Beschreibung des Oberamts Böblingen/Kapitel B 1
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a. Böblingen, Oberamtsstadt, liegt unter dem 26° 40′ 33″,73 östlicher Länge und 48° 41′ 7″,51 nördlicher Breite (Kirchthurm), 4 geometrische Stunden von Stuttgart entfernt. Die Erhebung über die Fläche des Mittelmeeres beträgt am Rathhaus 1610 württembergische oder 1420 Pariser Fuß. Mit Ausnahme des Cameral- und Forst-Amts ist die Stadt der Sitz sämmtlicher Bezirksbehörden, eines Revierförsters und eines Postamts.[1]
Um einen von dem Höhenzug des Schönbuchs in die weit gedehnte Niederung vorgeschobenen Hügel, auf dessen Kuppe die Kirche, ein Flügel des ehemaligen Schlosses und ein Schulgebäude malerisch hervorragen, lagert sich der ältere mit Mauern umgebene Theil der Stadt. Der neuere Theil, die Vorstädte, liegen südlich, südwestlich und westlich von der Altstadt; sie bestehen aus der unteren Vorstadt, dem Plattenbühl, dem Klaffenstein, dem Spielberg, der Schafgasse mit dem Bettelbernich und aus dem an der ehemaligen Stuttgarter Landstraße den Berg hinan gebauten sogenannten Käppele, das seinen Namen von einer auf dieser| Anhöhe gestandenen Kapelle erhalten haben soll. Die unregelmäßig angelegte innere Stadt ist größtentheils uneben, hat enge, winkelige Straßen und mit Ausnahme der öffentlichen, meist alte und unansehnliche Gebäude. Die Vorstädte mit ihren breiten Straßen gleichen mehr einem stattlichen Dorf und nur einzelne, im städtischen Style erbaute Privatwohnungen, von denen die meisten in der Nähe der Post liegen, erinnern an eine Stadt. Die Ortsstraßen sind im Allgemeinen recht gut gehalten und größtentheils macadamisirt; nur der Marktplatz und einige kleine Gassen haben noch Pflaster. Über die Zahl der Gebäude s. Tabelle I.Von der ehemaligen soliden Befestigung der Stadt und des Schlosses zeugen besonders die noch ziemlich erhaltenen Stadtmauern, welche größtentheils doppelt und mit Zwingern und Gräben versehen sind. An ihnen standen Thürme, von denen sich der sogenannte Bärenthurm und der grüne Thurm noch erhalten haben. Durch die an der Südseite der Stadt gelegenen Seen, welche früher bis an die Stadtmauer gegangen seyn sollen und mittelst derer ein großer Theil des Stadtgrabens unter Wasser gesetzt werden konnte, war die Befestigung noch bedeutender. Die Stadt hatte 3 Thore, von denen das am westlichen Ende gelegene „untere Thor“ erst in neuerer Zeit vollends abgebrochen wurde; das obere Thor stand am Eingang in die Marktgasse am Kaufmann Jordanschen Hause außerhalb des Stadtgrabens und ein zweites jenseits desselben, so daß beide gleichsam ein Thor bildeten und nur durch den Graben, über den vermuthlich früher eine Zugbrücke ging, getrennt waren. Das dritte, das Burgthor, stand an der gegenwärtigen Post und schloß die den Schloßberg hinan führende Straße ab. Das Schloß selbst war noch besonders mit einem tiefen, ausgemauerten Graben rings umgeben, der zwischen der Kirche und dem Schloß durchlief und über den sowohl an der Seite gegen Osten, als an der gegen die Kirche Zugbrücken führten. In dem Schloßgraben wurden früher Bären gehalten und noch wird derselbe bis auf den heutigen Tag der „Bärengraben“ genannt.
Die für einen bedeutenden Theil der Vorstädte ziemlich entlegene Pfarrkirche ist massiv aus grobkörnigem Keupersandstein im germanischen (gothischen) Style erbaut, übrigens nicht mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt, da sichtlich mehreremale zum Theil stylwidrige Veränderungen an ihr vorgenommen worden sind. Am auffallendsten ist dieses der Fall an der Südseite des Langhauses, welche ursprünglich in gleicher Linie mit dem Chor lief und erst später, um mehr Raum zu gewinnen, vorgerückt wurde. Das schöne, ein halbes Sechseck bildende Chor mit Strebepfeilern, zwischen denen hohe, spitzbogige, gothisch gefüllte Fenster sich| befinden, trägt noch seinen ursprünglichen frühgermanischen Baustyl, mit Ausnahme eines gegen Osten im Renaissancestyl im Jahre 1600 eingebauten Eingangs. Die schmucklosen Langseiten des Schiffs haben ebenfalls gothische Fenster, nur sind die Füllungen an denselben auf der Südseite nicht aus grobkörnigem Keupersandstein, sondern aus Keuperwerkstein, was ebenfalls eine an dem Langhaus vorgenommene Veränderung beurkundet. Ihr inneres, freundliches und helles Aussehen verdankt die Kirche einer sehr bedeutenden Renovation, die auf das Reformationsfest 1817 an ihr vorgenommen wurde. Bei dieser Gelegenheit erhielt sie, außer mehreren Veränderungen, eine weiße Tünchung, die leider auch alten geschnittenen Chorstühlen zu Theil wurde. An der nördlichen Wand, in der Nähe der Kanzeltreppe, ist ein altes Grabdenkmal mit dem Tübingen’schen Wappen in gelehntem Schilde und folgender Umschrift eingemauert: ANNO : DONI : MCCCXXXVI : OBIIT : HAINRIC : COMES : PALATINUS DE : TUWINGEN : ........ [2] Der Taufstein trägt die Jahreszahl 1518. Die alte Kanzel, deren kunstreicher Schalldeckel bei der Renovation entfernt wurde, ist von Holz und hat an der Brüstung roh geschnittene Apostelfiguren; neben ihr hängt das lebensgroße Bild Luthers in Öl gemalt, das 1817 in die Kirche kam. Das Chor hat 2 einfache Kreuzgewölbe mit Schlußsteinen an den Gurtenkreuzungen, von denen der eine das Lamm Gottes, der andere einen Abt mit dem Hirtenstab vorstellt. An den Anfangspunkten der Gurten sind Consolen mit verschiedenen Fratzengesichtern, Thierfiguren etc. angebracht; eine derartige Console, den Sündenfall darstellend, ist an der südlichen Wand des Schiffs ohne Zusammenhang mit dem übrigen Bauwesen eingemauert und scheint noch von der früheren Kirche übrig geblieben zu seyn. An der westlichen Giebelseite steht der viereckige, aus 5 steinernen Stockwerken bestehende Thurm, an den die Kirche gleichsam nur angelehnt ist und der in gar keiner ursprünglichen Verbindung mit derselben steht. Er hat 6′ dicke Mauern, in den unteren Stockwerken nur schmale schußschartenartige Lichtöffnungen, in den 2 oberen aber schmale, spitzbogige, in den Bogentheilen gothisch gefüllte Fenster. Auf dem massiven Thurm sitzt ein hölzernes, vierseitiges Glockenhaus, das in ein Achteck übergeht und mit einer gewölbten Kuppel, aus dem noch ein kleines Thürmchen emporwächst, gedeckt ist. Obgleich dieser hölzerne Aufbau, der nebst dem Kirchendachstuhl von dem Werkmeister Michael Stahl von Böblingen 1707 erbaut | wurde, wegen seiner künstlichen Konstruktion alle Anerkennung verdient, so kann doch nicht in Abrede gezogen werden, daß derselbe mit dem übrigen Styl der Kirche nicht übereinstimmen will. Auf dem Thurme, von dem man eine sehr anziehende Aussicht genießt, hängen 5 Glocken, 4 im Glockenhaus und 1 in der Kuppel, die zusammen ein harmonisches Geläute geben; die größte, 36 Centner wiegend, trägt, außer den Namen der damaligen geistlichen und weltlichen Behörden, noch die Umschrift: „Zur Ehre Gottes läut’ man mich, Martin und Hans Miller zu Eßlingen goß mich anno 1600.“ Auf der sogenannten Hundsglocke, der ältesten von allen, steht mit verkehrter Mönchsschrift: „sanctus. mateus. marcus. lucas. johannes.“ Die dritte hat die Umschrift: „aus dem Feuer bin ich geflossen, Johann Georg Schmelz von Biberach hat mich gegossen 1765“ und die vierte, welche 1823 von Ulm, wo sie auf dem Schwörthurm hing, nach Böblingen kam „anno 1789 goß mich Thomas Frauenlob in Ulm.“Die Kirche ist ursprünglich Eigenthum der örtlichen Stiftungen, muß aber, wegen des unbedeutenden Kirchenvermögens, von der Stadtgemeinde unterhalten werden.
