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Bamberg (Meyer’s Universum)

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CXXXVIII. Bethlehem Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CXXXIX. Bamberg
CXL. Corinth
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BAMBERG

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CXXXIX. Bamberg.




Wieder sind wir im Vaterlande; und wieder vor einer seiner freundlichsten Städte, seiner anmuthigsten Gegenden. Göthe’s Zuruf:

Warum immer weiter schweifen?
Sieh, das Schöne liegt so nahe!

war stets eine Wahrheit in Bezug auf unser Deutschland.


Wenn man Bamberg von seiner prächtigsten Seite sehen will, so muß man es von der Höhe der Würzburger Straße betrachten. Von da aus bildet der Thalgrund, in dessen Mitte die Stadt, gleich wie im Schooße der Fruchtbarkeit und der Fülle, liegt, einen weiten Halbkreis, der von bewaldeten Bergen bekränzt wird. Die ausgedehnte, höchst reizende Fernsicht ist angefüllt mit freundlichen, aus Kränzen von Gärten hervorsehenden Dörfern, zerstreuten Höfen und blinkenden Schlössern, und hie und da schauen die Trümmer von Burgen und Klöstern von den Höhen herab. Eine Stunde unterhalb der Stadt vereinigen sich die beiden Flüsse, die von Süd nach Nord strömende Regnitz mit dem von Ost herkommenden Main, und die Stadt selbst zieht sich in verschiedenen Richtungen über sanft ansteigende Hügel hin, eine Eigenthümlichkeit, die an die Lage des alten Roms erinnert. Die schiffbare Regnitz strömt aber durch das Herz des Orts und stolz trägt sie dort das leichte Joch der Kettenbrücke (eine der ersten in Deutschland), wie der freie Mensch das Joch des Gesetzes.

Auch von jeder andern Seite zeigt sich Bamberg und seine Gegend überaus freundlich und heiter. Die Liebe für die freie Natur und für ihre Schönheiten und Genüsse war von jeher seinen Bewohnern eigen, und diese umgaben mit Gärten und freien Plätzen ihre Häuser, wo es nur thunlich war. Dadurch erhielt die Stadt [141] eine sehr große Ausdehnung, und den im Verhältniß zu ihrer Häuserzahl kaum glaublichen Umfang von anderthalb Stunden. Eben dadurch wird es schwer, ihre Totalansicht in ein malerisch-schönes Bild zusammen zu drängen, ohne der Wahrheit wehe zu thun. Auch unsere schöne Ansicht versagt den Blick auf das östliche Ende, und die in den rechten Rand fallende Schloßruine Altenburg auf einem Felsen über der Stadt ist ebenfalls nicht sichtbar.

Bamberg, obschon uralt, macht eine Ausnahme von der Regel und gehört nicht zu den Orten, welche an den altstädtischen Zwang und den Gebrauch unserer Vorfahren erinnern, wie den Körper mit Panzerhemd und Harnisch, so ihre Wohnungen mit Gräben und Mauern zum Schutze gegen des Faustrechts Unbill einzuschließen, welches in Deutschland seine goldenen Zeiten erlebte. Nirgends sieht man finstere Thore, hohe Mauern, mächtige Bastionen, rasselnde Zugbrücken über tiefe Gräben u. s. w. Mit der Entfernung der äußern Zeichen des Zwangs scheint auch der Geist hier freier geworden zu seyn und das Leben sich in anmuthigeren Formen zu bewegen. Das in den deutschen Mittelstädten, vorzüglich denen der Nordhälfte des Vaterlandes, dem wahrhaft Gebildeten so ekelhafte Kastenabsondern, und jene widrigen, dort immer und immer wieder vorkommenden jämmerlichen Verhältnisse, welche die Gesellschaft in bleierne Fesseln schlagen, erscheinen hier wenigstens in milderem Lichte. Der Fluch des Stadtlebens, jene öden Zirkel, jene kalte Höflichkeit, jene leere Convenienz, jenes Geschäftigseyn und endlose Reden um Nichts, jene stets lächelnde, liebliche Miene, und des Anstands und guten Tons Honigworte, die unablässig von den Lippen träufeln, während Haß und Neid giftkochend im Herzen sitzen; jene ostentiöse Lust nach Genüssen ohne Genuß, und jenes dem Kenner so lächerliche Streben, ohne eine einzige Tugend den Heiligenschein aller Tugenden um sich zu ziehen: – alle diese dem edlern Menschen anekelnden, langweilenden, oder empörenden, und ihn der Geselligkeit entfremdenden Gebrechen der klein- und mittelstädtischen Gesellschaft, treten hier, wenn sie auch nicht unbekannte Dinge sind, doch weniger merklich hervor. Im Ganzen lebt man in Bamberg allerdings mehr ein Familienleben, als ein geselliges: tritt man aber in die Gesellschaft, so erinnert man sich ihrer Zwecke und man lebt dann mit humanem Sinn mehr Andern, als sich selbst. –

Gehen wir nun zur Schau der merkwürdigsten Gebäude Bambergs über, wie sie sich, vom linken Rande unseres Bildes aus, der Reihe nach dem Auge darstellen!

