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Benutzer:Jowinix/Tonnenmärchen

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Dr. Jonathan Swifts Mährgen von der Tonne. Nebst übrigen dazu gehörigen Schriften. Von neuem aus dem Englischen übersezt. [Übersetzt von Johann Heinrich Waser] Hamburg und Leipzig 1758 SB Berlin und Commons


Der Text und die Seiteneinteilung ist identisch mit dem 3. Band: Satyrische und ernsthafte Schriften, von Dr. Jonathan Swift.

Unterschiede zum 3. Band

  • Titelblätter
  • Vorrede
  • Seitenzahlen
  • A Tale Of A Tub. Fifth Edition, London 1710 Google
  • A Tale Of A Tub. A new Edition, with the Author's Apology, and Explanatory Notes, by W. Wotton B. D. & others. London, 1734 ULB Halle

Übersetzungen:

  • Georg Christian Wolf: Des berühmten Herrn D. Schwifts Mährgen von der Tonne. 1729 Buchwerbung und Apologie fehlt
  • Johann Heinrich Waser: Dr. Jonathan Swifts Mährgen von der Tonne 1758 Buchwerbung fehlt
  • Johann Kaspar Riesbeck: Dr. Jonathan Swifts Mährchen von der Tonne. 1787 letzter Abschnitt: Von der Mechanischen Erzeugung des Geistes fehlt
  • Franz Kottenkamp: Swift’s humoristische Werke 2. Band Apologie, Bücherschlacht und Von der Mechanischen Erzeugung des Geistes fehlt


Satyrische
und
ernsthafte
Schriften,
von
Dr. Jonathan Swift.


Dritter Band.
Mit Kupfern.
Hamburg und Leipzig, 1758.
An den Leser.

Der Herr Uebersezer der zween erstern Bände von Swifts satyrischen und ernsthaften Schriften, hätte es dabey bewenden lassen, wenn die Verleger ihm nicht an gelegen gewesen wären, fortzufahren; und nach und nach

auch die übrigen theils schon verdeutschten, theils noch nicht übersezten Schriften dieses grossen Mannes, unter seine Feder zu nehmen und ans Licht zu stellen. Er ist in ihre Gedanken eingetretten, weil er angefangen zu glauben, es wäre in der That nicht unmöglich, daß er durch eine solche Unternehmung, Nuzen. und Vergnügen stiften könnte; und daß die schon übersezten Stüke wol verdienten, ohne die Fehler zu erscheinen, welche aus Uebereilung und andern Ursachen, sich in die bisherigen deutschen Ausgaben derselben eingeschlichen hätten.

Dem zufolge bekommt der Leser in diesem dritten Bande: Das längst bekannte Mährgen von der Tonne; samt den damit verknüpften satyrischen Abhandlungen wider die falsche Gelehrsamkeit: Die Bücher-Schlacht: Das Stük von der mechanischen Erzeugung des Geistes: Den wichtigen, in vollem Ernst geschriebenen, und von der religiosen Gemüthsbeschaffenheit des Verfassers zeugenden Vorschlag zur

Beföderung der Religion und Verbesserung der Sitten; und endlich einige bißher noch nicht übersezt gewesene Predigten unsers berühmten Decanten.

Die Apologie desselben, für das Mährgen von der Tonne, welche in dieser gegenwärtigen deutschen Ausgabe zuerst erscheinet, enthebet mich der Mühe, viel von dieser berühmten Schrift zu sagen. Sie wird verständigen und unparteyischen Lesern genung thun; sie wird dieselben auf die wahre und einem rechtschaffenen Mann höchst anständige Absicht und Meynung dieser Satyre führen; sie wird ihnen zeigen, daß aller Stachel auf die Verderbnisse in der Religion, auf die Schwermerey, auf die Laster und Lasterhafte fällt: Sie wird sie endlich mit dem Verfasser beklagen machen, daß es Leute, und oft wichtige Leute giebt, die es für gefährlicher halten, wenn man Verderbnisse und Laster beschämet; als wenn man gelassen zusieht, wie Wahrheit und rechtschaffene Gottseligkeit von Buben und Heuchlern ins Koth gedrüket, und verbannet wird.

Das Amt unsers Verfassers verband ihn, auch denn und wenn zu predigen: Wer wird nicht gelüstig seyn, zu wissen , wie ein Swift predigte? Hier findet der Leser einige Proben; eine besondere Einfalt, Deutlichkeit, Grundlichkeit und Stärke unterscheiden diese Predigten; und kann wol ein würklich grosser Mann anders predigen? Er müßte seines Zweks vergessen; er müßte die Natur der Wahrheiten des christlichen Glaubens und zugleich die Natur des menschlichen Gemüthes verkennen; wenn er mit rednerischer Schwulst, oder mit langen an einander geketteten Schlüssen, oder auch mit elendem fanatischem und verworrenem Zeug, Leute unterrichten und bessern wollte, die nur natürlich denken, und nur natürlich empfinden können. So zu predigen, ist ein Vorrecht kleiner Geister, die Natur und Wahrheit verstudirt haben; und welcher fromme und lernbegierige Zuhörer muß nicht unwillig werden, wenn er, statt eines deutlichen, natürlichen, und der Wichtigkeit der Sache angemessenen Vortrags, lauter Exercitia Styli höret? Deren einige in

Ausdrüken, Vergleichungen, Anspielungen etc. würklich das Bathos, und andere ein übel verstandenes, und noch übler angebrachtes Sublime zum Zwek haben: Eines ist indessen hiebey zu erinnern, nemlich: Daß wenn der Leser in der lezten Predigt einen wortreichern Vortrag, und nicht durchaus die selbe Bestimmtheit der Begriffe antrift, welche er in den drey vorhergehenden gefunden, solches daher kömmt, weil sie nicht von Swift ist: Der Herr Graf Orrery meldet solches ausdrüklich; indessen da sie mit in der Engländischen Ausgabe stehet, und viele grosse Wahrheiten nachdrüklich vorstellet, so hat sie der Herr Uebersezer nicht gerne weglassen wollen; und überhaupt geglaubt; diesen Predigten den rechten Plaz, gleich nach dem obengedachten muntern, und aus vollem Herzen fliessenden Vorschlag, zur Beföderung der Religion, und Verbesserung der Sitten, anzuweisen.

Uebrigens ist gewiß, daß Swift sich selbst in diesem Stük am allerwenigsten genung gethan hat: Niemand hielt weniger auf

seinen Predigten als er; und er wollte nicht, daß eine einzige davon gedrukt würde. War dieses Bescheidenheit? Kam es würklich daher, daß Swift sich einen schweren Begrif von einer recht guten Predigt gemachet hat, welchen er im Werke zu erfüllen, sich nicht getrauete? Oder war es Geringschäzung der Sache selbst? Dieses leztere will der Graf Orrery von Swift ziemlich deutlich zu verstehen geben. Es braucht aber gewiß eine ganz eigene und von ziemlich unlautern Dingen gewürkte Gemüthsfassung dazu, es anzunehmen; wenn man weiß, daß Swift eine so grosse Begierde hatte, einer der besten Prediger zu seyn, daß er gewünscht, die Leute möchten sich jeden Sonnabend begierig erkundigen, ob es wol gewiß wäre, daß der Dechant Morgens selbst predigen würde? Und daß er sich die gröste Mühe gegeben, andern welche predigten, zu zeigen, was sie besser hätten sagen, nachdrüklicher aussprechen sollen. etc. Doch man weiß die Gesinnungen dieses vornehmen Gegners schon genungsam: Sincerum est nisi vas, quodcunque infundis acescit: Und es

scheinet, daß derselbe diese Predigten überhaupt wol nur deßwegen so sehr gelobet, damit er sie besonders desto schärfer tadeln möchte: Nur Schade, daß er darinn recht unglüklich gewesen; denn wenn Swift z. E. in der Predigt von der Pflicht der Unterthänigkeit eines gegen den andern, sagt: „Ein weiser Mann, der mit seinem Rath; ein Grosser, der mit seinem Schuz; ein Reicher, der mit seiner Güte und Liebe; ein Armer, der mit seiner Arbeit niemanden beystehet; sind, alle Lasten des gemeinen Wesens etc. Fürsten werden mit nicht mehr Weisheit und Stärke auf diese Welt geboren, als andere Menschen; und durch eine unglükliche Auferziehung bleiben sie darinn gemeiniglich weiter zurük, als viele tausende von ihren Unterthanen.“ Und wiederum: „Der beste Fürst ist, in den Augen eines weisen Mannes, bloß der gröste Diener des Volks, und nicht nur ein Diener des gemeinen Wesens überhaupt, sondern auch einer jeden Privatperson in demselben;“ so sind das dem Grafen politische Grundsäze,

(verstehe, die nicht in eine Predigt gehören) und Pfeile, welche er auf das Bezeigen der Fürsten fliegen läßt; weil Swift es nicht unterlassen kann, bey der geringsten Gelegenheit dieser gewöhnlichen Art zu denken nachzuhängen: Warum sagt der Hr. Graf nicht lieber gerade heraus? Das Appliciren der Wahrheiten des H. Evangeliums tauge gar nichts: Oder die Grossen dieser Erden, von deren Verhalten doch unser Glük und Unglük auf dieser Welt so sehr abhänget, haben wenigstens einen Freybrief, vermöge dessen, dieß theologische Zeug sie gar nichts angehe: Es sey zuviel gewesen, daß Swift nur so habe denken dörfen; daß er aber auch so gar diese Denkensart in öffentlichen Predigten ausdrüklich zu verstehen gegeben; und zwar bey einer Gelegenheit, wo die abgehandelte Materie, ohne dieses kaum abgehandelt zu seyn scheinen möchte; das sey nicht zu verzeihen: Aus diese Weise hätten wir ihn besser verstanden. Und eben so wollte ich ihm für meine Person gedanket haben, wenn er beliebt hätte zu sagen, nach was für critischen Regeln er herausgebracht: Daß es ein verborgener

