Beaumonts Reisen in Buenos-Ayres

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Autor: J. A. B. Beaumont, Esq.
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Titel: Beaumonts Reisen in Buenos-Ayres
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 156-159 S. 622-624; 627-628; 631-632; 634-636
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Originaltitel: Travels in Buenos Ayres and the adjacent Provinces of the Rio de la Plata. By J. A. B. Beaumont, Esq. 8vo London 1828.
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Auswanderung von Großbritannien nach Argentinien
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[622]

Beaumonts Reisen in Buenos-Ayres.

Travels in Buenos Ayres and the adjacent Provinces of the Rio de la Plata. By J. A. B. Beaumont, Esq. 8vo London 1828.

Der Verfasser dieser Schrift ist der Sohn des Herrn Barber Beaumont, der das Project zur Gründung einer Gesellschaft für Auswanderung nach Buenos-Ayres entwarf. Sein Buch ist mehr eine Apologie für dieß fehlgeschlagene Project, als der Bericht eines unbefangenen Reisenden. Beaumont hat in Allem, was er über das südliche Amerika sagt, durchaus den entschiedenen Ton der [623] Mißbilligung angenommen, und so schreibt er auch den ungünstigen Erfolg des Unternehmens eher jedem andern Umstande zu, als den Fehlern des Planes selbst. Die Minister von Buenos-Ayres sind in seiner Schrift durchgängig als Beutelschneider geschildert, jeder Angestellte ist ein Gauner, die Agenten sind Spitzbuben, und weder von den Gerichtshöfen noch den Polizeianstalten darf man sich Schutz versprechen. Ohne Zweifel sind die Verhältnisse Herrn Beaumont so vorgekommen, wie er sie beschrieben hat. Bei seiner Ankunft waren die Minister ganz mit dem Kriege beschäftigt, der auszubrechen drohte; die Fonds fielen; die Einwohner sahen mit Widerwillen in dem Mittelpunkte der Republik eine Colonie von Fremdlingen sich niederlassen, deren Kenntnisse und Betriebsamkeit allen Erwerb an sich zu ziehen drohten. Es ist nicht zu verwundern, daß die Capitalisten eines Landes, wo die arbeitende Klasse fehlt, nicht mit Gleichgültigkeit eine wohlorganisirte Schaar von Arbeitsleuten, die zum Vortheile von Eigenthümern in England arbeiteten, vor ihren Thoren sich niederlassen sahen. Und überdieß, wie eine beträchtliche Anzahl von Menschen unter Zucht und Leitung halten, die zu einer Gesammtheit vereinigt dastanden, erzogen unter andern Gesetzen, in verschiedenen Gewohnheiten, und dieß im Mittelpunkte eines Staates, der, selbst in schwankenden Verhältnissen, seine Organisation noch nicht so ausgebildet hatte, um seine eignen Unterthanen mit gehöriger Kraft zu regieren? Die Agenten der Compagnie, sobald sie bemerkten, daß die Sache sich zum Untergang neigte, trösteten sich damit, daß sie Alles noch zusammenrafften, wessen sie habhaft werden konnten, und blickten also den mit scheelen Augen an, der ihrer Plünderung Einhalt thun wollte. Der gute Ruf der südlichen Amerikaner endlich, in Bezug auf ihre Ehrlichkeit steht nicht sonderlich hoch, und es ist ziemlich wahrscheinlich, daß die ministeriellen Agenten der Republik Buenos Ayres nicht viel mehr bedeuten, als ihre Nachbarn.

Rivadavia selbst und die Andern, theils Betrogene, theils Betrüger, zogen die englische Leichtgläubigkeit in Plane, die, was auch immer der Ausgang derselben für die vereinigten Capitalisten werden mochte, doch sicher den Interessen der Republik vortheilhaft waren. Als sie die Unmöglichkeit einsahen, Projecte auszuführen, die sie in’s Daseyn gerufen hatten, so gaben sie dieselben ohne viele Umstände und sogar mit wenig Zartgefühl wieder auf. Sie gestatteten und ermunterten vielleicht sogar die Räubereien einiger von ihnen, und weit entfernt, die Niederlassung, welche zu bilden ihr Versprechen und ihre Mitwirkung beigetragen hatte, zu schützen, beschleunigten sie vielmehr ihren Sturz. – Der Capitän Andrews sagt in seinem Werke über dieses Land: „Wenn auch die Speculationen scheiterten, so hat doch die Erfahrung des englischen Volkes um so viel mehr Zuwachs erhalten.“ Beaumont kann fast dasselbe von seinen Planen sagen: „Sicherlich ist die Kolonie ruinirt, aber mein Sohn hat doch ein Buch geschrieben.“ Nur ist zu fürchten, die Entschädigung für so viele Verluste und Leiden möchte beiden Seiten ein wenig ungenügend scheinen. –

