Beim braunen Caesar

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Textdaten
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Autor: Georg Schweinfurth
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Titel: Beim braunen Caesar
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 50–52
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Schweinfurth wird von Munsa, dem König der Mangbetu, empfangen. Der Bericht findet sich in anderer Form auch in seinem Werk „Im Herzen von Afrika“.
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Beim braunen Caesar.

Von Dr. Schweinfurth.

Ich führe den Leser mit diesen Zeilen in ein Wunderland, in ein Land voll eigenthümlicher Gebräuche, in eine jener noch kaum bekannten und noch unerforschten Gegenden unseres Weltkörpers, welche auf unseren Karten als die „Region der fernsten Nebelflecke“ zu betrachten sind. Dort ist es, wo das Königreich der Mombuttu liegt, hundertsechszig gute Wegstunden vom letzten Ausschiffungsplatze am Gazellenflusse entfernt und bereits jenseits des dritten Breitengrades. Meine Erlebnisse in diesem seltsamen Lande sind der abenteuerlichsten Art, doch will ich zunächst nur meinen Einzug in die Residenz des Königs, meinen Empfang und die ersten Eindrücke daselbst mittheilen, da diese doch die bleibendsten sind.

Es war einer jener schönen Märztage, an welchen bei uns der Juli so reich ist, die senkrechten Sonnenstrahlen brannten vom Himmel, als unsere Karawane, über dreihundert Köpfe stark, durch die endlosen Bananenpflanzungen dahinzog, welche, vermischt mit bezaubernden Hainen von Oelpalmen, das ganze Land zu einem ununterbrochenen Garten, einem wahren Eden gestalteten. Eine Woche bereits schwelgte ich im Genuß dieser verbotenen Früchte, die Niemand anrühren durfte, ohne dafür zu zahlen, da wir mit den Bewohnern auf freundschaftlichem Fuße standen und jeden Grund zur Klage vermeiden mußten. Wir waren in der Frühe von dem gestern überschifften großen Uëlleflusse aufgebrochen, so wird hier der obere Schari, welcher dem blauen Nil bei Chartum gleichkommt, genannt; nach fünfstündigem Marsche gelangten wir zu einer breiten Thalsenkung, in deren Mitte, weit und breit von Pflanzungen umgürtet und von Riesenbäumen, den geschonten Zeugen früherer Wildniß, beschattet, ein spiegelklarer Bach murmelnd sich mäandrisch dahinschlängelte. Uns gegenüber zeigte sich ein weitgedehnter grasfreier Abhang, auf welchem die dunkelrothe Erde, wohlgesäubert, mit vielen Reihen der zierlichsten Hütten, theils in Dachbau, theils in Kegelform errichtet, bedeckt war, von einzelnen Prachtbäumen überschattet. Auf der einen Seite erhoben sich, alles Uebrige überragend, bahnhofähnliche Gebäude in einer Höhe und Größe, wie ich sie seit Cairo nicht gesehen, und verriethen mir sofort den Wohnsitz des Königs Munsa.

Es wurde nun Halt commandirt, und unsere Träger, ihren täglichen Obliegenheiten nachgehend, sprangen mit Beilen und Messern in die Dschungel (Dickichte) am Bach, um das für die Errichtung von Hütten nöthige Material herbeizuschaffen. So war, wie gewöhnlich, in einer Stunde unser großes Feldlager aufgeschlagen im Angesicht der afrikanischen Königsstadt und der sie umgebenden lieblichen Landschaft, im Genusse des Fernblicks auf abwechselnde Grasflächen und Bananenpflanzungen, stolze Palmengruppen und riesige Baumgalerien an den Ufern der Bäche. Mitten unter diesem wirren Knäuel grüner Grashütten leuchtete mein Reisezelt hervor, allerdings nicht mehr, wie ehedem in der saubern Steinwüste, durch blendende Weiße, – es trug vielmehr die Spuren anhaltenden Lagerlebens nur zu deutlich an sich, – aber im Schmucke der Tricolore, welche heute zum ersten Male, zur Feier unserer Ankunft in der Residenz eines so mächtigen Fürsten, stolz von seiner Spitze wehte.