Die ehemalige Gottesackerkirche in der Vorstadt hat weder Chor noch Thurm, aber schöne, spitzbogige, gothisch gefüllte Fenster, von denen eines an der nördlichen Seite die Jahreszahl der Erbauung 1586 trägt. Das Innere dieser, an Grabdenkmalen so reichen Kirche, ist verwüstet und wird zur Aufbewahrung des Trauerwagens etc. benützt. Die zum Theil unleserlich gewordenen Grabsteine gehören meist Geistlichen an; der älteste von denselben hat die Umschrift: »anno dom. 1473. obiit Johannes Kielmann pastor.«“ Auf einem andern steht: »anno dom. 1520 am siebenden tag des monats octobers starb der würdig wohlgelert meister hans cuch von frankfurt pfarrer zu böblingen.« Da diese Grabdenkmale älter als die Kirche sind, so läßt sich vermuthen, daß schon früher eine Kapelle hier stand, in welcher Verstorbene beigesetzt wurden, um so mehr, als jene Geistlichen angehören, die man bekanntlich früher nur in Kirchen oder Kapellen beerdigte. Die Kirche wurde im Jahre 1586/87 damals außerhalb der Stadt erbaut, der Bau hatte aber einen so schlechten Fortgang, daß Herzog Ludwig von Württemberg noch eine besondere Beisteuer von 600 fl. zur Vollendung derselben verwilligen mußte. Sie diente früher zum Trauergottesdienst bei Leichenbegängnissen, seit aber (1836) der um sie gelegene Begräbnißplatz aufgegeben wurde, wird sie nicht mehr zu gottesdienstlichen Verrichtungen benützt und geht nun täglich mehr ihrem Untergang entgegen. Der neue 11/2 Morgen große, mit einer Mauer umfriedigte Begräbnißplatz ist an einer freien Stelle östlich| der Vorstadt 1835 angelegt und den 25. März 1836 die erste Leiche dahin beerdigt worden. Zunächst der Pfarrkirche steht noch ein Flügel des alten Schlosses, das früher aus 2 einander gegenüber stehenden Flügeln bestand, die an der Ostseite mit einer Mauer, durch welche der Eingang in den Schloßhof führte und über die ein Gang lief, verbunden waren. An der Westseite waren die Schloßflügel durch ein querstehendes Gebäude, durch welches ebenfalls ein Thor zum Schloßhof führte, in Verbindung gesetzt. Im Jahre 1818 erkaufte die Stadtgemeinde von dem Staat die beiden Schloßgebäude um 10,800 fl. und ließ sie zu Schulen und Lehrerwohnungen einrichten; 1840 wurde der nördlich gelegene Flügel abgebrochen und an dessen Stelle ein neues, gut eingerichtetes Schulgebäude mit einem Aufwande von 13,000 fl. erbaut, so daß von dem ehemaligen stattlichen Schloß nur noch der massiv gebaute südliche Flügel übrig geblieben ist, der übrigens nichts merkwürdiges und sehenswerthes mehr enthält. [3] In diesem ehemaligen Schloßgebäude sind nun die Wohnungen des Präceptors, des Reallehrers, eines Schulmeisters und die deutsche Knabenschule eingerichtet; im neuen Schulgebäude befindet sich die lateinische Schule, die Elementarschule, die Realschule, die Mädchenschule und die Wohnung des Mädchenschulmeisters.Das auf dem Marktplatz stehende, 1832 mit einem Gemeindeaufwand von 33,000 fl. erbaute ansehnliche Rathhaus hat einen steinernen Unterstock, 2 hölzerne Stockwerke und auf dem Dach ein Thürmchen mit Glocke und Uhr, im Rathhaussaal hängt das gut getroffene, lebensgroße Bild Sr. Majestät des Königs, welches die Kaufmannsinnung 1841 dahin stiftete.
Von den dem Staat gehörigen öffentlichen Gebäuden sind anzuführen: das am Schloßberg gelegene, gut eingerichtete Oberamtsgerichtsgebäude, welches 1825 von der Amtscorporation neu erbaut und dieser um 8000 fl. abgekauft wurde, – die Oberamtei, ein altes, übrigens sehr geräumiges, gut erhaltenes Gebäude, in der Nähe der Kirche auf dem Marktplatz und die stattliche, dreistockige Wohnung der Ortsgeistlichen, das Dekanat- und Diakon-Haus, 1841 an der Straße, die zum Schloß führt (Schloßberg), neu erbaut. In der Vorstadt befindet sich die Wohnung des Revierförsters, ein zweistockiges Gebäude mit Zwerghaus. Der herrschaftliche massiv gebaute Fruchtkasten, in welchem zugleich die Landjägerwohnung eingerichtet ist, liegt nördlich der| Kirche zwischen dem Oberamtsgebäude und dem Criminalgefängniß; er war früher ein Nebengebäude des Schlosses. In der Pfarrgasse steht die ebenfalls massiv gebaute Zehentscheuer. Das Criminalgefängniß in der Nähe der Schule wurde 1822 erbaut.Von ansehnlichen, wohlgebauten Privatgebäuden haben wir besonders zu nennen: das Postamtsgebäude und das Postwirthschaftsgebäude, beide am Fuß des Schloßbergs gelegen, die Dinkelacker’sche Bierbrauerei, das Kaufmann Stahl’sche, das Kaufmann Kaiser’sche Haus und das in der untern Vorstadt gelegene Gasthaus zum Bären, welches früher den Grafen von Württemberg gehörte und rings mit einem Wassergraben umgeben war. In diesem sogenannten Grafenhaus hielten sich die Grafen und Herzoge häufig auf, da sie wegen der Nähe der Seen hier viele Gelegenheit fanden, sich mit Fischfang und Wasserjagd zu belustigen. Im Jahre 1568 wurde es an Privaten verkauft und erst 1814 ließ Bärenwirth Mayer das an der Vorderseite angebrachte württembergische Wappen wegnehmen. Ehemals bestand auch ein Beguinenkloster, welches Herzog Christoph im Jahre 1554 der Stadt, weil diese kein besonderes Haus zur Unterhaltung der Armen hatte, zu einem Seelhaus übergab; dasselbe lag im sogenannten Spittel (Spital) am südöstlichen Ende der inneren Stadt. Ein weiteres Kloster soll das auf dem Markt stehende, gegenwärtig dem Nadler Koch gehörige Haus gewesen seyn. Das Spannagel’sche Haus, welches an der Ecke der Marktgasse und des Marktplatzes steht, ist das alte Amthaus; das ehemalige Jagd- und Forst-Haus in der Marktgasse, welches früher die Oberforstmeister, später die Dekane bewohnten, ist gegenwärtig im Besitz des Kinderspielwaarenfabrikanten Auberlen. Die nördlich an der Försterwohnung stehende Scheune war früher die Ortskelter. Südlich von der Stadt, in einer Entfernung von einigen 100 Schritten, liegt auf dem Spielberg die Kleemeisterei.
Die, vielen Verkehr bringende Stuttgart–Calwer Landstraße, von der außerhalb des Orts die Landstraße nach Herrenberg und Freudenstadt abgeht, führt nur durch die Vorstädte, wie überhaupt durch die eigentliche Stadt (alte Stadt) keine Hauptstraße geht. Im Jahre 1845/46 wurde ihr zwischen Böblingen und Vaihingen eine zweckmäßigere Richtung gegeben und die frühere, schon in der Stadt an dem sogenannten Käppele steil ansteigende und in ihrem weiteren Zug unebene Landstraße verlassen, dagegen die neue mit geringem Gefäll angelegt ist. Ferner gehen Vicinalstraßen über Holzgerlingen nach Tübingen, über Schönaich nach Waldenbuch und eine nach Sindelfingen; minder gut chaussirte Straßen führen nach Musberg und Mauren.