Den Standpunkt, aus welchem der Verfasser seine Schrift betrachtet wissen will, giebt er in einer kurzen Vorrede folgendergestalten an: „Wenn man ein fernes Land, das so wohlgelegen scheint, Capital und Unternehmungsgeist der Europäer daran zu versuchen, in Betrachtung ziehen will, so ist es die bestimmte Pflicht des Erzählers, nicht blos die natürlichen Vorzüge und Grundkräfte aus einander zu setzen, welche in dem Lande liegen mögen, sondern auch die örtlichen Hindernisse jeder Art, welche wahrscheinlicher Weise die Berechnungen des Capitalisten und des Auswanderers vernichten können. Die Vernachlässigung dieser heilsamen Vorschrift veranlaßte unendliche Aufopferungen und fehlgeschlagene Hoffnungen für die, welche ihr Vermögen und sich selbst in Buenos-Ayres auf’s Spiel setzten. Der Verfasser dieser Blätter und einige seiner Freunde wurden die Opfer befangner, parteiischer Darstellungen jener Länder. Sie selbst trugen viel dazu bei, das brittische Publikum auf die Vortheile der Auswanderung nach Buenos-Ayres aufmerksam zu machen. Aber der Verfasser hat jetzt das Land und die Handlungsweise seiner Regierung mit eigenen Augen gesehen; er hat seine Erfahrung um einen hohen Preis erkauft und er hält es für eine Pflicht, die er seinen Landsleuten und dem Publikum schuldig ist, offen das Resultat dieser Erfahrung mitzutheilen. Die natürlichen Anlagen des Landes sind die besten, die man wünschen kann, und diese müssen fortdauern und weiter wirken; aber die aus moralischen und politischen Ursachen hervorgegangenen Hindernisse sind solcher Art, daß sie eine ernste Betrachtung erfordern.“

Das Land selbst bietet eine so anziehende Mannigfaltigkeit von Ansichten dar, daß, wenn es auch fast unmöglich ist, etwas völlig Neues über diesen Gegenstand zu schreiben, sich doch immer eine Seite finden läßt, um die Aufmerksamkeit zu fesseln. Beaumont hat unter die vielen ins Einzelne gehende Nachrichten, welche blos für Auswanderer von Nutzen sind, auch manche Dinge mit aufgenommen, die seine Schrift allgemeiner betrachtenswerth machen.

In den unermeßlichen Ebenen der Provinzen von Buenos-Ayres gibt es Weide-Steppen jeder Art in solchem Ueberflusse, daß man sich nicht über den niedrigen Preis des Viehes und des Fleischverkaufes wundern, noch den Preis des Rindfleisches als Basis des Werths aller andern Lebensmittel annehmen darf. Unsere Gutsbesitzer werden mit Staunen hören, daß man Pferde um eine halbe Krone verkauft, und zwanzig Stück Schafe für weniger als ein Pfund Sterling. Beaumont sagt darüber: „Sonst achtete man an den Schafen Nichts, als die Wolle, und um sich aller Mühe zu überheben, ließ man das Fleisch verderben oder von Raubthieren fressen. Die Wolle sammelte man nach Muße ein. Man hat mich versichert, daß zuletzt sogar die Körper der geschlachteten Schafe, die an der Sonnenhitze ausgedorrt waren, aufgeschichtet wurden, um als Brennholz zu dienen; und mit diesem Material heitzte man die Ziegelbrennereien und Kalköfen. Auch besteht wirklich noch ein Gesetz, welches für die Zukunft verbietet, ein Schaf lebendig in den Ofen zu werfen, [624] um sich nicht erst die Mühe geben zu dürfen, es vorher zu schlachten. Der gemeinste Sclave verschmäht es, Hammelfleisch zu essen; ein halber Real oder sechs Sous das Stück war mehrere Jahre lang der laufende Preis dieser Thiere. Vier tausend Schafe wurden im Jahr 1825 auf Rechnung des Ackerbau-Vereins des la Plata-Stromes Stück für Stück um 4 Realen gekauft, und als ich Buenos Ayres im Sommer des Jahres 1827 verließ, verkaufte man dort das Stück zu einem Dollar.“

Von der Behandlung der Viehheerden und der Lebensweise ihrer Hüter entwirft Beaumont folgendes Bild:

„Jede Estancia hat einen Oberhirten (Capadaz), welcher für jedes Tausend Stück Vieh einen Peon unter sich hat. Das Geschäft des Herrn besteht darin, daß er von Hunden begleitet die Heerde umreitet und sie auf einen Platz zusammen treibt; hier werden sie eine Zeitlang beisammen gehalten, worauf man sie sich zerstreuen läßt. Dieß geschieht, um das Vieh zu gewöhnen, bei einander zu bleiben und ihm die Lust zu nehmen, sich zu verlaufen. Zu andern Zeiten beschäftigt man sich damit, daß man die Heerde mit dem Stempel des Besitzers zeichnet, junge Stiere und Füllen auswirft, junge Pferde zureitet und im Winter und Frühling Vieh schlachtet, um Häute, Unschlitt und cherca (gedörrtes Fleisch) zu gewinnen.