Es währte natürlich nicht lange, und von allen Seiten strömten Schaaren schaulustiger Eingeborenen herbei. Ich entzog mich diesmal im geschlossenen Zelte dieser Zudringlichkeit, denn ich war an diese längst auf meiner Reise gewöhnt worden und war müde, im versammelten Volke meine Kopfbedeckung zu lüften, um zu zeigen, daß das schlichte Haar wirklich mein eigenes sei, und in einer Positur wie Wallenstein bei seiner Ermordung, meine Brust zu entblößen, um ihre blendende Weiße bewundern zu lassen. Ich brauchte noch Kraft genug für den folgenden Tag, um vor Munsa selbst das Wunder meiner Existenz an den Tag zu legen. Die Aeußerungen der Mombuttu über meine Person gelangten wegen Mangel einer directen Verdolmetschung selten zu meinen Ohren; indeß unter den Niam-Niam, deren Anschauungsweise wohl eine ähnliche sein dürfte, hieß es gewöhnlich: „Nein, dieser Mensch! Wo kommt er her? ist er vom Himmel herabgefallen?“ Am meisten Erstaunen, weit mehr als meine helle Hautfarbe, erregte stets mein Haar, und ich hörte folgende Urtheile der Niam-Niam-Naturforscher: „Nein, das ist kein Mensch; es ist eine andere Art, er hat Haare wie ein Ziegenbock, wie ein Pavian etc.“ Ich hatte mein Haar, um von den Nubiern recht abzustechen, absichtlich [51] lang wachsen lassen. Bei den Mombuttu, welche, wie alle Bewohner des tropischen Afrika, von den Bischarin am rothen Meere bis zu den Negern des Gabun am Golf von Guinea, alle Eitelkeit in der Pflege ihres Haares concentriren, war das natürlich noch weit mehr der Fall. Die Haartracht der Mombuttu ist übrigens an eine feste Norm gebunden; weder Mode noch individueller Geschmack darf da platzgreifen. Männer und Frauen thürmen ihr (im Gegensatz zu den Völkern der sogenannten echten Negerrace) langes, krauses Haar zu einem hohen Chignon auf, welcher am Hinterkopf seinen Ursprung nimmt und unter schwacher Krümmung nach abwärts in die Lüfte hinausstarrt, zum besseren Halt innen von einem aus Rotang geflochtenen, äußerst eleganten und unseren Haarkünstlern zur Nachahmung zu empfehlenden Rohrkorbe getragen. Doch die Sitten führen mich von meiner Erzählung ab. Ich komme zur Audienz.

Am folgenden Tage rückte der Mittag bereits heran, als mir Mohammed Abu Ssamat, der Führer unserer Karawane, sagen ließ, Munsa sei jetzt zu sprechen. Ich warf mich also in ein feierliches Schwarz, raffte die auserwählten Geschenke (bestehend aus schwarzem Tuch, einem Fernrohr, einem silbernen Teller, Porcellangeschirr, Elfenbeinschnitzwerk, einem Buche mit Goldschnitt, einem Doppelspiegel etc.; dann außer großen indischen Glasperlen dreißig Halsschnüren der feinsten venetianischen Sorten, aus je dreißig verschiedenen Arten zusammengesetzt) zusammen und stieg, gefolgt von meinen Knappen, die mir nach Landessitte den Stuhl nachtrugen, unter Trommelschlag und Trompetenschall seitens der schwarzen Soldaten Abu Ssamat’s, zum Bache hinab, wo zu Ehren meines Besuchs Baumstämme gelegt waren, um trockenen Fußes die sumpfigen Ufer passiren zu können. Bei den Hütten angelangt, wandten wir uns der zweitgrößten der prächtigen Palasthallen zu, an deren Eingange ich von einer Art Ceremonienmeister bei der rechten Hand ergriffen und in’s Innere geführt wurde. Er geleitete mich durch die Reihen Hunderter von Trabanten, welche in vollem Waffenschmuck auf ihren zierlichen Bänken dasaßen, in Reihe und Glied geordnet wie in einem Concertsaale. Am andern Ende der Halle, wo ein freier Platz gelassen war, stand Munsa’s Bank, nur durch einen Mattenteppich und eine kolossale mit Kupfer beschlagene zweiarmige Lehne ausgezeichnet, welche letztere gesondert auf drei Beinen hinter der Bank stand. Ein paar Schritte zur Seite der letzteren ließ ich meinen Stuhl stellen und nahm Platz. Ich erfuhr später, daß Munsa bei meiner Ankunft sich in seinem gewöhnlichen Costüm zurückgezogen und erst lange nachher in feierlichem Schmuck aus seiner Privatwohnung hervorgekommen sei. Ich saß also, und konnte warten. Was konnte ich mehr verlangen, als daß der König mir zu Ehren Toilette machte!