| Mit gutem Trinkwasser, das aus 8 laufenden und 3 Pumpbrunnen gewonnen wird, ist die Stadt hinreichend versehen; der Marktbrunnen, auf dem der heilige Christophorus gut aus Stein gearbeitet steht, liefert das beste Wasser. Der sogenannte Quentsch- (Quätsch-) Brunnen bei der Staffelmühle führt auffallend kaltes, übrigens etwas hartes Wasser. Als man den Ablaß am untern See ausbesserte, kam man auf eine alte Teichellage, die Schwefelwasser führte, das vermutlich zu dem ehemaligen Bad geleitet wurde, welches zunächst der Staffelmühle bestand und von dem ein Haus noch heute das Bad genannt wird. Unweit dieser Stelle ließ Färber Baisch einen Pumpbrunnen graben und erhielt ebenfalls stark schwefelhaltiges Wasser. Überdieß entspringen auf der Stadtmarkung noch mehrere Bäche und durchziehen diese in verschiedenen Richtungen (s. den allg. Theil). Interessant ist das 3/4 Stunden östlich von Böblingen im Stadtwald Heuweg gelegene „Stumppenbrünle,“ welches, nachdem eine Eiche dort gefällt wurde, munter aus dem hohlen Stock derselben hervorsprudelte, der noch bis auf den heutigen Tag den natürlichen Trog der Quelle bildet. Eine periodisch fließende Quelle (Hungerbrunnen) befindet sich an der sogenannten Kühstelle. Im Jahre 1832 ließ Tuchfabrikant Christian Felder, um mehr Wasser auf sein Werk zu bekommen, in der Nähe des oberen Sees mit mittelmäßigem Erfolg artesische Brunnen bohren; ein weiterer Versuch an der sogenannten Furth lieferte ein ganz geringes Resultat. Von besonderer Wichtigkeit sind die südlich an die Stadt grenzenden künstlich angelegten Weiher, der obere und der untere See, zwischen denen die mit Pappeln besetzte Vicinalstraße nach Holzgerlingen durchführt und die der Gegend, hauptsächlich aber der ohnehin freundlichen Ansicht der Stadt von der Südseite, einen besonderen Reiz verleihen. Der obere See, früher 13 – jetzt nur noch 11 Morgen haltend – wird theils von dem in ihn mündenden Murkenbach, theils von Quellen, welche sich auf seinem Grunde befinden, gespeist; sein Wasser ist klar, dessen ungeachtet überzieht ihn öfters den Sommer über eine Decke mit Wasserlinsen, die ihm mehr das Ansehen einer Wiesenfläche, als die eines See’s gibt. Der untere, früher 16 Morgen, gegenwärtig nur noch 11 Morgen große See, erhält seinen Zufluß von dem obern See; sein Ablauf treibt die Staffelmühle, weiter unten im Thale die Rohrmühle und geht 1/4 Stunde nordwestlich von dieser in die Schwippe. In beiden Seen, die durchschnittlich 8 Tiefe haben, werden Karpfen und Hechte eingesetzt und gezogen, außer diesen kommen noch vor: Karauschen, Schleihen, Berschinge, Weißfische und Grundeln. Sie werden in der Regel alle 2 Jahre gefischt, inner dieser Zeit wächst ein | 1/4pfündig eingesetzter Karpfe zu 2 bis 3, zuweilen sogar zu 4 Pfd. an und der ganze Fang aus den beiden Seen wird im Durchschnitt zu 80 bis 100 Centner angegeben. Der obere See, welcher Eigenthum der Stadt ist, wird durchschnittlich für 60 fl. jährlich verpachtet, der untere See gehört dem Staffelmüller. Außer diesem Nutzen und den Vortheilen, welche die Seen bei Feuersgefahren leisten, liefern sie durch den Schlamm, der von Zeit zu Zeit aus ihnen gewonnen wird, ein vortreffliches, besonders auf Wiesen und Baumgüter taugliches Düngungsmittel. Etwa 1/4 St. südöstlich der Stadt liegt der 11/2 Morgen große, künstlich angelegte Ganssee.Auf der Markung wird 1/8 Stunde östlich der Stadt Keupergyps (der sonst nirgends in dem Bezirk vorkommt) gebrochen und zu Gypserarbeiten und als Dünger benützt. Gute feinkörnige Keuperwerksteine gewinnt man auf dem Käppele und am Fuß der Diezenhalde. Auf der Kühstelle, auf dem Galgenbuckel und im Steinenbank, sind im weißen, grobkörnigen Keupersandstein Brüche angelegt, die Eigenthum der Gemeinde sind. Töpfererdegruben, ebenfalls der Gemeinde gehörig, befinden sich am Schönaicher First und in den Leimengruben. Torf lagert in der Thalebene westlich der Stadt; er wird seit 1822 im Distrikt Hulb abgebaut, wo er durchschnittlich 8–10′ mächtig ansteht und jährlich gegen eine Million, zuweilen noch mehr, Wasen liefert, von denen das Hundert zu 1 fl. 30 kr. abgegeben wird. Dieser Torfstich, welcher sehr guten, mit ziemlich vielen Holztheilen gemengten Torf liefert, ist Eigenthum des Laboranten Bonz und des Stadtraths Schöck.
Vermöge der freien Lage und der nahen weit gedehnten Waldungen, besonders aber wegen des freien Zutritts des frischen Schwarzwaldwindes, ist die Luft sehr rein und gesund, jedoch etwas rauh; die Sommernächte sind daher häufig kühl und zuweilen schaden Frühlingsfröste den feineren Gewächsen. Die Ernte tritt um 14 Tage später als in Stuttgart und um 8 Tage später als in Schönaich ein. Hagelschlag kommt im Durchschnitt alle 10 Jahre einmal vor.
Die Stadt Böblingen zählte nach der neuesten Bevölkerungsliste auf den 3. December 1848 3681 Ortsangehörige und zwar 1775 männliche, 1906 weibliche. Am 3. December 1846 war die Zahl derselben 3658 (1771 männliche, 1887 weibliche), welche, mit Ausnahme von 9 Katholiken und 7 Juden, sämmtlich der evangelisch-lutherischen Kirche angehörten. Zu derselben Zeit waren ortsabwesend 261; Fremde anwesend 218; die ortsanwesende Bevölkerung belief sich also damals auf 3615 (1747 männliche, 1868 weibliche).
| Die Zahl der Familien war 1846 746; die der Ehen 572, wonach auf 1 Ehe 6,4, auf 1 Familie 4,9 Angehörige treffen. Nach dem Durchschnitt der 10 Jahre von 1836/46 kamen jährlich 143,5 Geburten vor, worunter 14,2 uneheliche waren. Es kommen somit auf 1000 Angehörige 41,7 Geburten (oder 1 Geburt auf 24 Einwohner). Unter 100 Geburten befanden sich 9,9 uneheliche, oder die unehelichen verhalten sich zu den ehelichen wie 1 : 9,1.Gestorben sind nach dem erwähnten 10jährigen Durchschnitt jährlich 105,1; es kommen hienach auf 1000 Angehörige 30,5 Sterbefälle (oder 1 Todesfall auf 32,8 Lebende), und zwar auf 1000 Personen männlichen Geschlechts 32,3, auf 1000 Personen weiblichen Geschlechts 28,8 Sterbefälle.
Auf 100 Sterbefälle treffen 136,5 Geburten.
Der natürliche Zuwachs zur Bevölkerung betrug von 1836 bis 1846 384 Köpfe (204 männliche, 180 weibliche); die Zunahme durch Einwanderung 43 (11 männliche, 32 weibliche), der Zuwachs im Allgemeinen 427 (215 männliche, 212 weibliche).
Die Anzahl der Übersechzigjährigen betrug am 3. Dec. 1846 238 (115 männliche, 123 weibliche); es kommen daher auf 1000 Einwohner 65 Personen dieser Altersklasse, während auf dieselbe Anzahl im Oberamt 70, im ganzen Lande 76 kommen.
Der Gesundheitszustand der Einwohner ist im Allgemeinen ein günstiger, was hauptsächlich in der guten Luft seinen Grund haben mag, die schon seit Jahrhunderten eine besondere Celebrität erlangt hatte, indem ihr zu Liebe sich die Grafen und Herzoge von Württemberg zu Zeiten der Pest öfters nach Böblingen flüchteten (s. unten). Der Menschenschlag ist kräftig und im Allgemeinen wohlgebaut. Die Tracht ist vorherrschend die städtische, obgleich der eigentliche Bauer seinen Lederhosen und dem dreieckigen Hut immer noch treu bleibt. Was den Charakter betrifft, so sind die Ortseinwohner durchschnittlich aufgeweckt, fleißig und sehr betriebsam, der Feldbautreibende steht zwar hinsichtlich der Bildungsstufe noch etwas unter dem sehr verständigen und aufgeklärten Gewerbsmann; übrigens zeugen für die Bildungsfähigkeit Aller die guten Fortschritte der Kinder in den Schulen.
Von ausgezeichneten Männern, welche die Stadt hervorbrachte, sind zu nennen:
Hans Ernst von Böblingen, ein geschickter Bildschnitzer, welcher im Jahre 1490 die Chorstühle der Stuttgarter Spitalkirche fertigte.[4] Ohne Zweifel sind auch die Chorstühle in den Kirchen| zu Böblingen, Dagersheim, Aidlingen u. s. w. Werke von diesem Künstler.Karl Friederich Gerstlacher, [ws 1] geb. am 12. Juni 1732, 1754 Kanzleiadvokat zu Stuttgart, 1761 außerordentlicher Professor der Rechte zu Tübingen, 1762 Tutelarrath, 1767 nach Karlsruhe berufen, wo er zunächst Hofgerichtsassessor, sodann 1768 wirklicher Hof- und Regierungs-Rath, 1775 Geheimer Referendar mit dem Range eines Geheimen Hofraths, 1789 wirklicher Geheimer Rath wurde und den 15. August 1795 starb. Er war ein namhafter Rechtskundiger und Publicist von reger schriftstellerischer Thätigkeit, in letzterer Beziehung besonders durch seine Sammlungen sowohl von Reichs- als auch von württembergischen und baden-durlachischen Gesetzen bekannt (s. Meusel Lexikon verstorb. Schriftsteller 4, 136).