Der Capadaz und die Peons, welche verheirathet sind, haben meistens abgesonderte Hütten. Die Geräthschaften dieser Hütten bestehen gemeiniglich aus einem Wassergefäße, einem kleinen kupfernen Topf, um das Wasser zu wärmen; einigen Kürbissen, deren man sich als Thee-Näpfe bedient, einem großen eisernen Topf, um darin Fleisch zu kochen, einem Stierhorn zum Trinken und einigen Stäben oder Bratspießen, um daran das Fleisch zu braten. Ochsenschädel dienen gewöhnlich zum Sitze; nur einige haben ein paar Stühle oder eine Bank und ein Bett. Letzteres besteht aus einem Gestelle, auf welches eine Haut ausgebreitet ist und das auf vier Stellen etwa einen Fuß hoch sich vom Boden erhebt. Die Peons schlafen gewöhnlich auf der Erde und auf ihrem Pferdegeschirr (reoado). Dieß besteht aus einem oder zwei groben, zwei Ellen großen Tüchern, welche man zusammen geschlagen auf den Rücken der Pferde legt, um den Sattel zu tragen; über diese Tücher wird ein etwa fünf Fuß großes Stück Haut gelegt; dann kommt der Sattel, von plumpem Holz mit hohem Sattelknopf und Lehne, mit Stroh ausgestopft und mit Leder überzogen. Dieser gibt Nachts das Kopfkissen ab. Dieser Sattel ist in der That für den Hirten von ausgebreitetem Nutzen; er dient ihm nicht allein als Geräthe in seiner Schlafkammer, sondern auch in seiner Küche; denn wenn er kein anderes Mittel in der Hand hat, während seines Umherziehens sein Fleisch zu bereiten, so legt er es zwischen Sattel und Pferderücken, und nach einem guten Galopp nimmt er es ganz mürbe, völlig in seinem eignen Saft erweicht und hinlänglich gar, hervor. So hat man mir es häufig erzählt; ich selbst sah es nie. Ein anderer Nutzen des Sattels ist, die Kleider gegen Nässe zu schützen. Wenn die Hirten draußen auf der Ebene sind und ein starker Regen herabzustürzen droht, so ziehen sie ihre Kleider aus (wozu sie ohne irgend eine dringende Veranlassung manchmal mehrere Wochen hintereinander sich nicht die Mühe nehmen) und stecken sie unter den Sattel. So reiten sie mutternackt unter dem Regenbad umher, und hört der Regen auf, so nehmen sie die trocken erhaltenen Kleider wieder hervor.“ [627] In diesem Lande ist fast jeder beritten. Dieß macht die Menge der Pferde, die so zahlreich und wohlfeil sind, wie die Schafe. Sie irren in Haufen zu Tausenden über die weiten Flächen, in vollkommener Freiheit, ohne Herrn oder Eigenthümer. Jedermann kann sich das nächste beste aneignen, und so kommt es, daß es in diesen Gegenden keine Fußgänger gibt. Der Bettler selbst streckt zu Pferde die Hand um eine Gabe aus.

Der Gaucho oder Pachtbauer lebt nur zu Pferde; zu Fuße ist er eben so unglücklich, als untauglich. Die lustige Anekdote von einem Gaucho, der gegen seinen Willen aus seinem Sattel kam, erzählt Beaumont auf sehr charakteristische Weise.

„Als mir am Morgen die Pferde vorgeführt wurden, äußerte ich gegen meinen Führer die Besorgniß, das Pferd, welches für mich bestimmt war, möchte nicht im Stande seyn, mich zu tragen. Das arme Thier taumelte ordentlich, als ich es bestieg. Aber der Führer schob die Schuld davon auf dessen Faulheit und betheuerte mir, es sey das beste Thier, das er habe. Ich erfuhr auch bald darauf, daß es die Wahrheit sey, da es das einzige Pferd war, das er noch übrig hatte. Durch tüchtiges Handhaben der Sporen und Peitsche war ich eine Meile weit von der Stadt gekommen, als das arme Thier erschöpft und sterbend zusammen stürzte. Der Führer stieg mit ausnehmender Gemüthsruhe ab, um meinen Reitzeug abzunehmen, wovon er einen Theil auf sein eigenes Pferd packte. Hierauf nahm er mit einem Erguß von Flächen Abschied von dem halb todten Thiere, und indem er ihm noch einen tüchtigen Peitschenhieb gab, schickte er sich an, sein eignes Pferd wieder zu besteigen, als ich ihm darin zuvor kam, indem ich mich auf dasselbe schwang und ihm so die Wahl ließ, entweder zu Fuße zu gehen, oder sich von irgend einem Nachbar ein frisches Pferd zu verschaffen. Anfangs gerieth er in Hitze, indem er erklärte, er könne nirgends ein Pferd finden, als auf dem nächsten Posthause, das fünf Meilen entfernt lag, und daß er, wenn er nach Buenos-Ayres zurückkehren sollte, gestehen müsse, daß kein einziges Pferd in der Post dieser Stadt übrig gewesen sey. Nach dieser Erklärung und mehreren fruchtlosen Versuchen mich zu überzeugen, daß es viel vernünftiger wäre, wenn ich ginge und er ritte, entschloß er sich endlich, meinem Pferde Zaum und Gurt abzunehmen und stillschweigend neben mir her zu wandern, indem er von Zeit zu Zeit zwischen den Zähnen murmelte: Diabolos estos Ingleses.