Mittlerweile schallte die geräumige Halle (diese hatte hundert Fuß Länge, vierzig Fuß Höhe und fünfzig Fuß Breite, die andere war aber noch größer) vom endlosen Klange der Pauken und dem Gebrüll der Hörner. Ich hatte Zeit, mich umzusehen und bei der respectvollen Entfernung des Publicums meine Notizen niederzuschreiben. Mit unsern Baumaterialien, es sei denn, man hätte Fischbein angewendet, wäre man nicht im Stande gewesen, etwas Aehnliches von gleicher Leichtigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen das Toben der tropischen Elemente hinzustellen wie die Königshallen Munsa’s. Das einzige verwendete Material außer den hohen schlanken Säulen, welche das Dach trugen und aus Baumstämmen von dem geraden Wuchse der Fichte bestanden, besteht aus den Blattstielen der Weinpalme (Rhaphia). Diese bilden sowohl die Rippen des Dachstuhls als das Netzwerk seiner Bedeckung. Auch die schönen Bänke der Mombuttu werden aus diesen prächtigen klafterlangen glänzendbraunen Stäben hergestellt. Der Fußboden bestand aus dunkelrothem Eisenthon, fest und wohlgeglättet wie Asphalt. Eine niedrige Mauer von gleichem Material bildete die Einfassung, indem sie unter dem gewölbten Dache einen Raum freiließ, welcher Licht und Luft in die Halle hineinließ.

In das Anschauen dieser[WS 1] Herrlichkeiten vertieft, hatte ich wohl eine Stunde auf meinem Sitze ausgeharrt, als endlich lauterer Hörnerklang, Volksgeschrei und verdoppelter Donner der Pauken das Nahen des Herrschers verkündeten. Zu gleicher Zeit fand am Eingange der Halle eine großartige Ausstellung von Prunkwaffen statt, indem viele Hunderte ganz aus Kupfer geschmiedete riesige Lanzen von den verschiedensten Formen an ein improvisirtes Gerüst gelehnt wurden, eine wahrhaft königliche Pracht und in Centralafrika Schätze von unberechenbarem Werthe! Doch still – da kommt der König! Den Blick gleichgültig vor sich hin gerichtet, nahte derben Schritts, von Mohammed, seinem alten Freunde, der das Land zuerst erschloß, gefolgt, der rothbraune Cäsar, wild, phantastisch, malerisch. Er setzte sich, ohne mich eines Blickes zu würdigen, auf seine Bank und betrachtete seine Füße[WS 2]. Nicht so ich. Meine Augen konnten sich nicht satt sehen an diesem wilden seltsamen Gesellen, der jeden Tag Menschenfleisch ißt (eine auch unter den Niam-Niam allgemein verbreitete Sitte). Strahlend in rother Kupferpracht, wie eine saubere Küche, mit Ringen und fremdartig geformtem Schmuck an Arm und Bein, an Hals und Brust, auf der Stirn einen Halbmond, Alles aus purem lauterm Kupfer, auf dem Haupte ein hoher Strohcylinder, dicht mit kostbaren rothen Schwanzfedern des grauen Papageis besetzt und auch oben von riesigen Federbüscheln derselben Art beschattet, saß er da, am ganzen Leibe mit der landesüblichen Schminke aus Farbholz eingerieben, welche seinem ursprünglich hellrothbraunen Körper jene Modefarbe von 1862 verlieh, welche so häufig im Hintergrunde antik sein sollender Hallen wiederzufinden ist und eigentlich dem Aussehen einer angeschnittenen frischen Leber gleicht. Seine Kleidung, gleichfalls durch Nichts von der allgemeinen Mode des Landes abweichend und nur von ausgesuchter Feinheit, bestand aus einem großen Stücke gleichfalls mit Brasilienholz gefärbter Rocco-(Feigen-)Rinde. Diese wird so sorgfältig behandelt, daß sie das Ansehen eines ungewöhnlich starken moiré antique erhält. Aus dem einen sauber gesäumten Stück war Kniehose und Leibrock zugleich gebildet und der halbe Körper nur durch den äußerst kunstvoll gelegten Faltenwurf verdeckt, welcher von den massiven mit Kupferbuckeln als Beschlag gezierten Lendenschnüren aus Büffelhaut seinen Ursprung nahm. In der Rechten schwang er einen jener hier gebräuchlichen sichelförmigen, ebenfalls aus Kupfer geschmiedeten Säbel, und rechts und links wurden zur Seite seiner Bank kleine wohlgeschnitzte Schemel hingestellt, die, mit Servietten von Feigenrinde verdeckt, das beständige Naschbedürfniß des Königs bargen.

