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Benutzer:Jowinix/T13

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Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Peter Panter
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Titel: Was tun Frauen, bevor sie weggehen?
Untertitel:
aus: Prager Tagblatt Jahrgang 49, Nr. 302. Seite 4-5
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Erscheinungsdatum: 28. Dezember 1924
Verlag:
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Erscheinungsort: Prag
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Quelle: ÖNB-ANNO und
Kurzbeschreibung:
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Was tun Frauen, bevor sie weggehen?

Von Peter Panter.

Dies ist ein sehr geheimnisvoller Vorgang:

Wenn eine Frau seit vier Stunden weiß, daß sie und der Mann um sieben Uhr ins Theater gehen, wenn dann der Mann um halb sieben abgehetzt und eilig aus dem Geschäft kommt, um sie abzuholen – was tut eine solche Frau dann?

Sie entfaltet eine unermeßliche Tätigkeit.

Vorerst beginnt sie sich „zurechtzumachen“. Unter diesem Begriff fallen eine Reihe unerklärlicher Vorgänge und Betätigungen, die nie ganz zu enträseln sind, als da wären: Zupfen der Haare vor einem großen Spiegel, dasselbe vor einem kleinen; Aufnehmen eines gleichgültigen Gegenstandes und Hinlegen desselben; Suchen der Schlüssel; Durchwühlen einer Kommode; Probe und Verwerfen eines Hutes vor einem großen Spiegel, eifriges Geläuf durch alle Zimmer. Und hier setzt nun das Rätsel ein, das große. unergründliche Rätsel:

Warum tun Frauen in der letzten Minute Dinge. die sie schon vor einer Stunde hätten tun können und die viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als beim besten Willen vorhanden ist? Warum?

6.45 Uhr: „Ich muß meine Handschuhe erst nochmal mit Benzin reinigen! Anna! Anna! Wo ist das Benzin?“ Benzinflasche. Handschuhe und ein großer häßlicher Lappen von tückischem Aussehen. Richtig: er verschmiert bösartig das Benzin und tut durchaus nicht, was man von ihm verlangt. Das geht so zehn Minuten. Minuten. 6.55 Uhr: „Ich werde mir doch lieber die neuen Handschuhe anziehen!“ Im Hintergrund ringt ein Unglücklicher die Hände – das hätte man doch schon vor zehn Minuten … Strafender Blick: „Du verstehst auch gar nichts –!“ Nein, er versteht gar nichts …

7.08 Uhr: „Die Wäsche ist noch nicht gezählt!“ – Aber, liebes Kind … Hier ist nicht: lieb, und hier ist nicht: Kind – die Wäsche ist noch nicht gezählt! Muß das jetzt sein? Jetzt oder nie. Anna! – 5 Combinaisons, 44 Handtücher – wieso 44? – ach so – 23 Taschentücher, 5 Hemdchen fürs Kind – na, ich werde das morgen machen – legen Sie sie da inzwischen hin! Anna, haben wir abgerechnet? Also morgen nehmen wir die Rinderbrust. die noch da ist – –“ Der Hintergrund: Allmächtiger, womit habe ich das verdient! Wie hast du mich gestraft, du mein Herr und Gott! Mein liebes Kind, es ist fünf Minuten über viertelacht … „Dann hättest Du eben früher aus dem Geschäft kommen müssen –!“ Da kann man halt nix machen.

Aber es muß doch eine physikalische Erklärung dieses Tuns geben? Es müssen doch da ganz bestimmte Gesetze obwalten, im voraus berechenbare Axiome des weiblichen Zeitempfindens …? Schmarrn! (österreichisch; so viel wie: Eierkuchen.) Diese Wege sind wunderbar.

Das große X, auf das nach Schopenhauers Wort jeder Denker einmal stößt, hier offenbart es sich in seiner ganz unheimlichen Größe. Nur dieser Satz läßt sich nach schmerzlichem Studium aus dem ganzen Getriebe destillieren: Eile der letzten Minute vor der Abfahrt ruft in der Frau den Entschluß zu längeren Handlungen hervor. Das ist ein elementares Naturgesetz und nicht weiter zu beweisen.

So daß es sich also empfiehlt, wenn man verheiratet ist oder sonstwie für sein Leben ein geschlagener Mann ist, alle ersten Akte der bekannteren Theaterliteratur auswendig zu lernen.

Dies allein ist ein wirklicher Schutz und eines gute Hilfe.

*

Sehr geehrter Herr Panter!

Ich habe Ihren kleinen Aufsatz in der Zeitung: Was tun Frauen, bevor sie weggehen? gelesen. Ich muß Ihnen sagen, daß Sie aber durchaus nicht alle Frauen zu kennen scheinen, die es gibt. Es gibt doch Gott sei Dank heute schon eine Menge Frauen und Mädchen, die mindestens ebenso pünktlich und zuverlässig sind wie der Mann. Das beweisen ja auch die vielen weiblichen Telephonangestellten.

Ich muß den Brief leider schließen. Eben kommt mein Mann und ruft, daß es Zeit ist, zu unserer Mittwochgesellschaft zu gehen. Wenn das nicht dazwischen gekommen wäre, Herr Panter, dann würde ich Ihnen noch ganz anders und viel ausführlicher geschrieben haben, aber leider muß ich jetzt schließen und meinen Mann begleiten. Ich möchte Ihnen bloß noch sagen, daß es die allermeisten Frauen, was Ordnung und Pünktlichkeit betrifft, noch hundertmal mit jedem Mann aufnehmen können Ich wenigstens bin immer auf die Minute da und fange gar nicht erst kurz vor meinem Weggang an, tausend Sachen anzufangen und wieder hinzulegen. Ueberhaupt: das ist eine männliche Ueberhebung, sich immer über die Frauen lustig zu machen. Da fangt Ihr Männer mal hübsch bei Euch an – da werdet Ihr noch genug Laster und Fehler finden! Und, Herr Panter, eine Frau, die eine Wirtschaft führt, hat eben viele Lasten und Sorgen, die ihr keiner abnimmt, nicht einmal der eigene Mann. Sie muß beinah alles allein tun, und daher mag es denn manchmal vorkommen, daß sie sich zu einem Vergnügen verspätet. Und was schadet es denn schon, wenn der Mann einmal ein bißchen aus sie warten muß? So galant kann ein Mann schon zu seiner Frau sein – besonders, wenn sie sich den ganzen Tag für ihn in der Wirtschaft abgemüht hat. Im übrigen aber sind die Frauen viel pünktlicher als Ihr Männer!

So – jetzt will ich den Brief rasch fertig machen und frankieren, denn ich muß mich noch anziehen und frisieren –! Eine Pünktliche.


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