jahre 1118 einen Strategen[27], im Jahre 1175 nannte er sich Katapan[28]. Der letztere Titel ist in Normannischen Urkunden viel seltener als der Titel Stratege, ich finde ihn in Unteritalien ausser in Noha und Oletta nur noch in Croton[29], Acherontia[30], Cesina[31] und Brindisi[32].

Der Stratege kommt in den frühesten Normannischen Urkunden vor: Urkunde Robert Guiscard’s a. 1082: Regii Neapolitani archivii monumenta V p. 100; Herzog Roger a. 1086: Del Giudice, Codice diplomatico del re Carlo d’Angio app. p. XXV; a. 1087: Di Meo, Annali critico-diplomatici del regno di Napoli VIII p. 289; a. 1088: Ughelli, Italia sacra VIII p. 450; Urkunde Sichelgaita’s, der Gemahlin Robert Guiscard’s a. 1089: Pirro, Sicilia sacra I p. 75; Graf Roger a. 1090: Cusa p. 385; a. 1099: Pirro II p. 1003.

Selten finden wir in den älteren Urkunden den Titel bajulus. [31] Ich kann ihn zuerst in einer Urkunde Robert’s, Grafen von Loritelli, a. 1100 nachweisen[33]. Im Jahre 1117 nennt sich der Consul Leo von Fundi: dei gratia bajulus Fundanae civitatis[34]; es folgt dann die schon erwähnte Urkunde Herzog Wilhelm’s von 1126[35], und eine Urkunde König Roger’s von 1133[36]. Häufiger wird der Titel erst seit König Roger[37]: in den Normannischen Gesetzen[38] findet sich nur der Ausdruck bajulus.

Der Name des Normannischen Amtmanns ist aus der Byzantinischen Verfassung entlehnt: es gilt jetzt zu untersuchen, wie weit das Wesen des Byzantinischen Amtes den Normannen als Vorbild gedient hat.


II. Byzantinische Provinzialverfassung.

Nach der neuesten Darstellung der „Geschichte des Griechisch-Römischen Rechts“[39] scheint die Byzantinische Verfassung von den Grundsätzen moderner Staatsverwaltung nicht weit entfernt gewesen zu sein. Zachariae findet in dem Griechischen Reich, wie es sich mit der Einführung der Themenverfassung gestaltet hatte, ein ausgebildetes System von Fachbeamten, eine dreifache Eintheilung des Reiches nach den Bedürfnissen der Heeres-, Gerichts- und Steuerverwaltung[40].

Die ältere Römische Verfassung hatte eine solche scharfe Scheidung der Competenzen ihrer Beamten nicht gekannt: das imperium als eine zeitweilige Uebertragung der Souveränität des Volkes umfasste die ganze Regierungsgewalt. Dieses Princip wurde im Allgemeinen auch in der Kaiserzeit aufrecht erhalten[41]. Diocletian und Constantin hatten eine Abtrennung der Militärgewalt [32] versucht, Justinian hatte sie im Orient grossentheils wieder beseitigt, aber für die neuerworbenen westlichen Provinzen beibehalten. Zur Zeit des Kaisers Heraklius wurde nun eine Neueintheilung des Reiches nach Themen (θέματα) vorgenommen; jeder dieser militärischen Districte, so meint Zachariae[42], wurde unter einen militärischen Befehlshaber, den Strategen, gestellt. Das neue Thema umfasste meistens mehrere der alten Provinzen (ἐπαρχίαι), welche für Gerichts- und Verwaltungszwecke unter den κρίται bestehen blieben, während den finanziellen Abtheilungen (ἐπισκέφεις) verschiedenartige Beamte, insbesondere πράκτορες vorstanden.

Diese ganze Auffassung ist verfehlt, es lässt sich in der Byzantinischen Verfassung keine principielle Abweichung von dem System Justinian’s nachweisen.

Zachariae[43] wundert sich selbst, dass in der Notitia des Philotheus[44], welche die kaiserlichen Beamten dem Range nach aufzählt, die Verwaltungs- und Gerichtsbeamten der Provinzen gänzlich fehlen. Der Stratege nimmt einen hohen Rang ein, aber es fehlt der κρίτης und auch der πράκτωρ[45], und doch werden die κρίται τῶν ἐπαρχίων und die πράκτορες häufig genug in den Gesetzen der Byzantinischen Kaiser erwähnt.

Die Basiliken reproduciren im sechsten Buche[46] den grössten Theil der Justinianeischen Provinzialgesetzgebung. Zachariae wird dies begreiflich finden; da die alte Eintheilung in Eparchien für Gerichts- und Verwaltungszwecke nach seiner Meinung erhalten wurde, konnten auch die alten Gesetze bestehen bleiben. Aber die Basiliken erneuern auch diejenigen Gesetze Justinian’s, welche für einzelne Orientalische Provinzen eine Vereinigung der Militär- und Civilgewalt anordnen[47]. Diese Provinzen werden ἐπαρχίαι genannt, ihr Vorsteher πραίτωρ: er vereinigt nicht nur Militär- [33] und Gerichtsgewalt, auch die Erhebung der Steuern gehört zu seinen Pflichten[48]. Nun hat der Verfasser der Basiliken mit der dem Byzantiner eigenen Zähigkeit in dem Festhalten veralteter Ansprüche auch solche Gesetze reproducirt, welche sich auf Provinzen bezogen, die zur Zeit Kaiser Leo’s schon verloren waren, aber dies gilt nicht von allen: in der notitia des Philotheus, welche auch aus der Zeit Kaiser Leo’s stammt, werden die Statthalter von Cappadocien, Armenien, Thracien und Paphlagonien als Strategen erwähnt[49]. Sollten diese verschieden sein von den Prätoren der Basiliken, welche Militär- und Civilverwaltung der Provinzen vereinigten? Schon in einer Novelle Justinian’s, welche in die Basiliken aufgenommen ist, wird bemerkt, dass der Prätor Paphlagoniens auf Griechisch στρατηγός genannt wurde[50]; der Griechische Name hatte seit der Zeit Justinian’s den Lateinischen aus der Geschäftssprache verdrängt[51]; in den Gesetzen, welche sich genau an die Justinianeischen anschlossen, blieb der alte Ausdruck bestehen; ebenso ist θέμα nur ein neuer Name für die alte Eparchie: dieselben Provinzen, welche bei Constantinus Porphyrogenitus als Themen erscheinen, sind in den Basiliken als Eparchien aufgeführt[52]. Das Thema der Insel Cypern wird auch bei Constantinus Porphyrogenitus ausdrücklich als Eparchie bezeichnet[53].

[34] Dass diese Provinzen nicht etwa als Ausnahmen zu betrachtet sind, beweist die Epanagoge legis Basilii et Leonis et Alexandri vom Jahre 886, welche allgemeine Bestimmungen über die Provinzialstatthalter gibt[54]. Der Titel VI περὶ ἁπλοῦς ἀρχόντων reproducirt im wesentlichen den Digestentitel de officio praesidis. Der Name ἄρχων bedeutet nach der Epanagoge καὶ στρατηγὸν καὶ ἀνθύπατον καὶ πάντας τοὺς ἐπαρχιῶν διοικητάς. An erster Stelle unter den ἄρχοντες der Eparchie wird also der Stratege genannt[55], der ἀνθύπατος ist nur durch den Titel von ihm verschieden: der Stratege ist der ἄρχων τῆς ἐπαρχίας, dessen Pflichten die Epanagoge und ausführlicher Basilika VI tit. 1[56] darlegen, er hat für gerechtes Gericht[57] und für pünktliche Steuerzahlung[58] zu sorgen.

Die Ausdrücke πράκτωρ und κρίτης sind nicht Titel von bestimmten Beamten, sondern bezeichnen höhere und niedere Beamte in ihren richterlichen und finanziellen Functionen[59][WS 1]. Die [35] Steuererhebung erfolgte auch in Byzantinischer Zeit durch die Statthalter und die städtischen Behörden auf Betrieb der von der Centralbehörde in die Provinzen geschickten Unterbehörden[60].


III. Die Reception der Byzantinischen Verfassung.

Die wichtigste Quelle für die Normannische Verfassungsgeschichte ist die Constitutio Sicula Friedrich’s II. In ihr sind mehrere Gesetze ausdrücklich den Normannischen Königen zugeschrieben; aber auch diejenigen, deren Fassung von Kaiser Friedrich herrührt, sind ihrem Inhalte nach theilweise auf ältere Gesetze zurückzuführen.

Eine Reihe von allgemeinen Bestimmungen, welche sich auf die Sicilischen Beamten beziehen, gelten auch für die Byzantinischen. Die Beamten Friedrich’s II. sind im allgemeinen besoldet[61], sie haben beim Antritt des Amtes einen Eid zu leisten[62], sie haben Ferien[63]; das Amtsjahr beginnt mit dem Griechischen Jahresanfang[64], ihr Amt wechselt jährlich[65]; während der Amtsdauer sind ihnen alle Geschäfte untersagt, sie dürfen vor allem keine Güter an dem Sitz ihres Amtes erwerben[66]; nach Ablauf des Amtsjahres sollen sie fünfzig Tage an dem Orte ihrer Thätigkeit bleiben[67], um sich wegen Klagen, die etwa gegen sie erhoben werden, zu verantworten.

[36] Alle diese Bestimmungen, von denen sich in Germanischen Gesetzen nichts findet, lassen sich in Byzantinischen Gesetzen nachweisen[68]; man kann sagen: die Amtstechnik der Sicilischen Verfassung ist der Amtstechnik des Römischen Kaiserreichs nachgebildet.

Aber der Beamte Friedrich’s II. ist nicht ohne Weiteres mit dem Beamten Robert Guiscard’s auf eine Stufe zu stellen. Es ist bekannt, dass in der Constitutio Sicula sehr viel Römisches Recht enthalten ist; sollte etwa Friedrich II. ebenso, wie er privatrechtliche Bestimmungen aus den Römischen Rechtsbüchern entlehnte, auch die Amtsverfassung Justinian’s sich zum Vorbild genommen haben? In einem Falle lässt sich die spätere Entlehnung einer Römisch-rechtlichen Bestimmung nachweisen. König Roger hatte auf Bestechlichkeit der Beamten Todesstrafe gesetzt[69] – sein Gesetz ist in die Constitutio aufgenommen –: Friedrich II. milderte die Härte dieser Satzung, indem er nach Römischem Vorbild die Strafe des Quadruplum einführte[70].

Es gilt, die einzelnen Beamten Friedrich’s II. in die Normannische Zeit zu verfolgen.


1. Bajulus.

Wir wissen, dass die Namen des Griechischen Statthalters bajulus, strategus und catapan auf den Normannischen Bailli übergegangen sind. Aber eine wesentliche Aenderung hat sogleich Robert Guiscard an dem Griechischen Amte vorgenommen, indem er aus dem Provinzialamt ein Stadtamt machte[71]. Der Bailli in der Constitutio Sicula ist der städtische Richter für Civilsachen und kleinere Criminalvergehen, zugleich ist er Finanzbeamter[72]. [37] Im Griechischen Text wird er durchweg durch πράκτωρ wiedergegeben[73], wie wir wissen: die Bezeichnung des Griechischen Beamten in seiner finanziellen Thätigkeit. Dieser Name rührt nicht von Friedrich II. her, er steht auch in denjenigen Gesetzen, welche ausdrücklich den Normannischen Königen zugeschrieben werden[74]. Auch findet sich πράκτωρ für bajulus schon in Normannischen Urkunden[75]; in einer bilinguen Urkunde der Königin Margarita werden die bajuli von St. Marcus durch πράκτορες τῆς χώρας ἁγίου Μάρκου wiedergegeben[76]. Auch in Staufischer Zeit kommt der Titel noch vor, vor König Roger lässt er sich nicht nachweisen.

Es liegt die grösste Schwierigkeit für Untersuchung Normannischer Verfassungsverhältnisse darin, dass die Beamten in den Gesetzen oft unter anderen Namen erscheinen, als in den Urkunden. Wahrscheinlich rührt diese Umänderung von König Roger her: als dieser die einzelnen Normannischen Reiche, deren Beamte mit sehr verschiedenen Namen benannt wurden, unter seiner Herrschaft vereinigte und nun zuerst allgemeine Bestimmungen für alle Beamten erliess, fand er es für gut, neue Namen einzuführen, damit jeder Gastalde, Vicegraf, Stratege und Emir wisse, dass die neuen Gesetze auch auf ihn Anwendung fänden; in den Urkunden blieben die alten Namen erhalten.

Bei dem Bailli mochte König Roger einen besonderen Grund haben, nach einem neuen Namen zu suchen, denn der Griechische Titel στρατηγός, der Name des Byzantinischen Feldherrn, entsprach nicht mehr dem Wesen des Amtes, seit dieses seine militärischen Functionen verloren hatte; der Normannische Bailli [38] ist im Gegensatz zu seinem Griechischen Vorbild durchweg Civilbeamter.

Als στρατηγοί werden in der Constitutio Sicula nur die Baillis von Messina und Salerno bezeichnet[77]; sie nehmen eine Ausnahmestellung unter den übrigen Baillis ein, da sie die volle Gerichtsbarkeit in ihrer Stadt ausüben. Die höhere Criminalgewalt ist zur Zeit Friedrich’s II. im allgemeinen in den Händen des Justiciarius[78], dessen Amt König Roger geschaffen hatte[79]. Nur Messina und Salerno (dazu noch Neapel) waren von der Gewalt der Justiciarii eximirt[80]; hier hatte der Stratege mit seinem alten Namen die volle Amtsgewalt, wie er sie vor der Reform König Roger’s geübt hatte, bewahrt. Den Bailli zur Zeit Robert Guiscard’s haben wir uns, wie den Griechischen Strategen, mit voller Gerichtsbarkeit zu denken.

Der Bailli erhält sein Amt entweder in credentiam oder in gabellam, d. h. er bezieht entweder jährlichen Gehalt oder er verwaltet die Gefälle des Amtes zu eigenem Nutzen und zahlt einen jährlichen Tribut (= gabella)[81]. Der Griechische Stratege war im allgemeinen besoldeter Beamter[82], aber die Strategen der westlichen Provinzen nahmen ihr Amt in Pacht[83]: für die Einkünfte [39] der Provinz entrichteten sie jährlich eine feste Geldzahlung nach Byzanz; zu ihnen gehörten auch die beiden Italienischen Strategen: sie verwalteten ihr Amt in gabellam.

Wie für die Griechischen Beamten überhaupt, so war auch für die Provinzialstatthalter jährlicher Amtswechsel die Regel[84]. Auch der Normannische Bailli verwaltete sein Amt regelmässig nur ein Jahr lang[85].

[40]
2. Judex, Vicecomes und Turmarcha.

Die Constitutio Sicula kennt zwei Arten von richterlichen Unterbeamten des Bailli, die sie theilweise als judices zusammenfasst, theilweise als judices et notarii unterscheidet[86]; die ersteren werden als judices de questionibus cognoscentes[87], oder als judices, qui causarum cognitionibus presint[88], die zweiten als judices, qui gesta conficiant[89] oder als notarii actorum bezeichnet[90]; beide sind besoldete Beamte[91], die judices wechseln jährlich, während die Notare auf Lebenszeit ernannt werden[92].

Dieselben Beamten finden wir in der Byzantinischen Verfassung, und zwar in denselben Functionen, wie sie das Gesetzbuch Friedrich’s II. beschreibt; der judex (κρίτης), der Nachfolger des Justinianeischen judex pedaneus[93], begegnet uns häufig in den Urkunden von Trani bei Geschäften der niederen Gerichtsbarkeit[94], er ist ein besoldeter, jährlich wechselnder Beamter[95], wie der judex, qui causarum cognitionibus presit, in der Constitutio Sicula; der Notar dagegen, ebenfalls ein besoldeter Beamter[96], bekleidet sein Amt auch schon in Byzantinischer Zeit auf Lebensdauer[97].