Schlotterbeck, Christian Jacob, geb. den 23. Juli 1757, ein Zögling der Karlsakademie, Anfangs der Malerei, dann unter Müller’s Anleitung der Kupferstecherei beflissen, württembergischer Hofkupferstecher 1782. Er malte viele Bildnisse, wobei er sich eines Grundes bediente, welcher eine große Haltbarkeit der Farben bewirkte. Als Kupferstecher wird er den besten Künstlern seiner Zeit zugezählt. Seine Blätter sind verzeichnet in Naglers Künstler-Lexikon 15, 279. Die letzten Jahre seines Lebens brachte er in Böblingen zu, wo er die Aufsicht über das Schloß hatte, er starb allda 1820.
Reitter, Joh. Daniel, [ws 2] geb. den 21. October 1759, 1772 in die Militärpflanzschule (nachherige Karlsacademie) aufgenommen, 1782 Lehrer bei der Jägergarde zu Hohenheim, 1794 Forstcommissär bei der herzoglichen Rentkammer und einige Jahre nachher Forstrath. Verdient um das württembergische Forstwesen, auch bekannt durch sein Werk: Abbildungen von 100 deutschen wilden Holzarten. Tübingen 1796 und folg. 4°. Er starb zu Stuttgart den 6. Februar 1811.
Es unterliegt beinahe keinem Zweifel, daß auch Hans Böblinger [ws 3] der Baumeister der Frauenkirche zu Eßlingen, ein geborener Böblinger war, denn nach einer Originalurkunde des Eßlinger Spitalarchivs (s. Württ. Jahrb. 1836 2. Heft S. 177 ff. und die Oberamtsbeschreibung von Eßlingen S. 101) wird nach dem Willen des Raths und in Übereinkunft des Meisters Mathäus von Ensingen, der Bau des Thurms der Frauenkirche dem ehrbaren, bescheidenen Meister Hans von Böblingen unter der Bedingung übertragen, daß, wenn der Bau nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfalle, sie ihm absagen dürfen, sonst soll er Bürger seyn, Steuer und Wache geben etc. Am 21. April 1456 wird Meister| Hans von Böblingen unter den vorigen Bedingungen aufs neue bestellt, jedoch, daß er frei von Steuer etc. sey. Aus diesem geht hervor, daß Meister Hans früher nicht Bürger zu Eßlingen war, sondern sich erst das Bürgerrecht durch sein Werk erwarb, ferner wird er Hans von Böblingen genannt, er war also von Böblingen gebürtig, wie auch Holzschnitzer Ernst Hans von Böblingen. Erst später wurde er der damaligen Sitte gemäß nach seinem Geburtsort der Böblinger genannt.Die Vermögensumstände der Einwohner sind, einzelne Reiche ausgenommen, mittelmäßig und die Hauptnahrungsquellen bestehen in Feldbau, Gewerbe und in neuester Zeit in Viehzucht. Die Markung der Stadt ist sehr bedeutend und hat bei einer beinahe durchgängigen Breite von 1 Stunde eine von Osten nach Westen gedehnte Länge von 3 vollen Stunden. Sie umfaßt 96094/8 Morgen, 13,0 R. s. die Tabelle I.
Die Feldgüter sind im südlichen, östlichen und nordöstlichen Theil uneben und meist hügelig, während sie gegen Westen und Nordwesten ziemlich flach, zum Theil eben liegen. Eine große Verschiedenheit zeigt der Boden, welcher im östlichen und nordöstlichen Theile meist aus Keupermergel besteht, im südlichen und südöstlichen Theile spielt der grobkörnige weiße Keupersandstein, der hier häufig nur eine geringe Humusdecke hat und seine oberen Auflösungen dem Boden mittheilt, eine bedeutende Rolle. Gegen Westen tritt ein starker Thonboden auf, dem an einzelnen Stellen eine Diluviallehmüberlagerung zukommt; im nördlichen und nordwestlichen Theil der Markung lagert Moor und Torfboden. Im Allgemeinen gehört der Boden, mit wenigen Ausnahmen, nicht zu den ergiebigsten; wenn ihm aber bei zweckmäßiger Bebauung der nöthige Dünger zu Theil wird, liefert er gleichwohl, besonders an Dinkel und Hafer, sehr reichlichen Ertrag.
Die Landwirthschaft wird fleißig betrieben und hebt sich täglich mehr, besonders seit die Schafweiden aufgehoben sind und ein größerer Viehstand gehalten wird, wodurch dem düngerbedürftigen Boden, den man überdieß noch durch Jauche, Gyps, Knochenmehl und Seeschlamm verbessert, mehr nachgeholfen werden kann. Zweckmäßige landwirthschaftliche Neuerungen, wie der Brabanter Pflug, der Zwillingspflug, verbesserte Düngerstätten etc., sind allgemein eingeführt. In dem System der Dreifelderwirthschaft werden von den gewöhnlichen Cerealien Dinkel, Hafer, Gerste, Einkorn, Sommerweizen und Roggen gebaut. Zur Aussaat rechnet man durchschnittlich auf den Morgen 1 Scheffel Dinkel, 4 Simri einfachen Hafer, 6 Simri sogenannten Gäbeleshafer, 4 Simri Gerste, 4 Simri Einkorn, 5 Simri Sommerweizen und 4 Simri Roggen;| der Ertrag wird zu 8 Scheffel Dinkel, 6 bis 7 Scheffel Hafer, 4 bis 5 Scheffel Gerste, 6–7 Scheffel Einkorn, 3–4 Scheffel Weizen und 3 Scheffel Roggen pr. Morgen angegeben. In der zur Hälfte angeblümten Brache baut man Kartoffeln, Futterkräuter, Erbsen, Linsen, Sommerreps und ziemlich viel Hanf; Hopfen wird mit gutem Erfolg gepflanzt. Die höchsten Ackerpreise sind 400 fl., die mittleren 200 fl. und die geringsten 60–80 fl. pr. Morgen. Getreide, besonders Hafer, wird nach Stuttgart abgesetzt; von den Handelsgewächsen kommt nur Reps zum Verkauf. Der Gartenbau ist unbedeutend und beschäftigt sich nur mit Gemüse- und Küchengewächsen, unter denen der Karviol vorzüglich gedeiht. Die Wiesen sind, obgleich sie nicht bewässert werden können, dennoch vortrefflich und liefern bei einem zweimaligen Schnitt sehr gutes Futter, das leider von vielen nothgedrungen häufig nach Stuttgart verkauft werden muß, während es für die Landwirthschaft zweckdienlicher wäre, einen noch größeren Viehstand zu halten und das Futter im Ort zu verbrauchen. Die durchschnittlichen Preise der Wiesen sind 500 fl., 250 fl. und 150 fl. pr. Morgen. An einem südlichen Abhange östlich der Stadt wurde früher aus 60 bis 70 Morgen Weinbau getrieben, der aber ein so mittelmäßiges Erzeugniß lieferte, daß man die Reben in den Jahren 1738 und 1765 ausreutete. Sehr ausgedehnt und noch im Zunehmen begriffen ist die Obstbaumzucht, welche besonders in dem südlichen und östlichen Theile der Markung betrieben wird; vorherrschend ist das Mostobst, doch werden auch Tafelobstsorten, ziemlich Zwetschgen und in neuester Zeit Kirschen gezogen. Das Obst wird meist im Ort verbraucht und nur in ganz ergiebigen Jahren theilweise auswärts verkauft; es gedeiht sehr gerne und lieferte im Jahre 1847 einen Ertrag von etwa 200,000 Simri. Außer den Baumgütern sind noch sämmtliche Straßen mit Obstbäumen besetzt und seit 1840 wurden auf den Allmanden gegen 4000 Stämme, worunter 15–1800 Kirschbäume, gepflanzt, die nun jährlich um 1100 fl. verliehen werden. Die Stadt hat eine Obstbaumschule, aus der jährlich 500–800 Stämme bezogen werden und in der zugleich die Jugend Unterricht in der Baumzucht erhält; außer dieser bestehen noch 2 Zier- und Waldbaum-Schulen, welche nicht nur das Bedürfniß der Stadt befriedigen, sondern auch noch einen Verkauf nach außen zulassen. Um die Obstbaumzucht hat sich der gegenwärtige Stadtschultheiß Fink besonders verdient gemacht. Die Gemeinde besitzt über 4000 Morgen meist gut bestockte Waldungen, zu deren Verbesserung die Stadt keine Kosten scheut und in dieser Beziehung anderen Gemeinden mit gutem Beispiel vorangeht. Sie werden unter der Leitung eines von der Stadtgemeinde| aufgestellten Forstmannes gut bewirthschaftet und bestehen größtentheils aus Laubhölzern, unter denen mehrere Buchenhochwaldbestände sich besonders auszeichnen. Viele, früher durch starke Wildfuhr und nachlässige Bewirthschaftung heruntergekommene Waldflächen wurden mit Forchen angesät, die ein treffliches Fortkommen zeigen, andere ließ man, namentlich in neuerer Zeit, mit Fichten auspflanzen. Der jährliche Ertrag der Waldungen wird zu 800 Klaftern und 70–75,000 Stück Wellen angegeben. Das Eckerigrecht wurde von der Gemeinde dem Staate abgekauft.Pferdezucht wird nicht betrieben, dagegen kommt die Rindviehzucht täglich mehr empor und wird sich in der Folge noch mehr heben. Eine gute Landrace mit Simmenthaler Kreuzung, welche sich durch 6 von der Gemeinde gehaltenen Farren erhält und veredelt, wird gezüchtet. Bierbrauer Dinkelacker ist wegen seines ausgezeichneten Viehstandes besonders zu rühmen. Die Schweinezucht ist mittelmäßig und beschränkt sich auf 5 Eber und 20 Mutterschweine; Ziegen werden 45 Stück gehalten.