Das war also Munsa, so recht ein wilder König, ohne eine Spur europäischen oder orientalischen Schmuckes, nichts Unechtes oder Erborgtes an ihm zu finden.

Eine geraume Zeit verstrich, bis zwanglose Blicke vom Könige zu mir herüberstrahlten; und doch bewunderte er mich sicher in noch höherem Grade als ich ihn. Nach und nach begannen einige Fragen, welche sein der Niam-Niam-Sprache kundiger Dragoman einem unserer Leute übermittelte, der dieselben mir arabisch wiedergab. Indeß waren sie gleichgültiger Natur, denn Munsa hielt ebenfalls auf den Grundsatz der Türken und Slaven, „nil admirari“, sich durch Nichts aus der Fassung bringen zu lassen. Nun wurden auch die Geschenke ausgelegt, die er aufmerksam betrachtete, ohne indeß viel dabei zu sagen; desto mehr ließen sich aus der nächsten Nähe halbunterdrückte Laute des Staunens vernehmen, wo sich unterdeß Munsa’s Frauen, einige fünfzig an Zahl, hinter dem Sitze des Königs auf ihren netten Schemeln in Reihen geordnet hatten und nun im Anblick der tausenderlei verschiedenen Perlen vor Seligkeit vergehen wollten. Diese Weiber unterschieden sich ebenfalls nur durch Eleganz von den übrigen des Volks; es scheint das Land der hergebrachten unumstößlichen Mode zu sein. Den prächtigen Chignon tragen sie ohne Hut, vielfach durchbohrt von fußlangen Haarnadeln aus Kupfer und Elfenbein. Während die Männer nie anders als sorgfältig bekleidet gesehen werden, halten die Weiber dies für ihre Reize höchst unangemessen; sie könnten ja dann nicht einmal mit der mühsamen Bemalung des Körpers coquettiren. Eine schwarze Farbe ziert, für viele Tage unauslöschlich, den meist hellbraunen, oft gelblichen Teint in den gesuchtesten Mustern. Bald sind es Blumen und Sternchen, Malteserkreuze und Bienen, runde Flecke und Tigertüpfel, schachbrettartige Carrirung oder Streifung, welche das Muster bilden. Von Schmuck gewahrt man wenig, da Glasperlen noch ziemlich unbekannt sind und die Männer das Kupfer für sich behalten. Kurz, diese Damen verdienen im besondern Maße Eva’s Töchter genannt zu werden, des Eifers wegen, mit dem sie ihrer Stammmutter in der Tracht des Urzustandes nachstreben.

Nachdem Munsa so seine Blicke einigermaßen an die fremde Erscheinung gewöhnt, nahmen die Vorstellungen zur Unterhaltung und Belustigung ihren Anfang. Zunächst producirten sich ein paar Posaunenbläser, die auf Hörnern, aus einem großem Elephantenzahn geschnitzt, welche die Virtuosen kaum zu halten vermochten, [52] durchdringend heftige Brülltöne hervorstießen. Darauf folgte der Hofnarr, ein kleiner kugelrunder Brummkreisel, welcher, unermüdlich in Späßen und Albernheiten, einen so komischen Eindruck machte, daß ich – zur größten Befriedigung des Königs – in herzhaftes Lachen ausbrechen mußte. Munsa hatte auch seine Eunuchen; ein solcher diente gleichfalls als Zielscheibe des Witzes; er trug – wie verächtlich für die nubischen Gäste! – einen rothen Fez. Auch fehlte es nicht an Solotänzern, welche über und über mit Katzen- und Civettenschwänzen, an Armen und Beinen mit Schweinsschwänzen der buschigen Art behängt waren, sie bemühten sich mit bestem Erfolge, in ihren Bewegungen und Geberden die Wildheit grunzender Paviane nachzuahmen.