[41] Wenn wir bloss die Byzantinische und Staufische Gesetzgebung ins Auge fassen, scheint es, dass die unteren Gerichtsbeamten Siciliens als Nachfolger der Byzantinischen Beamten aufzufassen sind; um so auffallender ist es nun, dass wir in Normannischen Urkunden ganz andere Beamte in den Functionen der judices vorfinden. Hier begegnet uns der vicecomes in den Geschäften der niederen Gerichtsbarkeit[98], und zwar regelmässig als Unterbeamter des Bailli[99]. Der Titel kommt auch noch in Staufischer Zeit, wenn auch selten, vor. Friedrich II. richtet ein Schreiben an den Castellan, Vicecomes und Prätor (so hiess hier der Bailli) von Palermo[100], und auch noch im Stadtrecht von Palermo finden wir vicecomites als die niederen Richter der Stadt, welche Civilsachen, die einen bestimmten Werth nicht überschreiten, zu entscheiden haben[101]. Es liegt nahe, anzunehmen, dass der Titel vicecomes gleichsam nur als eine Erinnerung an [42] den alten Normannischen Beamtennamen auf den judex übergegangen ist, umsomehr da der neue Normannische vicecomes die feudalen Gewohnheiten seiner Französischen Heimath abgelegt hat, und nur ein Jahr im Amt bleibt, wie ein Byzantinischer Beamter[102].

Aber hier ergibt sich eine neue Schwierigkeit. Gleichbedeutend mit vicecomes scheint der Titel turmarcha gebraucht zu werden[103]. Der Turmarcha ist der dem Byzantinischen Strategen unterstellte militärische Befehlshaber[104]; wie kommt der Normannische Richter dazu, den Namen eines Griechischen Officiers anzunehmen?

Wir müssen einen Schritt in die Geschichte der Byzantinischen Provinzialverfassung zurückthun, um diese eigenthümliche Erscheinung zu erklären. Justinian hatte, wie wir wissen, in Italien ebenso, wie in Sicilien und Afrika die Militärgewalt von der Civilgewalt getrennt, dem Exarchen von Ravenna [43] waren in den Italienischen Provinzen duces, den duces tribuni unterstellt, während dem „praefectus praetorio per Italiam“ praesides oder judices provinciarum untergeordnet waren, welche wiederum in ihren Bezirken judices pedanei für die niedere Gerichtsbarkeit bestellten[105]. Nun hat aber die Trennung der militärischen und civilen Gewalt nicht lange Bestand gehabt; es scheint, dass die Officiere die Civilbeamten aus ihren Functionen verdrängt haben[106]. Schon in der Zeit Gregor’s des Grossen finden wir Tribunen in richterlichen Functionen[107]; da nun das militärische Amt des τουρμάρχης demjenigen des Justinianeischen tribunus entspricht, so mag es eine Erinnerung an die Vereinigung zweier ursprünglich getrennter Aemter sein, wenn wir in Byzantinischen Urkunden des 11. Jahrhunderts die Titel turmarcha et judex vereinigt finden[108]. Auch in Normannischen Urkunden findet sich der Doppeltitel turmarcha et judex[109], daneben auch vicecomes [44] et judex[110] und so kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dass der Normannische Turmarcha-Vicecomes dem Byzantinischen τουρμάρχης καὶ κρίτης entspricht.

Aber der doppelte Titel bezeichnete jetzt keinesfalls mehr die Vereinigung militärischer und civiler Amtsgewalt: ebensowenig wie beim Normannischen Bailli, lässt sich beim Normannischen Turmarcha eine militärische Stellung nachweisen. Neben dem Byzantinischen Turmarcha finden wir in den Urkunden noch mehrere κρίται erwähnt, die bloss diesen Titel führen[111], der Turmarcha ging ihnen, wenn auch nicht an Competenz, so doch jedenfalls an Rang und Ansehen[112] voran. Ebenso stehen dem Normannischen vicecomes mehrere judices zur Seite[113], die wohl nur dem Range nach von ihnen verschieden waren: so ängstlich schlossen sich die Normannen an die von ihnen vorgefundene Amtsorganisation an, dass sie den Titel eines Amtes beibehielten, nachdem sie dem Amte die Eigenschaften genommen hatten, welche in dem Titel zum Ausdruck kamen.

In der Constitutio Sicula suchen wir vergeblich nach Vicecomes und Turmarcha. Die späteren Gesetze Friedrich’s II. bestimmten, dass in einer Stadt nur ein Bailli zu ernennen sei, dem ein Judex als Assessor beigegeben werden sollte[114]; die älteren Gesetze gestatteten höchstens drei Baillis und drei Judices[115]. In der frühesten Normannischen Verfassung finden wir auch nur [45] einen Bailli in jeder Stadt[116], ihm waren aber ausser dem Vicecomes mehrere Judices unterstellt. Nachdem das Bailliamt durch die Reformen König Roger’s seine frühere Bedeutung eingebüsst hatte, mochte es zweckmässiger erscheinen in einer Stadt mehrere Baillis zu ernennen, denen jetzt je ein Judex beigegeben wurde[117]. So verschwand der Unterschied zwischen judex und vicecomes, der richterliche Unterbeamte des späteren Bailli mochte sich nach Belieben judex oder vicecomes nennen.


3. Topoteretes und Castellan.

Neben dem Turmarcha begegnet uns der Topoteretes am häufigsten in den Urkunden aus der Zeit der Byzantinischen Herrschaft. Für die Erkenntniss des Wesens des Amtes haben wir hier nur ein Zeugniss: der τοποτηρήτης Leo de Maralda unterschreibt sich in einer Urkunde als custos civitatis[118]. Aber dieses Zeugniss ist unzweideutig: Wächter der Stadt ist der Stadtcommandant, der Befehlshaber der Stadtbesatzung. Damit stimmt, was wir aus Byzantinischen Schriftstellern und Glossarien über das Amt erfahren. Wie das Thema in τοῦρμαι, war die τοῦρμα in τοποτηρησίαι oder βάνδα eingetheilt[119]; βάνδον bezeichnet ebenso wie θέμα und τοῦρμα sowohl eine militärische Abtheilung als einen ländlichen Bezirk, alte Glossen geben es durch κουστωδία wieder[120], κουστωδία ist die Mannschaft, welche das [46] Stadtgefängniss bewacht[121]: der τοποτηρήτης ist der custos civitatis.

Einem custos et munitor civitatis begegnen wir in einer frühen Normannischen Urkunde[122]; im Griechischen Text derselben wird der Titel durch φύλαξ übersetzt.

Den φύλαξ können wir nun auch in der Constitutio Sicula[123] nachweisen, als καστροφύλαξ steht er hier in einem Gesetze König Wilhelm’s; im Lateinischen Text wird er durch custos, meist aber durch castellanus wiedergegeben: er ist wie der Griechische Topoteretes Befehlshaber der Stadtbesatzung und Hüter des Gefängnisses.

Ein höherer Titel ist magister castrorum; als καστελλάνος und μαέστωρ καστέλλου, oder auch ἐκ τῆς ἄστεος, oder τῶν βουργίων, auch einfach μαέστωρ begegnet uns der τοποτηρήτης häufig in Normannischen Urkunden[124]; den Titel τοποτηρήτης kann ich dagegen erst in späten Staufischen Urkunden nachweisen[125]. Der alte Name war wahrscheinlich deswegen selten geworden, weil er in dem Sinne von Stellvertreter gebraucht wurde – der τοποτηρήτης galt als der städtische Vertreter des Strategen in seiner militärischen Eigenschaft; da nun der Normannische Castellan selbständig neben dem Strategen stand, mochte der Name nicht mehr der Bedeutung des Amtes entsprechen.

[47] Das Amt des Castellan wechselt jährlich[126], er ist ein besoldeter Beamter[127], die unter ihm dienenden servientes sind Soldaten.




Als ein Feind staatlicher Ordnung, als räuberischer Abenteurer, der die Kühe von des Nachbars Weide treibt, um sich nothdürftigen Unterhalt zu verschaffen, nicht wie ein Mann, der mit Sorgfalt und Bedacht ein Staatswesen zu begründen gedenkt, hatte Robert Guiscard seine kriegerische Laufbahn begonnen. Als dann seine Eroberung von Stadt zu Stadt allmählich vorgeschritten war, dachte er nicht an eine einheitliche Organisation des unterworfenen Gebietes[128]; die Städte seines Reiches sollten ihm dazu dienen, die Verdienste seiner Getreuen zu belohnen, oder ihm Mittel zu neuen Eroberungen zu liefern[129]; die alten Beamten mochten so lange in ihren Aemtern bleiben, als sie für pünktliche Zahlung der Tribute sorgten[130]. Bald aber fand er, dass er bei einer Verwaltung durch eigene Beamte seine Einkünfte bedeutend [48] erhöhen könne. Die Quellen charakterisiren diesen Uebergang durch den Bau einer Burg neben der Stadt, oder durch die Verlegung einer Normannischen Besatzung in die vorhandene Burg[131]; hier richtete sich der Castellan mit seinen Söldnern ein und gab den Befehlen und Forderungen des Strategen unten in der Stadt Nachdruck[132].

Die Unteritalienische Stadt stand jetzt in dem gleichen Verhältniss zu den Normannischen Fürsten, wie früher die Unteritalienische Provinz zu dem Byzantinischen Kaiser: wie der Kaiser seine Provinzen, so verpachtete der Herzog seine Städte. Die Verpachtung der Einkünfte, welche in Byzanz als ein Symptom des Verfalles der antiken Geldwirthschaft und der auf sie begründeten Staatsorganisation zu betrachten ist, erleichterte hier dem ersten modernen Staate den Uebergang zur Geldwirthschaft: [49] sie war die bequemste Form der Staatsverwaltung und entsprach am besten dem unruhigen Geiste der ersten Normannischen Fürsten. Die directe Besoldungsmethode, wie sie bei den unteren Beamten: Castellan, Turmarcha und Judex von vornherein bestanden hatte, wird sich erst allmählig mit der Consolidation des Reiches auf die oberen Beamten ausgedehnt haben. Friedrich II. hat sie für alle Baillis durchzuführen versucht[133], er beruft sich dabei ausdrücklich auf das providum et salubre consilium antiquorum, d. h. seiner Vorgänger im Römischen Reich, deren Willen er aus der ihm vorliegenden Gesetzessammlung kennen lernen konnte.

Allmählich verschwand der abenteuerliche Zug, welcher die Anfänge der Normannischen Staatsgründung charakterisirt hatte. Es kam eine Zeit, da der Abendländer mit Neid auf das halborientalische Reich blickte, in dem der Friede eine sichere Stätte hatte[134]. König Roger hatte die einzelnen Normannischen Herrschaften zu einem grossen Reiche vereinigt, die Städte, welche in verschiedenartigem Verhältniss zu der Krone standen, wurden in Provinzen geordnet und unter ein allgemeines Gesetz gebeugt. Schon begann der junge Normannische Staat, welcher die Elemente geldwirthschaftlicher Staatskunst bei den Griechen gelernt hatte, sich von seinem Vorbild zu emancipiren. Als König Roger das Amt des Camerarius und Justiciarius einführte, that er den ersten Schritt zur Ausbildung eines Systems von provinziellen Fachbeamten, wie sie der Byzantinische Staat nicht gekannt hatte; in der Verfassung Friedrich’s II. sind dann die Geschäfte, welche der Byzantinische Stratege in seiner Person vereinigt hatte, auf eine Reihe von Fachbeamten, den Justiciarius, Camerarius, Magister fundicariorum, Magister portulanorum, [50] Provisor castrorum und die Rationales vertheilt. Immerhin war auch hier das Byzantinische Beispiel von Bedeutung. Als König Roger das Amt des Justiciarius einführte, mochte er sich bewusst sein, dass er damit einen Ersatz für den Byzantinischen Provinzialstatthalter schaffte, und so war es natürlich, dass er allgemeine Vorschriften, wie er sie für diesen in der Justinianeischen Gesetzsammlung vorfand, auf den neuen Beamten bezog. Er verbot ihm z. B. sich einen Vicar zu bestellen[135]; dieselben Ermahnungen und Vorschriften, durch welche die Byzantinischen Kaiser die Integrität des Beamtenthums zu sichern versucht hatten, finden sich auch in den Sicilischen Gesetzen[136].

Neben den Byzantinischen wirkten Arabische Einflüsse auf die Gestaltung des Normannischen Staatswesens. Amari[137] hat bewiesen, dass die Normannen das Arabische Katasterwesen mit den Arabischen Beamten übernommen haben. Vielleicht wird sich die Normannische Provinzialeintheilung Siciliens, vielleicht auch manche Einrichtung im Zoll- und Steuerwesen auf Arabisches Vorbild zurückführen lassen; mag nun hier das Griechische oder das Arabische System überwiegenden Einfluss gehabt haben, beide gehen in letzter Linie auf die Ueberlieferung der antiken Cultur zurück. Sowie wir einige Schriften des Aristoteles zuerst aus Arabischen Uebersetzungen kennen gelernt haben, haben die Normannen in Sicilien antike Institutionen in Arabischem Gewande vorgefunden; das Katasterwesen, welches sie von den Arabern übernahmen, ist charakteristisch für dieses Verhältniss; gerade so, wie unter Normannischer Herrschaft Arabische Beamte die Kataster fortführten, sind zur Zeit der Arabischen Eroberung [51] Syriens die Griechischen Beamten so lange in ihren Aemtern geblieben, bis die Araber von ihnen die Kunst des Katasterwesens gelernt hatten[138].


IV. Der Podestà.

Wir haben bisher einen Namen des Normannischen Amtmanns, der uns schon unter mehrfacher Gestalt begegnet ist, ausser Acht gelassen. Gleichbedeutend mit στρατηγός, bajulus, πράκτωρ und καταπάν wird das Wort ἐξουσιαστής gebraucht. In bilinguen Urkunden finden wir bajulus durch ἐξουσιαστής wiedergegeben. So schon im Jahre 1154 in einer Urkunde König Wilhelm’s (Trinchera p. 202): Justiciariis et universis bajulis = κρίταις καὶ ἐξουσιασταῖς. In einer bilinguen Urkunde von 1171 (Cusa p. 421) wird bajulus einmal durch πράκτωρ und dann durch ἐξουσιαστής übersetzt; ebenso in einer Urkunde von 1180 (Cusa p. 489): Gioffredus universis bajulis = πᾶσι τοῖς ἐξουσιασταῖς. Auch für στρατηγός findet sich ἐξουσιαστής. In einer Urkunde von 1183 (Cusa p. 432) nennt sich der Amtmann von Centuripus bald στρατηγὸς κεντουρύπου, bald ἐξουσιαστὴς κεντουρύπου. Die beiden Strategen der Stadt unterschreiben der eine als ἐξουσιαστής, der andere als στρατηγός. Ebenso unterschreibt sich im Jahre 1198 der im Text als ἐξουσιαστής bezeichnete Amtmann von Nicotera als strategus Nicoterae (Trinchera p. 330). Umgekehrt Wilhelm von Palermo im Jahre 1244 (Trinchera p. 411) im Text als στρατηγῶν, in der Unterschrift als ἐξουσιαστής. In der schon früher erwähnten Urkunde von 1224 (Cusa p. 443), in welcher sich die Ausdrücke πράκτωρ, στρατηγός und bajulus gleichbedeutend gebraucht fanden, fehlt auch nicht der ἐξουσιαστής: ἡμεῖς δὲ οἱ ἀνωτέρως ῥίθεντες πράκτορες – –. ἡμεῖς δὲ οἱ ἐξουσιασταί.

