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Beschreibung des Oberamts Herrenberg/Kapitel B 25

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Thailfingen,
Gemeinde III. Klasse mit 672 evang. Einw., – Ev. Pfarrei mit dem Filial-Ort Nebringen.
Der nicht große, beinahe ein Dreieck bildende Ort liegt 5/4 Stunden südlich von Herrenberg auf einem ziemlich schmalen Bergrückenausläufer, der gegen Norden steil gegen das Thal des Thürnengrabens, gegen Süden aber mit mäßiger Neigung abfällt; daher das Dorf, von der nördlichen Seite gesehen, namhaft hoch gelegen erscheint und eine freundliche, malerische Ansicht gewährt, der eine an dem östlichen, spitzen Ortsende stehende, kräftige Linde noch mehr Reiz verleiht. Der Ort selbst besteht mit Ausnahme einiger wohlhäbig aussehenden Bauernwohnungen aus meist alten, minder ansehnlichen Häusern und hat im Allgemeinen eine unebene, theils gegen Osten, theils gegen Norden geneigte Lage. Die ziemlich reinlich gehaltenen Ortsstraßen sind nicht gekandelt, ebenso sind die Düngerstätten noch nach alter Weise angelegt, jedoch durchgängig mit Gülleneinrichtungen versehen. Beinahe in der Mitte des Orts steht die 1469 in einfachem germanischen Styl erbaute Pfarrkirche, welche übrigens in den Jahren 1699 und 1817 stylwidrige Veränderungen erlitten hat. Der viereckige Thurm, von dessen drei Stockwerken die zwei untersten massiv erbaut sind, ist nicht hoch und ragt nur mit seinem einfachen Zeltdach über den First der Kirche empor; auf demselben hängen drei Glocken, von denen eine, im Jahre 1512 gegossene, sehr groß ist, die mittlere ist von 1629, und die kleinste, sehr alte, trägt die vier Evangelistennamen in verkehrter ganz roh ausgeführter Schrift. Das Innere der Kirche hat außer einem alten Taufstein und einem gut aus Holz geschnittenen, in neuerer Zeit kunstlos angestrichenen, lebensgroßen| Bild des Gekreuzigten nichts Bemerkenswerthes. Das untere Stockwerk des Thurms hat ein Kreuzgewölbe mit dem Christuskopf auf dem Schlußsteine, und trägt noch einzelne Spuren romanischer Bauweise, welche bekunden, daß der Thurm weit älter ist, als das gegenwärtige Langhaus. Die Baulast der Kirche hat zu 2/3 die örtliche Stiftungspflege und zu 1/3 der Heilige in Nebringen zu bestreiten. Der ummauerte, ziemlich große Begräbnißplatz liegt außerhalb (östlich) des Orts.

Zunächst der Kirche steht das ansehnliche, von der k. Hofdomänenkammer zu erhaltende Pfarrhaus, welches 1614 von Heinrich Schickardt erbaut wurde. Das zugleich die Lehrerwohnung enthaltende Schulhaus wurde in den letzten zwanzig Jahren namhaft verändert und verbessert; an der Volksschule ist ein Schulmeister mit einem Lehrgehülfen angestellt, auch besteht seit 1850 eine Industrieschule mit gutem Erfolg unter Mitwirkung der Gattin des dermaligen Pfarrers Dürr. Das Rathhaus ist alt, unansehnlich und einer Reparatur sehr bedürftig. Ein Gemeindebackhaus wurde vor zehn Jahren errichtet, und ein öffentliches Waschhaus besteht schon längst; zwei Zehentscheuern, von denen eine der Hofdomänenkammer, die andere dem Spital in Tübingen gehörte, sind im Jahre 1850 in Folge der Zehentablösung an einige Ortsbürger verkauft worden.

Ein laufender und sieben Pump- und Ziehbrunnen liefern das ganze Jahr hindurch vortreffliches Trinkwasser; auf den Fall von Feuersgefahr sind zwei Wetten angelegt. Außerhalb des Orts finden sich auf der Markung zerstreut noch fünf starke Brunnquellen und zwei sogenannte Hungerbrunnen; von den letzteren einer in dem sogenannten heiligen Grund, der andere in den ehemaligen, nun zu Obstgütern umgewandelten Weinbergen. Etwa 1/4 Stunde südlich vom Ort bestand ein 11/2 Morgen großer Weiher.

Die Einwohner sind im Allgemeinen ein wohl gebauter, kräftiger Menschenschlag, und verbinden mit großem Fleiß viel Sparsamkeit und Religiosität, die übrigens nicht selten in einen strengen Pietismus übergeht. Ihre Vermögensumstände sind sehr erfreulich und geordnet, so daß seit vierzig Jahren nicht ein einziger Gant in der Gemeinde vorkam; das Grundeigenthum des vermöglichsten Güterbesitzers beträgt 120 Morgen Äcker und 10 Morgen Wiesen.