Das Beste hatte Munsa zum Schluß aufgespart: er hielt eine Rede. Während das Volk in unerschütterlicher Ruhe auf seinen Schemeln und Bänken verharrte (kein Mombuttu sitzt am Boden), erhob sich mit einem Satze Munsa, räusperte sich und begann „das lautschallende Wort“. Ich verstand nichts davon, hörte aber so viel, daß er seine Worte wählte und mit Kunst zu sprechen bemüht war. Auch fehlte es nicht an Kraftpausen, in welche der Jubel des Volkes mit wildem I, I, tschupi, tschupi einfiel und Hörner und Pauken einen Höllenlärm machten. Gleichsam zur weiteren Ermunterung dieses Tobens ließ der König ein schnarrendes Brr hören, daß man die Palmenstäbe des Dachstuhls vibriren sah. Die Pauken, von den Hörnern rhythmisch begleitet, schlugen einen seltsamen Tact an, und Munsa, zu einem neuen Instrumente greifend, einer gestielten Korbkugel mit Muscheln gefüllt, einer bei uns gebräuchlichen Kinderklapper gleichend, dirigirte mit dem Ernste eines Capellmeisters das Höllenconcert.

Die Rede dauerte eine volle halbe Stunde und gewährte mir ausreichende Muße, von dem redenden Könige eine detaillirte Skizze zu entwerfen. Der Hunger zwang mich zuletzt, aufzubrechen und den König König sein zu lassen. Zum Abschiede sprach derselbe noch zu mir: „Ich weiß nicht, was ich Dir für Deine vielen Gaben bieten soll; ich bin recht betrübt, daß ich nichts habe.“

Entzückt über diese Bescheidenheit und in der Erwartung um so größerer Geschenke erwiderte ich: „Was es auch sei, ich bin deshalb nicht gekommen, ich brauche kein Elfenbein, das kauft man sich bei uns selbst; die Türken holen es; ich bitte nur um zwei Dinge: um ein Schwein (der seltenen, gepinselten Art) und um einen Ranja-Affen.“

„Daran soll es nicht fehlen!“ erwiderte Munsa.

Allein ich war der Getäuschte. Munsa hatte leider zuerst die Wahrheit gesprochen, und von Schwein und Gorilla sah man nie eine Spur, trotz meiner täglichen Mahnungen.

Das war mein Besuch bei Munsa. Ich blieb noch zwanzig Tage am Platze. Von meinen Begegnungen mit untergeordneten Häuptlingen der Niam-Niam schweige ich, wie von dem landreichen Uando (demselben, der uns später feindlich angriff), welcher uns als Gastgeschenk einen großen Topf mit angebranntem, räucherigen Ragout von Kaldaunen eines hundertjährigen Elephanten, sehr zähe und mit sehr viel haut-goût, darbot; wenigstens sagten mir das meine Leute, denen ich diese Delicatesse unberührt überließ. Ich könnte Bände voll schreiben, wollte ich über alles das so ausführlich berichten, wie über den ersten Tag bei Munsa. Es gab dort noch große Feste, wo dieser König in feierlichstem Putz von Fellen und Federn, öffentlich vor versammeltem Volke, seinen Weibern und Trabanten tanzte, wie ein besessener Derwisch. Vieles davon ist in großen Zeichnungen verewigt. Kurz – ich habe Völker kennen gelernt, die, noch völlig unberührt von dem Einflusse unserer Cultur, eine eigene, aus sich selbst entwickelte zur Schau trugen, so seltsam und fremdartig bis in die kleinste Einzelheit, daß man unter ihnen sich in eine neue Welt versetzt glaubte.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eieser
  2. Vorlage: Fuße