Hieb wäre, den Swift dem höchsten Orden seiner Brüder, (den Bischöfen und vornehmen Geistlichen) gebe; wenn er spricht: „Das mannigfaltige Elend des menschlichen Lebens kömmt eigentlich nicht von der ungleichen Austheilung der Güter her; sondern man begegnet GOtt dem Allmächtigen, dem grösten König des Himmels, eben so wie den Fürsten dieser Erden, die öfters, wenn ihre Absichten auch noch so gut seyn mögen, abscheuliche Minister und Haushalter haben; und von denen gemeiniglich diejenigen die allerschändlichsten sind, denen sie die meisten Güter anvertrauet haben.“ Denn so eine erlaubte Sache es wäre, auch Bischöfen und Prelaten besonders zu verstehen zu geben, daß sie dem Evangelio gemäß zu handeln verbunden, und in der That schändliche Menschen sind, wenn sie die ihnen von GOtt verliehene Güter, nicht als treue Haushalter, sondern zum Geiz, zur Unterdrükung etc. anwenden; und so bekannt es ist, daß Swift über diesen Punkt mit ihnen, aus gutem Grund, eben nicht zum besten zufrieden war;

so offenbar ist es doch, daß diese Stelle eine allgemeine Lection enthält; und daß sie allen gilt, die ihre Talente und Güter nicht nach der Absicht GOttes verwalten; und auch allen Vornehmen und Reichen besonders, sie seyen von weltlichem oder geistlichem Stand: Denn so viel wird doch der Herr Graf nicht behaupten wollen, daß nur die Geistlichen ihre Talente und Güter von GOtt dem grossen König des Himmels, zur treuen Verwaltung derselben, geliehen bekommen haben. Swift und mit ihm noch viele andere Leute sind einmal nicht dieser Meynung, sondern sie glauben, daß auch Vornehme und Reiche von weltlichem Stand sich in diesem Fall befinden; und es wird wol schwer seyn, ihnen diesen Begrif zu nehmen; ja es hat selbst das Ansehen, daß wenn je diese Stelle nur auf eine Partey, mit Ausschluß der andern gehen sollte, das von Swift angebrachte Gleichniß eher auf die Weltlichen als auf die Geistlichen passete. Es ist desnahen weit besser: Wir andern geben den Geistlichen nicht Gelegenheit einen Versuch zu thun, die Sache so zu erklären; sondern

seyen zufrieden, wenn sie nur den Hieb, wie es der Graf Orrery aus eigenen Gründen zu nennen beliebet, mit allen denen theilen, die er würklich trift. Die Anmerkung, welche der Graf endlich über die dritte Predigt: Von dem Zeugniß eines guten Gewissens, machet, da er als im Vorbeygang sagt: Der folgende moralische Versuch, (denn eine Predigt kann ich es kaum nennen), handelt etc. verdienet keine weitläufige Beantwortung: Swift ist in dieser Rede bemühet, zu zeigen, daß die Tugend kein festers und sicherers Fundament habe, darauf sie beruhen könne, als ein Gewissen, welches von der Religion geleitet wird: Das Thema ist offenbar theologisch, und die Critik desto selzamer, weil Swift würklich in der Ausführung desselben zeiget, wie wenig man sich auf die vorgegebene blosse Moralität eines Mannes ohne Religion verlassen könne. Allein, es mußte getadelt seyn: Izo, da Swift dieser ganz theologischen Materie die Form einer Predigt gegeben, heißt sie, ein moralischer Versuch.

Hätte er sie unter dem Namen eines moralischen Versuches in einem fliegenden Blat abgehandelt, so. würde dieses alsdenn sonder Zweifel eine Predigt haben heissen müssen: Nempe; Lurida – fiunt, quaecumque tuentur Arquati.

Johann von Breitenfels.

Hamburg, im Jener
     1758.

Swifts
Mährgen von der Tonne,
zum
allgemeinen Nuzen
des menschlichen Geschlechts
abgefasset.


Opus diu multumque desideratum.


Samt einer
vollständigen und wahrhaften
Erzehlung,
von dem,
unter den alten und neuen Büchern
in der
Bibliothek zu St. James,
gehaltenen Treffen.


Basima eacabasa, eanaa irraurista, diarba da caetoba fobor camelanthi. Iren. lib. I, c. 18.

– Juvatque novos decerpere flores
Insignemque meo capiti petere inde coronam,
Unde prius nulli velarunt tempora Musae.
Lucret.

D. Jonath. Swifts
Mährgen
von der
Tonne.


[1]

Dr. Jonathan Swifts
Mährchen von der Tonne.
Eine neue Uebersetzung mit Erläuterungen
von
dem Verfasser der Briefe eines reisenden Franzosen.


Zürich, bey Orell, Geßner, Füßli und Comp.
1787.


[2] Die Uebersetzung von Swifts sämtlichen Schriften, die der seel. Diakon Waser, (Uebersetzer von Lucians Schriften, im Jahre 1756 angefangen und bis 66 mit 8 Bänden beendigt hat, ist so getreu, daß ich lange Bedenken trug, Hand an eine neue Uebersetzung zu legen. Ich vermißte da nichts als das Modekleid, das heut zu Tage vielen zweyten Uebersetzungen angezogen wird: nämlich neuere Sprache und Styl. – Wenn nicht Barbarey den Fortgang der Wissenschaften hemmet, so wird auch nach verflossenen 30 Jahren vieles an meiner Arbeit zu modernisiren seyn.

Wie gesagt, nicht aus Tadelsucht gegen den ersten Uebersetzer habe ich mich an diese Arbeit gewagt, sondern vielmehr von den Herren Verlegern aufgefodert, die das Mährchen und Gullivers Reisen, außer den vollständigen Werken Swifts, besonders verlaufen. Da sich nun diese besonderen Werke alle vergriffen und es um neue Auflagen zu thun war, so foderten mich meine Freunde die Verleger auf: meinen Lieblings-Autor vor die Hand zu nehmen, und das Mährchen; auch Gulliver neu zu übersetzen. K. Risbeck.

[3]

Ein
Mährchen von der Tonne,
geschrieben
zum Nutz und Frommen
aller Menschen.

Diu multumque desideratum.

Nebst dem Berichte
Von einem in der Bibliothek zu St. James zwischen
den alten und neuen Büchern vorgefallenen
Schlacht.

Basima eacabasa, eanaa irraurista, diarba
Da Caetaba fobor Camelanthi. Iren. lib. I, c. 18.


. . . Juvatque novos decerpere flores
Insignemque meo Capiti petere inde Coronam,
Unde prius nulli velarunt tempora Musae. Lucret.

[4] Abhandlungen des Verfassers, worauf er sich in folgender Schrift bezieht, und welche mit der Zeit, als Opera posthuma von ihm, ans Licht kommen werden.

1) Karakter der jetzigen Schöngeister in England,

2) Versuch einer Lobrede auf die Zahl Drey.

3) Abhandlung über die vorzüglichsten Produkte der akademischen Brandweinhäuser.

4) Anatomische Vorlesungen über die menschliche Natur.

5) Lobrede auf die Welt.

6) Eine Untersuchung des Eifers, in historisch-physisch-logialischen Betracht.

7) Allgemeine Geschichte der Ohren.

8) Eine bescheidne Schutzrede der Unternehmungen des Janhagels zu allen Zeiten.

9) Beschreibung des Königreichs der Abgeschmaktheiten.

10) Eine Reise nach England von einer vornehmen Person aus Otahite, aus dem Original übersetzt.

11) Kritischer Versuch über die Sinkunst, in philosophisch- und musikalischem Betracht.

[5]

Schutzrede für das Faßnachtsmährchen.

Wenn gute und böse Laune gleich stark aus die Menschen würkten, so hatte ich mir die Mühe dieser Schutzrede ersparen können; denn die Aufnahme folgender Schrift bewies offenbar, daß sie unter den Leuten von Geschmak die Mehrheit der Stimmen für sich hatte. Dessen ungeachtet erschienen zwo oder drey Schriften gegen sie, die vielen Streifschüsse ungerechnet, die sie nebenher aushalten mußte, ohne daß sich nur eine Silbe zu ihrer Vertheidigung blicken liesse; oder jemand, meines Wissens, derhalben nur im geringsten zu ihrem Vortheil gedacht hätte, den höflichen Verfasser des neulich erschienenen Gesprächs zwischen einem Deisten und Sozinianer ausgenommen.

Indessen, da das Buch wenigstens so lange leben soll, als unsre Sprache, oder bis eine merkliche Veränderung in unserem Geschmak vorgehen wird; so nehme ich es gerne auf mich, ihm auf die Fahrt eine Schutzschrift zur Bedeckung mitzugeben.

Dieses Werkchen ward größtentheils vor ohngefähr 13 Jahren, 1696 also 8 Jahr vor seiner ersten Erscheinung, verfertigt. Der Verfasser war damals jung, seine Einbildungskraft in ihrem Flug, und sein Kopf vom Lesen warm. Mit Hülfe einigen Nachdenkens und vielen Umgangs suchte er so viele würkliche Vorurtheile abzuschütteln, als er konnte; ich sage würkliche; [6] weil er wußte, zu welcher schwindelichten Höhe einige Leute unter dem Vorwand, Vorurtheile zu besiegen, geklettert sind. So vorbereitet glaubte er in den vielen und grossen Verderbnissen der Religion und Gelehrsamkeit Stoff genug zu einer nützlichen und unterhaltenden Satyre finden zu können. Er entschloß sich einen ganz neuen Weg zu diesem Zwek einzuschlagen, weil die Welt der unendlichen Wiederholungen über jeden Gegenstand schon gar zu lange müde war. Die Misbräuche der Religion wollte er unter der Allegorie der Röcke, und der drey Brüder schildern, und diese sollte der Hauptinhalt des Werks seyn. Jene der Gelehrsamkeit wollte er digressionsweise einflechten. Er war damals ein junges Herrchen, das viel Verkehr mit mit der Welt hatte, für seinesgleichen schrieb, und um sie zu gewinnen, seiner Feder eine Freyheit gestattete, die für ein reiferes Alter oder einen ernsthaftern Karakter übel lassen würde, und die er mit sehr wenigen Federstrichen leicht hatte wieder gut machen können, wenn er ein oder zwey Jahr vor der Herausgabe Herr von seinen Blättern gewesen wäre. Nicht als wenn er auf das elende Geschwatze der Sauertöpfe, Neider- Dummköpfe und Geschmaklosen würde geachtet haben, die er alle mit Verachtung nennt. Er gesteht willig ein, daß ein gesetzter und weiser Mann verschiedene jugendliche Ausfälle, die er sich erlaubt, zu rügen befugt seye. Dagegen wünscht er aber auch, daß man ihm nicht mehr Schuld aufbürde, als er würklich verdient hat, und seine Fehler nicht durch die dummen, unnatürlichen und lieblosen Auslegungen derjenigen vergrössere, die weder Redlichkeit genug haben, bey andern gute Absichten voraus zu setzen, noch Geschmak genug, die wahren einzusehen. Diesemnach setzt er sein Leben daran, wenn man irgend einen Satz mit Grund [7] aus diesem Buche folgern kann, der sich gegen die Religion oder Sittlichkeit verstiesse.