Die arme Creatur von Sohlen-Ritter war ganz außer ihrem Elemente, und ich konnte nicht umhin, seinen tiefen Kummer und seine Erniedrigung zu bedauern, ohne ihm jedoch zu seinem Troste meinen Platz einräumen zu wollen. Ein Gaucho zu Fuße – Dieser Fußgänger wider Willen hatte, so oft ihm der Gedanke an seine Absetzung vor Augen trat, ganz das Aussehen, als wünsche er, daß die Erde sich aufthäte, ihn zu verschlingen. In diesem Zustande begegnete er noch überdieß Einigen seiner Bekannten. Er ließ vor Scham den Kopf hängen und erzählte mit vieler Rührung die Umstände, die ihn in diese Lage gebracht hätten; wobei er schwur, daß ich, wenn meine pistolas nicht wären, nicht lange auf seinem Pferde sitzen sollte. Nachdem wir so unsere Reise neben einander, doch eben nicht sehr traulich, ungefähr eine halbe Meile [628] fortgesetzt hatten, begegneten wir einer tropilla von Pferden, die ein Junge nach der Stadt trieb. Mein Führer nahm sogleich eines davon in Beschlag, ein sehr schönes Thier, dem er seinen Reitzeug anlegte. Nachdem ich es bestiegen hatte, verlangte er, ich sollte dafür acht Dollars bezahlen. Da ich aber dieß durchaus nicht für nöthig hielt, so entzog ich mich seiner Forderung, indem ich im Gallop davonjagte; er holte mich bald wieder ein, nachdem er es selbst bezahlt hatte. Bei uns’rer Ankunft in dem Posthause malte er den Zuhörern mit den lebhaftesten Farben die üble Behandlung vor, die er erfahren hatte, und bestand auf der Zurückzahlung der acht Dollars. Seine Freunde wollten mich überzeugen, das Recht der Gewohnheit sey auf seiner Seite, da ich aber sehr deutlich einsah, daß die Gerechtigkeit auf der meinigen war, so verachtete ich ihr Geschrei und kümmerte mich nicht weiter um seine Ansprüche.“ –

Sogar die Mütter dieses Reitervolkes rechnen das Alter ihrer Kinder nur nach den Fortschritten derselben in der Reitkunst:

„Auf dem Plane vor dem Hause erlustigten sich drei kleine Jungen, von vollrunden Gesichtern, damit, Hunde mit Lassos, die aus Riemen von ungegerbtem Leder verfertigt sind, zu fangen. Sie ahmten die Jagd mit dem Lasso mit großer Genauigkeit nach, indem sie den Hund zu Boden rissen, sich anstellten, als wollten sie ihm die Kehle abschneiden und dieß Alles mit übertrieben heftigen Geberden und Lieblings-Flüchen. Auch ließen sich die Hunde mit einer musterhaften Geduld hin und herschleppen und schienen sich in diesem Spiele nicht minder zu behagen, als die kleinen Gauchos. Als ich meine Verwunderung über das Talent der Nachahmung bei diesen kleinen Burschen äußerte, und nach ihrem Alter fragte, antwortete die Mutter: sie könne es so genau nicht angeben. Diese zwei, setzte sie hinzu, indem sie auf die deutete, welche nackt waren, sind noch sehr jung. Aber der Andere, welcher ein Röckchen anhat, ist schon in dem Alter ein Pferd zu besteigen[1]. Dann sagte sie uns, daß sie einen Säugling habe, der sehr krank sey, und bat uns, ihn zu sehen. Sie führte uns dann in die Küchenstube, wo wir ein armes kleines Kind fanden, das in einer von der Decke herabhängenden Haut geschaukelt wurde, fast gerade ober dem Feuer.“ –