Der Titel ἐξουσιαστής begegnet uns in den älteren Normannischen Urkunden, und zwar schon früh, gleichbedeutend mit στρατηγός; wenigstens ist doch wohl anzunehmen, dass der ἐξουσιαστής, den wir im Jahre 1116 in der Stadt Noha finden, mit dem στρατηγός, der uns zwei Jahre später in derselben Stadt begegnet (Trinchera p. 106 und p. 113) zu identificiren ist. Vielleicht hat das Wort ἐξουσιαστής, welches den Machthaber bezeichnet[139], [52] zunächst auf den Normannischen Beamten im Allgemeinen als den Träger der fürstlichen Gewalt[140] Anwendung gefunden, die Beschränkung auf den Bailli, als den wichtigsten der Normannischen Beamten, dürfte sich dann erst später ergeben haben. Die Fassung der ältesten Urkunden, in denen der Titel vorkommt, legt die allgemeinere Bedeutung nahe. Es sind dies die folgenden: Urkunde Herzog Roger’s a. 1091? 1106? (Trinchera p. 68). Urkunden des Grafen Roger a. 1094 (Cusa p. 390): βαρουνείοις, φυρωστέρης, στρατιγοῖς καὶ βεσκόμητας καὶ τοὺς κατὰ τὴν ἡμέραν ἐξουσιαστάς; a. 1097 (Trinchera p. 78): στρατηγῶν, υισκομητῶν, τουρμαρχῶν καὶ λίπων πάντων ἐξουσιαστῶν; a. 1101 (Cusa p. 395): ἐξουσιαστὰς στρατηγοὺς καὶ βεσκόμητας. Urkunden Adelasia’s (Cusa p. 402): ἐξουσιασταῖς, βεσκομήταις καὶ καίτες; a. 1110 (Spata, Pergamene greche p. 222): περὶ τῶν ἐξουσιαστῶν ἑμῶν καὶ φουρησταρίων καὶ βεσκόμητας; a. 1112 (Cusa p. 410) έξουσιαστάς, στρατιγούς καὶ βεσκόμητας; a. 1121 (Cusa p. 294): παρὰ τινὸς τῶν ἡμετέρων ἐξουσιαστῶν.

Der Titel ἐξουσιαστής findet sich nun auch in der Constitutio Sicula[141], aber hier auffallenderweise nicht für den bajulus, sondern für den potestas, den städtischen Beamten, dessen Wahl durch die Stadtgemeinden der Kaiser verbietet. Zugleich wird auch der Normannische ἐξουσιαστής in einer im Jahre 1235 angefertigten officiellen Uebersetzung einer Urkunde des Grafen [53] Roger von 1115 durch potestas wiedergegeben[142]. Berücksichtigen wir, dass im Jahre 1235 der Titel ἐξουσιαστής für den Bailli noch durchaus üblich war, dass er sogar in bilinguen Acten gleichbedeutend mit bajulus gesetzt wird, so werden wir schliessen müssen, dass der Uebersetzer der Urkunde sich bewusst war, einen vielleicht veralteten, aber doch nicht missverständlichen Ausdruck für den Normannischen Bailli gewählt zu haben. Potestas ist also nicht bloss die wörtliche und correcte, sondern auch die thatsächlich übliche Lateinische Uebersetzung des Griechischen ἐξουσιαστής. Wenn sich der Titel potestas für bajulus in den mir bekannten Normannischen Urkunden nicht nachweisen lässt[143], so ist zu berücksichtigen, dass ἐξουσιαστής vornehmlich in Sicilien vorkommt, wo nur sehr wenige Lateinische Originalurkunden erhalten sind.

Der ἐξουσιαστής der Constitutio Sicula ist der gewählte Präsident der Oberitalienischen Stadtrepubliken, der sich zuerst im Jahre 1135 in Bologna nachweisen lässt. Besteht irgend eine Gemeinschaft zwischen dem Normannischen ἐξουσιαστής und dem Oberitalienischen Podestà?

Wir haben gesehen, dass die Normannische Amtstechnik bis ins Einzelnste dem Römischen Vorbild nachgeahmt ist; ein Satz des Normannischen Staatsrechts scheint dagegen durchaus den Grundsätzen der Römischen Verwaltung zu widersprechen: Der Bailli sollte nach der Constitutio Sicula nicht aus der Stadt gebürtig sein, welcher er als Amtmann vorstand[144]. Gerade umgekehrt hatte Justinian in dem Gesetz, welches die Verwaltung Italiens ordnete, bestimmt, dass die judices provinciarum nur aus den Einheimischen genommen werden sollten; hierdurch glaubte er die Provinzialen am besten vor Erpressung und willkürlicher [54] Ausbeutung schützen zu können[145]. Die Normannen waren anderer Ansicht. Die Constitutio Sicula betrachtet es als eine Garantie für die Unbefangenheit des Richters, dass er der Stadt und der Provinz fremd sei, in der er sein Amt führt[146], und dieselbe Auffassung muss schon im Jahre 1139 in Trani massgebend gewesen sein, als die Bürger der Stadt sich von dem Sohne König Roger’s ausbedangen, dass der Bailli, den er über sie setzen wolle, nicht aus ihrer Gegend stamme[147]. Der gleiche Grundsatz gilt für das Amt des städtischen Podestà Oberitaliens, es ist charakteristisch für dasselbe, dass es stets von Fremden versehen wurde[148]. Eine ähnliche Erwägung, wie in der Constitutio Sicula, finden wir schon auf dem Roncalischen Reichstag Friedrich’s I. ausgesprochen. Ragewin[149] sagt, der Kaiser [55] habe zur Erledigung der zahlreichen ihm vorgetragenen Klagen Richter bestellt, welche nicht aus der Stadt waren, in welcher sie ihr Amt verwalteten, sondern entweder aus anderen Italienischen Städten, oder vom Hofe; denn, wenn ein Bürger über seine Mitbürger zu richten hätte, wäre zu befürchten, dass er sich von parteilicher Vorliebe oder Abneigung leiten liesse. Die Richter, welche der Kaiser einsetzte, wurden potestates oder bajuli genannt[150], aber den Grundsatz, welchen Ragewin als massgebend für die kaiserliche Verwaltung hinstellt[151], scheint Friedrich gegenüber dem Widerstreben der Städte nur theilweise geltend gemacht zu haben. Gerade in der Lombardei wurden die kaiserlichen Podestà aus den Bürgern der Stadt genommen[152].

Andere Eigenthümlichkeiten des Amtes des Podestà zeigen eine merkwürdige Uebereinstimmung mit der Römischen Amtstechnik. Der Podestà wechselt jährlich im Amte[153], wie der Byzantinische Stratege und der Normannische Bailli. Vor allen Dingen: er ist, wie diese, besoldeter Beamter[154]. Wir wissen, dass bei dem Byzantinischen Strategen sowohl als bei dem Normannischen [56] Bailli eine doppelte Besoldungsmethode üblich war, die Besoldung in credentiam und in gabellam: beide Formen lassen sich auch beim Podestà nachweisen; die Amtspacht nur beim kaiserlichen Podestà, und auch hier nur an einem Beispiel[155], öfters, wenn auch immerhin selten, bei den consules[156], welche der Kaiser in gleicher Stellung mit dem Podestà einzusetzen pflegte. Auch hier scheint der Kaiser mit den Massregeln, die er nach Normannischem Beispiel einzuführen gedachte, nicht durchgedrungen zu sein. In den Verträgen, welche Friedrich mit den ihm befreundeten Städten abzuschliessen pflegte, übergab er die Regalien gegen eine jährliche Geldzahlung der Stadtgemeinde und überliess ihr die Bestellung ihrer eigenen Beamten[157]. Im Frieden von Constanz wurde das Recht der Communen auf Wahl ihrer Beamten allgemein anerkannt. In diesem Falle haben wir uns die städtischen Podestà und consules als direct besoldete Beamte zu denken; auch die kaiserlichen Podestà, welche Otto IV. und Friedrich II. später einsetzten[158], erhielten eine jährliche Geldbesoldung.

Die charakteristischen Eigenschaften des Normannischen Bailli: jährlichen Amtswechsel, Geldbesoldung und Amtspacht finden wir bei dem Podestà wieder. Dazu kommt noch die eigenthümliche Bestimmung, nach welcher der Podestà nicht aus der Stadt gebürtig sein durfte, der er vorstand. Ich glaube, es kann nicht mehr zweifelhaft sein, dass der Oberitalienische Podestà dem Unteritalienischen Podestà nachgebildet ist, und so schliesslich auf das Römische Vorbild zurückgeht.

Schon früher ist einmal der Versuch gemacht worden, die Entstehung des Amtes des Podestà mit Römisch-rechtlichen Einflüssen in Verbindung zu bringen. Hegel[159] hat gemeint, der Podestà, der auch rector genannt wird, sei dem rector provinciae, welchen die gelehrten Bolognesen in den Pandecten beschrieben fanden, nachgebildet, da dem potestas ebenso, wie dem rector [57] provinciae, ein assessor beigegeben zu werden pflegte. Ficker[160] dagegen leugnet den Zusammenhang des Amtes des Assessors mit dem Amte des Podestà, er weist Assessoren schon früher in geistlichen Gerichten nach, und meint, dass zum wenigsten der Name hier zuerst im Anschluss an Römisch-rechtliche Studien Eingang gefunden habe. Vielleicht ist es aber nur Zufall, dass wir den Assessor zuerst im geistlichen Gericht nachweisen können, die Assessoren des Erzbischofs von Ravenna sind immerhin später als der erste Podestà in Bologna. Jedenfalls verdient es Beachtung, dass wir in der Constitutio Sicula dem Bailli geradeso einen Assessor beigesellt finden, wie dem Oberitalienischen Podestà[161].


V. Consules.

Für die Geschichte der städtischen Emancipation im 11. und 12. Jahrhundert lässt sich zweifellos ein Zusammenhang zwischen den revolutionären Vorgängen in den verschiedenen Ländern Europas wahrnehmen, ein Zusammenhang, wie er in analoger Weise bei den Staatsumwälzungen der neueren Zeit beobachtet ist. Es liegen überall der städtischen Bewegung die gleichen culturgeschichtlichen Voraussetzungen zu Grunde, aber in dem Fortschritt der Bewegung durch die Länder Europas möchte man meinen, dass der aufrührerische Geist ansteckend gewirkt habe; vor allem ist dem Beispiel einer fest ausgeprägten Verfassungsform auf die Nachbarstaaten eine verführerische Kraft zuzuschreiben.

Denn es war niemals leicht, Revolution zu machen, im Mittelalter so wenig als in der Neuzeit; den herrschenden Mächten, so sehr sie mit den Bedürfnissen der Zeit in Widerspruch gerathen sind, steht die mächtige Autorität der Vergangenheit zur Seite. Dieser gilt es eine neue Autorität in einer Verfassungsform entgegenzustellen, die sich anderwärts schon bewährt hat. Man kennt die Rolle, welche die Französische Verfassung von 1793 in dieser Richtung gespielt hat; eine ähnliche Rolle spielte in der städtischen Bewegung des Mittelalters die Consulatsverfassung in Italien, Südfrankreich und Deutschland.

Die neue Form schloss ein gemeinsames Band um die früher [58] vereinzelten Bestrebungen städtischer Emancipation, und wirkte zugleich anregend auf die Entwicklung des einheimischen Gemeinwesens. Aber sie konnte nur dort recipirt werden, wo die culturgeschichtliche Entwicklung für sie gereift war, und ihren Ursprung werden wir dort suchen, wo sich am frühesten die Bedürfnisse städtischen Lebens gezeigt haben.

Den Ursprung der Consulatsverfassung hat man nach den Forschungen Pavinsky’s in den Toscanischen Städten, speciell in Pisa gesucht. Früher als in Mittel- und Oberitalien ist in Venedig und in den Unteritalienischen Städten, in Neapel, Amalfi, Gaeta, in Bari und Trani der Handel zur Blüthe gekommen, und hier begegnen wir thatsächlich den ersten consules civitatis.

Ich citire eine Urkunde aus Siponto vom Jahre 1063[162]: In nomine Domini nostri Jesu Christi quarta anno regnante imperio domno Constantino Duca sanctissimo imperatore nostro mense Majo 2 indictione. Ideoque nos, quos nomina sumus Jaquinto filius Ursi, et Urso fili Cotungi judice, et Guisenolfus fili Guisenolfi, qui sumus Coñsis civitatis Sipontinae etc. Die Consuln bezeugen, dass Pandolfus vor seinem Tode sie berufen habe, um ihnen 50 Schritt fischbaren Wassers im Meer per fustem zu tradiren, mit der Bestimmung, dass sie der Abtei von Monte Cassino übergeben würden.

Die Urkunde ist unzweifelhaft echt. Die Daten sind correct, der in der Urkunde erwähnte Erzbischof Girardus lässt sich auch sonst nachweisen[163]; die grammatischen Fehler im Text entsprechen durchaus den Fehlern, wie wir sie auch sonst bei den Urkunden aus dem Griechischen Unteritalien antreffen.

In demselben Jahre erlassen die Consuln von Trani die als Ordinamenti di Trani bekannten handelsrechtlichen Gesetze. Sie sind uns nur in einer späten Italienischen Uebersetzung überliefert, bei welcher aber die alte Lateinische Ueberschrift und Datumszeile erhalten ist[164]. Die Ueberschrift lautet: Ordinamenta [59] et cousuetudo maris edita per consules civ. Trani. In der Datumszeile heissen die Gesetzgeber electi consules in arte di mare, im Text werden sie mehrfach als consules de mari bezeichnet.

Diese consules sind nicht identisch mit den consules der Italienischen Stadtrepubliken. In diesen finden wir mehrfach neben den „consules majores“ oder „consules de communi“ noch „consules de mari“ oder „consules mercatorum“ erwähnt, welche, von Kaufleuten gewählt, als Richter und Gesetzgeber in handelsrechtlichen Streitigkeiten auftreten, gerade so wie die consules de mari in Trani[165]. Es ist nun wohl der Rückschluss gestattet, dass auch die Consuln in Siponto und Trani nicht von der Gemeinde, sondern von den See- und Kaufleuten der Handelsstadt gewählt wurden; aber trotzdem ist das Byzantinische Meeresconsulat das Vorbild für das Italienische Stadtconsulat geworden. Der Beweis liegt in der Byzantinischen Amtstechnik des Italienischen Consulats. Die consules de communi sind besoldete[166], jährlich wechselnde Beamte, wie die Byzantinischen Staats- und Gemeindebeamten, sie bilden ein Collegium, wie die Byzantinischen consules de mari.

Vielleicht lässt sich Gaeta als diejenige Stadt bezeichnen, in der sich der Uebergang vollzogen hat. Die Zeugnisse über das Consulat von Gaeta sind freilich sämmtlich jünger als die frühesten Erwähnungen dieses Amtes in Toscana, zum ersten [60] Mal finde ich im Jahre 1103 einen Consul in Gaeta[167], den ich mit Sicherheit für einen Gemeindebeamten erklären möchte. Dennoch halte ich das Gaetaner[WS 2] Consulat für eine frühere Form des städtischen Consulats, es steht gleichsam in der Mitte zwischen dem Meeresconsulat und dem Consulat de communi.

Ich citire zunächst eine Urkunde vom Jahre 1124[168]: – – – in quinto anno ducatus atque consulatus nostri Riccardi Dei gratia consul et dux – –. nos quidem Joannes judex et consules Gaetani videlicet Magnus Fara fracta, Mirus Leonis, Gregorius Castanea et Constantinus Gattola cum omni populo Gaetano majori atque minori – –. hanc cartulam plenariae securitatis confirmare facimus tibi Bello Romano – – – et tuis rebus vestrisque navidiis cum omnibus bonis vestris – – – in perpetuum in mari et in terra, per pacem et guerram sine omni occasione et in omnibus nostris pertinentiis et in omni loco, ubi nostra potentia esse videatur – – – eundo et redeundo, ambulando [etc].