Warum sollte sich irgend ein Geistlicher unserer Kirche darob ärgern, wenn er die Thorheiten der Schwärmerey und des Aberglaubens, auch auf die lächerlichste Art dargestellt, sieht? Ist es doch vielleicht das einzige Mittel, sie zu heilen, oder doch wenigstens; zu verhindern, daß nicht noch mehrere angestekt werden. Nebstdem, wenn gleich das Buch nicht für die Geistlichen geschrieben ist, so zieht es doch nichts durch, als wogegen sie selbst predigen. Es enthält nicht die geringste leichtfertige Spötterey auf ihre Personen oder ihr Amt, wodurch sie sich beleidigt finden könnten. Es erhebt die englische Kirche, als die vollkommenste in Zucht und Lehre: Es behauptet nichts, was sie verwirft, und verdammt nichts, was sie lehrt. Wenn die gewohnte Empfindlichkeit der Geistlichen sie in die Hände jükt, so hätten sie, meines geringen Erachtens, schiklichere Gegenstande, von ihren Fäusten Gebrauch zu machen: Nondum tibi defuit hostis nämlich gegen die groben, ungelehrten Schmierer, die durch ein lasterhaftes Leben Haab und Ehre verloren haben, die zur Schande des Menschenverstandes und der Frömmigkeit bloß, wegen dem Ausfallenden ihrer dreisten, falschen, gottlosen, und mit unverschämten Anspielungen auf die Geistlichkeit untermischten Sätze gelesen werden, womit sie der Religion offenbar den Krieg ankünden; kurz, deren Schriften voll solcher Grundsätze sind, die leicht Eingang finden, weil sie darauf abzwecken, die Schrecken wegzuräumen, welche nach der Lehre unserer Religion die Folge eines lasterhaften Lebens seyn werden. In dieser Schrift wird man nichts ähnliches aufspüren können, obschon einige dieser Herren beliebten, sie mit so viel Freyheit, kunstzurichtern;


Kottenkamp Übersetzung

[Bearbeiten]
  • Franz Kottenkamp: Swift’s humoristische Werke 2. Band Apologie, Bücherschlacht und Von der Mechanischen Erzeugung des Geistes fehlt

Swift’s humoristische Werke. Aus dem Englischen übersetzt und mit der Geschichte seines Lebens und Wirkens bereichert von Franz Kottenkamp. Vollständig in drei Bänden.


Zweiter Band: Das Mährchen als Tonne. – Aphorismen. – Gedichte. – Biographie.


Stuttgart: Scheible, Rieger & Sattler. 1844.

Inhalt.
Vermischte Schriften.
Seite
Ein Mährchen als Tonne für den Wallfisch der Politik 1
Aphorismen 176
Gedichte.
Die Beichte der Thiere 189
Die Beförderung der Poesie 199
Das glückliche Leben eines Landpfarrers 201
Der Ort der Verdammten 203
Tugenden einer feinen Dame 204
Passender Vergleich für Deputirte 207
Ja und Nein. Eine Fabel 209
Passender Vergleich für Kriegshelden 211
Eine Mustersammlung von Gleichnissen für Dichter von Liebesliedern. Nachtrag zu des Martinus Scriblerus höchst denkwürdiger Schrift über das Bathos 213
Schicksal eines Pantoffelhelden, oder ein ruhiges Leben und ein guter Ruf 217
Idyllische Beschreibung eines Regenschauers 220
Swift’s Schicksal in der Kirche, nach Herausgabe des Mährchens als Tonne 223
Schwift’s Schicksal bei den Großen 225
Swift bei den Ministern 231
Verse auf Swift’s Tod 236
Biographie Swift’s 249
Vermischte Schriften.
Ein Mährchen, als Tonne für den Wallfisch der Politik.
Dedikiationsepistel an Seine Königliche Hoheit den Prinzen Nachwelt.

Hier überreiche ich Eurer Hoheit die Früchte einiger Mußestunden, die ich in den kurzen Zwischenräumen eines Geschäftslebens und amtlicher Thätigkeit mir habe ersparen können, welche solchem Zeitvertreib, wie dem vorliegenden Scherze, durchaus entfremdet war; es ist das ärmliche Erzeugniß einer gleichsam bei Seite geschobenen Zeit, die während einer langen Parlamentensvertagung, bei einer großen Hungersnoth der Zeitungsschreiber an fremden Nachrichten, und bei einer langweilig anhaltenden Laune des Regenwetters, gar unbehaglich auf meinem Federkiel lastete. Aus diesem und noch anderm Grunde brauche ich mich wohl nicht lange zu bedenken, wenn ich den Schutz Eurer Hoheit zu verdienen glaube, deren zahllose Tugenden in wenigen Jahren die Welt veranlaßten, Sie als ein Muster aller Fürsten zu betrachten; obgleich nämlich Eure Hoheit die Kinderwindeln noch nicht verlassen haben, so ist dennoch die ganze Schriftstellerwelt entschlossen, Ihren zukünftigen

Befehlen sich mit demüthigster und ergebenster Unterwürfigkeit zu fügen. Das Schicksal hat Sie allein zum Richter über alle Schöpfungen des Witzes in diesem verfeinerten und vervollkommneten Zeitalter eingesetzt. Wie ich glaube, ist aber die Zahl der Autoren, welche sich auf Ihre Entscheidung berufen, so ungeheuer ausgedehnt, daß jeglicher nicht so scharfsinnige und allumfassende Richter, wie Sie, durch die Masse der Geschäfte erschreckt und beunruhigt würde; um nun aber jene Anhäufung der Prozesse, welche sonst den Richtern zur Ehre gereicht, bei ihnen zu verhindern, so hat diejenige Person, welcher die Erziehung Eurer Hoheit anvertraut ist, wie mir gesagt wurde, den Entschluß gefaßt, Ihnen von allen unsern Studien, welche Sie nach Ihrem Geburtsrecht beaufsichtigen müssen, beinahe gar nichts mitzutheilen.

Ich muß über die Frechheit dieser Person erstaunen, welche im Angesicht der Sonne Eurer Hoheit einreden will, unser Zeitalter sei durchaus nicht literarisch, und habe kaum einen Schriftsteller über irgend einen Gegenstand hervorgebracht. Ich weiß sehr wohl, daß Eure Hoheit, sobald Sie zu reiferen Jahren gelangt sind und die Gelehrsamkeit des Alterthums studirt haben, viel zu viel Neugier besitzen werden, um sich nach den Schriftstellern der zuletzt verflossenen Periode nicht zu erkundigen: der Gedanke jedoch, dieser unverschämte Mensch wolle in dem zu Ihrer Ansicht verfaßten Bericht unsere Zahl so sehr zusammenschrumpfen lassen, daß ich mich wirklich schäme, dieselbe zu erwähnen: dieser Gedanke ertheilt meinen Aerger und Eifer für die Ehre und das Interesse unserer großen, blühenden Körperschaft und meiner selbst; was nämlich mich betrifft, so weiß ich

von jenem Menschen aus langer Erfahrung, daß er mich seines besondern Hasses gewürdigt hat und auch jetzt noch würdigt.

Wahrscheinlich wird Eure Hoheit, wenn Sie einstens vorliegende Schrift gelesen hat, Ihrem Erzieher nach meiner eben vorgebrachten Behauptung einen Beweis und dann den Befehl ertheilen, Ihnen einige unserer Produkte zu zeigen. Alsdann wird er antworten (ich kenne seine Schliche): „Wo sind jene Autoren und ihre Bücher? Was ist aus ihnen geworden? Sehen Sie, hier ist der Beweis, daß sie nie existirten; sie lassen sich nicht auffinden.“ Was, nicht auffinden! Wer hat sie verkramt? Sind sie in den Abgrund aller Dinge versunken? Sie waren doch durch ihre Natur wahrhaftig leicht genug, um auf der Oberfläche in aller Ewigkeit zu schwimmen. Somit liegt die Schuld nur an dem Lodhudler, welcher den Büchern so viel Gewicht durch sein Preisen und Ausposaunen ertheilte, daß sie durch dessen Schwere zu Boden sanken. Ist aber selbst ihr Wesen zerstört? Wer hat sie vernichtet? Ertranken sie durch Purganzen, oder wurden sie zu wahren Märtyrern beim Anzünden der Tabakspfeifen? Wer war so frech, sie sogar zu unanständigen Zwecken zu gebrauchen? – Hier aber will ich Eure Hoheit über den Urheber dieses allgemeinen Unterganges nicht länger mehr in Zweifel lassen; ich ersuche Sie jene große und furchtbare Sense zu betrachten, welche Ihr Erzieher niemals aus der Hand legt. Betrachten Sie nur gnädigst die Länge und Kraft, die Schärfe und Härte seiner Nägel und Zähne; berücksichtigen Sie nur seinen verderbenschwangeren, pestilenzialischen Hauch, den Feind des Lebens und der Materie, voll Ansteckung und

Verwesung; dann aber auch müssen Sie überlegen, ob es der sterblichen Dinte und dem vergänglichen Papier unserer Zeiten irgendwo möglich ist,eunen wirksamen Widerstand zu leisten. Ach! wenn Eure Hoheit nur einmal den Entschluß fassen könnte, diesen usurpirenden Major domus zu entwaffnen, seine Zerstörungswerkzeuge zu zerbrechen, und Ihre eigene Herrschaft außer Vormund.schaft zu setzen!

Es würde mir ein endloses Unternehmen geboten, wollte ich Ihnen hier die verschiedenen Arten der Tyrannei und Vernichtung erwähnen, welche Ihr Erzieher bei dieser Gelegenheit in Anwendung bringt. Er hegt so eingewurzelte Bosheit gegen die Schriften unserer Zeit, daß kaum eine unter tausenden, welche jährlich in dieser berühmten Stadt London gedruckt werden, noch im nächsten Jahre sich des Lebens erfreut: Unglückliche Kinder! Viele von ihnen werden mit höchster Barbarei umgebracht, bevor sie noch so viel von ihrer Muttersprache erlernt haben, daß sie um Mitleid zu flehen vermögen. Einige erstickt er in der Wiege, andere setzt er in so heftigen Schrecken, daß sie plötzlich an Krämpfen sterben; einige schindet er bei lebendigem Leibe; wieder andere pflegt er gliederweise zu zerreißen! Große Massen werden dem Moloch geopfert und die übrigen, durch seinen Athem vergiftet, schmachten durch Schwindsucht in das Grab hinein.

