Beim Hagelsturm in den Alpen
Ganz hinten im letzten Winkel des Veltlins, an der Grenze von Graubünden und Italien, wo das Thal mit himmelhohen Felsen vermauert ist und es außer der Stelvio-Straße nur ungebahnte Auswege durch’s Val di Dentro, Val Fraele und Val Furva giebt, liegen die von Schweizern und Italienern ehedem noch mehr als jetzt besuchten Bäder von Bormio. Von diesen will ich in einem nächsten Artikel erzählen. Für heute ist es mir darum zu thun, den Gartenlaube-Freunden einen Gebirgs-Uebergang kennen zu lehren, den man noch auf wenig Karten finden wird. Es ist der Passo di Gavia.
Beim Städtchen Bormio öffnet sich südöstlich das vom gletscherentsprossenen Fredolfo durchströmte Val Furva. Der Eingang ist nicht vielversprechend: ein schmales Sträßchen, das halb trocken liegende, breite, von großen Rollblöcken und Gesteinstrümmern erfüllte Flußbett zur Seite, armselige Dörfer mit ruinenhaften Steinhäusern und freskenbemalten Capellen, Alles von Bergen begrenzt, die das Interesse nicht besonders erwärmen können; das ist der General-Eindruck.
Aber hinter Contrada di San Nicolo steigert sich’s mit einem Mal; die blendend-weiße, scharfkantig-geschnittene Firn-Pyramide des Pizzo Tresero (11869 Fuß) tritt plötzlich in des Thales Tiefe hervor, ein Ueberraschungsmoment von drastischer Wirkung. Nun wird’s waldig, tannendunkel. Die Straße steigt und zur Rechten, tief drunten, schäumt in jugendlich wildem Humor der Fredolfo-Bach seine eintönige und doch harmonische Oberstimme in das Natur-Concert, welches der Wind durch die Gipfel rauscht. Diese Landschafts-Symphonie wächst; der Decorativ-Ausputz wird immer prächtiger, wild-erhabener, und wem das Hirn noch nicht über allem Suchen nach dem arithmetischen X selbst zu einer unbekannten Größe vertrocknet ist, der muß, wenn anders die wettermachenden Atmosphärilien ihm einen kornblumenblauen Himmel schenken, hell aufjauchzen vor Freude. Mir wenigstens ging’s damals so, als ich mit meinem getreuen Conrad, dem stalliere aus den Wormser Bädern, doppelt beritten da hineintrabte. Er kauderwelschte ganz vortrefflich das bergamaskische Patois, war ein unerschrockener, derbknochiger, großer Bursch, der viele der verborgensten Felsengassen dieser Gegend kannte und eine Orientirungs-Spürnase hatte wie ein Prairiehund – aber über den Gavia war er noch nicht gegangen.
Eben läutete es zum Mittagessen, als wir bei den kohlensaueren Stahlquellen von Santa Catarina einzogen. Die Hälfte der dortigen Luftschnapper, Magenausspüler und Nervenstärker sind Geistliche, Weltpriester, Leute des Schlages, von denen auch in Italien zwölf auf ein Dutzend gehen und man gern noch einen drein gäbe, wenn die Sorte nur abginge. Wie es mit der Bildung des niederen Klerus in Italien steht, ist genugsam bekannt. [188] Gleich Wunderthieren wurden wir begafft, etwa wie eine europäische Expedition, die zu äquatorialen Neger-Völkern kommt. – Ich hatte einen Empfehlungsbrief an den dortigen Arzt, Dr. Cataneo; er war augenblicklich nicht zugegen. Erkundigungen, ob man mit Pferden über den Gavia könne, wurden vom Badewirth erst unbedenklich bejaht, dann achselzuckend verneint und schließlich ergab sich’s, daß eigentlich kein Mensch so recht wußte, wie man daran sei. Da redete mich ein militärisch aussehender junger Mann deutsch an.