In demselben Jahre schliessen dieselben Consuln mit einem Gaetaner Bürger einen Vertrag über die Höhe seines Hauses[169].

Im folgenden Jahre quittirt ein Bürger von Salemo in Gegenwart des judex Salernitanus den Consuln und dem Volke von Gaeta über eine Waarenmasse, welche während eines Krieges zwischen Gaeta und Salerno mit Beschlag belegt worden ist[170]. Aus der Urkunde geht hervor, dass unterdessen die Consuln gewechselt haben.

Im Jahre 1134 schliesst Marinus, Herr von Monte Circejo, einen Vertrag mit dem judex, den Consuln und dem gesammten Volk von Gaeta ab, in welchem er den Gaetanern Schutz und Handelsfreiheit in seinem Gebiet zusichert. Er verpflichtet sich, ohne Genehmigung der Gaetaner keinen Frieden mit den Terracinensern zu schliessen, im Falle eines Krieges wolle er Gaeta gegen Terracina Hilfe leisten[171]. Die Consuln von Gaeta sind genannt, sie sind verschieden von denjenigen von 1124 und 1125.

Im Jahre 1132 schliesst Gaufrid von Aquila einen Vertrag mit dem Volk von Gaeta: proclamatione facta consulibus civitatis [61] seu judici. Gaufrid von Aquila war im Kriege mit dem Herzog von Gaeta, er hatte den Kaufleuten von Gaeta Schaden zugefügt, und schloss nun einen besonderen Vertrag mit den Vertretern der Bürgerschaft[172].

Einen ähnlichen Vertrag hatte im Jahre 1129 (oder 1128?) der Herzog von Neapel mit dem Volke von Gaeta abgeschlossen[173]: reclamationem facio aut facere facio judici Gaetae et bonis hominibus. Von dem Herzog von Gaeta ist in dem Vertrage gar nicht die Rede. Auch nicht in dem Vertrage, durch welchen im Jahre 1105 Tolomäus Graf von Frascati den Krieg mit dem Volke von Gaeta beendete[174].

Die Consuln bilden in Gaeta ein Collegium von gewählten[175], jährlich wechselnden Beamten, welche zunächst als Vertreter der Handelsinteressen der Seestadt, daneben aber auch in polizeilichen und administrativen Functionen auftreten. Im Jahre 1187 schreibt der königliche Camerarius[176] an den Bailli und die Consuln von Gaeta in einer Zoll- und Steuerangelegenheit; in dem Privileg König Tancred’s von 1191, welches die Vergünstigungen König Roger’s erneuert, wird die Ausprägung der städtischen Münzen als eine Pflicht der Consuln erwähnt[177]. In polizeilichen Functionen finden wir die Consuln in der erwähnten Urkunde von 1124, in welcher die Höhe eines Hauses festgesetzt wird. Die Consuln von Gaeta haben die Functionen der consules de mari erweitert, sie vertreten hier nicht mehr die Kaufmannschaft, sondern die Gemeinde von Gaeta, eine Gemeinde, welche durchaus selbständig mit auswärtigen Fürsten verhandelt, selbständig über Krieg und Frieden verfügt[178]. Hier scheint mir der Punkt zu sein, von dem aus sich das Consulat aus einer kaufmännischen [62] zu einer communalen und wiederum aus einer communalen zu einer staatlichen Behörde umgewandelt hat.

Der Handel war damals in viel höherem Grade als heute von der Politik abhängig, die Freiheit des Handelsverkehrs in fremdem Lande war nicht ein allgemein anerkanntes Recht, sondern eine Gunst, die oft mit dem Schwerte erkämpft, durch Verträge gesichert werden musste[179], die kaufmännische Waare [63] musste nicht bloss gegen räuberische Piraten, sondern auch gegen neidische Concurrenten vertheidigt werden. Die Interessen des Handels waren mit den wichtigsten Lebensinteressen der Stadt verknüpft; wo es sich um Krieg und Frieden handelte, musste die gesammte Gemeinde befragt werden. So wurden die Vertreter der Kaufmannschaft Vertreter der Gemeinde. Wo aber eine Gemeinde die Waffen selbständig führt, ist sie von dem Anspruch auf volle Souveränität nicht mehr weit entfernt.

Diese zweite Umwandlung des Consulats scheint sich in Toscana vollzogen zu haben. Als einfache Communalbeamte finden wir die Consuln bei ihrem ersten Auftreten in Pisa; die Herrschaft der Markgräfin war noch ungebrochen, als im Jahre 1087[180] der Vicegraf Hugo, „das Haupt der Stadt“, in Gemeinschaft mit den Consuln den Seekrieg gegen Genua leitete[181]. Bei seiner Wanderung durch Italien und Deutschland erhebt das Consulat überall den Anspruch auf municipale Souveränität[182], einen Anspruch, den es mit grösserem oder geringerem Erfolge durchzuführen weiss.

[64] Als Friedrich I. die Reichsrechte in Genua geltend zu machen versuchte, wurde ihm von den Genuesen erwidert[183], dass sie diese Rechte nicht anerkennen wollten, da sie vom Reich kein Stück Land in Besitz hätten, von dem sie leben könnten, sie müssten ihren Bedarf von weither herbeischaffen und selbständig gegen die räuberischen Barbaren vertheidigen; das Reich gebe ihnen nichts dazu, im Gegentheil, es wäre ihnen Dank dafür schuldig, dass auf der ganzen Küste zwischen Rom und Barcelona jeder friedlich und sicher unter seinem Feigenbaum und Weinstock ruhen könne[184].

Wir sehen, die Städte Italiens hatten eine neue Heimath gefunden, das Reich war nicht mehr der Boden, in dem sie wurzelten; ihren Erwerb und ihre Sicherheit dankten sie den Handels- und Kriegsfahrten ihrer Kaufleute. Der neuen Interessen hatten sich die alten Mächte, Grafschaft, Bisthum und Reich, deren Autorität wesentlich auf agrarer Grundlage beruhte, nicht zu bemächtigen verstanden; überall wurden Fehden geführt zur Ausbreitung und zum Schutze des Handels und der aufblühenden Industrie, Handelsbündnisse wurden geschlossen und gelöst[185]: aus neuem Hass und neuer Liebe war ein junges Staatswesen erwachsen.

Anders war die Entwicklung in Süditalien vor sich gegangen. [65] Hier ist es der starken Regierung der Normannen gelungen, die freiheitliche Bewegung im Zaume zu halten. Der Sieg des Normannischen Fürstenthums war entschieden, als es die feudalen Traditionen aufgab und eine nach Byzantinischem Muster organisirte bürgerliche Beamtenschaft einführte. Als Friedrich I. mit denselben Mitteln das Beispiel der Normannen in Oberitalien nachzuahmen versuchte, war es schon zu spät, er unterlag in dem Kampfe mit den Italienischen Communen.

Während Oberitalien durch fortwährende Fehden der Gemeinden zerrissen wurde, wetteiferten die Städte Süditaliens in friedlicher Concurrenz[186]; die Normannen und Staufer versuchten hier ein einheitliches Staatswesen herzustellen, ohne die communale Selbstverwaltung der Städte gänzlich zu beseitigen. Die städtischen Obrigkeiten Unteritaliens können wir allerdings erst in der Constitutio Sicula[187] und deutlicher in den Sicilischen Stadtrechten [66] nachweisen, aber es ist kein Grund vorhanden, sie nicht mit den übrigen staatsrechtlichen Bestandtheilen der Constitutio Sicula für die Normannische Zeit zu beanspruchen, vielleicht gehen sie sogar auf Byzantinische Gemeindebeamte zurück. Sie werden von der Gemeinde gewählt und besoldet, und verwalten ihr Amt ein Jahr lang. Das königliche Bestätigungsrecht ist streng gewahrt[188]. Wir sehen hier das Verhältniss zwischen Staat und Gemeinde in derjenigen Form geordnet, welche im modernen Staate herrschend geworden ist.




Excurs 1.
Der Name „Italien“.

Im 10. Jahrhundert finden wir die Reste der Griechischen Herrschaft in Italien in zwei Themen eingeteilt, das Thema von Calabrien (oder Sicilien) und von Langobardien[189]. Im Jahr 975 taucht zuerst der Name eines Katapan von Italien auf. Es ist dies nur ein neuer Titel des Strategen von Langobardien, der Katapan ist nicht etwa ein neuer Beamter, der über die beiden Italischen Themen gesetzt wurde. „Langobardien“ war für die Griechen die Bezeichnung der [67] Italischen Halbinsel[190], seitdem sie zum grössten Theil von den Langobarden erobert worden war, daneben blieb der alte Name bestehen; Calabrien, welches zur Provinz Sicilien gehört hatte, wurde nicht zu Italien gerechnet[191], daher nannte sich Argyrus, welcher zeitweilig die beiden Themen vereinigte, dux Italiae et Calabriae[192]; ebenso wird in der Vita S. Nili Eupraxius als κρίτης Ἰταλίας καὶ Καλαβρίας bezeichnet[193]; auch Robert Guiscard führte noch den Titel dux Italiae et Calabriae[194]. Im Allgemeinen pflegen die Griechischen Urkunden zwischen den Themen Langobardia und Calabria zu unterscheiden[195]: einmal aber findet sich auch das θέμα Ἰταλίας erwähnt[196]; da nun θέμα nicht die Bezeichnung eines beliebigen Districts, sondern ein scharf abgegrenzter Begriff ist, lässt sich der Ausdruck nur erklären, wenn er gleichbedeutend mit θέμα Λαγγοβαρδίας steht. Dem entsprechend finden wir in den verhältnissmässig zahlreichen Urkunden, welche uns für die Griechischen Provinzen Italiens erhalten sind, den Katapan niemals bei Amtshandlungen in Calabrien. So erklärt es sich, dass der Lateinische Titel für den Katapan[197] von Italien und für den Strategen von Calabrien derselbe war, beide waren bajuli domini imperatoris.

[68]
Excurs 2.
Bajulus in England und in Frankreich.

Die Verfolgung Normannischer Amtstechnik in England und Frankreich liegt ausserhalb der Aufgabe dieser Abhandlung.

Man pflegt anzunehmen, dass diejenigen Sätze der reformirten Französischen Amtstechnik, welche mit Römisch-rechtlichen Bestimmungen übereinkommen, aus dem Römischen Gesetzbuch entnommen seien, wahrscheinlich ist es aber doch, dass das Vorbild der Normannischen Verfassung, wie für Friedrich I., so für die Französischen Könige massgebend gewesen ist. Allerdings aus dem Namen des Bajulus ist nichts zu schliessen, er ist in Frankreich viel älter, als eine Einwirkung der Normannischen Verfassung möglich ist. Er bezeichnet überhaupt den Beamten und wird im Allgemeinen für den rechenschaftspflichtigen, absetzbaren Beamten der Grundherrschaft verwendet. Die neueren Staatsbildungen nehmen in Frankreich, Spanien und in England ihren Ausgangspunkt von der königlichen Domäne, diese ist nach den Grundsätzen der grundherrlichen Verfassung organisirt, sie wird von rechenschaftspflichtigen Ministerialen verwaltet.

Das entscheidende Moment, welches den Uebergang zu den neueren Staatsbildungen bezeichnet, ist darin enthalten, dass mit der Verbreitung der Geldwirthschaft und der Schriftkunde die Rechenschaftspflichtigkeit und Controle der Beamten auf weite Gebiete ermöglicht, und dass so die Organisation eines Grossstaates auf neuer Grundlage erleichtert wurde. Bei diesem Uebergang haben die Grundsätze Byzantinisch-Normannischer Amtstechnik gute Dienste gethan. In den Gesetzen Ludwig’s d. Heiligen finden wir die Bestimmung, dass der Bailli, welcher sein Amt theils in Pacht, theils in Sold verwaltet, jährlich wechseln soll; er darf während seiner Amtszeit nichts erwerben, er darf nicht aus dem Orte stammen, in welchem er sein Amt versieht, er muss sich beim Antritt seines Amtes verpflichten, keine Geschenke anzunehmen, ausser etwa Nahrung für einen Tag (geradeso wie der Sicilische Bailli); er hat 40 oder 50 Tage nach Ablauf seines Amtes am Ort zu bleiben, um sich zu verantworten. Der Bailli durfte sein Amt erst nach 3 Jahren wieder bekleiden, eine Bestimmung, die in Sicilien zwar nicht gesetzlich fixirt, aber thatsächlich in Uebung war[198].

[69] Der Sheriff oder Vicecomes nimmt in England eine ähnliche Stellung ein, wie in Frankreich der Bajulus; als Bailli wird hier ein Unterbeamter des Vicecomes bezeichnet, das Wort kommt aber auch in der allgemeinen Bedeutung für den Beamten überhaupt vor. Die Provisionen von Oxford, welche Heinrich III. im Jahre 1258 erliess, enthalten Bestimmungen, die wohl unzweifelhaft mit der Byzantinischen Amtstechnik in Zusammenhang stehen. Der Sheriff ist besoldeter Beamter, sein Amt wechselt jährlich, er leistet einen Eid, dass er während seiner Amtsthätigkeit keine Geschenke annehmen will[199]. Noch im 15. Jahrhundert berichtet Fortescue[200], dass das Amt des Sheriff jährlich wechselt, und dass ein Sheriff erst 3 Jahre nach Ablauf des Amtsjahres zu dem gleichen Amte bestellt werden darf.

Sogar bis nach Schottland scheinen diese Bestimmungen gedrungen zu sein. Das Gesetz „Quoniam attachiamento“ bestimmt, dass alle Beamte, utpote justitiarii, camerarii, vicecomites, locopositi et ballivi, 40 Tage nach Ablauf ihres Amtes am Orte desselben verbleiben sollen: „ut pateat omnibus libera facultas contra eos queremoniam commovendi“[201].




Es wird für die Leser dieses Aufsatzes von Interesse sein, zu erfahren, dass im übernächsten Hefte der Zeitschrift ein kurzer Artikel von R. Davidsohn erscheinen wird, der die Frage der Entstehung des Consulats in Italien von einer anderen Seite angreift. Der Verfasser leitet, gestützt auf urkundliches Material, das Consulat im Comitat von Florenz aus ursprünglich Germanischen Einrichtungen ab, die indess auf Italienischem Boden eine eigenartige Ausgestaltung erfahren haben. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass diese Andeutung nicht etwa auf die lange zuvor verschwundenen Scabini als Vorgänger der Consuln hinweisen soll.