Am meisten empfinde ich Bekümmerniß um unsere Körperschaft von Poeten. Ich entwerfe bereits im Namen derselben eine Bittschrift ab Ihre Hoheit, welche mit dem Namen von 136 Dichtern unterzeichnet werden soll. Sie sind sämmtlich ersten Ranges, obgleich ihre Werke wahrscheinlich niemals Ihnen vor Augen kommen

werden; und dennoch erhebt Jeglicher derselben demüthige, aber ernstlich gemeinte Ansprüche auf den Lorbeer, und hält große, lieblich ausgestattete Bände bereit, um sie zur Unterstützung seiner Ansprüche anzubringen; der Erzieher von Eurer Hoheit hat aber die unsterblichen Werke dieser ausgezeichneten Personen bereits zum unvermeidlichen Tode verurtheilt; er will nämlich Eurer Hoheit die Lüge einreden, daß unser Zeitalter die Ehre, einen ausgezeichneten Dichter hervorzubringen, nicht erlangt hat.

Allerdings müssen wir eingestehen, die Unsterblichkeit ist eine große und mächtige Göttin; vergeblich aber bieten wir ihr unsere Andacht und unsere Opfer, wenn Eurer Hoheit Erzieher, welcher das Amt der Priesterschaft sich angemaßt hat, mit Ehrgeiz und Habgier sondergleichen sie auf ihrer Reise zur Nachwelt unterwegs auffängt und verschlingt.

Die Behauptung, unser Zeitalter sei ungelehrt, und entbehre bedeutender Schriftsteller jeder Art, ist so frech und falsch, daß ich mitunter geglaubt habe, das Gegentheil lasse sich durch unwiderleglichen Beweis als unzweifelhaft darthun. Allerdings werden alle Werke, wie ungeheuer auch ihre Menge, und die Schriftsteller im Verhältniß zahlreich sein mögen, mit solcher Schnelle über die Bühne gejagt, daß sie unserm Gedächtniß gänzlich entgehen, und sogar von unsern Augen nicht einmal bemerkt werden. Als ich zuerst an diese Dedikation dachte, hatte ich eine reiche Liste von Titeln zubereitet, um sie Eurer Hoheit als Bestätigung dessen, was ich hier behaupte, zu überreichen. Die Originale waren an den Thoren und Straßenecken ganz frisch angekleistert; als ich aber nach wenigen Stunden wieder

zurückkehrte, um noch einmal die Sache zu überschauen, fand ich sie schon sämmtlich von den Mauern heruntergerissen und neue an ihre Stelle angeklebt. Ich zog dann bei Lesern und Buchhändlern Erkundigungen ein; jedoch meine Bemühungen waren vergeblich; ihre Erinnerung hatte sich bereits unter den Menschen verloren, und ihr Dasein ließ sich nicht mehr auffinden; man verlachte und verhöhnte mich als ungebildeten Menschen und Pedanten, ohne Geschmack und Verfeinerung, der wenig mit dem Lauf der Gegenwart bekannt, und allen Dingen von Bedeutung, die in den ersten Gesellschaften bei Hofe und in der Stadt sich ereigneten, durchaus fremd geblieben sei. So kann ich nur Eurer Hoheit im Allgemeinen die Versicherung geben, daß wir an Gelehrsamkeit, Genie und Witz gegenwärtig Ueberfluß besitzen. Die Angebung aller Einzelnheiten bietet aber für meine unbedeutenden Fähigkeiten ein zu schlüpfriges Unternehmen. Sollte ich an einem windigen Tage vor Eurer Hoheit die Behauptung auszusprechen wagen, daß eine große Wolke am Horizonte in der Form eines Bärs erschienen sei, daß eine andere sich im Zenith mit einem Eselskopf, eine dritte westlich sich mit Klauen wie ein Drache zeige: würde alsdann Eure Hoheit erst nach wenigen Minuten es für zweckmäßig halten, die Wahrheit zu untersuchen: so würden sich alle Gestalten in Stellung und Form bereits verändert haben und andere wären entstanden. Man könnte mir alsdann nur in der Behauptung beistimmen, daß Wolken wirklich vorhanden waren; was aber ihre Zoographie und Topographie betrifft, so würde es heißen, daß ich mich sicherlich darin geirrt habe.

Vielleicht aber beharrt Ihr Erzieher noch immer auf

seiner Behauptung und wirft die Frage auf: Was ist denn aus jenen ungeheuren Papierballen geworden, die doch nothwendig zu einer so großen Büchermasse verbraucht sein müssen? Lassen sich auch diese so spurlos und plötzlich vernichten, wie der Herr da behauptet? – Was soll ich auf einen so gehässigen Einwurf erwidern? Es ziemt mir nicht, bei dem hohen Stande Eurer Hoheit, Sie an Orte zu führen, wo Sie die Sache in Augenschein nehmen könnten, an Misthaufen und Pastetenbäckeröfen, an die Fenster unzüchtiger Häuser, oder an schmutzige mit Oelpapier verklebte Laternen. Für Bücher findet sich, wie für die Menschen, ihre Verfasser, nur ein Pfad, auf welchem sie in die Welt gelangen; zehntausend Wege aber sind vorhanden, sie wieder herauszuschaffen, worauf sie dann nicht wieder zurückzukehren vermögen.

Ich spreche Eurer Hoheit in der Aufrichtigkeit meines Herzens die Behauptung aus, daß alles, was ich Ihnen sagte, buchstäblich wahr ist; die Revolutionen, welche vielleicht vor der Zeit eintreffen, worin Sie diese Schrift durchlesen können, vermag ich natürlich nicht vorherzusagen; ich bitte Sie allein, dieselbe als eine Probe unserer Gelehrsamkeit, unserer feineren Bildung und unsers Witzes in Empfang zu nehmen. Ich kann deßhalb, auf die Behauptung eines aufrichtigen Mannes mich stützend, Ihnen gegenwärtig die Versicherung geben, daß ein gewisser Poet, mit Namen Dryden, existirt, dessen Uebersetzung des Virgils in Folio gedruckt und außerordentlich schön gebunden, sich noch wohl auffinden läßt, wenn wir emsige Nachsuchungen anstellen wollten. Von einem andern, S. S., kann ich selbst einen Eidschwur vorbringen, daß er viele Ries Papier, mit Versen gedruckt, in die Welt schleuderte;

sollte man das gesetzliche Zeugniß verlangen, so kann er selbst und auch sein Buchhändler eine Menge authentischer Abdrücke vorbringen, wobei beide natürlich sich darüber verwundern müssen, daß die Welt jene Existenz als ein Geheimniß betrachtet. Ein Dritter ist ein Poet von umfassendem Genie, ein allwissender Kopf und ein Gelehrter von größter Tiefe. Kritiker könnte ich ebenfalls vorbringen. Vor allem aber glänzt ein Licht der philologischen Kritiker in Richard Bentley; er hat bereits tausend Seiten voll ungeheurer Gelehrsamkeit und kritischem Scharfsinn über einen gewissen Zank von höchster Wichtigkeit zwischen ihm und einem Buchhändler geschrieben.[1] Bentley ist ein Schriftsteller von außerordentlichem Geist und Humor; Niemand scherzt besser, geistreicher und höflicher in eleganten lateinischen Phrasen. Ferner habe ich selbst einen andern Herrn gekannt, welcher ein Feind Ihres Erziehers in Betreff des Verfahrens war, das dieser hinsichtlich der alten Schriftsteller und nur so weniger Neueren beobachtet hat; er schreibt sehr zierlich, vermag seine Redensarten mit Höflichkeit auszuschmücken, gibt Ueberfluß an Entdeckungen, welche sowohl wegen ihrer Neuheit, als Brauchbarkeit höchst werthvoll sind, und verschönert seine Phrasen mit solchem sterbenden und treffenden Witz, daß er als würdiger Genosse seines oben erwähnten Freundes, des Musterbildes für alle Philologen, sich zeigt.

Weshalb sollte ich noch mehr Einzelnheiten anführen? So könnte ich einen ganzen Band mit gerechten Lobreden auf meine gleichzeitigen Brüder füllen. Ich verspare dieses von der Gerechtigkeit erheischte Werk für eine größere Arbeit, worin ich eine Charakterschilderung aller Genie’s und Witzköpfe, die sich gegenwärtig vorfinden, geben will; ihr Aeußeres will ich besonders und weitläuftig, ihr Genie und ihren Verstand en miature beschreiben.

Mittlerweile bin ich so frei, in vorliegendem Werke Eurer Hoheit einen gewissenhaft verfaßten Auszug aus der allgemeinen Masse aller Künste und Wissenschaften anzubieten, bei welchem ich allein Ihren Dienst und Ihre Belehrung im Auge hielt; auch zweifle ich nicht, daß Eure Hoheit mein Buch so sorgfältig durchlesen und so sorgfältig verbessern werden, wie andere Prinzen, bei deren hoher Stellung Verstand und Genie sich von selbst versteht, bei vielen andern für ihren Gebrauch geschriebenen Büchern zur Bewunderung der Nachwelt bereits verfahren sind. Ich meine die Ausgaben der Classiker, welche in Frankreich in Usum Delphini, und später anderer Bücher, die zum Gebrauch der Dauphine gedruckt wurden.


Dedikation des Buchhändlers an John Lord Somers, Staatsminister.

Obgleich der Verfasser schon eine lange Dedikation an einen Prinzen geschrieben hat, dem ich wahrscheinlich nie die Ehre haben werde, bekannt zu sein, an eine Person

ferner, welche nach allen meinen Beobachtungen von den Schriftstellern der Gegenwart wenig geachtet und berücksichtigt wird: so bin ich der Meinung, da ich mich ohnedem von jener Sklaverei befreite, worunter sonst die Buchhändler ihren Schriftstellern gegenüber zu seufzen haben: daß ich mir eine sehr verständig angebrachte Freiheit herausnehme, wenn ich diese Schrift Eurer Lordschaft dedicire und ihren Schutz in Betreff derselben anflehe. Gott und Eure Herrlichkeit kennt die Fehler und Verdienste derselben; was aber mich selbst betrifft, so konnte ich mich um die Sache nicht bekümmern; und sollte dasselbe auch von jedem Mitgliede des Publikums gelten, so bin ich trotzdem über den Absatz des Buches nicht sehr besorgt. Sobald nämlich Euer Herrlichkeit Name in großen Buchstaben voransteht, so ist mir der Verkauf der ersten Auflage ganz gewiß; ich brauche ja um sogar ein Stadtrath unseres ehrwürdigen Bürgerausschusses von London zu werden, keine andere Hülfe, als daß Euere Herrlichkeit mir das ausschließliche Privilegium ertheilen, Ihnen meine Werke zu dediciren.