„Ueber Passo di Gavia wollen Sie? Ihr Führer kennt den Weg nicht? Sie wollen wissen, ob man mit Pferden hinüber kann? Ich bin fremd hier, wie Sie, und kenne die Passage nicht. Auf das, was die Menschen da durcheinander schwatzen, können Sie nicht gehen; die wissen alle nicht mehr als wir Beide. Ich werde Ihnen behülflich sein, das Rechte heraus zu finden!“
Nachdem ich dem freundlichen Officier meinen Namen und den Zweck meiner Reise (Studien zu einem Reisehandbuche für die östlichen Alpen zu machen) mitgetheilt hatte, erschöpfte er sich in Aufmerksamkeiten, war bei der Auswahl des ortskundigsten Führers entscheidend, indem er einem gewissen Bertolini Santo den Vorrang gab, diesen nochmals einläßlich wegen der Pferde examinirte und mir schließlich rieth, das Pferd des stalliere nach Bormio mit einem eben dorthin abgehenden zuverlässigen Boten zurückzuschicken, dagegen das meinige, das ihm kletterfester schien, mitzunehmen. Wir tauschten unsere Karten. Er war Ungar von Geburt, jetzt Lieutenant bei den königlich italienischen Carabiniers, sein Name Edmondo di Pauliny.
Von ihm und der halben Curbevölkerung begleitet, schieden wir, da, wo der rüde, stolperige Pfad zu steigen begann. Es war etwa halb zwei Uhr Mittags im August. Anfangs, die ersten paar Stunden, ging das Ding vortrefflich, allerdings schweißerpressend. Mein Pferd, das blos den Plaid und eine Tasche zu tragen hatte, stieg, daß wir ihm kaum zu folgen vermochten. Allmählich trübte sich der Horizont, dickfette weiße Wolken mit unheimlich grauen Kernen tauchten über den Felsenkämmen, welche die Aussicht versperrten, auf, und als wir einen Punkt erstiegen hatten, von dem aus sich ein voller Rückblick über das Val Furva bis hinaus in die Gegend von Bormio thun ließ, da erkannten wir die schwer gewitterhafte Tendenz der Atmosphäre. Hierzu kam ein Umstand, der mich ein wenig besorgt machte. Der Weg in dem Felsen fing nämlich an treppenartig zu werden und mitunter sich durch so enges Geklüft zu winden, daß mein Rößlein, geschickt wie ein Renz’sches Schulpferd, ziegenartig zu klettern hatte. Das ging wohl bergauf, bei trockenem, trittfestem Boden, wie aber, wenn’s drüben ebenso bergab gehen sollte? Dann kamen wieder Stellen, wo der Weg ganz aufhörte und schräge Rutschflächen weichenden, zerbröckelten Gesteins (s. g. Schutthalden), die rechts in eine Tiefe von achthundert bis eintausend Fuß absanken, vor uns lagen. Indessen, sie wurden mit dem Pferde passirt; wir kamen immer höher.
So waren drei Stunden zurückgelegt; noch anderthalb Stunden war’s bis zur Paß-Scheidegg. Am Mittagessen hatten wir uns nicht besonders laben können: Omelettes in schmergeliger Butter gebacken, Kalbs-Ragout, zäh wie Katzenfleisch, und gedörrte Pflaumen, die einst bei ihrem Dörrungsproceß verbrannt worden waren; jetzt kam der Hunger. Aber o Himmel! da zeigte sich’s, daß wir über dem Sein und Nichtsein der Pferde-Möglichkeit in Sta. Catarina total vergessen hatten etwas Proviant einzupacken. Eine von Bormio mitgenommene Flasche Sassello war noch da; sie wurde entkorkt und ein Rindchen steinharten Gerstenbrodes dazu zermalmt, das Bertolini bei sich hatte, aber das konnte ja den Hunger nicht stillen. Dazu knurrte es ganz fern im sonorsten Donner-Baß und das Gebirge im Rückblicke gegen Trepallo zu ging so unvermerkt in das Indigo-Violettblaue des dunstgesättigten Horizontes über, daß man nicht mehr unterscheiden konnte, wo das irdische Diesseits aushörte und das universelle Jenseits anfing. Dort hinten mußte es ganz barbarisch wettern.