Einen Hauptnahrungszweig bilden die Gewerbe, von denen besonders zu nennen sind: die chemische Fabrik, welche von Bonz und Sohn wissenschaftlich, den Zeitforderungen entsprechend geleitet wird; sie liefert in nicht unbedeutenden Quantitäten chemische und pharmaceutische Fabrikate für Techniker und Apotheker, Mineral- und andere Säuren, Alcaloiden, Ätherarten, Mercurial- und Metall-Präparate, Chloroform, Kreosot, Extracte, Salze, ätherische Öle u. s. w., welche weithin, namentlich aber in die Schweiz und nach Amerika Absatz finden. Die Wollenweberei wird stark betrieben, und obgleich die Fabriken nicht zu den großen gehören, so befindet sich doch unter ihnen eine (von Christian Felder), mit welcher eine von Wasser- und Dampf-Kraft getriebene Wollenspinnerei in Verbindung steht. Es werden verschiedene Sommer- und Winter-Stoffe in ziemlichen Quantitäten verfertigt, ausgerüstet und meist in das Inland abgesetzt. Viele Einwohner beschäftigen sich mit Baumwollen- und Linnen-Weberei, die von einigen tüchtigen Meistern, namentlich von Christian Pflomm sen., in großem Umfang, fabrikartig mit Maschinen betrieben wird. Eine Wattfabrik von Jacob Reuf besteht und eine Essigfabrik von Kaufmann Riekher. Die Kinderspielwaarenfabrik von Christian Auberlen, deren zierlich und solid gearbeitete Fabrikate überall hin, besonders nach Frankfurt Absatz finden, hat sich als eine der ersten des Landes weithin bekannt gemacht und im Laufe der Zeit viele weitere nach sich gezogen. Die sehr zahlreich vertretene Innung der Möbelschreiner liefert schöne und gute Arbeiten, die größtentheils nach Stuttgart verkauft werden. Hölzerne Maßstäbe werden in großen Quantitäten für alle Baugewerbe des| In- und nahen Auslandes äußerst billig verfertigt. Mehrere Spazierstäbe- und Pfeifen-Dreher, unter denen namentlich der Drehermeister Friedrich Wurster sein Geschäft sehr ausgedehnt betreibt, sind wegen ihrer geschmackvollen Arbeiten bekannt. Die übrigen Gewerbe dienen meist nur dem örtlichen Bedürfniß; eine Ausnahme machen die Steinhauer, Maurer, Schneider und Schuhmacher, welche häufig nach außen arbeiten.Weiter ist anzuführen die am unteren See gelegene Staffelmühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang.
Von Kunstgewerben besteht eine Apotheke, eine Buchdruckerei, in welcher wöchentlich zweimal das Stadt- und Amts-Blatt erscheint und eine Lithographie.
An Getränkefabriken bestehen außer der schon angeführten Essigfabrik noch 4 Bierbrauereien, von denen die Gottfried Dinkelacker’sche sich in weiter Umgegend einen guten Ruf verschafft hat.
Schildwirthschaften zählt die Stadt 9.
Mit dem Handel beschäftigen sich (außer den Fabrikanten) noch 7 Handlungen. Ungefähr 40–50 Bürger kaufen Holz in den nächst gelegenen Waldungen und setzen es in Stuttgart ab. Die Durchfuhr besteht hauptsächlich in Holz, Schnittwaaren, Salz, Erz und etwas Kaufmannsgütern, die Ausfuhr in den im Ort fabricirten Gegenständen, in Früchten, Heu, Holz und Torf.
Die neueste Gewerbeliste führt folgende selbstständige Gewerbe auf:
M. | G. | M. | G. | |||
Agenten von Feuerversiche- rungsgesellschaften |
Holzhändler | 12 | — | |||
3 | — | Holzmesser | 1 | — | ||
Apotheker | 1 | 1 | Hufschmiede | 6 | 3 | |
Bortenwirker | 1 | — | Hutmacher | 2 | 2 | |
Barbierer | 2 | — | Ipser | 2 | — | |
Bierbrauer | 5 | — | Kaminfeger | 1 | — | |
Branntweinbrenner | 15 | — | Kammmacher | 1 | — | |
Brodbäcker | 21 | 1 | Karrenfuhrleute | 9 | — | |
Buchbinder | 2 | — | Kleemeister | 1 | — | |
Buchdrucker | 1 | — | Kleinhändler | 9 | — | |
Essigfabrikanten | 2 | — | Korbmacher | 1 | — | |
Fabriken | 6 | 8 | Kornmesser | 1 | — | |
Fahrboten | 7 | — | Kübler | 2 | — | |
Färber | 7 | 6 | Küfer | 8 | 1 | |
Feldmesser | 1 | — | Kupferschmiede | 2 | — | |
Fischer | 2 | — | Leineweber | 16 | — | |
Hafner | 3 | — | Lithographen | 1 | 2 | |
Hauderer | 21 | — | Maurer | 19 | — | |
Flaschner | 3 | — | Messerschmied | 1 | — | |
Glaser | 6 | — | Metzger | 9 | 2 | |
Handlungen | 7 | 8 | Musiker | 5 | — | |
Holzdrechsler | 10 | — | Mühlen | 6 | — | |
Nadler | 2 | — | Speisewirthe | 3 | — | |
Nagelschmiede | 5 | — | Strumpfweber | 2 | — | |
Nähterinnen | 8 | — | Strumpfstricker | 1 | — | |
Pflästerer | 10 | — | Tuchmacher | 14 | 11 | |
Rothgerber | 2 | 1 | Tuchscheerer | 2 | 1 | |
Säckler | 5 | — | Uhrenmacher | 1 | — | |
Salpetersieder | 1 | — | Wagner | 6 | — | |
Seiler | 4 | — | Wascherin | 1 | — | |
Sattler | 3 | — | Wein-, Bier-, Branntwein- und Mostschenken |
|||
Seifensieder | 3 | — | 10 | — | ||
Schäfer | 1 | — | Weißgerber | 1 | 1 | |
Schildwirthschaften | 9 | — | Zeugmacher | 2 | — | |
Schneider | 17 | 3 | Zeugschmied | 1 | — | |
Schlosser | 6 | 2 | Zimmerleute | 12 | — | |
Schreiner | 27 | 4 | Zuckerbäcker | 2 | — | |
Schuhmacher | 28 | 13 | Zwirner | 3 | — | |
Siegellackfabrikanten | 2 | — | ————— | |||
Steinhauer | 22 | 4 | Zusammen | 457 | 74 |
Die Stadt hat 4 Vieh- und Krämer-Märkte und seit 1552 jeden Donnerstag einen Wochenmarkt mit Fruchtmarkt, ein Recht, das sie von Herzog Christoph erhielt. [5]
Das Gemeindewesen der Stadt ist geordnet. Nach der Stadtpflegerechnung von 1848/49 betrugen die Einnahmen 15.420 fl. und die Ausgaben 16.330 fl. Die beträchtlichsten Einkünfte der Stadt sind: der Erlös aus dem jährlich geschlagenen Holz, der 7 bis 8000 fl. beträgt, außer diesem erhält jeder Bürger jährlich 1/4 Klafter Holz und 50 Stück Wellen aus den Gemeindewaldungen; da aber die Stadt zur Anlage der neuen Staatsstraße nach Vaihingen 10.000 fl. beitragen mußte, ferner bei dieser Veranlassung für Ankauf von Häusern und Gütern 15.000 fl. aufzuwenden hatte und überdieß in neuerer Zeit noch besondere Ausgaben für den Schulhausbau vorkamen, was sie nöthigte Gelder aufzunehmen, so erhält der Bürger so lange nur 50 Stück Wellen, bis die Passiva, die gegenwärtig noch 33.200 fl. betragen, gedeckt sind. Aus Allmanden fließen in die Stadtkasse jährlich 1100 fl. und überdieß besitzt die Gemeinde noch ein Capitalvermögen von 18.000 fl.
| Das Vermögen der Stiftungspflege beträgt 5200 fl., unter diesen sind Stiftungen von Johann Jacob Kienzle mit 1000 fl. und von dem verstorbenen Oberfinanzrath Weisser mit 800 fl. begriffen. An Schulstiftungen zu Büchern für arme Kinder sind 400 fl. vorhanden; außer diesen bestehen noch 3 Brodstiftungen in je 21/2 Scheffel Dinkel jährlich von Kuhorst und Truchseß.Studienstiftungen sind nicht vorhanden.