Nach dem Rechte, welches mir die Dedikation ertheilt, sollte ich jetzt Eurer Herrlichkeit eine Liste Ihrer Tugenden geben und zugleich mich bemühen, Ihre Bescheidenheit dabei nicht zu verletzen; hauptsächlich sollte ich Ihre Freigebigkeit gegen Männer von Verdienst und geringem Vermögen hervorheben und zugleich dabei Ihnen einen groben Wink ertheilen, daß ich mich selbst dabei im Auge habe. Zu dem Zweck begann ich mein Geschäft, las hundert oder zweihundert Dedikationen aus meinem Verlag und wollte einen Auszug machen, um ihn Eurer Herrlichkeit zu dediciren; da kann mir aber ein Zwischenvorfall in meine Studien hinein. Zufällig

hatte ich bemerkt, daß die beiden folgenden Worte in großen Buchstaben auf dem Umschlage des Manuscriptes standen: Detur Dignissimo; ich hegte somit die Ueberzeugung, daß etwas höchst Wichtiges dadurch bezeichnet werde. Unglücklicherweise verstand aber kein Schriftsteller meines Verlages die lateinische Sprache, obgleich ich mitunter dieselben als Uebersetzer römischer Classiker gebrauche; ich sah mich deßhalb genöthigt, unsern Pfarrer um eine Uebertragung zu bitten, und dieser sagte mir, es bedeute: Mag es dem Würdigsten gegeben werden. Er gab mir dabei die Erläuterung, der Verfasser habe seine Werke dem erhabensten Genie des Zeitalters an Witz, Gelehrsamkeit, Urtheil, Beredsamkeit, und Staatsweisheit dediciren wollen. Ich stieg alsdann in die Dachkammer eines Poeten, der für mein Lager arbeitet und der gerade nahebei in einem Hintergebäude wohnte, zeigte ihm die Uebersetzung und bat ihn, mir darzulegen, was der Verfasser wohl gemeint haben könne. Da sagte er mir denn nach einiger Ueberlegung, Eitelkeit sei eine verabscheuungswürdige Eigenschaft; aus der Beschreibung müsse er jedoch den Schluß ziehen, daß kein Anderer, als seine eigene bescheidene Person damit angedeutet werde; somit mache er mir den uneigennützigsten Antrag, die ihm zu schreibende Dedikation umsonst zu verfassen. Ich bat ihn jedoch, er möge mir noch auf einen Andern rathen; wohlan, sagte er, ich bin es selbst, oder es ist Mylord Somers. – Als ich jenen Poeten verließ, begab ich mich zu andern Genies meiner Bekanntschaft, wobei ich jedoch hinsichtlich meiner Person wirklich in Gefahr gerieth, und außerordentlich ermüdet wurde, da ich durch eine Unzahl von dunklen Gängen und Wendeltreppen passiren mußte; von Allen vernahm ich aber

dieselbe Mähr hinsichtlich ihrer selbst und Eurer Herrlichkeit. Hier aber muß ich Eurer Herrlichkeit bemerken, daß ich dies Verfahren nicht selbst erfunden habe; ich hatte nämlich mitunter als einen unfehlbaren Erfahrungsgrundsatz die Klugheitslehre anempfehlen hören, daß alle Menschen, denen Jedermann den zweiten Platz zuerkennt, einen unzweifelhaften Anspruch auf den ersten besitzen.

Hierdurch erhielt ich die Ueberzeugung, der Verfasser habe Eure Herrlichkeit im Auge gehabt. Da ich jedoch mit dem Styl und mit der Form von Dedikationen unbekannt bin, so ertheilte ich den besagten Genies den Auftrag, mir Winke und Materialien zu einer neuen Lobrede auf die Tugenden Eurer Herrlichkeit zu geben.

Nach zwei Tagen erhielt ich zehn dicht beschriebene Bogen. Die Schriftsteller leisteten mir sämmtlich einen Eidschwur, daß sie Alles gegeben hätten, was sie in den Charakteren von Sokrates, Aristides, Epaminondas, Cato, Cicero, Attikus und von andern hart auszusprechenden Namen, deren ich mich jetzt nicht erinnern kann, irgendwie hätten zusammenstoppeln können. Dennoch habe ich Grund zu glauben, daß sie mich, der ich kein Gelehrter bin, gehörig betrogen haben. Als ich nämlich ihre Sammlungen durchlas, fand ich keine Silbe mehr erwähnt, als was ich selbst und Jedermann sonst vollkommen wußte; somit hege ich den Argwohn, daß man mich schmählicherweise betrogen hat, und daß diese meine Schriftsteller jedes Wort aus dem allgemeinen Bericht der Menschen abgeschrieben haben. Deßhalb betrachte ich mich selbst als einen geprellten Unglücklichen, der 50 Schillinge für Nichts und wieder Nichts als Honorar gezahlt hatte.

Wenn ich durch Veränderung des Titels das mir

gegebene Material zu einer andern Dedikation benutzt hätte (wie schon viele Herren vornehmen Standes verfahren sind), so hätte ich meinen Verlust dadurch ausgleichen können; indeß habe ich verschiedene Personen veranlaßt, daß sie hie und da in den Papieren blätterten und sobald sie drei Zeilen gelesen hatten, gaben sie mir sämmtlich die bestimmte Versicherung, alle dort ge- sagten Dinge könnten auf Niemand sonst, als auf Eure Herrlichkeit Bezug haben.

Ich erwartete allerdings von der Tapferkeit Eurer Herrlichkeit an der Spitze eines Heeres, von Ihrern unbeugsamen Muth in Besteigung einer Bresche oder einer Festungsmauer zu vernehmen; ich hoffte ferner, daß Ihr Stammbaum in gerader Linie vom Hause Oesterreich abgeleitet, oder daß von ihrer Vollkommenheit im Anzuge und Tanz gesprochen würde; ich glaubte endlich, daß Ihre tiefe Kenntniß der Algebra, Metaphysik und der orientalischen Sprachen gepriesen wäre.[2] Was aber einen Plan betrifft, der Welt eine abgedroschene Geschichte über Ihren Witz, Ihre Beredsamkeit, Gelehrsamkeit, Weisheit, Gerechtigkeit, wahre Höflichkeit, aufrichtigen

Sinn und gleichmüthige Stimmung in allen Lebensereignissen vorzutragen: dazu braucht man keinen großen Scharfsinn für Entdeckungen und keine Bereitwilligkeit, Verdienste preisend hervorzuheben. Vierzig andere eben so abgetretene Gegenstände würden sich mir hinsichtlich Ihrer darbieten. Auch muß ich gestehen, daß weder mein Gewissen, noch meine Bescheidenheit es mir erlaubt, dergleichen jetzt noch vorzutragen. Es gibt ja keine Tugend, sowohl im Privat- wie Staatsleben, welche Sie nicht öfter auf der Weltbühne geäußert haben. Die wenigen Tugenden, welche aus Mangel an Gelegenheit, sie zu üben, von ihren Freunden nicht bemerkt wären, sind ja durch Ihre Feinde dargelegt worden.[3]

Allerdings geschähe es wider meinen Willen, wenn das glänzende Muster der Tugenden Eurer Herrlichkeit für die nachfolgenden Zeiten verloren ginge; dies würde nicht allein zu Ihrem eigenen Schaden, sondern auch zum Nachtheil unserer spätesten Enkel gereichen; hauptsächlich würde mich jenes deßhalb schmerzen, weil Ihre Tugenden durchaus nothwendig sind, um die Geschichte Wilhelms III. zu schmücken. Allein gerade deßhalb will ich es vermeiden, sie hier aufzuzählen, denn ich habe von verständigen Männern vor einigen Jahren einmal die Bemerkung gehört, ein guter Historiker werde niemals eine Dedikation als Quelle gebrauchen.

Wir Dedicirenden werden, wie ich glaube, verständig handeln, wenn wir in einem Punkte unsere Maßregeln ändern; wir sollten, anstatt die Freigebigkeit unserer Beschützer herauszustreichen, ein oder zwei Worte auf

Bewunderung ihrer Geduld verwenden. Ich kann der Geduld Eurer Herrlichkeit aber kein größeres Compliment, als durch mein jetziges Verfahren machen, wodurch ich derselben eine so bedeutende Gelegenheit zur Ausübung biete. Doch vielleicht kann ich Eurer Herrlichkeit kein zu großes Verdienst in dieser Hinsicht anrechnen; da Sie früher als Advokat jene Eigenschaft so häufig bei langweiligen Reden und oft für Nichts und wieder Nichts üben mußten, so werden Sie auch um so bereitwilliger meine jetzige Kühnheit verzeihen, besonders wenn Jemand dieselbe sich herausnimmt, welcher mit aller Achtung und Verehrung sich unterzeichnet als Euer Lordschaft gehorsamster u. s. w.

Der Buchhändler.     


Vorrede.