Anmerkungen

  1. Zeitschrift der Savigny-Stiftung. I.
  2. a. a. O. p. 77.
  3. a. a. O. p. 69. Ostindien, Afrika, Australien, Nordamerika stellen Provinzen Altfranzösischen Rechts dar.
  4. Brünneck, Siciliens mittelalterliche Stadtrechte. 1881.
  5. p. 203.
  6. p. 156.
  7. Entstehung der Schwurgerichte p. 156–157.
  8. Vgl. Schmidt, Geschichte von Frankreich, p. 564 ff.; p. 576 ff.; vgl. auch Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens I, Prol. XLV.
  9. Mon. Germ. SS. V, 52 f.
  10. Mon. Germ. SS. rer. Langob. p. 249.
  11. Trinchera, Syllabus membran. Graec. p. 1.
  12. Vgl. Trinchera, Proleg. p. XVIII. Im Archiv von Monte Cassino sind zwei bilingue Originalurkunden erhalten (Trinchera p. 11 und p. 25), deren Lateinische Ausfertigung wörtlich mit der im Register erhaltenen Copie übereinstimmt. Die Urkunde von 885 ist in demselben barbarischen Latein abgefasst, wie die bilinguen Originalurkunden; wenn die Uebersetzung von Petrus Diaconus herrührte, würde er sich eines eleganteren Latein bedient haben.
  13. Mon. Germ. SS. III, 262.
  14. Den ersten Katapan Italiae finde ich in einer Urkunde von 975 erwähnt, Trinchera p. 5.
  15. Oder vielmehr der Verfasser der Urkunde lässt ihn schreiben, denn die Urkunde Trinchera p. 21–22 ist höchst wahrscheinlich eine Fälschung auf Grund der Urkunde von 1019 (Trinchera p. 19). Die Grenzbeschreibung von Troja stimmt nicht mit der in der vorhergehenden Urkunde gegebenen, aber die Zeugenreihe ist wörtlich mit allen orthographischen Fehlern herübergenommen. Die Fälschung ist alt, jedenfalls aus Byzantinischer Zeit, wahrscheinlich nicht sehr spät nach dem Datum der Urkunde; dies folgt aus dem corrupten Latein der Urkunde und aus dem Umstand, dass die Jahre der Kaiser richtig angegeben sind. Sie gibt also für die Erkenntniss der Verfassungsverhältnisse authentisches Zeugniss. Vielleicht ist sie auch eine Neuanfertigung der Urkunde von 1019 mit Herübernahme der Zeugenreihe: die Byzantinischen Kanzleigebräuche sind mir nicht bekannt. Ferd. Hirsch, welcher die Urkunde in den GGA Jg. 1867 p. 136 verdächtigt hatte, hat sie später Forschungen VIII, 249 Note 4 zu vertheidigen versucht. Die Uebereinstimmung der Zeugen scheint Hirsch übersehen zu haben.
  16. Wegen der grammatischen Fehler vgl. man die Zeugenunterschriften der Urkunde und etwa Trinchera p. 20: Clare facio, quia domni basilii imperiali protospatharii et catapano italie, qui et bugyano dicitur, demandavit mihi etc.
  17. Das Amt des Katapan von Italien ist nur durch den Titel von dem Amt des Strategen von Calabrien verschieden: beide sind selbständige Provinzialstatthalter, vgl. Excurs I.
  18. Vgl. Excurs I.
  19. Gattula, Accessiones ad historiam abbatiae Cassinensis p. 231.
  20. Vania, Cenno storico della città di Trani. (Barletta 1870) p. 49.
  21. Cusa, I diplomi greci ed arabi di Sicilia I, 1 p. 487; Spata, Le pergamene greche esistente nel grande archivio di Palermo p. 442.
  22. Cusa p. 443–445; Spata p. 315.
  23. Trinchera p. 215.
  24. Trinchera p. 216.
  25. Trinchera p. 233.
  26. Trinchera p. 251.
  27. Trinchera p. 113.
  28. Trinchera p. 241.
  29. Trinchera p. 208.
  30. Trinchera p. 232.
  31. Trinchera p. 195. Hier ist der Stratege des Jahres mit dem Katapan eines früheren Jahres in einer Urkunde zusammen. Hugo Falcandus nennt die Katapane auf einer Stufe mit den Justiciarii, Camerarii, Stratigoti. Del Re, Chronisti napoletani p. 340. Katapane werden erwähnt in einer Urk. König Roger’s a. 1143. Riccio, Saggio di codice diplomatico I p. 282: neque a nostris judicibus, comitibus, castaldis, catapanis neque a quibuscunque actoribus. Ferner Del Giudice, Codice diplomatico del re Carlo d’Angio app. p. XXIII ein Katapan in der Stellung des bajulus.
  32. Winkelmann, Acta imperii. a. 1199. p. 471.
  33. Ughelli VIII p. 250.
  34. Monumenta Neapolitana VI, 33.
  35. Gattula, Accessiones 231.
  36. Ughelli IX, 32.
  37. Daher hat man bisher diesem König die Einsetzung der ersten Baillis zugeschrieben.
  38. Huillard-Bréholles, Historia diplomatica Friderici II. T. IV, 1, p. 37 ff.
  39. Zachariae von Lingethal, Geschichte des Griechisch-Römischen Rechts. 2. Auflage. Berlin 1877. Vgl. jetzt auch Ludo Moriz Hartmann, Untersuchungen zur Geschichte der Byzantinischen Verwaltung in Italien 540–750. Leipzig 1889. Namentlich p. 70 und p. 103 ff.
  40. p. XI ff.; p. 329 ff.; p. 353 ff.
  41. Vgl. Bethmann-Hollweg, Handbuch des Civilprocesses III p. 39 ff.
  42. Zachariae, Geschichte etc. a. a. O.
  43. p. 353.
  44. Bei Constantinus Porphyrogenitus, De caeremoniis. Editio Bonnensis p. 712 ff.
  45. p. 717 sind zwar elf verschiedene Rangclassen von Beamten aufgeführt, die dem λογοθέτης τοῦ γενικοῦ unterstellt sind; Zachariae hält sie für Provinzial-, Steuer-, Zoll- und Domänenbeamte. Wie kommt es aber, dass hier der πράκτωρ nicht genannt wird?
  46. Basilica ed. Heimbach T. I p. 139 ff.
  47. Basilica p. 180 ff.
  48. z. B. Basilica VI tit. 8, IV, p. 182; tit. 9, V, p. 186. Von dem Statthalter als einem πραίτωρ hören wir auch in der Denkschrift des Michael Acominatas an Alexius III. (1195–1203) bei Ellissen, Michael Acominatas p. 119 ff. Der hier erwähnte πραίτωρ ist offenbar der Stratege des Thema Hellas. Er hat die Steuern zu erheben. Auch in den Briefen des Psellus (geb. 1018) findet sich der πραίτωρ gleichbedeutend mit στρατηγός und κρίτης. Vgl Σάθας, Μεσαιωνικὴ βιβλιοθήκη Bd. V. Der Brief p. 279 ist an Ξηρός den κρίτης τῶν Θρᾳκησίων adressirt; p. 282 lautet die Aufschrift: τῷ πραίτορι τῶν Θρᾳκησίων τῷ Ξηρῷ. p. 267 ist adressirt an den κρίτης von Peloponnes und Hellas; p. 344 lautet die Aufschrift: an den πραίτωρ von Peloponnes und Hellas. Seine Provinz wird p. 268 als seine ἐπαρχία bezeichnet. Dagegen findet sich p. 276 die Provinz des κρίτης Ὀψικίου als sein θέμα.
  49. Constantinus Porphyrogenitus, De ceremon. p. 713.
  50. Nov. 29. Basilica p. 197.
  51. Constantin. Porphyr., De thematibus. Editio Bonn. p. 13: καὶ ἑλληνίζοντες καὶ τὴν πατρίαν καὶ Ῥωμαικὴν γλῶτταν ἀποβάλοντες.
  52. Constantin. Porphyr., De themat. p. 17 ff.
  53. De thematibus p. 39: θέμα τὸ καλούμενον ἐπαρχία Κύπρου. Zachariae p. 330 will die bei Theophanes erwähnten πολιτικὰ θέματα, welche zu den καβαλλαρικὰ θέματα in Gegensatz gebracht werden, als Verwaltungsbezirke, Eparchien in seinem Sinne, betrachten. θέμα blieb natürlich nach wie vor auch ein militärischer Terminus, ausser den politischen Themen gab es rein militärische Themen.
  54. Collectio librorum juris Graeco-Romani, ed. Zachariae p. 73.
  55. Ebenso z. B. Zachariae, Jus Graeco-Romanum: Novellae. Coll. II Nov. 84, p. 181.
  56. p. 139.
  57. Den Strategen als Richter finde ich z. B. Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. II Nov. 44, p. 137.
  58. z. B. Basilica VI tit. 3 XLIII, p. 167. Die ἄρχοντες τῶν ἐπαρχίων sollen ἐπαναγρυπεῖν τῇ τῶν δημοσίων φόρων εἰσπράξει. Die Strategen als Steuererheber, z. B. Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. III Nov. 49, p. 429. Constantin. Porphyr., De administr. imp. p. 222–223.
  59. Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. IV Nov. 49, p. 428. Eine Novelle Kaisers Johannes trägt folgende Ueberschrift: Ἰωάννου τοῦ Κομνήνου χρυσοβοῦλλον διοριζόμενον μηδέν τι ἀπαιτεῖν τὸν πράκτορα ἀπὸ ἐκκλησίας κθε. Im Text heisst es dann: οὔκ ἐξέσται τοίνυν ἀπὸ τοῦ παρόντος οὔτε κρίταις οὔτε ἀναγραφεῦσιν, οὔτε πράκτορσιν, οὔτε δοῦξιν, οὔτε στρατηγοῖς, οὔτε προνοηταῖς, οὔτε ἄλλοις τισὶ δημοσιακὰς δουλείας κθε. Alle diese Beamten gelten also als πράκτορες: am Schluss werden sie wieder unter der allgemeinen Bezeichnung zusammengefasst: μὴ μέντοι ἐπ’ ἀδείας ἔχειν τὸν πράκτορα – –. – Eine Novelle Manuel’s: Zachariae, Jus Graeco-Romanum: Novellae. Coll. IV Nov. 61, p. 454 spricht von den πράκτορες ὑποκείμενα θέματα. – Ueber den Ausdruck judex vgl. Hegel, Geschichte der Italienischen Stadtverfassung I, 143 Note 1. Ebenso wird κρίτης gebraucht, z. B. Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. II 44, p. 137 οἱ τε στρατηγοὶ καὶ οἱ καθ’ ἑκάστην ἐπαρχίαν κρίται. Der Stratege von Hellas führte den Titel κρίτης Ἕλλαδος. Constantin. Porphyr., De ceremon. II 44, p. 657. Derselbe kommt auch bei den Italienischen Strategen vor. Trinchera p. 23: κρίτης λαγγοβαρδίας καὶ καλαβρίας. Ein κρίτης θρᾴκης καὶ μακεδονίας: Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. IV Nov. 20, p. 348.
  60. Bethmann-Hollweg, Civilprocess III, p. 75 ff. Die bei Constantin. Porphyr., De ceremon. p. 717 aufgezählten Unterbeamten des λογοθέτης τοῦ γενικοῦ sind Beamte der Centralbehörde, nicht Provinzialbeamte. Vgl. Mortreuil, Histoire du droit byzantin p. 150. Vgl. Hartmann a. a. O. p. 93 ff. Hartmann kommt von anderen Materialien ausgehend zu analogen Resultaten.
  61. Huillard-Bréholles, Historia diplomatica Friederici II. Tom. IV, 1, p. 202, p. 208 u. a.
  62. Huillard-Bréholles p. 41–42.
  63. Huillard-Bréholles p. 204.
  64. Huillard-Bréholles p. 43.
  65. Huillard-Bréholles p. 187–189.
  66. Huillard-Bréholles p. 189.
  67. Huillard-Bréholles p. 188.
  68. Besoldung der Beamten vgl. unten p. 38. – Eid der Beamten: Nov. 8, c. 7; Basilica VI tit. 1, c. VI. – Ferien: Cod. III, 12; Dig. II, 12. – Jährlicher Wechsel: vgl. Bethmann-Hollweg, Civilprocess III p. 37. – Verbot, Güter zu erwerben: Ulpian, De jure fisci 4 a; Huschke, Jurisprud. Antejustin. p. 597; Cod. I 53; Basilica VI tit. 3, c. 51. – Die Bestimmung über die 50 Tage: Cod. I 49; Nov. 8, c. 9; Basilica VI tit. 3, VIII.
  69. Huillard-Bréholles p. 117.
  70. Huillard-Bréholles p. 184 u. p. 195; Nov. 161, c. 1; Leunclavius II p. 91.
  71. Schon der erste Normannische Stratege, den ich erwähnt finde, ist ein Stadtbeamter: c. ann. 1070. Malaterra, Historia Sicula II cap. 44. Muratori V, 573.
  72. Huillard-Bréholles p. 41 u. 42; p. 73.
  73. Carcani, Constitutiones regum regni utriusque Siciliae. Neapel 1786.
  74. Huillard-Bréholles p. 37 tit. 65 ff. Carcani p. 67. An und für sich ist kein Grund vorhanden, den Griechischen Text derselben für weniger ursprünglich zu halten, als den Lateinischen, denn da die meisten Urkunden Kg. Roger’s in Griechischer Sprache abgefasst sind, ist anzunehmen, dass er auch seine Gesetze Griechisch publicirt habe. Thatsächlich ist das einzige Gesetz Roger’s, welches im Original enthalten ist, in Griechischer Sprache abgefasst. Gedruckt zuletzt bei Brünneck, Siciliens ma. Stadtr. I p. 204.
  75. A. 1132 Cusa p. 514; a. 1134 Cusa p. 517; a. 1142 Cusa p. 311; a. 1143 Cusa p. 561; a. 1149 Trinchera p. 514; a. 1193 Cusa p. 439.
  76. Cusa p. 421.
  77. Huillard-Bréholles p. 44; Carcani p. 72.
  78. Huillard-Bréholles p. 47.
  79. Romuald v. Salerno Mon. Germ. SS. XIX p. 423: Rex autem Rogerius – – – pro componenda pace camerarios et justiciarios per totam terram instituit.
  80. Huillard-Bréholles p. 72. Friedrich II. hob dieses Privileg auf. Dass alle Strategen vor der Reform Roger’s die höhere Gerichtsbarkeit gehabt haben müssen, folgt daraus, dass es keine höheren Gerichtsbeamten gab.
  81. Huillard-Bréholles p. 37. Für die Bedeutung der Ausdrücke vgl. z. B. Winkelmann, Acta imperii p. 669, p. 671, p. 682, p. 683.
  82. Bethmann-Hollweg I, 58. Becker-Marquardt III p. 302, und neuerdings J. Merkel, Abhandlungen aus dem Gebiete des Römischen Rechts, Heft III.