Das Wappen der Stadt ist das der Pfalzgrafen von Tübingen, eine rothe Kirchenfahne im goldenen Felde.
An der oben erwähnten Pfarrkirche stehen ein Stadtpfarrer, der zugleich das Decanatamt bekleidet, und ein Diacon. Zu der Kirchengemeinde gehört bloß die Stadt mit ihren Parcellen Rohrmühle und Waldburg. Das Patronat beider kirchlichen Stellen ist landesherrlich.
Die Stiftung der Pfarrei Böblingen, welche früher in den bischöflichen Sprengel Constanz gehörte, liegt ganz im Dunkel der Vorzeit, jedenfalls muß sie sehr frühen Ursprungs seyn, da schon 1275 ein Kirchherr Walter in Böblingen vorkommt (s. unten).
Die Einführung der evangelischen Lehre fällt bei Böblingen mit der allgemeinen Reformation des Landes zusammen. Nach ihrer Einführung hielt der damalige Pfarrer zu Böblingen (wahrscheinlich Joh. Ottmar Mayländer) eine Synode in seiner Diöcese, wobei er den berufenen Pfarrern Anleitung gab, wie sie sich in der neuen Lehre zu verhalten hätten. Der erste evangelische Pfarrer war vor dem Interim obiger Mayländer von 15..–1548, nach dem Interim kam Balthasar Elenheinz von 1556–1563. Das im Jahre 1555 errichtete Diaconat bekleidete zuerst Gallus Grückler von 1555–1557.
Von Schulanstalten befinden sich in Böblingen:
1) eine combinirte lateinische und Real-Schule, bestehend aus einer Präceptoratsklasse, einer Realklasse und einer lateinischen Elementarklasse je mit 1 Lehrer.[6]
2) An den Volksschulen (einer Knaben-, einer Mädchen- und einer Elementar-Schule) sind 3 Schullehrer und 3 Unterlehrer thätig.
Als öffentliche Wohlthätigkeitsanstalt besteht außer der oben angegebenen Brodstiftung ein in der Nähe des neuen Begräbnißplatzes gelegenes Armenhaus.
Ein landwirthschaftlicher Bezirksverein, der sich übrigens keines besondern Fortgangs erfreut, wurde 1835 gegründet. Ferner besteht noch ein Bibelverein. Für literarische und gesellige Unterhaltung| besteht eine Lesegesellschaft, für musikalische seit 10 Jahren ein wohlgeübter Liederkranz. Eine Privatleihkasse ist seit 1841 vorhanden und im Jahre 1848 wurde eine Bürgerwehr organisirt.Von wissenschaftlichen Praktikanten finden sich hier (außer dem Oberamtsarzt) ein praktischer Arzt. Als Sitz eines Postamts hat Böblingen täglich zweimal mit Stuttgart, einmal mit Herrenberg, Freudenstadt, Tübingen und einmal mit Calw direkte Eilwagenverbindungen.
Überdieß fahren 2 Omnibuse abwechslungsweise jeden Tag nach Stuttgart; 2 Boten fahren jede Woche dreimal nach Stuttgart, einer einmal nach Calw und einer einmal nach Tübingen.
An angenehmen Umgebungen, Spaziergängen und schönen Aussichtspunkten fehlt es nicht. Von diesen nimmt die 1/4 Stunde östlich der Stadt hochgelegene Waldburg die erste Stelle ein (s. unten). Ferner gewähren die Diezenhalde und die alte Burg freundliche Aussichten, besonders bildet die Stadt mit ihren beiden Seen, von der Diezenhalde aus gesehen, eine sehr malerische Ansicht. Ein schöner Spaziergang ist aus den Schönaicher First, von dem man nicht nur die freundliche Schönaicher Niederung, sondern auch über den Schönbuch hinweg einen großen Theil der Alp übersieht. Will man sich etwas weiter ergehen, so ist der Weg nach dem freundlichen Mauren durch das stille Maurener Thälchen und die üppigen Waldungen äußerst angenehm.
Eine besondere Merkwürdigkeit sind die unterirdischen Pürschgänge, welche Herzog Carl Alexander im Jahre 1737 unter dem damaligen Oberforstmeister zu Böblingen v. Schauroth durch den Baumeister Nicolaus Kraft auf dem sogenannten Plan (1 Stunde östlich von Böblingen) anlegen ließ. Sie sind aus Quadern massiv gewölbt, 7′ hoch, 41/2′ breit und haben vom Eingang an der Planklinge bis zum Ausgang jenseits der Kastenklinge eine Länge von 934 Schritten; ein Seitengang ist 253 Schritte lang. Die Gewölbe, welche zu beiden Seiten Schußscharten hatten, sind nun zum größten Theil eingerissen und eingefallen.
b) Die Rohrmühle, 1/8 Stunde nördlich von der Stadt am Rande eines weiten Wiesengrundes gelegen, gewährt eine freundliche Ansicht. Ihre zwei Gänge nebst einem Gerbgang treibt der Ablauf des untern Sees. Die Mühle ist sehr alt und wird in älteren Urkunden, nach einem in der Nähe längst abgegangenen Orte Ensingen, auch die Ensinger Mühle genannt (s. unten).
c) Die Waldburg, 1/4 Stunde östlich von Böblingen. Auf der Anhöhe am Saume des Waldes, wo die alte Stuttgarter| Landesstraße in diesen einzieht, steht das stattliche, weithin sichtbare Wirthschaftsgebäude mit einem in den weißen Stubensandstein gehauenen Bierkeller. Die schöne Rundsicht, welche man auf diesem Punkt genießt (s. den allg. Theil), der zunächst angrenzende Wald, in dessen Schatten Tische für die Gäste errichtet sind und das treffliche Bier, das in der Regel hier gereicht wird, veranlassen häufig Ausflüge dahin.Gottfried Dinkelacker ließ 1824 den Felsenkeller anlegen und 1832 das Wirthschaftsgebäude erbauen, dem man wegen seiner hohen Lage und des nahe gelegenen Waldes den Namen „Waldburg“ gab.
Die erste Ansiedlung bei Böblingen fällt, wie schon im allgemeinen Theil gezeigt wurde, in die Zeit des Aufenthalts der Römer in unseren Gauen. Zu dieser Annahme berechtigen nicht nur der römische Straßenknoten, welcher sich bei Böblingen entwickelt, sondern auch mehrere in der Nähe des Orts aufgefundene römische Alterthümer (s. den allg. Theil). Nachdem die Römer aus der Gegend vertrieben waren, nahmen die Alemannen Besitz von dem römischen Wohnplatz, wofür viele alemannische Grabhügel, die sich in den nahe gelegenen Waldungen noch erhalten haben, Zeugniß ablegen. Auch Gräber, die einer etwas späteren Periode, als die der Grabhügel angehören, wurden vor ungefähr 40 Jahren in der Schafgasse bei Erbauung des gegenwärtig dem Fuhrmann Burckhardt gehörigen Hauses und in neuester Zeit entdeckt. Sie waren reihenweise in den festen Mergel gehauen und enthielten neben den Gerippen, verschiedene sehr alte Waffen.
