Berlin (Freiligrath)
Zum Völkerfest, auf das wir ziehn,
Zu dem die Freiheit ladet,
Wie wandelst herrlich du, Berlin!
Berlin, in Blut gebadet!
Einher in deinen Wunden!
Du wandelst hin, das bleiche Haupt
Mit Bannertuch verbunden!
Mit Tuch, von dem du jene Nacht
O, erste deutsche Fahnenwacht
Auf deutschen Barrikaden!
Du rissest es aus langer Schmach
Empor zu neuer Schöne!
Rein wuschen’s deine Söhne!
So helfe dir nun Gott, Tyrann!
Erstochen und erschossen!
Und abwärts durch die Straßen rann
Arbeiterblut, Studentenblut –
Wir knirschen mit den Zähnen,
Und in die Augen treibt die Wuth
Uns seltne Männerthränen!
Die Erde hat gezittert!
Sie fochten ohne Sang und Klang,
Sie fochten stumm erbittert!
Da war kein Lied wie Ça ira –
Sie standen ernst und schweigend da,
Im Blut bis zu den Knöcheln!
So schlaft denn wohl im kühlen Grund,
Schlaft ewig unvergessen!
Die starre Hand nicht pressen!
Wir können euch zu Ehr’ und Zier
Mit Blumen nicht bewerfen –
Doch können wir und wollen wir
Denn einen Kampf, der so begann,
Soll kein Ermatten schänden!
Ihr strittet vor, ihr finget an:
So laßt denn uns vollenden!
Wir treten in die Lücken!
Mit Allen, die noch übrig sind,
Die Klinge woll’n wir zücken!
Denn heißen soll es nimmermehr:
Für Nichts, als was sie Tags vorher
Ertrotzt schon und erworben!
Denn Keiner sage je und je:
Sie waren brav im Schießen!
Da sie sich metzeln ließen!
Drum sollen eure Leichen nicht
Den Strom der Freiheit stauen;
Den Strom, der seine Fesseln bricht
Drum sollen sie die Stufen sein,
Die Stufen grün von Zweigen,
Auf denen wir zum Dach hinein
Der freien Zukunft steigen!
Was Bitten noch, und Geben!
Was Amnestie und Preßfreiheit –
Tod gilt es oder Leben!
Wir rücken an in kalter Ruh’,
Wir sagen kurz: Wir oder du!
Volk heißt es oder Krone!
Daß Deutschland stark und einig sei,
Das ist auch unser Dürsten!
Und frei nur ohne Fürsten!
O Volk, ein einz’ger Tag verstrich –
Und schon von Vivats heiser?
Erst gestern ließ Er schlachten dich – –
Schmach! mit dem Blute, wild verspritzt
Bei jenem freud’gen Sterben,
Mit dem jetzt möcht’ Er sich verschmitzt
Den Kaiserpurpur färben!
Dafür noch stehn wir Wache,
Dafür bleibt unser Feldgeschrei:
Hie Republik und Rache!
Wir treten in die Reiseschuh’,
Nun, heil’ge Freiheit, tröste du
Die Mütter und die Bräute!
Nun tröste Weib, und tröste Kind,
Die Wittwen und die Waisen –
So unsre, will’s das Eisen!
London, 25. März 1848.