Witzköpfe werden jetzt so zahlreich und scharfsinnig, daß alle Großen in Kirche und Staat die furchtbarsten Besorgnisse fühlen, diese Herren könnten während des langen Friedens Löcher in die schwachen Seiten der Regierung und Religion hineinbohren. Um dies zu verhindern, hat man kürzlich viel Nachdenken auf gewisse Projekte verwandt, wodurch diesen furchtbaren Forschern Kraft und Schärfe genommen werden soll, jene zarten Punkte zu erörtern und zu besprechen. Zuletzt haben die Herren ein Projekt gebilligt, dessen Vervollkommnung einige Zeit und Kosten veranlassen muß. Mittlerweile vermehrt sich aber die Gefahr mit jeder Stunde

durchs neue Aufgebote von Witzköpfen, die sämmtlich, wie zu befürchten ist, mit Feder, Dinte und Papier gerüstet, eine Stunde nach der Bestellung, jenes Material in Flugschriften und andere schädliche Waffen zur augenblicklichen Anrichtung mancherlei Schadens verwandeln können. Somit hielt man es für durchaus nothwendig, daß man ein Hülfsmittel für den Augenblick in Bereitschaft halten müsse, bis der Hauptplan vollkommen gereift sei. Zu dem Zweck ward in einer kürzlich gehaltenen Ausschußversammlung von einem gewissen sorgfältigen und feinen Beobachter die wichtige Entdeckung gemacht, daß Seeleute, wenn sie einen Wallfisch auffinden, ihm eine leere Tonne zu seiner Spielerei hinwerfen, damit er sich nicht an das Schiff mit seiner Wucht anlege. Diese Parabel ward sogleich erklärt und verstanden; der Wallfisch ward als Hobbes Leviathan ausgelegt, jenes Buch, welches mit allen Entwürfen von Religion und Politik ein Spiel zu treiben pflegt, mit Plänen, von welchen die meisten sich als hohl, trocken, leer, lärmend und hölzern erweisen, und zum Schaukeln umhergeschleudert werden können; dies ist ja gerade der Leviathan, aus welchem die Witzköpfe der gegenwärtigen Zeit ihre furchtbaren Waffen entlehnen sollen. Das Schiff in Gefahr ist leicht zu verstehen; man erinnere sich nur, wie dies Bild im Alterthum zur Bezeichnung des Staates diente. Die Erklärung der Tonne war schon schwieriger; auch wurde nach langer Untersuchung und Unterhandlung der wörtliche Sinn beibehalten; es ward also beschlossen, das jene Leviathans verhindert werden sollten, mit dem Staat ihr Spiel zu treiben, welcher doch schon genug Neigung zum Schwanken besäße, und daß sie durch die Erzählung einer Tonne von

jenem Treiben abgewendet werden müßten. Man glaubte mein Genie bei dieser Gelegenheit brauchen zu können, und ertheilte mir somit den Auftrag zur Ausführung des Entwurfes.

Dies ist der einzige Zweck des folgenden Werkes, welches, wie ich hoffe, auf einige Monate die unruhigen Köpfe beschäftigen wird, bis der große, oben erwähnte Plan zur Ausführung gediehen und vervollkommnet ist. Es ist übrigens billig, dem gütigen Leser einiges Licht über jenes Geheimnis zukommen zu lassen.

Man hegt die Absicht, eine große Akademie zu errichten, welche 9743 Personen zu enthalten vermag; nach einer nicht übertriebenen Berechnung kann man nämlich diese Zahl als den ungefähren Betrag der Witzköpfe Englands annehmen. Der Unternehmer selbst wird seine Vorschläge mit aller nur möglichen Eile herausgeben; ich verweise also darauf den neugierigen Leser, wenn er einen genaueren Bericht darüber erhalten will, und erwähne hier nur wenige von den Hauptschulen: zuerst die päderastische Schule mit italienischen und französischen Lehrern; alsdann die Buchstabierschule, ein sehr geräumiges Gebäude; die Schule der Spiegel, die Schule des Fluchens, die Schule der Kritiker, die Schule des Speichelflusses, die Schule der Steckenpferde, die Schule der Poesie, die Schule der Kreisel, die Schule des Spleens, die Schule des Spiels, nebst vielen andern, deren Erwähnung langweilig sein müßte. Keine Person dürfte als Mitglied einer dieser Schulen ohne gehöriges, durch zwei competente Personen ausgestelltes Zeugniß aufgenommen werden, wodurch der Witz jener Person attestirt würde.

Um jedoch zu meinem eigentlichen Plan zurückzukehren – ich bin von der eigentlichen Pflicht eines Vorredenschreibers vollkommen unterrichtet, wenn nur mein Kopf im Stande wäre, eben jenen Pflichten nachzukommen. Dreimal habe ich meine Einbildungskraft gezwungen, einen Spaziergang, um auf demselben Etwas aufzufinden, zu machen; dreimal ist sie leer wieder nach Hause gekommen. Alles, was sie auffinden konnte, war nämlich in beiliegendem Werke schon erschöpft. Besser sind meine glücklicheren Zunftgenossen, die Modeschriftsteller, daran, welche niemals eine Vorrede oder Dedikation sich entschlüpfen lassen, ohne einen merkwürdigen und ausgezeichneten Streich anzubringen, welcher den Leser schon im Eingange überrascht, und bei ihm eine wunderbare Erwartung für alles Folgende erweckt. Solcher Art war jenes Genie von Dichter, welcher, sein Gehirn um etwas Neues ersuchend, sich selbst mit dem Henker und seinen Beschützer mit dem armen Sünder verglich. Dies war, wie Freund Horaz sagt:

     Insigne recens
Indictum ore alio.

     Ausgezeichnet und neu,
Nie verkündet von anderem Munde.

Als ich mich nun mit den edlen und nothwendigen Studien von Vorreden beschäftigte, hatte ich das Glück, viele solcher ausgezeichneten Pinselstriche zu bemerken, allein ich werde den Schriftstellern nicht das Leid zufügen, daß ich sie hier ebenfalls anbringe. Wie ich nämlich bemerkte, ist nichts von so zarter Natur, als ein neuestes Stück Witz, und nichts kann durch Transport größeren Schaden leiden. Einige Dinge sind außerordentlich witzig für heute, oder im Katzenjammer,

oder Schlag acht Uhr, oder bei der Flasche, oder vor H. Soundso gesprochen, oder an einem schönen Sommermorgen; bei der kleinsten Versetzung oder unrichtigen Stellung wird der Witz aber durchaus zunichte. So hat auch der Witz seine Spaziergänge und bestimmten Plätze, außerhalb deren er sich um kein Haar verirren darf, ohne daß er sich in die Gefahr des Unterganges begibt. Die Neueren haben durch Kunst und List dies Quecksilber zum Stehen gebracht, und mit Rücksicht der Zeit, des Ortes und der Person gehörig von Schranken umschlossen. Ein solcher Witz darf z. B. nicht aus dem Hauptquartier der Lustdirnen heraus; ein anderer nicht aus demjenigen Park, wo die feine Welt spazirt. Nun fühle ich zwar mitunter zärtlichen Kummer bei der Betrachtung, daß alle witzigen Stellen, die ich in dem folgenden Werke zum Besten gebe, mit der ersten Veränderung der gegenwärtigen Bühne ganz außer Mode und Geschmack kommen müssen; dennoch muß ich aber die Gerechtigkeit jenes Verfahrens vollkommen anerkennen. Ich kann mir nämlich nicht denken, weßhalb wir uns in Kosten sehen sollten, Witz für zukünftige Zeiten zu liefern, da doch unsere Vorgänger in keiner Weise Vorrathshäuser für uns angelegt haben. Ja dieser Behauptung spreche ich nämlich die Meinung der neuesten und somit auch der am meisten orthodoxen Verfeinerer eben sowohl, wie meine eigene aus. Da mir jedoch auch der Umstand sehr am Herzen liegt, daß jede Person von höheren Gaben, welche in den Geschmack des Witzes, wie er für den gegenwärtigen Monat August 1697 berechnet ist, sogar in die Tiefe alles Erhabenen beim Durchlesen meines Buches hinabsteige, so halte ich es für zweckmäßig, folgenden allgemeinen

Grundsatz auszusprechen: jeglicher Leser, welcher die Gedanken eines Schriftstellers vollkommen verstehen will, verfährt am besten, wenn er sich in die Umstände und auf die Lebensstellung versetzt, worauf sich der Schriftsteller bei jeder wichtigen, seiner Feder entfließenden Stelle befand. Dadurch wird eine Gleichheit und vollkommene Uebereinstimmung der Ideen zwischen Leser und Schriftsteller bewirkt. Um nun dem Leser, so weit es die Kürze erlaubt, in einer so zarten Sache meinen Beistand zu leihen, so erinnere ich mich jetzt, daß die ärgsten und schneidendsten Stellen von mir verfaßt wurden, wenn ich im Bette lag oder in einer Dachstube wohnte; zu anderen Zeiten hielt ich es nach einem mir selbst am besten bekannten Grunde für nothwendig, meine Erfindungskraft durch Hunger zu schärfen; im Allgemeinen ward das ganze Werk bei einer langdauernden ärztlichen Behandlung meines werthen Leibes und bei großem Geldmangel begonnen, fortgesetzt und geschlossen. Demgemäß stelle ich nun die Behauptung auf, daß der aufrichtige Leser durch eine Menge glänzender Stellen mir in keiner folgen kann, wenn er nicht bei verschiedenen sich darbietenden Schwierigkeiten nach diesen Anleitungen sich befähigt und vorbereitet. Dies stelle ich auf als mein hauptsächlichstes Postulat.

Weil ich mich für einen ergebensten Diener aller Modeformen erklärt habe, so kann mir vielleicht ein etwas spitzfindiger Witzkopf den Einwurf machen, ich sei schon so weit in der Vorrede gekommen, und habe gegen alle Gewohnheit noch nicht über die Menge der Schriftsteller geschmäht, worüber die Menge der Schriftsteller aus gutem Grunde sich beklagt. Ich habe so eben einige hundert Vorreden gelesen, deren Verfasser sich

sogleich im Anfang über diese unerträgliche Beschwer beim gütigen Leser beklagen. Aus diesen Vorreden habe ich einige Beispiele aufbewahrt, und werde letzere, so weit mein Gedächtniß sie behalten konnte, meinem gütigen Leser zum Besten geben: eine beginnt in solcher Weise:

„Will Jemand als Schriftsteller zu einer Zeit auftreten, wo die Presse von Unwissenden schwärmt.“

Eine andere schreibt:

„Die Steuer auf Papier Vermindert nicht die Zahl der Skribler, welche täglich das Publikum plagen und irre leiten.“

Eine dritte bemerkt:

„Wenn jeder angebliche Witzkopf die Feder ergreift, so ist es für einen Schriftsteller vergeblich, wenn er in die Schranken tritt.“

Eine vierte meint:

„Bemerkt man das elende Geschmier, welches die Presse täglich zu Tage fördert.“

Eine fünfte:

„Nur aus Gehorsam gegen die Befehle Eurer Herrlichkeit wage ich mich in das Publikum. Denn wer möchte wohl aus einem geringeren Beweggrund sich der Gefahr aussehen, daß man ihn als zur Pöbelmasse der Schriftsteller gehörig betrachtet u. s. w.“

Gegen diesen Einwurf habe ich zwei Bemerkungen zu meiner Vertheidigung in Bereitschaft. Erstlich bin ich weit davon entfernt, die große Zahl der Schriftsteller für ein Unglück unserer Nation zu halten, denn ich habe das Gegentheil an verschiedenen Stellen des vorliegenden Werkes behauptet; zweitens kann ich die Gewichtigkeit dieses Verfahrens nicht recht begreifen, denn ich habe

stets beobachtet, daß gerade die Verfasser solcher Vorreden selbst sehr weitläufig und freigebig mit ihren Geistesprodukten waren. Hierüber will ich dem Leser eine kurze Geschichte erzählen.