„Man kann mehrere Tage hintereinander reisen, ohne eine weibliche Gestalt zu sehen, so daß man zuerst auf den Gedanken kommt, die Einwohner möchten, gleich den Indianern, nur wenige derselben am Leben lassen; aber eigentlich entspringt diese scheinbare Minderzahl von Frauen daraus, daß sie fast immerfort zu Hause bleiben, während die Männer stets zu Pferde und gleichsam im freien Felde daheim sind. Durch diese Zurückgezogenheit der Weiber verliert indeß der Reisende nicht viel; man vermißt bei ihnen gar sehr das muntere, lebendige Wesen der englischen Landmädchen; die rothe Gesichtsfarbe, die weiße Leinwand und der schmucke Anzug unsers Landvolkes sind ihnen fremde Dinge. Ihre Kleidung besteht fast blos aus einem groben wollenen Mantel; keine Hüte, keine Hauben, keine Mieder, keine Schuhe und keine Strümpfe. Nie sah ich Eine ihre Kleider waschen, und auch Hände und Gesichter schienen nur bei außerordentlichen Fällen dieser Ehre theilhaftig zu werden. Die ganze Beschäftigung in ihrer Hauswirthschaft scheint darin zu bestehen, daß sie Feuer schüren, um den Kessel zum máte zu wärmen, das Essen kochen, und die Kinder (wenn sie welche haben) in einer an der Stubendecke schaukelnden Hangmatte wiegen. Da sie keine Fußböden zu scheuern oder andere Abspühlungen zu besorgen, kein Hausgeräthe in Ordnung zu stellen, keine Strümpfe zu stopfen, keine Küchengärten zu säubern, kein Feld, um darauf zu arbeiten und keine Bücher, um darin zu lesen haben, so sind der Stunden ihrer Muße sehr viele, und diese bringen sie in freudloser Trägheit oder mit Rauchen von Zigarren zu, welche unter dieser schönen oder vielmehr weißbraunen Hälfte der Schöpfung keinen geringen Absatz finden.“ –

„Es glückte mir nie, einem ländlichen Feste beiwohnen zu können. Vielleicht ist die Bevölkerung zu sehr gestreut, als daß solche Zusammenkünfte häufig statt finden könnten. Die einzige allgemeine Zusammenkunft und Erlustigung beider Geschlechter, die ich sah, war bei dem Arroyo de la China (China-Bache) beim Uraguay, wo die Eingebornen sich in großer Zahl einfanden um zu baden. Die Schönen des Festes schwammen, fast ganz entkleidet, mitten unter den Männern herum, und machten sich über einzelne von unsern Begleitern nicht wenig lustig, als sie es ungeschickt genug versuchten, ihre Wasserkünste nachzuahmen.“

[631] Bei all’ diesen ungünstigen Schilderungen des Landes und der Bewohner wird man stets an den Gegensatz erinnert, den damit Capitän Heads lebenvolle Darstellungen bilden. Welches Vergnügen gewährte es Head, zu Pferde durch jene wilden Gegenden zu schweifen; wie trefflich schmeckte ihm das unter seinem Sattel mürbe gemachte Fleisch; wie herrlich schlief er mit dem Pferdeschedel als Kopfkissen! Hr. Beaumont ist viel delicaterer Natur. Seinem feinen englischen Geschmacke wollte das wilde Leben, in welchem Head eine neue Welt, voll Kraft und Natur, aufging, nicht behagen, und zum Ueberfluß kamen noch seine betrogenen Erwartungen hinzu, um sein Urtheil überall wo er hinblickt so sauertöpfisch als möglich zu machen:

„In einem finstern und elenden Schuppen, der unsern Speisesaal vorstellte, und in der Mitte des Fußbodens, welcher aus der nackten Erde bestand, sah man ein Loch etwa zwei Fuß im Durchmesser. In diesem wurde einiges Holz angezündet, und an einem Spieße steckte ein mächtiges Stück Rindfleisch zum Braten. Rings um das [632] Feuer lagen die Gerippe von Pferd- und Stierköpfen, welche zu Sitzen dienten. Eine lange dürre Gestalt, mit einem finstern häßlichen Gesichte, das von schwarzen borstigen Augenbrauen beschattet und mit langen Haaren umzottelt war, schürte das Feuer. Endlich kam die Stunde zum Mahle. Mehrere andere Peons traten herein, gesellten sich zu uns, und alsbald schritt man an’s Werk. Jeder nahm seinen Schedelsitz, rückte mit ihm zum Feuer, griff dann nach seinem langen Messer und machte sich fertig, dem Bratspieße seine Ehre anzuthun, indem er mit seinen schmutzigen Fingern das Fleisch überall betastete, um das weichste oder bestgerathene Bratenstück zu entdecken, und dann sich ein acht oder neun Zoll langes Stück abschnitt. Das eine Ende des so abgeschnittenen Stückes hielt er in der Faust, das andere steckte er in den Mund, und wenn er es so weit hineingebracht hatte, als es gehen wollte, schnitt er mit dem Messer durch. Alle priesen die Trefflichkeit des Fleisches, plauderten und lachten, so daß es einen oft Wunder nahm, daß sie nicht manchmal statt des Bratens sich die Nasen abschnitten. So groß auch die Fleischschnitte waren, so machten sie doch selten mehr als drei Mundvoll daraus, und diese würgten sie mit erstaunenswürdiger Fertigkeit hinunter. Nachdem so der Braten zerlegt und wenig mehr am Spieße übrig war, als ein bloßer Knochen, kam die Reihe an das zweite Gericht. Es wurde der Caldo, ein Topf mit Brühe und Fleisch, aufgedeckt; dieser stand ein wenig auf der einen Seite des Feuers, so daß die Tischgenossenschaft ihre Sitze weiter schieben und ihre Köpfe in einen engern Kreis zusammenrücken mußte. Einer griff frischweg mit den Fingern in den Topf hinein, und brachte das Fleisch zum Vorschein, das nun auf dieselbe Weise wie der Braten zersäbelt und verschlungen wurde. Die Brühe trank man in Muschelschalen, aber da die Zahl derselben nicht für alle hinreichte, so mußte eine Schale mehrere Lippen küssen. Indem sie die Brühe hinabschlürften, hielten sie ihre Köpfe (das heißt, nicht die worauf sie saßen, sondern ihre eigenen lebendigen) über den Topf, so daß nichts, was von ihrem Munde herunterrann, oder was, weil man es zu heiß fand, wieder ausgespuckt wurde, verloren ging, sondern zur gemeinschaftlichen Grundsuppe zurückfloß. Der Geschmack dieses Gerichtes war durch Nichts verfälscht, weder durch Salz, noch durch Gewürze, noch durch irgend eine Art von Kräuterwerk: man trank den reinen Fleischabsud. So ging der Schmaus fort und wurde mit vieler Ergötzlichkeit geendigt. Mein Gefährte erklärte das Rindfleisch für ausnehmend schmackhaft und fand sich überhaupt so wohlbehaglich, als wäre er als Gaucho geboren und erzogen; mein Magen aber wollte sich noch nicht an die neue Lebensart gewöhnen. Die Behaglichkeit, mit der meine finstern und schmutzigen Tischbrüder an dem Braten herumtappten; die Gier, mit welcher sie die Schnitten faßten und verschluckten; die Behendigkeit, mit der sie das gekochte Fleisch mit den Fingern zerrissen, und Schlund und Bart mit der Brühe badeten – alles dieß vermochte so wenig mich zum Wetteifer zu begeistern, daß ich eher die ungestümen Forderungen meines Magens (denn ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen) zur Ruhe wies, als daß ich mich entschließen konnte, mich der Tafelrunde anzuschließen. Ich fühlte einige Uebelkeit und ging zu Bette, das heißt, ich breitete auf dem nackten Boden eines Nebenschuppens eine Haut zu meinem Lager aus, nahm meinen Sattel als Kopfkissen, meine Kleider als Decke. Doch vergeblich hoffte ich auf Schlaf und Ruhe; kaum hatte ich mich hingestreckt, als ich von Legionen Flöhen angefallen wurde. Die Eingebornen sind im Ganzen den Fremden hold, aber noch mehr ihre Flöhe; diese fraßen mich fast vor Zärtlichkeit. Sie zu fangen, daran war nicht zu denken; das Einzige, was ich versuchen konnte, war, sie zu schrecken und von ihrem Leckermahle zu verjagen. Um dieß zu bewerkstelligen, mußte ich mehrere Stunden lang mit Händen und Füßen zappeln und schlagen, wie ein galvanisirter Frosch, bis ich endlich, von Ermüdung überwältigt, in Schlaf fiel und ihren ruchlosen Willen ungestört gewähren ließ. O Dio! chi probo mai tormento eguale al mio! Als ich erwachte, dauerte noch ihre Schwelgerei fort: freilich fiel mancher unter der Hand vergeltender Gerechtigkeit, viele suchten ihr Heil auf der Flucht, aber gleich den Parthern waren sie kaum aus einer Stellung vertrieben, als sie schon an einer andern ihr Angriffe erneuerten; so blieb mir endlich keine Zuflucht mehr, als mich auf und davon zu machen. Als ich die freie Luft gewann, gelang es mir dadurch, daß ich meine Kleider auszog und tüchtig ausschüttelte, meine Quälgeister, die sich zuletzt so angesaugt hatten, daß sie es kaum mehr zu einem erklecklichen Sprung bringen konnten, aus ihren Quartieren zu schlagen.“