Als äußersten Punkt sehen wir eine Kirche auf der Höhe: es ist St. Gertraut, mit dem alten daranstoßenden Klostergebäude, jetzt eine Irrenanstalt. Ein Gnadenbild der Maria macht, daß das Gotteshaus noch immer sehr stark besucht wird. – Prachtvoll und mit ihrem Doppelthurm von der Höhe den Wolken zustrebend, sehen wir weiter rechts die ehemalige Benediktiner-Abtei Michelsberg, eine Stiftung des Kaiser Heinrich II. aus dem 11. Jahrhundert und sonst eine der reichsten Abteien Deutschlands. Als Bamberg mit Würzburg 1803 an Bayern kam, traf, bei der allgemeinen Aufhebung der geistlichen Stiftungen, auch diese Abtei das Loos der Säkularisation, und der Staat zog alle ihre Besitzungen an sich. Später wurden die Gebäude der Stadt überlassen und von dieser zum [142] Bürgerhospital und zu der Leihanstalt eingerichtet. – Auf einer etwas niedrigern Anhöhe weiter rechts erhebt sich majestätisch der Dom. Wie aus einem Gusse hervorgegangen, hat sich dieses großartige Bauwerk, unter den im byzantinischen Styl eines der herrlichsten Deutschlands, fast vollkommen erhalten, und für die Ergänzung des vom nagenden Zahn der Zeit schadhaft Werdenden wird stets mit Liebe und Sorgfalt gewirkt.

Zunächst am herrlichen Dome ragt die alte (bischöfliche) Residenz über die Häusermasse hervor; und dieser gegenüber die neue Residenz, bis zur Säkularisation die Wohnung der Fürstbischöfe, später die des Prinzen Wilhelmvon Bayern, welcher im vorigen Jahre starb. – Aus einem Fenster im dritten Stock stürzte im Jahre 1815 am 1. Juni, gerade als eine Kolonne russischer Truppen unter den Schloßfenstern vorüberzog, in einer Anwandelung von Verzweiflung über den furchtbaren Wechsel des Schicksals, Berthier, unter Napoleon’s Kriegsfürsten der erste, sich herab und gab sich freiwillig den Tod. Die Stelle des Pflasters, wo er niederfiel, bezeichnet ein schwarzes Kreuz.

Gleich unter dem neuen Residenzgebäude tritt die obere Pfarrkirche vor’s Auge, die an der Stelle einer uralten Kapelle in den Jahren 1320–27 erbaut worden ist; durch Aenderungen in der Periode des Ungeschmacks (1711 bis 1715) ist sie innen und außen auf’s ärgste verunstaltet. Weiter rechts, dem Rande näher, ist die protestantische Pfarrkirche St. Stephan bemerklich, deren ältere Theile aus dem 11. Jahrhundert datiren. Sie war bis zur Säkularisation die Stiftskirche, dann eine Zeit lang geschlossen und wurde 1807 den Protestanten zum Gottesdienste eingeräumt. Die Kirche am äußersten Rande rechts ist die der Jesuiten, hinter welcher ihr Kollegiatgebäude, eine weitläufige Steinmasse, hervorsieht. Nach der Auflösung des Ordens wurde es der damaligen Universität zum Lokale eingeräumt; seitdem solche in ein Lyceum verwandelt wurde, ist es der Sitz dieses Instituts. – Andere, minder merkwürdige, öffentliche Gebäude dürfen wir in dieser übersichtlichen Beschreibung ohne Erwähnung lassen.

Im Allgemeinen ist Bamberg schön gebaut, und die meistens den Styl des 16. und 17. Jahrhunderts an sich tragenden Bürgerhäuser nehmen sich recht stattlich aus. Die Straßen, wenige ausgenommen, sind breit und die langen Reihen von Kaufläden, welchen der untere Stock der meisten Häuser eingeräumt ist, sprechen für die Betriebsamkeit der Bewohner. Die schönste Straße ist der vormalige Steinweg; jetzt, zum Kompliment für den neuen Herren, die Königsstraße geheißen. Außer der bereits erwähnten Kettenbrücke (1829–1830 erbaut), führt noch eine Steinbrücke von vortrefflicher Bauart über die Regnitz, – ein Werk aus dem 16. Jahrhundert.

Bamberg hat in 1800 Häusern etwa 20,000 Einwohner, welche in dem Handel mit einem Ueberschuß an Felderzeugnissen, besonders Gemüsen und Sämereien, die der Fleiß aus einem gesegneten Boden zieht, ihren Haupterwerbzweig finden. Großer Reichthum ist hier selten; aber eine mäßige Wohlhabenheit verbreitet sich durch alle Stände.