Ein Marktschreier hatte einst eine große Menschenmasse um sich versammelt. Unter den Umstehenden fand sich auch ein fetter unbeholfener Kerl im Gedränge halb erstickt. Bei jedem Stoß, den er erhielt, rief er aus: Gott! was für ein schmutziger Pöbelhaufe; bitte, gute Leute, macht etwas Platz! Gott sei mir gnädig! Welcher Teufel hat dies Pack von Flegeln zusammengescharrt! Was für ein Gedränge! Ehrlicher Mann, ziehen Sie doch Ihre Ellbogen ein wenig ein! Endlich konnte ein Zunächststehender nicht länger an sich halten: Der Henker hole Euch aufgeschwollenen Fettklumpen, brach er los. Wer in des Teufels Namen macht so viel Gedränge wie ihr selbst! Seht Ihr nicht, Dummkopf, daß Ihr mit Eurem Leichnam mehr Raum einnehmt als fünf Andere? Ist der Platz nicht eben so frei für uns wie für Euch? Bringt Euren Bauch in einen vernünftigen Umfang, und dann werden wir Alle Platz haben.

Jeder Schriftsteller besitzt gewisse Privilegien, deren rechtmäßige Ausübung, wie ich hoffe, mir nicht bestritten werden kann. Hauptsächlich ziehe man, so bald man eine Stelle nicht versteht, aus diesem Umstande den Schluß, daß ich etwas sehr Nützliches und Tiefes in den Worten derselben verhüllt habe; bemerkt man ferner, daß irgend ein Wort oder ein Satz auf andre Weise, wie der übrige Text, gedruckt ist, so glaube man, derselbe enthalte etwas außerordentlich Witziges oder Erhabenes.

Was die Freiheit betrifft, die ich mir bei passender oder unpassender Gelegenheit hin und wieder genommen

habe, nachdem ich mein eigenes Lob der Welt verkündete, so werde ich mich wohl nicht zu entschuldigen brauchen, wenn eine Menge großer Beispiele als genügende Autorität anerkannt wird; man muß nämlich wohl beachten, daß Lob zuerst zwar als eine Von der Welt bezahlte Pension zu gelten pflegte; allein die Neueren haben es kürzlich als Erbgut an sich gekauft, weil Mühe und Kosten des Einsammelns als zu groß erkannt wurden; seitdem ist das Recht, Lob zu spenden, ausschließlich auf unsere Zunft beschränkt worden. So bald ein Schriftsteller nun sein Eigenlob anstimmt, bringt er eine gewisse Formel in Anwendung, um seine Ansprüche auszusprechen und zu behaupten, gewöhnlich mit den Worten: ich kann ohne alle Eitelkeit sagen u. s. w., woraus sich klar ergibt, daß dies ganze Verfahren auf Recht und Gerechtigkeit gegründet ist. Nun erkläre ich ein für allemal, daß bis besagte Formel bei allen vorkommenden Fällen in vorliegendem Buche gedacht werden muß; ich halte die Erwähnung dieses Umstandes für nothwendig, damit ich mir die Mühe der oft zu wiederholenden Formel ersparen kann.

Mein Gewissen ertheilt mir große Lobsprüche, weil ich jetzt ein so mühsam ausgearbeitetes und nützliches Werk ohne Beimischung eines Graus Satire geschrieben habe; es ist dies nämlich der einzige Punkt, in Betreffs dessen ich anderer Meinung bin, wie die berühmten Schriftsteller und Originale unserer Zeiten und unseres Vaterlandes. Oft habe ich bemerkt, daß Satiriker das Publikum eben so behandelten wie Pädagogen die ungezogenen Buben, welche sie zur Ausübung ihres schulmeisterlichen Rechtes in Bereitschaft gelegt haben; zuerst enthüllen sie das Verbrechen, alsdann beweisen sie die Nothwendigkeit

der Ruthe und schließen jede Periode mit einem Halbdutzend Hiebe. So weit ich aber die Menschen kenne, so konnten diese Herren sowohl den Tadel wie die Züchtigung sich ersparen; denn in der ganzen Natur gibt es kein so schmäliches und unempfindliches Glied wie den Hinteren des Menschengeschlechtes, mag man denselben mit Fußtritten oder mit der Birkenruthe bedienen. Außerdem sind unsere Satiriker seit längerer Zeit größerentheils in einem Irrthum befangen; sie glauben nämlich, weil die Brennnesseln das Vorrecht des Stechens besäßen, müßte dies auch bei allem anderen Unkraut der Fall sein. Icj bringe diesen Vergleich nicht in der Absicht vor, die Ehre dieser würdigen Schriftsteller irgendwie zu verkleinern, denn auch Sagenkenner, Heraldiker, Allegoristen u. s. w. haben ja eine besondere Vorliebe zum Unkraut, und ertheilen demselben gewissermaßen einen Vorrang vor anderen Pflanzen; deßhalb hat auch der erste Monarch dieser Insel, dessen Geschmack scharfsinnig und verfeinert war, [4]mit vieler Weisheit die Rosen aus der Halskette des englischen Ordens ausgerottet und Disteln an die Stelle gepflanzt als die edlere Blume unter den beiden. Deßhalb haben scharfsinnige und tiefschauende Alterthumsforscher die Vermuthung aufgestellt, das in unserem Theile der Insel so vorherrschende satirische Jucken sei zuerst von jenseits des Tweed bei uns eingeführt worden.[5] So

mag diese Krankheit lange Zeit bei uns blühen und im Ueberfluß vorhanden sein; mag sie den Spott und die Vernachlässigung der Welt mit derselben Ruhe und Verachtung iüberleben, welche die Welt in ihrem Stumpfsinne bei allen Schlägen und Tritten der daran leidenden Herren erweist. Mag die eigene Dummheit der Schriftsteller oder die ihrer Partei, auf keine Weise ihnen als Entmuthigung zur Fortsetzung ihres Strebens dienen; nur mögen sie aber auch bedenken, daß es sich mit dem Witz eben so wie mit dem Rassirmesser verhält, welches die Barbierten nie häufiger schneidet als wenn es seine Schärfe verloren hat. Außerdem finden sich ja diejenigen, deren Zähne zum Beißen zu sehr verfault sind, vor allen Anderen am Besten dazu geeignet, diesen Mangel durch ihren Athem zu ersetzen und zu rächen.

Ich pflege nicht, wie andere Menschen, die mir unerreichbaren Talente zu beneiden oder herunterzusetzen; deßhalb muß ich auch dieser ausgezeichneten und zahlreichen Sekte unserer brittischen Schriftsteller alle Ehre erweisen. Ich hoffe, diese kleine Lobrede wird ihren Ohren nicht anstößig klingen, da dieselbe ohnedem allein für die Herren geschrieben ist. Auch hat ja die Natur es selbst so angeordnet, daß Ruhm und«Ehre durch Satire sich wohlseiler einkaufen läßt, wie durch andere Gehirnprodukte; die Welt wird nämlich am ehesten durch Prügel zum Lobe, so wie einzelne Menschen zur Liebe gereizt. Ein alter Autor hat bereits die Frage aufgestellt, weßhalb Dedikationen und andere Bündel zusammengepackter Schmeichelei in abgetretenem und verschimmeltem Stoff sich herumtreiben, ohne die geringste Färbung von etwas Neuem vorzubringen, so daß sie nicht allein jedem Christen-Leser Qual und Ekel erwecken, sondern auch, wenn

nicht etwa plötzlich gehindert, die allgemeine Verbreitung einer pestartigen Krankheit, nämlich der Schlafsucht, auf unserer Insel befördern werden. Dagegen gibt es sehr wenig Satiren, welche nicht etwas bevor noch gänzlich Unberührtes enthalten sollten. Dieser Mangel der ersteren Schriften wird gewöhnlich dem Umstande zugeschrieben, daß Alle, welche sich mit jener Schriftstellerei abgeben, an schwächlicher Erfindungsgabe krank liegen; ich glaube jedoch, daß den Herren eine große Ungerechtigkeit mit dieser Behauptung erwiesen wird, denn die Lösung ist leicht und natürlich. Die Materialien zu Lobreden sind nur sehr wenige, und wurden schon lange gänzlich erschöpft. So wie die Gesundheit nur eine und dieselbe ewig war und sein wird, und so wie Krankheiten dagegen zu Tausenden sich vorfinden und täglich neuen Zuwachs erhalten: so kann man auch alle Tugenden, die sich jemals unter den Menschen vorfanden, an den Fingern herzählen; ihre Laster und Thorheiten aber sind unberechenbar und die Zeit fügt mit jeder Stunde neue hinzu. Nun kann doch aber ein armer Teufel von Poeten nichts weiter thun, als daß er die Cardinaltugenden auswendig lernt und sie mit größter Freigebigkeit seinem Helden oder Beschützer ertheilt; so weit es gehen will, mag er mit Phrasengeklingel wechseln, bis er zuletzt nicht weiter kann; der Leser wird aber denn doch sehr bald herausschmecken, das ganze Gericht sei nur Schweinefleisch, mit verschiedenen Saucen zubereitet. Man kann ja besondere Ausdrücke nur in so weit ausfindig machen, wie gerade unsere Ideen reichen; sind letztere erschöpft, so gilt dasselbe auch von den Kunstausdrücken.