Rasch ging es vorwärts. Es war aber, als ob mit unserer Beeiligung auch die Gewitter-Vorboten sich beeilten, nicht nur gleichen Schritt mit uns zu halten, sondern uns zu überholen. Mehrere gewaltige Gletschermulden, die uns zur Linken blieben, lagen zwischen gigantische, völlig beschneite Hochgebirgsspitzen eingebettet; letztere mochten, nach meiner Karte, der Pizzo della Mare (11855 Fuß) und der Corno de tre Signori (10912 Fuß überm Meere) sein, waren aber nur noch theilweise sichtbar, weil schon Wolkenhauben über dieselben herabhingen. Allein diese Nebel blieben nicht lange da droben, sondern senkten sich immer tiefer und tiefer und huschten gespensterhaft über die nunmehr vor uns in Sicht befindliche Sattelhöhe des Passes.
Sennhütten oder auch nur jene troglodytischen, uranfänglich aus unbehauenen Steinen construirten Höhlen, wie sie die Ziegenhirten bewohnen, giebt es an dem ganzen nördlichen Abhange des Gavia nicht, weil er zu rauh, zu steinig und vegetations-entblößt ist. Dagegen rufen mehrere, in Zwischenräumen am Wege errichtete, kunstlose Holzkreuze, deren eingekerbte Zuschriften mitunter, weil verwittert, kaum noch zu entziffern sind, ihr unkenhaftes „Memento mori“ zu. Sie wurden errichtet für Verunglückte (darunter drei Capuziner), die den hier oben entfesselt wüthenden Schneestürmen erlagen, und geben somit einen Maßstab für die Gefährlichkeit des Passes bei wildem Wetter. Nun, wir sollten uns bald selbst persönlich davon überzeugen.
Auch dieser Paß hat, wie so viele in den italienischen Alpen, fast auf der Uebergangshöhe zwei Seen, einen Lago Bianco diesseits und einen Lago Nero am südlichen Abhange. Diese Bezeichnungen des „weißen“ und „schwarzen Sees“ haben sie von ihrer Farbe, je nachdem torfiger Boden dem See einen dunklen, oder milchiges Gletscherwasser ihm einen hellen, opalisirenden Schein giebt. Am flach verlaufenden Gestade des ersteren eilten wir hin, über die nackte, von tausend zerrinnenden Adern verlaufenden Schneewassers durchfurchte, nur noch schwach ansteigende Gesteinswüste, auf welcher hie und da höchstens die Eisranunkel und einige Moose ihr kümmerliches Dasein fristen.
Auf dieser noch nicht gemessenen Paßhöhe (man taxirt sie auf 8500 Fuß), wo kein Signal den Uebergangspunkt bezeichnet, keine sogenannten „Steinmandli“ (d. h. aus zusammengelesenen Steinen errichtete, mannshohe Haufen) dem ortsunkundigen Wanderer Direction geben, wo die ganze Fläche Weg oder vielmehr Nichtweg ist, hüllte uns plötzlich, noch bevor wir hatten übersehen können, wo es auf der andern Seite hinabgehe, solch’ ein dicker, schwarzer Nebel ein, daß Armslänge vor uns Alles unerkennbar wurde. Der Wind biß wie Gift und Säure und fegte die feuchten Dünste jagend an uns vorüber. Das war gut, da mußte das graue Ungeheuer bald vorbeiziehen. Also „Halt!“ Ich hatte mich nicht getäuscht, nach einigen Minuten konnten wir wieder wurfweit sehen, jedoch im nächsten Augenblick saßen wir wieder in den olympischen Wolken fest. Es war sechs Uhr vorbei. Noch einigemal wiederholten sich diese Nebelneckereien. Da Blitz, Krach und Schlag! Prosit! Wir standen mitten in einer Gewitterwolke drin. Das Pferd machte ein Männchen. Jetzt ging aber die Geschichte so fort und zur Begleitung kam ein Hagelwetter so groben Kalibers, daß wir die Hände in die Aermel stecken und diese vor’s Gesicht halten mußten, um nicht blatternarbig getrommelt zu werden. Mein Italiener fing an zu beten. Unser Rößlein, das seinem Unwillen über dieses meteorische Zwischenspiel durch verschiedene Tänzer-Pas Ausdruck zu geben versuchte, konnten wir nur dadurch ein wenig beruhigen, daß ihm der Plaid als Decke übergelegt wurde.