Weitere Überreste aus der Vorzeit, über welche die geschriebene Geschichte schweigt, sind die alte Bürg, 1/2 Stunde südwestlich von Böblingen, von der noch der namhafte Burggraben sichtbar ist. Unfern von ihr wurden auf der Diezenhalde im Jahre 1849 2 eiserne 10 Pfd. schwere Wurfpfeile, die man mittelst einer Ballista warf, aufgefunden.[7] Auf dem nördlich der Stadt gelegenen Galgenberg finden sich noch unbedeutende Spuren von Verschanzungen, von denen übrigens nicht nachgewiesen werden kann, ob sie aus frühester Zeit oder aus der Zeit des Bauernaufruhrs herrühren. Etwa 1/2 Stunde südlich von Böblingen wird eine Stelle das „Bürgle“ genannt; hier war ohne Zweifel eine Befestigung| angelegt, die aber, da sie gerade an der nach Holzgerlingen führenden Römerstraße liegt, den Römern zugeschrieben werden muß. Eine 1/2 Stunde östlich der Stadt führt ein Walddistrikt den Namen „Wolfsburger Hau,“ der ebenfalls auf eine in der Nähe gestandene Burg hindeutet. Bei der Rohrmühle soll nach der Sage ein Ort „Ensingen“ gestanden haben, von dem die dort gelegenen Wiesen noch die „Ensinger Wiesen“ und ein Ackerdistrikt „zu Ensingen“ genannt werden. Im Staatswald „alter Hau“ und im sogenannten „Witticher Thälchen,“ 1/2 Stunde nordöstlich von Böblingen, stößt man zuweilen auf Bruchstücke von Ziegeln und Backsteinen, die einen ehemaligen Wohnplatz vermuthen lassen. Nicht fern davon fand man bei Anlage der neuen Staatsstraße eine antike Handmühle von Stein.Die früheste Nennung Böblingens fällt ums Jahr 1100. Zwar ist das Original der Hirschauer Urkunden aus jener Zeit, worin Böblingen vorkommt, nicht erhalten, doch hatte der Hirschauer Codex, worin Böblingen erwähnt ist, ohne Zweifel dergleichen Originalien vor Augen. Die frühesten Stellen, worin er Böblingen aufführt, und aus welchen wir zugleich den ältesten Böblinger Ortsadel kennen lernen, sind folgende: Gebehardus de Bebelingen et uxor ejus Adelheit. Trasemunt de Bebelingen (um 1100 Cod. Hirs. S. 35 ed. Stuttg.), Arnolt de Bebelingen (um 1105 ib. 48). Etwas später, um 1150 erscheint ein Walther von Böblingen in einer Kl. Reichenbacher Urkunde (Kuen Coll. 2, 65). Der Name ist vom Mannsnamen Bobilo (einer Verkleinerung von Poppo) abzuleiten.
Zur Stadt wurde Böblingen unter Tübingischer Herrschaft und wird z. B. von der Sindelfinger Chronik zum Jahre 1278 bereits »civitas« genannt.
Im allgemeinen Theil ist erwähnt, daß Böblingen wahrscheinlich aus früher gräflich calwischem Besitz in den der Pfalzgrafen von Tübingen gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts überging. Letztere blieben indeß nur ein Jahrhundert im Genusse dieser Herrschaft; aber auch in dieser Zeit selbst traten Beschränkungen ein. Den 13. Mai 1302 trug Graf Götz (Gotfried) die Burg und Stadt zu Böblingen mit Zugehörungen dem K. Albrecht und dem Reiche zu Lehen auf; am 18. September 1344 verschrieb, von Gläubigern gedrungen, der gleichnamige Enkel des ebengenannten Grafen den Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg für 2000 Pfund Heller das Eigenthum von Böblingen, Burg und Stadt nebst dortigem Kirchensatz, See bei der Stadt, dem Wildbann im Schönbuch und im Glemswald, und die Dörfer Dagersheim und Darmsheim. Die Grafen von Württemberg überließen| ihm und seiner Gemahlin Clara, geb. Gräfin von Freiburg, gleichwohl am 17. November desselben Jahres lebenslänglich unter dem Namen einer Vogtei und Pflege den vollen Genuß der Burg und Stadt Böblingen nebst Kirchensatz, Wildbann etc. und die beiden genannten Dörfer; auch versprachen sie, wenn er außer der einzigen Tochter Anna, die ihm selbst zu berathen überlassen bleiben sollte, noch mehr Töchter bekommen würde, solche zu verheirathen oder in Klöster zu versorgen; auch die Söhne, die er noch bekommen möchte, bei solcher Pflegschaft zu lassen, welch’ letztere jedoch die Töchter nie ansprechen könnten. Damit die Unterthanen gegen jede neue Besteuerung und Beschwerde oder auch Veräußerung von Seiten des Grafen Götz sicher gestellt wären, fertigte derselbe und seine Gemahlin eine besondere Verschreibung aus und auch die Bürger von Böblingen etc. mußten eidlich geloben und sich ebenfalls durch eine eigene Verschreibung verpflichten, der dießfalls genommenen Abrede in Allem nachzukommen. Die Grafen von Württemberg versprachen dagegen der Gräfin Clara sie nach ihres Gemahls Ableben lebenslänglich bei der Pflege Böblingen zu lassen. Götz kam indeß durch seine Gläubiger noch so sehr ins Gedränge, daß er am 29. November 1357 sich genöthigt sah, seine Pflegschaft von Böblingen aufzugeben und solche mit allen Einkünften, dem zu Böblingen gehörenden Wald, dem Wildbann im Schönbuch und Glemswald, den Dörfern Dagersheim und Darmsheim, auch den geistlichen und weltlichen Lehen, welche zur Pfalzgrafschaft Tübingen, zur Stadt und Burg Böblingen und zur Grafschaft Calw gehörten, den Grafen von Württemberg für 14,500 Pfund Heller völlig abzutreten. Die Grafen übernahmen dagegen seine Verbindlichkeiten, gaben ihm für die, am Kaufschilling zurückbehaltenen 5000 Pfund Heller eine Versicherung auf die Steuer zu Stuttgart mit 500 Pfund und versicherten auch, den 6. März 1358, der Schwester des Grafen, welche im Kloster Weil den Nonnenschleier genommen hatte, das von ihren Brüdern ihr festgesetzte Leibgeding von 30 Maltern Frucht, auf die Höfe zu Böblingen angewiesen, und von 20 Pfund Heller jährlich, auf die Steuer zu Dagersheim verschrieben. Im Jahre 1360 ließ Graf Gotfried von der Kaufsumme 2000 Pfund Heller nach. Indeß wollte dem Hause Württemberg dieser Besitz bald bestritten werden (Reyscher Statutarrechte 368); da verschrieben sich den 10. Januar 1383 die Gemeinden Böblingen, Dagersheim und Darmsheim, daß sie sich von dem Grafen Eberhard von Württemberg seinen Erben oder von der Herrschaft Württemberg nimmermehr entfremden wollen. Gleichwohl suchten die Tübinger Grafen vom Breisgau aus, wohin sie übersiedelt waren, noch lange Zeit| Ansprüche durchzusetzen. Conrad, vermuthlich Enkel des Verkäufers, verlangte im Jahre 1432 – natürlich fruchtlos – Wiedereinsetzung in die verkauften Güter Böblingen, Dagersheim und Darmsheim und ein jüngerer Conrad, wohl des ebengenannten Sohn, glaubte im Jahre 1455 die Rechtmäßigkeit solcher Ansprüche sicher begründen zu dürfen. Graf Ulrich von Württemberg bewies ihm dagegen den Ungrund seines Begehrens und sprach sich von aller Verbindlichkeit frei, erbot sich aber gleichwohl, ihm vor dem Kaiser oder etlichen Fürsten und Herren zu Recht zu stehen und deren Ausspruch zu erwarten. Da die eingeleitete Untersuchung nicht zu Gunsten Conrads ausfiel, so wiederholte er noch mehrmals, im Jahre 1459 und kurz vor seinem Tode im Jahre 1477, seine Ansprüche, indeß mit ebensowenig Erfolg als früher. Dasselbe thaten noch im Anfang des 16. Jahrhunderts seine Enkel, Georg und Conrad. Erst mit dem Jahre 1537 ruhte der Streit, so daß dem Hause Württemberg der Besitz unangefochten blieb.Die Grafen und Herzoge von Württemberg hielten sich häufig und gern in Böblingen auf, zumal auch wegen des benachbarten Schönbuchs, welcher vortreffliche Gelegenheit zum Jagen darbot. Herzog Ulrich erbaute das Schloß, dessen erste Gründungszeit geschichtlich nicht bekannt ist, auf’s neue. Herzog Ludwig pflegte wegen der gesunden Luft Böblingen seine Apotheke zu nennen (wenn gleich unter seiner Regierung im Jahre 1572 die Pest hier ziemlich stark wüthete).