Wäre aber auch der Stoff zu Lobreden so fruchtbar wie der Stoff zu Satiren, so kann man dennoch mit

Leichtigkeit einen genügenden Grund ausfindig machen, weßhalb die letzteren immer besser wie die ersteren aufgenommen werden. Da Lob immer nur Einem oder wenigen Personen auf einmal ertheilt werden kann, so ergibt sich Neid, zugleich auch erbitterte Rede als natürliche Folge bei allen Uebrigen, welche am Dufte des Weihrauchs keinen Antheil gehabt haben; die Satire dagegen, welche Allen gleicherweise gilt, wird von Niemanden als Beleidigung betrachtet, da jeder Einzelne sie immer nur auf Andere bezieht und seinen besonderen Antheil an der Bürde mit vieler Weisheit auf die Schultern der Welt abzuladen pflegt, welche breit und stark genug zum Tragen sind. Deshalb habe ich oft genug den Unterschied zwischen England und Athen in dieser Hinsicht betrachtet. In der kritischen Republik besaß ein Jeder das durch Privilegium und Geburt erlangte Recht, über jeden Bürger und Poeten laut und öffentlich zu spotten und Jedermann namentlich auf die Bühne zu bringen, mochten dieselben auch die höchste Stelle im Staate einnehmen, einen Creon, Hyperbolus, Alcibiades oder Demosthenes. Andererseits ward aber jedes Wort, welches dem Poeten über das Volk im Allgemeinen entschlüpfte, sogleich aufgegriffen und an den Schriftstellern bestraft, mochten diese wegen ihres Standes und ihrer Verdienste auch noch so viel Ansehen besitzen. In England findet durchaus das Gegentheil statt. Hier wagt man mit aller Sicherheit die heftigste Rede gegen das Menschengeschlecht. Sagt nur den Leuten: Sie alle irrten und sündigten; Keiner thue Gutes; auch nicht ein Einziger; wir lebten jetzt in der verworfensten aller Zeiten; Schurkerei und Atheismus seien ansteckend wie die Poeten; Ehrlichkeit sei mit der Asträa zum Himmel geflogen.

So bringe man noch andere Gemeinplätze von derselben Neuheit und Beredsamkeit nur immer vor, wie sie gerade die Galle oder der Spleen oder wie Freund Horaz sagt: splendida bilis[WS 1], an die Hand gibt. Seid ihr fertig, so wird die ganze Versammlung eurer Zuhörer, weit davon entfernt beleidigt zu sein, euch Vielmehr als einem Verkünder kostbarer und nützlicher Wahrheiten ihren Dank abstatten. Diese Erscheinung bietet sogar noch einen Nebenumstand; ihr setzt allein eure Lungen in Uebung, predigt ihr im Hauptquartier der Lustdirnen, Stutzer u. s. w. gegen albernen Putz, Unzucht und noch schlimmere Laster, in dem der Höflinge und politischen Abenteurer, gegen Stolz, Verstellung und Bestechung; ihr dürft in der Kapelle von Templebar, dem Hauptquartier der Rechtsgelehrten, Raub und Ungerechtigkeit der Verachtung preis geben; auf einer Kanzel der City, dem Centralpunkt alles Handels und des gewichtigeren Mittelstandes, könnt ihr trotzig gegen Heuchelei, Geiz und Wucher zu Felde ziehn. Eure Sentenzen gleichen einem hin und her geschleuderten Ball; Jedermann hat seine Rakete bei sich, um den Ball Von sich ab in die übrige Gesellschaft zurückzuschleudern. Andererseits nehmt euch in Acht! wer die Natur der Dinge in so weit verkennt, daß er einen einzigen Wink öffentlich fallen läßt, der und der Lieferant habe die Hälfte der Matrosen auf der Flotte verhungern lassen und die andere vergiftet; der Herr Soundso bezahle nach den wahren Grundsätzen der Liebe und Ehre keine andere Schulden als die im Spiel gemachten und die Unterhaltungskosten seiner Maitressen; der Herr N. N. habe sich durch Lüste vergiftet und sein Vermögen verschwendet. Paris (so wollen wir einen Richter bezeichnen) habe sich von Juno und Venus

bestechen lassen (d. h. in neuerer Ausdrucksweise durch Geld und eine Maitresse), sei dadurch beider Parteien müde geworden, und habe den ganzen Prozeß auf der Richterbank verschlafen; oder sagt nur, ein gewisses Parlamentsglied halte lange Reden im Nationalsenat, worauf er zwar viel Nachsinnen verwende, die aber wenig gesunden Menschenverstand enthielten, und die für nichts und wieder nichts die Zeit der Sitzungen ausfüllten. – Wenn Ihr in solcher Weise auf Einzelnheiten ausgeht, so müßt Ihr entweder ein Gefängniß wegen Mißbrauch der Presse, oder eine Euch zugesandte Herausforderung, oder eine Defamationsklage, oder sogar einen Beschluß des Unterhauses erwarten, wornach Ihr vor dessen Schranken erscheinen und gewissermaßen der ganzen Nation auf den Knieen Abbitte halten müßt.

Ich vergesse jedoch, daß ich hier zu weitläufig meine Gedanken über einen Gegenstand darlege, der mich durchaus gar nichts angeht. Ich habe ja weder Talent noch Neigung zur Satire! Andererseits bin ich mit dem gegenwärtigen Gange der menschlichen Dinge so vollkommen zufrieden, daß ich schon seit mehreren Jahren Materialien zu einer Lobrede der jetzigen Welt gesammelt habe. Ich hegte die Absicht, zu diesem Werke einen zweiten Theil hinzuzufügen, welcher den Titel führen könnte: Besondere Vertheidigung des Verfahrens, welches der Pöbel jedes Standes und Zeitalters zu befolgen pflegt. Ich wollte beide Werke als Anhang zum vorliegenden herausgeben. Da ich jedoch gefunden habe, daß mein Notizenbuch für Gemeinplätze langsamer sich füllt, wie ich zu erwarten Ursache hatte, so habe ich mein Unternehmen auf eine andere Gelegenheit verschoben. Außerdem wurde ich an der

Durchführung dieses Planes durch ein gewisses häusliches Unglück verhindert; obgleich nun die Angabe desselben mit allen Einzelnheiten sehr zeitgemäß und nach modischer Manier sein würde, um den gütigen Leser gehörig zu belehren; obgleich mir ferner die Beschreibung großen Beistand leisten müßte, wenn ich diese Vorrede auf die jetzt gewöhnliche Größe ausdehnte, welche nach der Regel eben so groß sein sollte, wie das nachfolgende Buch im Verhältniß klein ist: so will ich doch jetzt den ungeduldigen Leser entlassen, damit er nicht länger in der Vorhalle zu verweilen und zu warten braucht. Nachdem ich also seine Seele durch eine vorläufige Darlegung vorbereitet habe, werde ich ihn mit Vergnügen in die folgenden Geheimnisse einweihen.


Ein Mährchen als Tonne für den Wallfisch der Politik.
Erste Abtheilung.
Einleitung.

Jeglicher, dessen Ehrgeiz das hohe Glück erstrebt, daß man seine Worte in einer dicht gedrängten Versammlung vernehme, muß mit unendlichen Mühen drängen, quetschen, stoßen und klettern, bis er sich auf einen gewissen Grad der Höhe über die Andern emporgearbeitet hat. Nun hat man ja auch in allen Versammlungen, man mag sie noch so eng einkeilen, die eigenthümliche Eigenschaft beobachtet, daß über den Häuptern der Zusammengepreßten Raum genug vorhanden ist; die Schwierigkeit liegt allein in der Frage, wie man jenen Raum

zu erreichen vermag; denn es ist eben so schwer, sich aus einer zusammengepfropften Masse, wie aus der Hölle herauszuhelfen:

     Tendere ad auras
Hic opus, hic labor est.
     Euch in die Luft zu erheben,
Sei euch Arbeit und Streben.

Das Verfahren der Philosophen zu jeder Zeit bestand deßhalb in der Erbauung von Schlössern in der Luft; welche Geschicklichkeit und Berühmtheit jedoch alle Baumeister dieser Art besessen haben oder auch noch besitzen mögen, wobei ich nicht einmal den Sokrates ausnehme, als dieser, um seine Betrachtung zu befördern, sich in einem Korbe hinaufziehen ließ (wie Aristophanes erzählt): – so bin ich doch bei aller Unterthänigkeit meines Ich der demüthigen Meinung, daß die höchst weisen Herren mit zwei Unannehmlichkeiten zu kämpfen haben. Erstens wurde das Fundament ihres Hauses zu hoch gelegt, so daß man sie oft nicht erblicken, und niemals hören konnte. Zweitens waren ihre Baumaterialien sehr vergänglich« Art, und litten dadurch sehr viel von rauher Witterung, besonders in unsern nordwestlichen Klimaten.

Somit bleiben für die gehörige Ausführung dieses großen Werkes nur drei Methoden übrig, so weit mir dieselben im Augenblick einfallen. Auch hat die Weisheit unserer Vorfahren dies Erforderniß sehr wohl bemerkt, und deßhalb für zweckmäßig gehalten, drei hölzerne Maschinen zur Ermuthigung aller Abenteurer und zum Frommen der Redner zu erfinden, welche ohne Unterbrechung in einem Zuge sprechen wollen. Diese Maschinen bestehen in der Kanzel, in der Galgenleiter


  1. Dem deutschen Leser, der etwa Philologe sein sollte, braucht man wohl kaum in Erinnerung zu bringen, daß hier Bentley’s hochverehrte Schrift über Phalaris’ Briefe gemeint ist, worin in der Vorrede ein Bericht voll Erbitterung über einen Zank, den Bentley mit einem Buchhändler über die Leihung und Wiedererstattung eines Manuscriptes hatte, in aller Weitläuftigkeit gegeben ist.
  2. Für den deutschen Leser ist hier vielleicht Einiges über Lord Somers, das damalige Haupt der Whigs, und einen derjenigen Staatsmänner zu erwähnen, welchen die Engländer noch immer einen höchsten Rang in ihrer Geschichte anweisen. Lord Somers, der Leiter der großen Staatsrevolution, war niederer Geburt und ohne Vermögen, als er sich zuerst vor den Gerichtsschranken und dann im Parlamente bemerklich machte; als er später Haupt der Partei, dann Führer der Nation und endlich Minister wurde, bewahrte er stets jene Selbstständigkeit und Schärfe, welche Leuten eigenthümlich zu sein pflegt, die in den populären Versammlungen freier Staaten (im Unterhaus) zur höchsten Stellung sich emporschwingen. Von Militärruhm kann bei einem brittischen Staatsmann nicht viel die Rede sein; ebenso wenig wie von spekulativer nicht besonders brauchbarer Gelehrsamkeit.
  3. Eine Coalition der äußersten Parteien bewirkte 1701 eine Anklage der Gemeinen gegen Lord Somers; das Unterhaus gab aber die Sache sogleich wieder auf, nach wenigen Debatten, und die Lords sprachen Somers frei, indem die Ankläger sich zurückhielten.
  4. Swift meint den pedantischen und beschränkten Jakob I. Das Spätere bezieht sich auf die Vertheilung des schottischen Distelordens. Die Rose ist die symbolische Blume Englands.
  5. Dem deutschen Leser muß man hier wohl bemerken, daß die Krätze Gegenstand zu immerwährendem Spott der Engländer in Betreff der Schotten gibt.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Vorlage: filis