Gestrenge Herren regieren nicht lange! Das bewahrheitete sich auch hier, aber fünf Minuten hatten hingereicht; uns allergründlichst durchzuweichen. Sowie der Nebel etwas dünner wurde, hielt auch mein Bertolini nicht mehr Stand und wollte weitermarschiren. Einmal noch respectirte er mein Commando, stehen zu bleiben, bis völlig freier Ausblick sei; dann aber ließ er sich nicht mehr halten, lief im Nebel rechts und links, vor und zurück, immer murmelnd, ob Gebete oder Verwünschungen, weiß ich nicht, so daß wir die Richtung verloren und in dem knirschenden Hagelkörnerbrei ziellos umherirrten. Diese Unvorsichtigkeit sollte theuer gebüßt werden. Denn als es nach etwa einer Viertelstunde lichter wurde (der Hagel hatte dem Regen Platz gemacht), erkannten wir tief unter uns den Lago Nero, an welchem der Pfad vorüberführen sollte.
Dahinab mit dem Pferd? Ueber eine terrassirte Böschung im Fallwinkel von etwa fünfzig Graden? Ueber das schlüpferige Terrain?! Nun, der Versuch mußte gemacht werden. Anfangs führte Conrad das Pferd Tritt für Tritt, von einem Absatz zum andern, dann, als das Thier einigemal mit den Hinterfüßen zu rutschen begann, packte es mein Italiener beim Schweif, um Hemmschuhdienste zu übernehmen, und als seine Kräfte gegenüber dem Pferdegewicht zu schwach waren, theilte sich der Stalliere mit ihm
[189]in dieses Zügelgeschäft von hinten und ich führte den Gaul. Da kam’s denn, daß bald ich, bald das Roß, bald der eine oder andere der Schweifdirigenten rutschend absaßen. So wenig es uns bei dieser fatalen Situation wohl war, so wenig konnten wir doch mitunter ein unwillkürliches Gelächter unterdrücken. An den Hunger dachten wir nicht mehr, mitunter eine Hand voll Hagelkörner in den Mund genommen, netzte den trockenen Gaumen ein wenig an, aber die leise hereinschleichende Dämmerung gab nun zu ernstlichen Besorgnissen Veranlassung.
Wir waren so schrittweise, immer erst tastend, ob der schlüpfrige Boden auch tragfest sei, hinabgeklettert, als eine schräge Felsenplatte; die nicht zu umgehen war, vorläufig unserm Weiterhinabsteigen [190] ein Ende machte; das Pferd konnte sie schlechterdings nicht passiren. Großer Rath!
„Herr, jetzt lassen wir die Geschichte gehen, wie’s geht!“ sagte Conrad, „ehe es ein Menschenleben kostet – lieber den Gaul! Geben Sie her, ich führe das Thier, gehen Sie allein, und stürzt’s, nun, dann ist’s fertig!“ Wahl blieb mir nicht übrig, also vivat sequens! Ich kam mit Hülfe meines Bergstocks gut hinüber, aber Conrad, beim ersten Schritt, den er auf der schlüpfrigen Platte thun wollte, glitt aus und vermochte sich nur durch einen im Felsen eingeklemmten Wurzelstrunk noch zu halten.