Vornehmlich diente Böblingen öfters zum Wittwensitze für württembergische Gräfinnen und Herzoginnen. Im Jahre 1394 wurde Böblingen und Sindelfingen, auch Aidlingen sammt Kirchensatz nebst Antheilen an Döffingen, Darmsheim, Dagersheim, Maichingen, Magstadt, der Wittwe des Erbgrafen Ulrich († 1388 bei Döffingen), Elisabet von Bayern († 1402), von ihrem Sohne Graf Eberhard für ihre Heimsteuer, welche ihr im Betrag von 34,300 fl. auf Gundelfingen und Höchstädt angewiesen worden war, abgetreten. (Steinhofer 2, 506.) Auch die Gemahlin Graf Ludwigs, Mechtilde geb. Pfalzgräfin bei Rhein, erhielt den 18. October 1436, um 30,000 fl. rheinisch widemsweise verschrieben die Städte Böblingen, Sindelfingen nebst den Dörfern Dagersheim und Darmsheim, Aidlingen, Ostelsheim, Döffingen, Magstadt, Maichingen, Holzgerlingen, Schönaich, Steinenbronn und Dettenhausen (Chmel Materialien 2, 75); sie wohnte nach Graf Ludwigs († 1450) Tod in Böblingen, schloß daselbst im Jahre 1452 ihre spätere Ehe mit Erzherzog Albrecht von Österreich und behielt auch in dieser Ehe obige Widemsstücke bis zu ihrem erst 1482 erfolgten Tode; sie schaltete darin als unbeschränkte Herrin, nahm die Huldigung ein| von Amtleuten, Bürgern und Unterthanen, sowie von den zu den genannten Städten gehörenden Lehenleuten und Burgmännern, ja machte die Rechte der Landeshoheit unabhängig von Württemberg geltend (Reyscher Statutarrechte 371–378). Nach ihrem Tode wurde im Jahre 1483 Böblingen nebst zugehörigen Orten der Gemahlin des Grafen (nachherigen Herzogs) Eberhard im Bart, Barbara von Mantua, zum Wittum verschrieben; sie bezog wirklich im Jahre 1496, als sie Wittwe geworden, das Schloß Böblingen und verschied hier im Jahre 1503. In eben diesem Schlosse wohnte im Jahre 1520 Eva, Wittwe Graf Heinrichs von Württemberg.Sowohl in tübingischer als in württembergischer Zeit war Böblingen der Sitz eines Vogts; der älteste bekannte ist Crafto advocatus de Bobelingen, den 1. September 1261 Zeuge Graf Rudolfs von Tübingen für das Stift Sindelfingen; in einer Urkunde vom 22. Juni 1327 für Kloster Hirschau nennt Graf Heinrich von Tübingen Otto Murdisen unsern Vogt zu Böblingen.
Der älteste bekannte Schultheiß von Böblingen ist Bur. (d. i. Burchardus) scultetus de Beblingen, in einer Kloster Marchthaler Urkunde vom 30. November 1303 genannt.
Was die Rechtsalterthümer betrifft, so besaß Stadt und Amt Böblingen zwei eigenthümliche Einrichtungen, das Neunergericht und das Bauerngericht, welche sich noch in später Zeit erhielten, wo ähnliche Abweichungen von den allgemeinen Landeseinrichtungen längst in Abgang gekommen waren. Das Neunergericht bestund jedenfalls schon im Anfang des 15. Jahrhunderts (K. Ferdinand bei seiner Bestätigung, gegeben im Jahre 1527, sagt, das Gericht bestehe seit Menschengedenken) und wurde noch im 17. Jahrhundert beibehalten; es waren dieß Abgeordnete der Amtsorte, meist Gerichtsverwandte, welche je in 3 Jahren so wechselten, daß drei austraten, und je ein ständiger Deputirter von Böblingen und Sindelfingen. Sie hatten unter dem Vorsitze des Vogtes zu Böblingen und unter Beiziehung des Amtsschreibers die Angelegenheiten des Amtes, Umlage des Amtsschadens etc. zu berathen und zu entscheiden. (Reyscher Statutarrechte 369, 390, 418.)
In Böblingen waren die Keßler und Spengler (Pfannenflicker) zünftig; sie feierten hier am 15. Juni ihren Jahrestag, wo sie ein, erst in diesem Jahrhundert aufgehobenes Gericht hielten, welches aus einem Schultheißen, einem Bürgermeister oder Rechnungsführer und vier Richtern bestund, welche sämmtlich von der ganzen Meisterschaft durch Stimmenmehr erwählt wurden. Mit klingendem Spiel, wobei einige von der Meisterschaft einen besonderen Keßlermarsch anstimmten, zog man mit der Handwerkslade| auf das Rathhaus, wo sodann alle zum Besten der Brüderschaft erforderlichen Verfügungen getroffen wurden. Ihre Privilegien verdanken die herumziehenden Keßler einem Freiheitsbriefe Herzog Christophs vom 28. Mai 1554 (Sattler Keßlerschutz Beil. S. 40); in demselben ist zwar nur von irgend einer Stadt des Fürstenthums die Rede, worin die Keßler ihr Gericht halten sollten, allein seit unvordenklichen Zeiten ist Böblingen hiefür und für den Jahrestag bestimmt gewesen (vergl. Schwäb. Chronik vom 17. bis 19. August 1789).In Zeiten Herzog Christophs wurde allhier im Jahre 1552 der Landtag und im Jahre 1565 das Hofgericht gehalten.
Eine Merkwürdigkeit der Stadt war das Bärenstift; es mußten nämlich nach einer alten Stiftung in dem Schloßgraben Bären genährt werden, deren Unterhaltung sich die Regierung sehr angelegen seyn ließ (Rescript von 1553 die jungen Bären betreffend; 1569, 3.–5. November, Burgvogts Bericht, daß der alte Bär krank sey, darauf Decret, wie ihm zu helfen. Stuttgarter Staatsarchiv); die Thiere pflanzten sich fort, so daß Herzog Christoph junge Bären zum Geschenk nach Hessen schicken konnte. (Würt. Jahrb. 1829, 455.) Herzog Carl gab diesem Stifte die edlere Bestimmung zu Unterstützung armer Familien.
Was die Kirche in Böblingen betrifft, so ist der älteste bekannte Pfarrherr Walterus plebanus de Bobelingen den 1. September 1261 Zeuge Graf Rudolfs von Tübingen für das Stift Sindelfingen; im Jahre 1382 10. Februar siegelt „Albrecht von Muineck Kirchherre zu Böblingen“ eine Urkunde Pfalzgraf Conrads von Tübingen des Schärers. Pfründen bestunden: zu unserer lieben Frauen,[8] zum heiligen Kreuz (bewidemt von der verwittweten Gräfin Henriette von Württemberg im Jahre 1419), zu St. Anna.
Der Pfarrsatz gehörte den jeweiligen Herren der Burg und Stadt Böblingen; im Jahre 1468, Mai 4., überließ die obengenannte Erzherzogin Mechtilde gegen Entschädigung durch die Lehenschaft der Pfarrei und Pfründen in Wildbad und Ditzingen, welche am 2. Januar 1469 erfolgte, die Böblinger Kirche und das Patronatrecht an das Kloster Hirschau, das sofort die Kirche incorporirte, worüber der Bischof Hermann von Constanz und Graf Eberhard von Württemberg, Sohn Mechtildens, Bestätigung ertheilten. Mit dem Kloster Hirschau ist das Patronat wieder an Württemberg| gekommen. Dem hiesigen Diaconat, welches schon 1555 bestund (Binder 878), war vom Jahre 1809 bis 1838 Mauren als Filial zugetheilt (s. Mauren).In Böblingen fand Herzog Christoph im Jahre 1558 eine Kirchenliste und nahm hievon Anlaß Befehl zu ertheilen, daß dergleichen Kirchenbücher bei allen Pfarreien eingeführt werden sollten. (Das Buch, welches der Herzog sah, hat sich übrigens nicht erhalten, die in Böblingen vorhandene Kirchenliste reicht nicht über 1558 hinauf.)
Die Reihe der hiesigen Präceptoren beginnt mit dem Jahre 1554; die Collaboratur ist im Jahre 1700 errichtet worden. (Binder 879.)
- ↑ Grundherr ist der Staat; den großen und kleinen Zehnten hat derselbe von der vormaligen geistlichen Verwaltung übernommen; der Heuzehnte, welcher dem Staat auf einem Theil der Markung zustand, ist abgelöst. Neben dem Staat bezog bisher die Stadtpflege unbedeutende Fruchtgülten.
- ↑ Das Monument ist abgebildet bei Dorst Grabdenkmäler. Heft 1. Taf. 3. Görliz 1842.
- ↑ Bei der Erwerbung des Schlosses soll auch die schön eingelegte, mit Schnitzwerk versehene Himmelbettlade des Herzogs Christoph mit in den Kauf gekommen seyn, welche dann von der Gemeinde einem Schreinermeister um 48 kr. überlassen wurde (!)
- ↑ Nach folgender in die Chorstühle eingeschnittenen Inschrift: „1490 hat Hans Ernst von Beblingen dieses Werk gemacht.“
- ↑ In dem gleichen Jahre gab Herzog Christoph der Stadt die Erlaubniß, jährlich zwei Jahrmärkte, den ersten am Dienstag nach Ostern, den andern am St. Dionysiustag, abhalten zu dürfen.
- ↑ Mit der lateinischen Schule ist eine Turnanstalt verbunden, welche den Winter über auf dem Rathhaus, sonst aber auf dem Maienplatz besteht.
- ↑ Ganz ähnliche Wurfpfeile fand Revierförster Knecht in dem Weilerhau bei Plattenhardt, wo man noch eine Menge Grabhügel findet.
- ↑ An der Landstraße nach Ehningen, wo diese in den Wald eingeht, heißt ein Felddistrikt noch „bei der lieben Frauen,“ und 1/4 Stunde nordwestlich davon „bei St. Anna.“
Anmerkungen [WS]