  83. Constantin. Porphyr., De cerem. p. 696. gibt eine Liste der Gehälter, welche die Strategen der verschiedenen Provinzen zur Zeit Kaiser Leo’s bezogen. Die Strategen des Occidents beziehen keinen Gehalt, διὰ τὸ λαμβάνειν αὐτοὺς ἀπὸ τῶν ἰδίων αὐτῶν θεμάτων τὰς ἰδίας αὐτῶν συνηθείας κατ’ ἔτος. – De administr. imperio c. 27 p. 119: die beiden Italienischen Strategen ἐτέλουν κατ’ ἔτος τῷ βασιλεῖ τὰ νενόμισμα τῷ δημοσίψ. Das Wort συνήθεια wird meist für Sportel gebraucht, so z. B. Constantin. Porphyr., De ceremon. p. 708 ff., und in den Novellen Constantin’s. Vgl. Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. III Nov. 9. Es steht auch für Tribut: Trinchera p. 22. Es bedeutet überhaupt die gewohnheitsmässige Abgabe; ebenso wird τὰ νενόμισμα gebraucht.
  84. Dass diese Bestimmung speciell auch für die Strategen gegolten hat, beweist eine Stelle aus Constantinus Porphyrogenitus, De ceremon. II p. 788. Es werden die Sporteln aufgezählt, welche die Strategen bei ihrem Amtsantritt zu zahlen haben: wenn sie in ihrem Amte bleiben, fährt der Autor fort, – d. h. über das Amtsjahr hinaus – haben sie dieselben Sporteln zu entrichten. Es hing von der Gnade des Kaisers ab, ob er das Amt erneuern wollte. Thatsächlich finden wir die Strategen von Italien und Calabrien öfters mehrere Jahre hintereinander im Amt. Vgl. auch Psellus’ Briefe bei Σάθας, Μεσαιωνικὴ βιβλιοθήκη Bd. 5 p. 423: ein Beamter κατ’ ἐνιαυτὸν in die λειτουργία bestellt.
  85. In Oletta ist der jährliche Wechsel aus den Urkunden ersichtlich: a. 1148 Richardus Burreus als Stratege, Trinchera p. 193; a. 1152 Johannes de Corte, Trinchera p. 196; a. 1160 Basilius de Calo, Trinchera p. 212, p. 213; 1161 Leo de Thepento, Trinchera p. 214; 1163 Basilius de Capello, Trinchera p. 215; 1164 Lupinus Pappacarbune, Trinchera p. 216; 1168 Octavianus, Trinchera p. 228; 1170 wieder Basilius de Capello, Trinchera p. 233; 1178 Guilelmus Thepento, Trinchera p. 251. – Ebenso in Messina: a. 1171 Stephanus, Cusa p. 364; a. 1172 wieder Stephanus, Cusa p. 325 u. 330; a. 1176 Andreas, Cusa p. 369 u. 371; a. 1177 wieder Andreas, Cusa p. 331; a. 1178 Constantinus, Cusa p. 351; a. 1183 Constantinus und Hugo, Strategen von Messina, Cusa p. 632; a. 1186 Johannes de Arcara, Cusa p. 336; 1188 Constantinus de Tauromenis, Spata, Diplomi greci di Sicilia, Turin 1871, p. 89; a. 1192 Joannellus, Cusa p. 340; a. 1197 Aberardus, Cusa p. 376; a. 1202 Bonavasallus Burrellus, Cusa p. 354; [a. 1137 Johannes, Cusa p. 522; a. 1148 Nicolaus, Cusa p. 621: a. 1162 Riccardus, Cusa p. 630]. – Das Beispiel von Messina zeigt, dass die Strategen dennoch öfters länger als ein Jahr im Amte blieben, die Erneuerung des Amtes hing von der Gnade des Fürsten ab, im Normannischen Reiche ebenso wie in Byzanz, vgl. Constit. Sicula. I tit. 95, Huillard-Bréholles p. 187: Horum officialium omnium tempora – – – anni circulo precipimus terminari, nisi vel eminens administrationis industria vel substituendi defectus nobis aliquando – – – temporis spatium de necessitate suaserit prorogandum.
  86. Huillard-Bréholles V, 1 p. 60: bajulus, judex atque notarius; ebenso p. 198.
  87. p. 57–58.
  88. p. 187.
  89. p. 187.
  90. p. 198.
  91. p. 202 ff.
  92. p. 187.
  93. Den Ausdruck judex pedaneus oder χαμαιδικαστής kann ich in Unteritalien nicht nachweisen, wohl aber in dem Römischen Fragment, aus dem 10. Jahrh. Mon. Germ. LL. IV, 664. Die hier beschriebene Römische Gerichtsverfassung stimmt, wie wir sehen werden, noch vollständig mit der Byzantinischen überein. Noch in späterer Zeit kommt in Sicilien ein judex pedaneus vor. Brünneck, Siciliens mittelalterliche Stadtrechte II p. 216 Note 6. Die Justinianeische Gesetzgebung über den judex pedaneus ist in den Basiliken wiederholt, vgl. Basilica III tit. 1, p. 240 ff.; vgl. auch Constantin. Porphyr., De cerem. p. 717 die κρίται τῶν ρεγεώνων.
  94. Beltrani, Documenta Langobardi e Greci p. 4, p. 5–6, p. 7, p. 8, p. 13, p. 15. p. 21, p. 26, p. 27, p. 28.
  95. Bethmann-Hollweg III p. 122.
  96. Ueber die Besoldung der Cohorte des Statthalters vgl. Bethmann-Hollweg I p. 171–172. Die judices pedanei und die Notare waren bis auf Kaiser Leo theils auf festen Gehalt, theils auf Sporteln angewiesen. Kaiser Leo schaffte die Sporteln für die judices ab. Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. III Nov. 9.
  97. Johannes Curcusius fungirt als Notar a. 1033: Trinchera p. 32; a. 1045: Trinchera p. 42; a. 1047 p. 43; a. 1049 p. 45; a. 1052 p. 49; a. 1054 p. 52. Ebenso in Normannischer Zeit: Basilius filius Comitis a. 1134: Trinchera p. 154; a. 1141 p. 170; a. 1142 p. 175; a. 1148 p. 193; a. 1160 p. 213; a. 1161 p. 214; a. 1163 p. 215; a. 1164 p. 216; a. 1168 p. 227; a. 1170 p. 233. – Für den urkundlichen Nachweis, dass die judices in der Byzantinischen Provinz Italien jährlich gewechselt, reicht das Material nicht; es ist aber kein Grund daran zu zweifeln.
  98. Cusa a. 1096 p. 367; a. 1109 p. 404; a. 1112 p. 407; Vicecomites in Sicilien werden noch erwähnt: Cusa a. 1099 p. 643; a. 1102 p. 551; a. 1146 p. 619: a. 1188 p. 530.
  99. Trinchera a. 1129 p. 138: temporibus gloriosi nostri comitis Nicolai et strategi Guilelmi Pepe et vicecomitis Ursi; p. 212: temporibus piissimi domini nostri regis Guilelmi et strategi Olettae Basilii et vicecomitis Joannes Gitzi, und so öfters, z. B. Trinchera p. 73, p. 74, p. 137, p. 138, p. 195, p. 212 ff., p. 369; für Sicilien vgl. z. B. Cusa p. 530 a. 1188: Ausaldus stratigotus Pactensis, Willelmus vicecomes Pactensis. – Gregorio, und die ihm folgen, Amari, Brünneck, La Lumia (storia da Guilelmo il buono p. 25) sind daher im Irrthum, wenn sie bajulus und vicecomes identificiren. In der von Gregorio p. 147 angeführten späten Urkunde (sie scheint noch nicht publicirt zu sein) ist Vicecomes wahrscheinlich Eigenname. Cusa p. 628 nennt sich ein φάραξ oder φάρακι τῆς βαλείας καὶ βεισκομίας ἁγίου Μαύρου, er unterschreibt sich dann einfach als βεισκώμης; ich kann mir die Stelle nur erklären, wenn ich annehme, dass der Vicecomes von St. Maurus zeitweilig auch das Amt des Bailli bekleidete.
  100. Huillard-Bréholles IV p. 454. Sonst finde ich einen vicecomes in dieser Zeit nur noch Cusa p. 603 a. 1242.
  101. Brünneck, Sicilische Stadtrechte I p. 43.
  102. So ist z. B. in Oletta im J. 1129 Ursus Vicegraf (Trinchera p. 137. p. 138); im folgenden Jahre Johannes filius Boni (Trinchera p. 143): im J. 1160 Johannes Gitzi (Trinchera p. 212); im J. 1161 Satrianus Proximus (Trinchera p. 213); a. 1164 Petrus Gitzi (Trinchera p. 214), der das Amt im J. 1169 (p. 228) wieder bekleidete.
  103. Wenn der Normannische Fürst einen Privilegirten in seinem Rechte schützen will, so ergeht sein Befehl entweder an die Strategen und Turmarchen (z. B. Trinchera p. 66, p. 69, p. 115), oder an die Strategen und Vicegrafen (z. B. Trinchera p. 73, p. 137, p. 138, p. 195, p. 212 ff., p. 369; Pirro, Sicilia Sacra II p. 1022, p. 1028) oder an die Strategen, Vicegrafen und Turmarchen (z. B. Trinchera p. 74, p. 78, p. 81). In Sicilien, dessen Verfassung sonst mit der Apulischen übereinstimmt, kann ich nur einmal einen Turmarcha nachweisen: Cusa p. 643 a. 1099. Sehr häufig dagegen judex und Vicegraf. In Unteritalien kommt der Turmarcha in den frühesten Normannischen Urkunden vor: Urk. Robert Guiscard’s a. 1080 (Gattula, Accessiones ad hist. abb. Cassin. p. 183: turmarchis seu vicecomitibus); gleichzeitig in einer Privaturkunde in Gravina, Monum. Neapol. V, 377; a. 1086 in einer Urkunde der Herzogin Sikelgaita, Gattula l. c. p. 193; a. 1087 in einer Urkunde Boemund’s von Tarent, Trinchera p. 66. Ferner in Urkunden Herzog Roger’s Trinchera p. 69; Mon. Neap. V p. 138, p. 143; Graf Roger’s Trinchera p. 74, p. 78; ferner Trinchera p. 81, 115 etc.
  104. Vgl. z. B. Constantin. Porphyr., De themat. I p. 17; De administr. imp. p. 201, p. 209. Das θέμα (= στρατηγίς) war in militärische Bezirke, die man τοῦρμαι nannte, getheilt, De admin. imp. c. 50, p. 224 ff: Ἰστέον ὅτι ἡ τοῦ Χαριστάνου στρατηγὶς τοῦρμα ἦν τὸ παλαῖον τῆς τῶν Ἀρμενιακῶν στρατηγίδος. Vgl. auch Theophanes contin. p. 125.
  105. Vgl. über die Verfassung Italiens zur Zeit Justinian’s Hegel, Stadtverfassung I. p. 127 ff., p. 140, p. 176 ff., p. 222 ff. Die Präfecturen von Italien, Sicilien und Afrika haben wir uns als Conglomerate von Provinzen zu denken, die allgemeinen Sätze der Justinianeischen Gesetzgebung über den praeses provinciae beziehen sich auf die Unterbeamten der Präfecten: die consulares in Afrika und die judices provinciarum in Italien. – Weder die Basiliken noch die späteren Novellen kennen einen anderen richterlichen Vertreter des Statthalters als den assessor und den judex pedaneus; vgl. z. B. Zachariae, Jus Gr.-Roman.: Novellae. Coll. III Nov. 7, p. 257 ff.
  106. Dies ist die Ansicht von Hegel p. 181 u. p. 222 ff., mit der auch Armbrust, Die territoriale Politik der Päpste, Göttingen 1885, p. 86 ff. übereinstimmt. Vgl. jetzt auch L. M. Hartmann, Untersuchungen zur Geschichte der Byzantin. Verwaltung in Italien, 540 u. 750. Leipzig 1889.
  107. Vgl. Armbrust p. 103. Dem Lateinischen tribunus entspricht der Griechische τουρμάρχης: im J. 999 bestimmt der Katapan Gregorius, dass Streitigkeiten des Klerus vom Erzbischof von Bari μετὰ τῶν κατὰ τὸν καιρὸν πραττόντων τουρμάρχης zu entscheiden seien. Beltrani, Documenti Langobardi e Greci 12, vgl. p. 19 und Trinchera p. 20, wo Turmarchen in richterlicher Thätigkeit. Vgl. auch Hegel p. 181 u. p. 182 Note 2; auch Armbrust p. 101.
  108. Beltrani p. 17: Maraldus judex et turmarcha, derselbe p. 18 einfach als turmarcha; ein κρίτης Σημηνύτος τουρμάρχης p. 20; Ἰωάννης ἐπικλήσει Πανθέου καὶ κρίτης ὅτε Βυζαντήου τουρμάρχης p. 29.
  109. Derselbe Johannes judex et turmarcha, welcher das Amt im J. 1072 unter Byzantinischer Herrschaft bekleidet hatte, führte es im J. 1075 unter Normannischer Herrschaft (Beltrani p. 29 u. 30). In einer Urkunde des Grafen Goffrid von Monopolis (Monum. Neapol. V p. 108–109) vom J. 1086 findet sich ein Scribo imperialis spatharocandidus et kritis et turmarcha – vielleicht auch ein früherer Byzantinischer Beamter, aber nicht sicher, denn die Byzantin. Kaiser pflegten auch die Normannischen Beamten mit ihren Ehrentiteln zu schmücken, vgl. die Urk. bei Cusa p. 58; vgl. auch noch Byz. Titel a. 1090: Cusa p. 384; a. 1123: Cusa p. 472; a. 1136 p. 418. Trinchera p. 63, p. 65, p. 73.
  110. Trinchera p. 101: υισκομήτου Κακιάνου Κονσταντίνου τοῦ κρίτου; p. 136: υισκομήτου Κονσταντίνου τοῦ κρίτου.
  111. Vgl. die citirten Urkunden bei Beltrani, Documenta Langobardi e Greci.
  112. Dies ist aus der Urkunde des Katapan Gregorius, Beltrani p. 12, die ich eben citirt habe, zu schliessen.
  113. z. B. Trinchera p. 227.
  114. Huillard-Bréholles IV, 1, p. 187, p. 198.
  115. Huillard-Bréholles IV, 1, p. 43, p. 54, p. 59–60; p. 60, 1 ist die Lesart Carcani’s herzustellen. Friedrich II. hatte überhaupt das Bestreben, an Beamten zu sparen: statt der 6 Notare, die er früher gestattet hatte, erlaubte er später nur 3. Huillard-Bréholles p. 54, p. 187.
  116. In den älteren Normannischen Urkunden findet sich stets nur ein Bailli erwähnt; selbst die grössten Handelsstädte Trani, Messina und Salerno haben nur einen Bailli. Vgl. das Diplom von 1139 für Trani bei Vania, Cenno storico della città di Trani p. 49. Messina hat nur im J. 1183 vorübergehend 2 Strategen, Cusa p. 632. Ueber die Strategen von Messina und Salerno Huillard-Bréholles IV, 1, p. 72.