[634] „Unter den wilden Indianern (so nennt man die, welche sich von der Herrschaft der Spanier frei erhalten haben) bemerkt man noch die eigenthümlichen Grundzüge dieser Menschenrace, deren Blut rein von europäischer Beimischung geblieben ist. Ihre Sitten aber haben durch die flüchtige Berührung mit den Ansiedlern einige Aenderung erlitten, wiewohl nicht gerade zu ihrem Vortheil. Besonders schädlich wirkt die Gewohnheit, stark gebrannte Wasser zu trinken. Diesen Indianern ist übrigens Kunstfleiß eben so wenig fremd, als denen, welche von den Europäern zu den schon civilisirten gerechnet werden. Sie verfertigen Lassos, Bälle, Riemenwerk, Peitschen von Leder, Steigbügel aus einem Stück Holz, das sie in dreieckige Form biegen, andere fleißig geschnitzte Arbeiten, als kleine Schachteln, Wedel von Straußfedern, denen sie lebendigfrische Farben zu geben wissen. Sie machen auf Tiger, Löwen, Panter und Marder Jagd und sammeln ihre Häute. Auch verfertigen sie Stiefel (botas de potro) aus den Hinterbeinen junger Pferde. Hiezu wird die Haut gegen die Mitte des Schenkels rundum und ebenso etwa neun Zolle über der Fessel durchschnitten. Dann streift man sie ab; der obere Theil bildet den Schaft des Stiefels, die Kniebeuge wird die Ferse, die übrige Haut bedeckt den Fuß und läßt an der Spitze eine Oeffnung, durch welche sie die große Zehe stecken. Diese Stiefel werden von Haaren gereinigt und an den Fuß gepaßt, so lange die Haut noch feucht ist; sie schrumpft dann zusammen und gewinnt die gehörige Form, ohne daß man sich weitere Mühe zu geben braucht. Wenn sie reiten, steht die [635] Zehe allein im Steigbügel; dadurch erhält sie eine ungewöhnliche Stärke und trennt sich sehr von den übrigen Fußzehen. Für die erwähnten Waaren tauschen die Indianer Branntwein (aguardiente), Maté (die Paraguay-Wurzel, aus der eine Art Thee gekocht wird), Zucker, Feigen, Trauben, Pferdgebisse, Sporen, Messer u. dgl. ein. Um diesen Handel zu treiben, besuchen sie von Zeit zu Zeit truppweise die vorzüglichsten Städte; da sie aber bei dieser Gelegenheit im Brauche haben, über Durst zu trinken, so müssen sie, zur Vermeidung von Streitigkeiten in den Vorstädten bleiben.“

Auch die Indianer des ebenen Landes haben sich so sehr an den Gebrauch der Pferde gewöhnt, daß das Reiten eine ihrer Lieblingsübungen geworden ist, und sie es darin noch weiter als die Gauchos selbst treiben.

„Fast alle Einwohner der Provinzen des la Plata-Stromes sind geschickte Reiter; die Creolen und die ansäßigen Indianer übertreffen darin bei weitem die europäischen Ansiedler, und die Wilden thun es allen zuvor. Von Jugend auf leben sie zu Pferde; ihre Beine erhalten durch diese frühzeitig getriebene Uebung eine ganz sichelförmige Krümmung und kaum können sie sich ihrer zum Gehen bedienen. Ich sah bisweilen in Buenos-Ayres solche arme Indianer, die man dahin als Gefangene gebracht hatte: sie schleppten sich mühsam fort, verwickelten ihre Beine und hinkten einher, wie wackelnde Enten. Aber im Sattel bilden sie mit dem Pferde nur Einen Leib, und indem sie mit ihren säbelkrummen Beinen das Pferd umschließen, gewinnen sie einen so festen Halt, als der Papagei, wenn er sich mit seinen Klauen einklammert. Im gestreckten Galoppe können sie sich unter dem Bauche ihres Pferdes herumschwingen und wieder in den Sattel kommen. Die Jagd auf Pferde, Damhirsche und Strauße macht die Hauptbeschäftigung dieser umherschweifenden Indianer aus. Wenn es ihnen aber daran fehlt, so machen sie sich eben kein Gewissen daraus, ihren Vorrath aus den gezähmten Heerden von Pferden und Hornvieh zu holen, welche sie an den Grenzen der civilisirten Provinzen antreffen. Dieß hat schon viele Kriege und Waffenstillstände zwischen den Indianern und den Einwohnern der Provinzen veranlaßt; jene dauerten gewöhnlich so lange, bis beide Theile durch ihre Verluste ermüdet waren, und diese wurden nur so lange gehalten, bis sich das Andenken an die Uebel des Krieges verwischt hatte, oder sie sonst einen Grund fanden, die Feindseligkeiten zu erneuern.“

Der Umstand, daß der Reisende, von seinem übeln Humor und dem Aerger über getäuschte Hoffnungen geplagt, alles was ihm begegnet von der schwärzesten Seite darstellt, hat für den Leser wenigstens das Gute, daß er sich um so eher auf die Wahrheit derjenigen Stellen verlassen kann, in denen Beaumont hie und da etwas in günstigerem Lichte zeigt. Da zum Beispiele, wo er die Gründe kurz wiederholend zusammenfaßt, welche jemand bestimmen können, nach Buenos-Ayres auszuwandern, dürfen wir überzeugt seyn, daß der Verfasser von keiner Parteilichkeit geblendet war.