Die klimatischen und Bodenverhältnisse sind äußerst günstig; die Luft ist rein und mild, und die mittelgroße, meist ebene, nur von einigen Thälchen durchzogene Markung, welche östlich an die Markungen Altingen und Reusten, südlich an Hailfingen, O.A. Rottenburg, westlich an Bondorf, Öschelbronn und Nebringen und| nördlich an Gültstein grenzt, hat durchgängig einen sehr fruchtbaren, tiefgründigen, aus Diluviallehm bestehenden Boden, so daß ohne besonders starke Düngung alle Feldfrüchte, Obst, Bohnen, Gurken etc. vorzüglich gedeihen. Die ergiebigsten Felder liegen in der Reute, am Rottenburger Weg, im Lämmerhans, unter und ober dem Rainle etc. Hagelschlag kommt selten vor, da der Ort selbst auf einer Wetterscheide liegt und daher Thailfingen zuweilen bei der Wetterscheide genannt wird.

Unter den angeführten örtlichen Verhältnissen, verbunden mit dem Fleiß und der Umsicht der Einwohner, hat sich die Landwirthschaft auf eine blühende Stufe gehoben, auch haben zweckmäßige landwirthschaftliche Neuerungen, wie die Einführung der Walze und des Flanderpflugs, Eingang gefunden; wiewohl auch der deutsche Wendepflug immer noch im Gebrauch ist.

Nach der Dreifeldereintheilung baut man hauptsächlich Dinkel und wenig Roggen, sodann Hafer, Gerste, Wicken, unter dem Hafer werden häufig Ackerbohnen und unter der Gerste Linsen gezogen. In der zu 1/4 angeblümten Brache zieht man Kartoffeln, Futterkräuter, besonders rothen Klee, etwas Ackerbohnen, Kohlraben, Kraut, ziemlich viel Reps und Hanf, letzteren übrigens meist in eigenen Ländern. Auf den Morgen beträgt die Aussaat 7–8 Simri Dinkel, 5 bis 6 Simri Hafer und 3–4 Simri Gerste, und der durchschnittliche Ertrag 10–12 Scheffel Dinkel, 7–8 Scheffel Hafer und 5 bis 6 Scheffel Gerste. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 120–300 fl. Von den Producten wird sehr viel Dinkel, ziemlich Hafer, nur wenig Gerste und Reps nach Außen, besonders nach Tübingen und Nagold verkauft.

Wiesen sind im gewöhnlichen Verhältniß zu dem Ackerland zu wenig vorhanden; obwohl nur einige Morgen bewässert werden können, sind sie durchaus zweimähdig und ertragen an gutem Futter im Durchschnitt per Morgen 20–25 Centner Heu und in günstigen Jahren 10–12 Centner Öhmd, welch’ letzteres übrigens in trockenen Sommern öfters beinahe ganz fehlt. Von den geringsten Wiesen kostet der Morgen 180 fl., von den besten 400 fl.

Die noch im Zunehmen begriffene Obstzucht beschäftigt sich nicht nur mit Mostsorten, sondern auch mit Tafelobst; von Äpfeln, die übrigens nicht so häufig gezogen werden wie Birnen, pflanzt man hauptsächlich Fleiner, Luiken, Murkenthäler, Schelläpfel, Rainetten, und von Birnen Knausbirnen, Bogenäckerin, Bratbirnen, Kohlbirnen, Palmischbirnen etc.; von Steinobst sind es hauptsächlich Zwetschgen, die sehr häufig gezogen werden. Das Obst wird meist im Ort selbst verbraucht.

Die Gemeindepflege besitzt keine Waldungen, dagegen ist ein| 221 Morgen großer Wald (Thailfinger Mark) vorhanden, an dem ursprünglich nur 54 Bürger Theil hatten, so daß einer derselben jährlich 2 Klafter Holz und 30–40 Stück kleine Wellen bezog, in dessen Ertrag von etwa jährlich 100 Klaftern und 18–19.000 Stücke Wellen sich aber gegenwärtig etwa 100 Einwohner theilen.

Zur Schäferei von ungefähr 250 Stücke, die man auch im Ort überwintert, wird die Brach- und Stoppelweide benützt, so zwar, daß jeder Bürger nach dem Steuerverhältniß eine Anzahl Schafe auf der Weide laufen lassen darf, wofür er von dem Schaf 1 fl., von dem Lamm 30 Kreuzer an die Gemeindekasse zu entrichten hat, was derselben nebst der Pferchnutzung jährlich etwa 400–500 fl. einträgt. Die Wolle kommt meist nach Nagold und Ebhausen zum Verkauf.