  117. Es war dies der Zustand, wie ihn Friedrich II. vorfand. Mehrere Baillis finden sich z. B. a. 1183 in Centiripus (Cusa p. 432); a. 1173 und 1178 in Petralia, Cusa p. 654–658.
  118. Trinchera p. 20. Als eine militärische Charge begegnet uns der Topoteretes bei Lupus, Mon. Germ. SS. V p. 57 ann. 1018, vgl. auch Anonymus Barensis, Murat. V p. 150.
  119. Constantin. Porphyr., De admin. imp. c. 50, p. 224 ff.: Ἰστέον ὄτι ἐπὶ Δέοντος τοῦ φιλοχρίστου δεσπότου ἀπὸ τοῦ θέματον τῶν Βουκελλαρίων εἰς τὸ Καππαδοκῶν θέμα μετετέθησαν ταῦτα τὰ βάνδα, ἤτοι ἡ τοποτηρησία Βαρέτας, ἡ τοποτηρησία Βαλβάδωνος – – – καὶ ἐγένοντο ταῦτα τὰ ἕπτα βάνδα – – – τοῦρμα μία. ἥ νῦν τὰ κόμματα λεγομένη.
  120. Du Cange, Glossarium Gr. Barb. citirt Lexicon Cyrilli etc.: Κουστωδία τὸ στράτευμα, ὅπερ οἱ Ρωμαῖοι βάνδον κεκλήσκουσι καὶ καλοῦσι. – Κουστωδία στρατιωτικὸν στῆφος, ὃ βάνδον Ρωμαῖοι καλοῦσι. – In der eben citirten Stelle aus Constantin. Porphyr. werden die Topoteresien nach Städten benannt. – Theophanes, Editio Bonn. p. 604: κάστρον οὖν ὑπῆρχεν ἐκεῖσε τὸ λεγόμενον Σίδηρον, ἐν ᾧ ἦν τοποτηρήτης Φαρασμάνιός τις. – Ebenso finden sich die Topotereten als Stadtcommandanten bei Anna Comnena, Editio Bonn. III, 9, p. 171.
  121. Lexicon Adespota bei Du Cange: Κουστωδία τὸ τῷ δεσμωτερίψ ἐπικείμενον στράτευμα.
  122. Trinchera p. 98.
  123. Carcani p. 93. Huillard-Bréholles p. 44 ff.
  124. Im J. 1130 ein μαέστρος ἐκ τῆς ἄστεος in Oletta, Trinchera p. 143; a. 1133 ein μαέστρος καστέλλου in Stylum, Trinchera p. 153; 1134 ein μαέστρος in Oletta, p. 154; ferner p. 170, p. 175; in Acta ein μαεστὼρ καστέλλου p. 167; ein καστελλάνος in Miletum a. 1182 p. 278; ebenso in Croton p. 313; in Nicotera p. 331, p. 339; in Squillace p. 341; in Seminarae p. 393; in Castrum Vetus p. 399. – In Sicilien: a. 1133 Robertus magister castelli Jacinensis, Pirro II p. 774; μαίστωρ καστέλλου Τραΐνας, Cusa p. 320; vgl. auch p. 600 u. p. 620, p. 670; μαίστρου βουργεσίαν und τῶν βουργίων, Cusa p. 302, kein Bürgermeister, wie Gregorio p. 204 und Amari wollen; vgl. noch Cusa p. 85, p. 426, p. 443.
  125. Trinchera p. 360, p. 362. p. 372. Sollte nicht Cusa p. 327 statt ὑποτηρήτης τοποτηρήτης zu lesen sein?
  126. Auch hier wieder sind uns die Urkunden von Oletta nützlich. Im J. 1133 ist in Oletta Argyrus μαέστωρ καστέλλου, Trinchera p. 143; a. 1133 Leo filius Nicephori, Trinchera p. 154; a. 1141 Nicolaus filius Leonis Thepenti p. 170; 1142 filius Nicephori p. 175. – Die Formel κατὰ τὸν καιρόν, welche für die jährlich wechselnden Beamten charakteristisch ist, findet sich Trinchera p. 96 und 98 beim custos civitatis.
  127. Huillard-Bréholles p. 208; vgl. Carcani p. 404 u. p. 410 Urkunden Friedrich’s II., in welchen Besoldung für den Castellan und seine servientes angewiesen wird. – Dass die Byzantinischen Offieiere ebenso wie die Beamten überhaupt und die Soldaten besoldet waren, versteht sich von selbst; in der pragmatischen Sanction Justinian’s für die Provinz Afrika (Codex I, 27) ist für die militärischen und die civilen Unterbeamten des Statthalters Gehalt vorgesehen.
  128. Daraus erklärt sich das eigenthümliche Verfahren bei den Theilungen mit seinem Bruder Roger. Als er diesem die Hälfte von Calabrien abtrat, theilte er nicht etwa das Land in zwei Gebiete, sondern er gab ihm die Hälfte von jeder Stadt. Malaterra II c. 28 bei Muratori V p. 566 E. Ebenso theilen die Brüder später Palermo p. 596 E. Natürlich war es hierbei nur auf die Einkünfte der Städte abgesehen.
  129. Meist wird den Städten nur tributum und servitium auferlegt. Malaterra a. a. O. 599 A. Die Malfetaner weigern sich, tributum et servitium statutum zu zahlen; ebenso p. 581 die Jacenser; dann: Calabrenses coeperunt servitium, quod jurarunt, et tributum minime persolvere. Guillelmus Apulus I, Murat. V p. 26, 1 c: Jamque rebellis eis urbs Apula nulla remansit, omnes se dederunt aut vectigalia solvunt.
  130. Vgl. p. 43 Note 5.
  131. Robert und Roger hatten die Stadt Geracia unter sich getheilt. Malaterra p. 566 E; als dann Roger nach einem Aufstande ein Castell neben der Stadt errichten wollte, ut plus ab eis extorqueat (sagt Malaterra), kaufen sich die Geracenser von dem Bau des Castells los. – Die gewöhnliche Formel, wenn Robert und Roger eine Stadt in eigene Verwaltung nehmen, lautet: pro libitu suo disponit. Malaterra 526 A: urbe pro velle suo firmata custodibus diversis, equestri exercitu apud Messanam relicto; p. 577: urbem autem sua in virtute retinens castellis et munitionibus pro libitu suo aptavit; p. 567 c.: Ordinatis itaque rebus suis et urbe melius ad suum libitum firmata; p. 594: Die Notenser hatten jährlichen Tribut zu zahlen: als sie sich nach einem Aufstand im J. 1090 unterwerfen, erlässt ihnen Roger den Tribut, aber urbe suscepto, castello munit, proque libitu suo in patria fidelitate disponit. – Für den Burgenbau Robert Guiscard’s vgl. noch Malaterra II 38, p. 571: turribus et propugnaculis accuratissime firmavit – Dux Robertus – apud Russanam dolentibus urbicolis castellum firmavit; III, 1, 3, p. 576 nach der Ergebung von Amalfi: quattuor Castella in ea firmavit, militibus suis munit. – Guillelmus Apulus III 467: nach der Einnahme von Salerno munivit summam fidis custodibus arcem, inferiore situ fit inexpugnabile castrum.
  132. Vielleicht erklärt sich aus der verschiedenen Art und Weise in der Behandlung der unterworfenen Städte die eigenthümliche Bestimmung, dass der Bailli nicht aus der Stadt sein durfte, über welche er gesetzt wurde. Den Normannischen Fürsten, welcher früher die einheimischen Beamten hatten bestehen lassen, mochte es jetzt darauf ankommen, gerade einen Fremden einzusetzen, von dem sie nicht zu fürchten brauchten, dass er mit den Stadtbewohnern gemeinsame Sache machen würde. Bald aber wurde die Massregel, welche ursprünglich zur Sicherung der Normannischen Herrschaft hatte dienen sollen, als eine Garantie für die Unbefangenheit der Beamten betrachtet; so schon in dem Privileg für Trani von 1139.
  133. Huillard-Bréholles IV, 1, p. 202 ff.
  134. Vgl. den Brief Peter’s von Clugny bei Migne T. 189 c. 4 Nr. 37: „Sicilien, Calabrien, Apulien, vordem Schlupfwinkel der Saracenen und Räuberhöhlen, sind nun durch Euch Friedenstätten, ein Hafen der Ruhe und das herrlichste Reich geworden, in welchem gleichsam ein zweiter friedfertiger Salomo herrscht. Möchten doch auch das arme unglückliche Tuscien und die umliegenden Gegenden Eurer Herrschaft hinzugefügt und jene verlorenen Länder in die Grenzen Eures Friedensreiches gezogen werden“. So übersetzt die Stelle Giesebrecht IV p. 200. Im Allgem. vgl. Amari, Storia dei Musulmanni III p. 441 ff.
  135. Const. Sicula. Huillard-Bréholles IV, 1, p. 52 u. p. 178. Vgl. das in den Novellen häufig wiederkehrende Verbot, sich einen Topotereta zu bestellen, z. B. Nov. 8 c. 4, Nov. 128 c. 19 u. 20, Nov. 17 c. 10, Nov. 134 c. 1.
  136. Nov. 8 c. 1 n. 7; Basil. VI tit. 8, 1–6. Epanagoge Basilii Leonis et Alexandri tit. VII in Collectio libr. juris Graeco-Romani ed. Zachariae p. 74 ff. – Constit. Sicula. Huillard-Bréholles IV, 1, p. 195 u. p. 196.
  137. Vgl. die Abhandlung Amari’s in der Reale Accademia dei Lincei. Rom 1878: Su la data degli Sponsali di Arrigo VI. e su i divani; lettera da O. Hartwig e memoria da Amari. Schlagend sind die Ansichten von Stubbs und Hartwig aber den Zusammenhang des Englischen scaccarium mit dem Sicilischen Schatzamt zurückgewiesen. Zu viel will Lumia, Storia da Guilelmo il Buono p. 32, Arabischem Einfluss zuschreiben.
  138. Vgl. die eben citirte Abhandlung von Amari p. 22.
  139. So z. B. wird Theophanes, Editio Bonn. p. 562, von einem hohen Byzantinischen Beamten gesagt, κύριον καὶ ἐξουσιαστήν λίαν ὄντα αἱμόβορον καὶ ἀπηνῆ. Der Titel ἐξουσιαστής wurde in der Byzantinischen Kanzleisprache befreundeten auswärtigen Fürsten beigelegt: so wird z. B. der Alanenfürst, der Fürst der Abasgen als ἐξουσιαστής angeredet, vgl. Constantinus Porphyrogenitus, De ceremoniis II c. 46 p. 679; c. 48 p. 688; vgl. auch De administr. imperio c. 10, c. 11, c. 45, c. 46. – In der allgemeinen Bedeutung „Machthaber“ scheint das Wort in der Urkunde des Grafen von Bulcina (Trinchera p. 122) v. J. 1123 zu stehen; aber die Stelle ist verstümmelt oder falsch gelesen.
  140. Diese pflegt in den Urkunden als ἐξουσία bezeichnet zu werden.
  141. Carcani, Constitutiones Siciliae p. 50: ὁρίζομεν ἀπὸ τοῦ νῦν ἐξουσιασταί, κόνσουλοι κθε. (Huillard-Bréholles IV 1, p. 54). Auch Nicephoras Gregoras IV 5, Bonn. Ausg. p. 97, gibt potestas durch ἐξουσιαστής wieder. Er spricht von den Vorständen der Handelscolonien in Byzanz: ὁ μὲν ἐκ Βενετίας καλεῖται μπαίουλος (bajulus), ὁ δὲ ἐκ Πίσσης κούνσουλος, ὁ μὲν ἐκ Γενούας ποτέστατος, ἅπερ εἰς τὴν Ἕλλαδα φωνὴν μεταγόμενα τὸ μὲν τῶν ὀνομάτων καλεῖται ἐπίτροπος, τὸ δὲ ἔφορος, τὸ δὲ ἐξουσιαστής.
  142. Ughelli IX 478.
  143. Vielleicht steht in den beiden sehr schlecht gelesenen Urkunden Ughelli VII p. 77 statt praefecti: potestates. Es sind officielle Uebersetzungen einer Urkunde des Grafen Claramonte von 1126 und König Roger’s von 1132, welche im J. 1154 angefertigt wurden. Der Titel praefectus ist mir in Normannischen Urkunden nicht begegnet.
  144. Huillard-Bréholles IV, 1, p. 198: qui non sint de ipsorum locorum aliquo municipes vel etiam oriundi. Diese Bestimmung galt auch für die Justiciare, sie durften nicht aus der Provinz stammen, der sie vorstanden, die gleiche Anforderung wurde an den Assessor des Justiciars gemacht. Huillard-Bréholles p. 189–190.
  145. Vgl. Bethmann-Hollweg III § 136 p. 88. Dass in der That auch die unteren Beamten in Byzantinischer Zeit aus den Einheimischen genommen wurden, geht aus einer Urkunde aus Istrien hervor. Ughelli V, 1097. In den Griechischen Urkunden Unteritaliens aus Byzantinischer Zeit finden wir häufig, dass die Griechischen Beamten ihren Namen Lateinisch unterschreiben – ein Beweis, dass sie des Griechischen nicht mächtig waren. – Das Gesetz Justinian’s wurde von Kaiser Justin auf die östlichen Provinzen ausgedehnt (Zachariae, Jus Gr.-Rom. Novellae. Coll. I Nov. 5 p. 11); in dieser Form wurde es in die Basiliken aufgenommen, ed. Heimbach VI tit. 3 § 43. In der älteren Römischen Verwaltung scheint allerdings der entgegengesetzte Grundsatz der herrschende gewesen zu sein. Vgl. Julii Pauli Sententiae V, 12, 5 bei Huschke, Jurisprudentia antejustinianea, 3. Ausgabe p. 505: in ea provincia, ex qua quis originem ducit, officium fiscale administrare prohibetur, ne aut gratiosus aut calumniosus apud suos esse videatur. Vgl. auch Codex I 41: Nemo Augustalis vel proconsul, vel vicarius vel comes Orientis in patria provincia fiat, nisi specialem ejus rei jussionem meruerit: und dazu Cassiodor, Varia lib. I Nr. 3 (Paris 1579) p. 7; vgl. jetzt auch Hartmann, Untersuchungen p. 41.
  146. a. a. O. p. 190.
  147. Vania, Cenno storico della città di Trani p. 49. Doch findet sich auch das entgegengesetzte Verlangen der Städte. In einer Urkunde von 1191, in welcher Kg. Tancred den Gaetanern die Privilegien Kg. Roger’s erneuert, verspricht er den Bailli aus ihren Mitbürgern zu wählen. Riccio, Cod. diplom. I 285.
  148. Hegel II, 242 ff.
  149. Gesta Frid. IV c. 5 p. 234 (d. kl. Ausg.). Ausführlicher bei Ligurinus lib. 8:

     Cunctasque per urbes
    Electos in jure viros, verique sequaces
    Imposuit, medio qui cuncta negotia juris

    Limite discuterent, nec eos ex urbibus iisdem,
    Ne favor aut odium sensus corrumpat eorum
    Sed magis ex aliis ad munera pulcra vocatos
    Elegit, sacra vel delegavit ab aula.

  150. Die Bezeichnung des Podestà als bajulus findet sich schon bei Romuald von Salerno, Mon. Germ. SS. XIX p. 430 zum Jahre 1159; vgl. ferner die Urkunde des Vertrages von Anagni, M. G. LL. II p. 149: Christian von Mainz lässt den Kaiser versprechen: praecipiemus etiam – – – ballivis suis universis et aliis nobilibus per terrae et castra constitutis. Für die spätere Zeit vgl. z. B. die Urkunden Kg. Philipp’s für Assisi a. 1205 bei Ficker IV p. 263: et curia mittet per comitatum bajulos suos.
  151. Ficker, Forschungen II p. 185 Note 22 will die Stelle nicht auf die potestates, sondern auf Richter beziehen, die der Kaiser damals für den Einzelfall delegirte. Sie beweist jedenfalls, dass der Normannische Verwaltungsgrundsatz damals am Hofe Friedrich’s bekannt war. Für die Romagna weist Ficker selbst auswärtige Podestà nach.
  152. Vgl. Ficker a. a. O.
  153. Hegel II, 242 ff.; Ficker, Forschungen II p. 424 u. p. 549.
  154. Laudes Papiae, Murat. SS. XI col. 24: Olim civitas per solos consules gubernabatur, nunc autem eligitur per sapientes illos omni anno rector, qui vocatur potestas ad certum salarium, qui sit de alia civitate. Vgl. auch Oculus pastoralis, Murat., Antiquit. IV p. 96, und die Statuten von Siena, ibid. IV p. 82; vgl. jetzt im allgemeinen La Mantia, Storia della legislazione italiana Bd. I p. 290.
  155. Ughelli, It. sacra IV, 366: Friedrich’s Vertrag mit Asti von 1159.
  156. Vgl. Stumpf 3931; 3955; 3990; Acta 227. Zwischen Podestà und Consul wurde damals kaum ein Unterschied gemacht. Auch Podestà wurden in der Mehrzahl bestellt. Vgl. Hegel II p. 244 Note 4 und Ficker II p. 184.
  157. Ficker II p. 187.
  158. a. a. O. p. 534, III p. 321 ff.
  159. II p. 247.
  160. III p. 321 ff., vgl. p. 308–315.
  161. Huillard-Bréholles IV, 1 p. 198.
  162. Gattola, Ad hist. abb. Cassinensis Accessiones. (Venedig 1734) p. 171 „ex regesto Petri Diaconi Nr. 352 fol. 153“.
  163. Ughelli, Italia sacra VII p. 823.
  164. Vgl. Pardessus, Collection des lois maritimes V, 237 und Allianelli, Delle antiche consuetudine e leggi maritime nelle prov. nap. p. 53. Die Authenticitat des Datums ist von Volpicella (bei Allianelli p. 25 ff.) bezweifelt worden, aber ohne genügenden Grund; vgl. dagegen Allianelli, Consuetudine e statuti napoletane p. 47 ff. und Beltrani, Sugli antichi ordinamenti di Trani (Barletta 1873). – Das Datum ist jetzt durch die gleichzeitige Urkunde aus Siponto vollständig gesichert.
  165. In einer gefälschten Urkunde für Messina (1129) gestattet Roger: consules per navigiorum primates et mercatores eligendi, qui cognoscant de marinis negotiis. Qui consules de usibus marinis et modo regendi curiam valeant capitula statuere. Lünig, Cod. dipl. Ital. II, 846. Ueber den Zusammenhang der consules mercatorum mit den consules civitatis vgl. Pflugk-Harttung, Iter Italicum p. 536. Die consules mercatorum von Corneto a. 1177 heissen a. 1144 (p. 533) einfach consules de Corneto. Pflugk-Harttung vermuthet, dass die Monum. hist. patriae. Chartae II, 997 erwähnten consules mercatorum von Rom identisch seien mit den consiliarii, dem Rath von Rom.
  166. Vgl. Bonaini, Statuti inediti della città di Pisa p. 12: Extra feudum meum [d. h. des Consuls] quod erit librarum duodecim. Vgl. auch Ficker, Forschungen IV p. 162. Die Consuln von Piacenza versprechen den Abt von S. Sisto cum suis stipendiis zu unterstützen.
  167. Federici, Degli antichi duchi o hypati di Gaeta. Napoli 1791 p. 454.
  168. Dominici Georgii hist. diplom. Cathedrae episcopalis civitatis Setiae (Rom 1751) p. 222 app. V.
  169. Federici p. 486.
  170. Federici p. 488.
  171. Dominicus Georgius p. 225.
  172. Federici a. a. O. p. 501.
  173. Del Giudice, Codice diplomatico app. p. VII.
  174. Federici p. 462.
  175. Die Wahl der consules geht hervor aus der Urk. Kg. Tancreds 1191: videlicet consulatum commutandum et eligendum omni tempore sicut soliti estis pro voluntate vestra sine licentia curie. Riccio, Codice diplom. I p. 285. Ob die Wahl von der Gemeinde oder von der Kaufmannschaft vorgenommen wurde, ist aus dem mir bekannten Material nicht ersichtlich.
  176. Riccio a. a. O. Supplem. I p. 21.
  177. Riccio I p. 285.
  178. Gerade so wie die consules mercatorum von Rom selbständig einen Vertrag mit Genua schliessen. Monumenta hist. patriae. Chartae II, 997.
  179. Ueber solche Handelsverträge vgl. Heyd, Geschichte des Levantehandels I p. 79, p. 82–83, p. 91 etc. Die stehende Formel in den Handelsverträgen der Italienischen Städte lautet etwa: salvabo z. B. Januenses, et res eorum contra omnes homines defendam. Beispiele bieten Monumenta hist. patriae. Chartae I p. 835, p. 858, p. 878; II p. 997. Liber jurium I p. 123. p. 125, p. 167, p. 171, p. 192 ff: Verträge zwischen Genua und Lucca, Mailand, Terdona und Genua. – Ferner Vertrag zwischen Venedig u. Bari a. 1122: Muratori SS. XXII col. 964. Vertrag zwischen Pisa und Amalfi: Archivio storico Ser. III, 8 p. 5 a. 1127. – Makuscev, Monum. hist. Slav. meridion. I, 1 p. 424: Vertrag zwischen Ancona und Zara: personas et res vestras, uti nos ipsos diligere et honorare tenemur. Dies war auch die Formel, welche bei politischen Bündnissen unter den Städten verwendet wurde: Handelsvertrag und Bundesvertrag war identisch, vgl. die Urkunden bei Vignati, Storia della lega Lombarda p. 49, p. 52, p. 105, p. 114, p. 115, p. 127, p. 129, p. 155. Ein solcher Handelsvertrag war es, den Mailand mit Pavia abschloss, von dem Landulf, Mon. Germ. SS. XX c. 33 p. 34 sagt, dass er das apostolische Ansehen und die kaiserliche Majestät gleich sehr beeinträchtige (Heyd I p. 135). Wenn sich eine Stadt verpflichtete, eine andere gegen Jedermann zu vertheidigen, so war hier nicht, wie im Lehensvertrage, der oberste Lehensherr ausgeschlossen. – Ueber Handelskriege vgl. W. Heyd, Geschichte des Levantehandels Bd. I p. 203–207, p. 213. p. 319; vgl. ferner Annales Pisani zum Jahre 1144: der Krieg zwischen Lucca und Pisa wegen des Castellum Aginolfi und der via Francisca. Ueber die Ursachen des Krieges zwischen Mailand und Lodi Muratori SS. XVIII p. 588; vgl. das Privileg für Lodi: Stumpf 3882. – Durch Handelsverträge wurde der Handel von Concurrenten lahm gelegt, so z. B. verband sich Venedig mit Rimini, um den Handel von Ancona lahm zu legen. Dandolo p. 301; Chron. di Marco p. 264; so verpflichtete sich z. B. König Bareso v. Sardinien gegenüber Genua, die handeltreibenden Pisaner von seinem Gebiet auszuschliessen. Mon. hist. patr. Chartae II p. 1031. Die Folge eines Sieges im Handelskriege war eine commercielle Beschränkung der unterliegenden Stadt, oder auch eine vollständige commercielle Knechtschaft, wie sie z. B. Savona und Nizza durch Genua auferlegt wurde, Mon. hist. patr. Lib. jur. I p. 166, und wie sie Mailand seinen Nachbarstädten Como und Lodi aufzulegen versuchte, vgl. Gesta Friderici p. 218 (d. kl. Ausg.). So wurden durch Handelsbündnisse und Handelskriege Verpflichtungen und Abhängigkeiten begründet, welche mit den Verpflichtungen der Städte gegenüber einer einheitlichen Reichsgewalt unvereinbar waren. Die neuen Verhältnisse von Treue und Unterwürfigkeit zersetzten den Lehensverband; auch wenn sie in den alten Formen der Lehenstreue abgeschlossen wurden, wurde auf den Lehensherrn keine Rücksicht mehr genommen, vgl. z. B. die Urkunde aus Cremona bei Galantino, Storia di Soncino III p. 4: Die sieben belehnten Ritter verpflichten sich Soncino „a quolibet mortali sine differentia personae“ zu vertheidigen.
  180. Wüstenfeld citirt in einem Briefe an Cantù (Archivio storico, Nuova seria XII p. 6 nt. 2) eine Inschrift angeblich vom Jahre 1063 bei Gründung von S. Maria: cum Pisano consule et tota adstante civitate (gedruckt bei Martini, Theatr. Basil. Pisan.). Die Inschrift erwähnt imperator Henricus augustus, sie kann also erst nach 1084 abgefasst sein; fraglich, ob sie überhaupt echt ist – Wenn man die Inschrift auch für ein authentisches Zeugniss für das Vorkommen des Consulats in Pisa im Jahre 1063 halten wollte, so würde ich doch keinen Augenblick zweifeln, dass das Consulat aus den Byzantinischen Provinzen entlehnt ist; den Byzantinischen Ursprung beweist der Amtscharakter.
  181. Vgl. Anemüller, Geschichte der Verfg. Mailands (Halle 1881), bes. p. 52–54, der nachweisen will, dass die Consuln noch im Jahre 1112 keine consules de communi in den späteren Befugnissen gewesen seien. Seine Gründe sind nicht immer zutreffend. Dazu Wüstenfeld in dem Brief an Cantù.
  182. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ich das Wort Souveränität nicht in der technischen Bedeutung des heutigen Staatsrechts gebrauche. Ein allgemein gültiger Begriff der Souveränität lässt sich nicht aufstellen. Als Souverän werden wir in den verschiedenen Ländern und Zeiten denjenigen betrachten, welcher die grössere Summe der Regierungsgewalt in sich vereinigt. Die Städte und Fürsten des späteren Mittelalters waren jedenfalls thatsächlich in höherem Grade souverän als die jetzigen Deutschen Bundesfürsten.
  183. Cafaro, M. G. SS. XVIII p. 26.
  184. Einen Ausdruck für den erwachenden Municipalpatriotismus finde ich Liber jur. Genuensium I p. 220: Posthabita etiam fide, qua naturali jure patriae fuerant obligati. – Das Bürgerrecht ruhte auf der Gemeinschaft in der Kirche und auf dem Schiffe, vgl. Bonaini, Statuti inediti p. 18; dem Friedensbrecher wird die Gemeinschaft in ecclesia et navi versagt. Vgl. auch die Urkunde Liber jur. I p. 190, in welcher die Consuln von Genua einem Placentiner, welcher eine edle, aber arme Genueserin geheirathet hat, facultatem et potestatem mittendi laboratum per mare, quocumque voluerit, libras centum quinquaginta singulis annis, also gleichsam ein beschränktes Bürgerrecht ertheilen. – Ueber den Municipalpatriotismus vgl. Ficker II p. 268.
  185. Wüstenfeld in dem Briefe bei Galantino, Storia di Soncino II p. 492, meint, das Bedürfniss guter Feldherren in inneren und äusseren Kriegen habe zur Einrichtung des Consulats geführt, vgl. oben p. 62 Note 1.
  186. Vgl. Raumer III p. 261. Urk. K. Roger’s für Salerno a. 1237: Ughelli VII, 399. Die Handelsvortheile der Salernitaner in Byzanz werden auf diejenigen der Sicilianer daselbst ermässigt.
  187. Vgl. Huillard-Bréholles IV, 1 p. 154. Die hier charakterisirten Beamten, welche die Verkehrspolizei und die Aufsicht über die Gewerbe inne haben, werden als acathapani bezeichnet, z. B. in Messina, Huillard-Bréholles V p. 813. In Palermo heissen sie auch magistri plateae; vgl. Stadtrecht von Palermo c. 61 bei Brünneck p. 40, c. 81; ibid. p. 63. Es ist zu untersuchen, ob sie mit den in Normannischen Urkunden mehrfach erwähnten platearii identisch sind. Ihr Amt entspricht vielleicht den Griechischen ἐπισκέπτεις, den episcopi in Dig. L. 4 de muneribus tit. 18 § 7, vgl. bei Trinchera, p. 20: Falcus turmarcha et episkeptites (a. 1021); Beltrani, p. 25 (a. 1059): Maraldus turmarcha et episkeptites. Die bei Constantinus Porphyr. p. 717 erwähnten ἐπισκεπτῆται sind Unterbeamte des Generalpostmeisters, und p. 718 des Stadtpräfecten von Byzanz, wo die Stadtverwaltung ebenso wie in Rom durchaus kaiserlich, nicht communal organisirt war. Die acathapani in Syracus vgl. Brünneck p. 158, in Noti vgl. p. 171. Ueber die acathapani von Palermo vgl. noch De Vio, Privilegia Panormitana p. 114 bis 124 (nach Brünneck). – In Palermo finden sich nach dem Stadtrechte praefecti vigilum oder xurterii, Brünneck p. 39; nach Hartwig, Stadtr. v. Messina p. 43, eine Corruption des Arabischen Saheb-es-sciorta, des Polizeipräfecten; in Palermo sind sie Nachtwächter. – Ferner die magistri merci, welche die Controle über den Viehhandel ausüben, vgl. Brünneck p. 52. – Dazu die Jurati, vgl. Brünneck p. 364, welche die Verwaltung des städt. Steuer- und Kassenwesens inne haben (Brünneck citirt Testa, Cap. Regni Sic. I p. 106–108, und De Vio, Privil. Panorm. p. 40). Ueber jurati und ὀμῶται vgl. Cusa p. 445 (a. 1223), Trinchera p. 327 und sonst mehrfach. – Eigenthümlich ist die Stellung der syndici von Palermo, Stadtrecht c. 78 bei Brünneck p. 59, sie entspricht vollständig derjenigen des antiken und Byzantinischen σύνδικος = ἔκδικος = defensor: vgl. Kuhn, Verfassung I p. 45. Dig. L. 4, 18, 13: Defensores, quos Graeci syndicos appellant. Basilica VI, 18. Die Syndici von Palermo vertreten und schützen die Gemeinde gegenüber den Uebergriffen der königl. Beamten. Dies ist auch das Amt der bei Winkelmann, Acta I Nr. 335 p. 297; Nr. 817 p. 633 erwähnten syndici. In Oberitalien sind die syndici im 12. Jahrhundert ad hoc eingesetzte Vertreter der Gemeinde.
  188. Stadtr. v. Palermo c. 60, c. 61, c. 71. Constit. Sicula bei Huillard-Bréholles IV, 1 p. 154.
  189. Constantinus Porphyr., De administr. imp. p. 118, p. 225; De themat p. 58. Als Sicilien von den Arabern erobert wurde, siedelte der Patricius von Sicilien nach Calabrien über, welches zu seiner Provinz gehört hatte, und nannte sich seitdem Stratege von Calabrien. Constantin. Porphyr. p. 225 sagt, Calabrien wäre früher ein Ducat von Sicilien gewesen. Die Nachricht ist wohl glaubwürdig, obgleich zur Zeit Justinian’s nur ein Dux in Sicilien gewesen zu sein scheint. Später aber nahm dieser den Titel eines Präfecten und Patricius an, welcher Würde mehrere Duces unterstellt zu werden pflegten. Auch der Dux von Neapel steht unter dem Patricius von Sicilien, vgl. Cod. Carolinus ed. Jaffé ep. 66 p. 209.
  190. So in dem Vertrage zwischen Venedig und Byzanz vom Jahre 992. Zachariae, Jus Gr.-Rom.: Nov. p. 305, und bei Anna Comnena.
  191. Dieser Sprachgebrauch ist schon von Pellegrinus bemerkt worden, vgl. Muratori SS. V p. 43 Note 89 und p. 87 Note 9.
  192. Trinchera p. 53.
  193. Acta SS. Sept 26. Ausgabe von 1867, Bd. VII p. 292 B.
  194. Monumenta archivii Neap. V, 98: Robertus dux Italiae, Calabriae et Siciliae. Gleichbedeutend ist der Titel dux Apuliae, Calabriae et Siciliae p. 97 u. p. 99. Ebenso Herzog Roger. In der bilinguen Urkunde, Trinchera p. 85, steht im Griechischen Text δοὺξ Ἰταλίας, Καλαβρίας καὶ Σικελίας, im Latein. Text dux Apuliae, Calabriae, Siciliae.
  195. Trinchera p. 23, p. 24, p. 57.
  196. Trinchera p. 11.
  197. Oefters war allerdings Langobardien und Calabrien unter einem Strategen vereinigt, so z. B. Trinchera p. 5: Marianus strategus Calabriae et Langobardiae p. 23: Leo κρίτης λαγγοβαρδίας καὶ καλαβρίας. Ebenso der schon angeführte Eupraxius in der vita S. Nili. Eine solche Vereinigung mehrerer Themen kam auch sonst öfters vor, z. B. Zachariae, Jus Gr.-Rom.: Nov. IV, 20 p. 348 κρίτης Θρᾴκης καὶ Μακεδονίας; Sympathisius ist gar Stratege von Thracien, Macedonien, Kephalonien und Langobardien: Trinchera p. 2. – Der Titel Katapan kommt auch sonst bei den Strategen der Byzantinischen Provinzen vor: ein Katapan von Paphlagonien, Constantinus Porphyr., De ceremoniis p. 788, vgl. Anna Comnena, Alexias II, 489. Der Titel Katapan findet sich auch bei Vorstehern von Städten.
  198. Vgl. die Urkunde bei Huillard-Bréholles IV p. 55: annuales judices, qui judicatus officium anno proximo precedenti non gesserint, und dazu Brünneck, Sicilische Stadtrechte p. 220, das Citat aus De Vio, Privilegia Panormitana p. 67, und das Stadtrecht von Syracus, Constitut. XXXIII, bei Brünneck a. a. O. p. 153. Vgl. auch Ficker, Forschungen IV p. 292. Es wird für den bajulus von Assisi im Jahre 1210 bestimmt: quicunque fuerit bajulus pro segnoria civitatis hoc anno non sit bajulus dehinc ad tres annos.
  199. Vgl. Stubbs, Constitut. history II, 215, und Select charters p. 395.
  200. Vgl. Du Cange, ed. Favre VIII, 313 v. Vicecomes.
  201. Vgl. Skenaeus, Leges Scottiae p. 131. „Quoniam attachiamento“ c. 101.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage (in der Anmerkung): den den
  2. Vorlage: Gaetener