„Hier ist’s unmöglich, wir müssen wieder ein Stück zurück!“ und dem Pferde schmeichelnd, zu dem die alte Liebe des treuen Knechtes erwacht war, stieg er mit ihm wieder bergan. Endlich glaubte er eine bessere Passage entdeckt zu haben. Ich war schon tief drunten. Mit einem Mal hageln an mir Steine vorüber, ich höre schreien, wende mich und sehe, nicht weit von mir, die ganze Cavalcade im Rutschen und gleich darauf in der Gruppirung festsitzen, wie Freund Rittmeyer auf unserem Bilde sie dargestellt hat. Conrad konnte kaum schreien, so lastete das Gewicht des Pferdes auf ihm, während der Italiener unablässig versuchte, das Thier am Schweif zurückzuziehen. Die Kniee versagten mir den Dienst, vom Lachen überwältigt, sank ich auf’s Geröll. Aber es war kein Spaß, stöhnend ächzte der Zusammengepreßte um Hülfe, er müsse ersticken. Ich raffte mich auf, riß das Pferd an der Kinnkette empor, so daß Conrad Luft bekam und sich zur Seite wenden konnte, und gab ihm einen Hieb mit dem Bergstock. Der Italiener ließ los und kopfüber, kopfunter rollte das Thier hinab.
Wer aber beschreibt unser Erstaunen, als wir nach einigen Secunden tief unter uns das Pferd laut wiehernd aufrecht stehend sehen, zwar zitternd über und über, aber den Regen und Sand rüstig abschüttelnd? Flugs wir hinab! Nun war die Partie gewonnen, die schlechteste Passage überwunden. Das Thier blutete an mehreren Stellen und wir sahen wie die Banditen aus, über und über voll Schmutz, die zerrissenen Lappen an allen Seiten herabhängend.
Es schlug Mitternacht, als wir vor dem Albergo Bülferi-Batistasse zu Ponte di Legno todtmüde ankamen. Alles finster, kein menschliches Wesen. Wir klopfen, rufen, skandaliren; endlich öffnet sich ein Fenster und mürrisch erklärt uns der Wirth, er habe kein Lager für uns. Neuer Spectakel. Dieser weckt die Carabinieri, die nahebei ihr Wachtlokal haben (die österreichische Grenze auf dem Monte Tonale ist zwei Stunden von hier), sie kommen mit Laternen, sehen unsern verdächtigen An- und Aufputz und wir sollen als Landstreicher arretirt werden oder, wie wir später erfuhren, als vermeintliche Complicen einer Bande, die den Postwagen draußen bei Colico beraubt und ihr Fra Diavolo-Geschäft sehr frech und offen getrieben hatten. Ich berief mich auf meinen von der Züricherischen Regierung ausgestellten Reisepaß und andere Legitimationen. Anfangs kein Gehör, nichts! wir mußten Banditen sein. Endlich kam der Sergeant doch zu der Besinnung, meine Papiere einmal anzusehen. Er donnerte an die Thür des Wirthshauses und befahl zu öffnen. Hinauf in die Wirthsstube. Aus meiner Brieftasche nahm ich den durchweichten Paß, die Alizarintinte (oder welcher Qualität sie sonst war) hatte sich aufgelöst und das Blatt war unleserlicher, als ein schlecht auf der Copirpresse abgezogener Brief geworden. Zudem deutsch, das verstanden die Italianissimi nicht. Der Zweifel über unsere Unbescholtenheit wuchs. Da fällt mir ein, daß ich ein offenes Empfehlungsschreiben an Seine Excellenz den Marchese Pap[s], Präfecten der Provinz Sondrio, in meiner Tasche habe. Das flößt etwas mehr Respect ein, und scharf fixirend, sinnenden Blicks, ruht das Auge des Ober-Carabiniere auf mir. Ich las in demselben den Schluß: „Entweder ist das ein Hauptspitzbube, oder ein respectabler Mann, und dann haben wir uns blamirt!“ Da fällt mir unser freundlicher Officier von heute Mittag ein, ich suche nach seiner Karte und siehe da, diese endlich erlöst uns von dem Verdacht der Banditerei, macht die Carabinieri zu den höflichsten Menschen von der Welt, dictirt dem Wirth, uns zu erklären, daß plötzlich noch drei Betten frei seien, und verhilft uns schließlich zu einem frugalen, aber köstlich mundenden Imbiß mit diversen Fläschchen feurigen Piemonteser Weines, von dem die Polizeimannschaft uns einmal Bescheid thut, dann aber unter den verbindlichsten Entschuldigungen mir „felicissima notte“ wünscht.