„Nach dem, was ich über die Regierungshäupter von Buenos Ayres, über das Schicksal derjenigen, die ihren Versprechungen trauten, und über den schwankenden und unsichern Zustand des Landes angeführt habe, würde es unnöthig seyn, solchen, die Lust hätten, ihr Capital dahin anzulegen, noch Behutsamkeit anzuempfehlen. Niemand wird in Zukunft mehr so unbesonnen seyn, für dergleichen Auswanderungsplane Geld herzuschießen, niemand mehr Actien in den Fonds solcher neuer Gesellschaften nehmen. Wenige werden die Absendung von Arbeitsleuten in ein so fernes Land auf ihre Kosten, in der ungewissen Hoffnung, den Gewinn ihrer Arbeit zu theilen, fürderhin in Schutz nehmen wollen. Die Manufacturisten und Kaufleute werden sich erst einigemal umsehen, bevor sie sich in die Hände der Agenten und Associés werfen. Sie werden sich Zeit nehmen zur Ueberlegung, bevor sie selbst bei vertrauten Leuten darauf rechnen, daß diese in diesem Lande der Treulosigkeit und des Betruges für ihre Interessen wachen werden, wofern nicht eine moralische und politische Umgestaltung daselbst eintritt. Aber dennoch gibt es eine Classe von Menschen, die, wenn sie Mittel finden, in die Provinzen des la Plata Stromes zu kommen, vernünftiger Weise hoffen können, ihre Lage zu verbessern. Es sind dieß Bauern und Handwerksleute, die an harte Arbeit gewöhnt sind, Gräben ziehen, Brunnen graben, Dämme aufwerfen können: emsige Pächter und Ackersleute, Zimmerleute, Schlosser, Schneider, Schuster u. dgl. Handwerker. Wenn sie mehr als ein Handwerk verstehen, so wird ihnen dieß nur zu größerem Vortheile gereichen; denn es kann sich oft ereignen, daß ein Fach der Arbeit zu stark besetzt ist. Es fehlt daselbst weder an Genies, noch an Leuten, andere zu dirigiren, noch an Projectenmachern, noch an schlauen, verschlagenen Köpfen; den gewandtesten Mustern dieser Art aus England würden die Creolen sehr bald das Spiel abgewonnen und sie betrogen haben. Die Genies irren ohne Beschäftigung umher, die Projectenmacher scheitern in allen ihren Unternehmungen, und was das Dirigiren-wollen betrifft, so hat dort jeder Lust und Talent dazu: auch Advocaten, Agenten und Consulenten gibt es so viel man will. Nur an Handwerkern ist Mangel, daher diese allein mit Vertrauen nach Buenos-Ayres gehen, und dort ihr Brod bei mäßiger Arbeit verdienen können. Doch auch ihnen ist in Manchem Vorsicht anzuempfehlen. Wenn man Jemand sagt, daß die Arbeit eines Tages zwei oder drei Dollars einträgt, und daß das Pfund Rindfleisch nicht mehr als zwei Sous kostet, so wie die Gallone gebrannter Wasser ungefähr anderthalb Dollars, so ist der erste Gedanke, der sich ihm aufdringt, daß man da in Kurzem sein Glück machen müsse. Allein der Gewinn strömt nicht so zu, wie man auf den ersten Anblick glauben sollte. Rindfleisch und Branntwein sind wohlfeil; alles andere dagegen übermäßig theuer. Für Wohnung, Kleidung etc. muß man noch einmal so viel als in London, dem theuersten Orte Europas, bezahlen. Das Pfund Erdäpfel kostet zwölf Sous; Brod, Butter, Käse, Spezereien bezahlt man zu weit höheren Preisen als in England. Das Clima entnervt [636] und erzeugt Arbeitscheue. Die Sitten des Landes, Verführung und böses Beispiel von allen Seiten, der Spott und die Neckereien der Müssiggänger, Alles vereinigt sich, den Arbeiter zu einem Trunkenbold und faullenzenden Tabakraucher zu machen. So wird der Eingewanderte bald dahin gebracht, daß er mit den Eingebornen auf gleiche Stufe zu stehen kommt, und folglich wird der englische Ankömmling, obgleich er sich durch Arbeit einen reichlicheren Lebensunterhalt als in England verschaffen könnte, in Buenos-Ayres nicht besser, ja sogar nicht einmal so gut, als in seiner Heimath sich befinden. Er hat dort nicht so große Reinlichkeit, nicht so gute Kleidung, nicht so gute Wohnung; selten kann er sich Geld zurücklegen oder seine Umstände verbessern. Ich kannte einen großen Theil dieser Verhältnisse, bevor ich England verließ, da ich mich darüber mit Don Manuel Sarratea, Gesandten am englischen Hofe, besprochen hatte, dessen Offenherzigkeit und Redlichkeit gar sehr gegen den Charakter Rivadavia’s absticht, dem er als Gesandter folgte; er versicherte mich von allen diesen Thatsachen, die ich hier vorlege. Er sagte: er habe Leute gesehen, die von Großbritannien mit dem Vorsatze, sich gut aufzuführen, unermüdet zu arbeiten und Geld zu ersparen, angekommen wären. Sie hielten diesen Entschluß das erste Jahr ganz wohl, im zweiten bemerkte man bereits eine traurige Erschlaffung, und im dritten waren sie um nichts besser, als die Einwohner des Landes.“


  1. bei den Gauchos ist das Alter ein Pferd zu besteigen etwa das fünfte Jahr.