Die Rindviehzucht ist ziemlich namhaft, könnte übrigens im Verhältniß zu dem ausgedehnten Ackerbau noch bedeutender sein, wenn der Mangel an Wiesen durch Futterkräuterbau ersetzt würde. Im Allgemeinen wird eine rothe Landrace durch zwei Gemeinde-Farren (worunter ein Schweizerfarren) und drei Privat-Farren nachgezüchtet; erstere hält ein Bürger gegen die Nutznießung von 1/4 Wiesen nebst acht freien Pferchnächten und jährlich 100 fl. aus der Gemeindekasse. Der Handel mit Rindvieh ist nicht beträchtlich, auch wird die Pferdezucht mit Benützung der Beschälplatte in Herrenberg mit gutem Erfolg betrieben. Auch Schweine werden im Ort gezüchtet, jedoch sehr viele Ferkel in Tübingen aufgekauft und zu Läufern herangezogen, welche dann mit Vortheil wieder zum Verkauf kommen. Von einigem Belang ist die Bienenzucht, während Geflügel nur für den eigenen Bedarf gehalten wird.

Der auswärtige Verkehr ist durch Vicinalstraßen nach Öschelbronn, Gültstein, Altingen und Hailfingen hinlänglich gesichert.

Von Gewerben im Ort sind nur vier Schildwirthschaften und zwei Kramläden zu nennen.

Außer zwei Muschelkalksteinbrüchen, welche Straßenmaterial liefern, sind noch zwei Lehmgruben vorhanden.

Über die Gemeindeverwaltung und das Vermögen der Stiftungspflege s. Tab. III. Unter letzterem befinden sich 375 fl., deren jährliche Zinse entweder in Brod oder in Geld an Ortsarme ausgetheilt werden. Überdieß bestehen noch einige Schulstiftungen, deren Zinse man zu Schulbüchern, Papier etc. für unbemittelte Kinder verwendet.

Die grundherrlichen Gefälle standen bis zur Ablösung meist der k. Hofdomänenkammer zu, welche auch 3/4 des großen Zehenten| besaß, das übrige 1/4 bezog der Spital in Tübingen; den kleinen Zehenten hatte zu 3/4 die Pfarrei, das übrige 1/4 die Spitalmaier zu beziehen, wogegen sie dem Spital Tübingen jährliche Gülten reichten.

Der Ortsname ist abzuleiten von dem altdeutschen Mannsnamen Tagolf, Dagolf. Seine erstmalig Nennung fällt ins Jahr 1120, als der Cleriker Ulrich und seine Brüder Ludwig und Manegold von Sigmaringen das Kloster Hirschau mit der hiesigen halben Kirche und vier Huben Ackerland beschenkten (in Daluingen, quod juxta Gilsten situm est. Cod. Hirsaug. 39b). Bald darauf begabte Wernher von „Dalhvingen“ in diesem Orte selbst mit Zustimmung seines Herrn Ulrich dasselbe Kloster mit einem Gute (Cod. Hirsaug. 43b). Um 1140 machten Wernher von „Tagelfingun“ und sein Bruder Walto (clientes Ludewici de Spizzenberc, vergl. über die Herren Spitzemberg-Sigmaringen Stälin Wirt. Gesch. 2, 388) eine Stiftung von Gütern bei Rexingen an das Kloster Reichenbach (Cod. Reichenbach. 15b), welches sich um dieselbe Zeit in „Dagilvingen“ selbst (zwischen Nellingsheim und Dätzingen genannt) ein Gut erkaufte (Cod. Reichenb. 29b).

Im Jahre 1267 erscheint als Ortsadeliger Otto von „Talvingen“, welcher mit Zustimmung seiner Söhne Albert, Otto, Wolpoto, Walter u. s. w. hiesige Güter an das Kloster Bebenhausen verkaufte, nachdem er sie seinen Lehensherrn den Brüdern Friedrich, Diemo und Diether Herter so aufgegeben hatte, daß die Kirche von Bebenhausen diese Güter in immerwährendem Besitz erhalte, alle vogteilichen Rechte aber den Hertern verbleiben sollten (Mone Zeitschr. 3, 209). Im Jahre 1283 kommt vor Ulrich von Talvingen (Schmid Schwäb. Wörterbuch 516) und im Jahre 1360 veräußerte Wolf von Thailfingen hiesige Leibeigene an den Pfalzgrafen Rudolf den Scheerer (Schmid Urk. 173). Das Wappen dieser Herren war ein rechts- und ein linksgekehrter Mond.

Vor dem Jahre 1266 hatte auch das Kloster Alpirsbach hier Güter, überließ sie aber damals für 90 Pfund an das Kloster Bebenhausen (Mone a. a. O. 208), welchem schon im Jahre 1229 von Papst Gregor IX. die hiesigen Besitzungen bestätigt wurden.

Württemberg kam nach und nach in den Besitz des Dorfes. Am 2. April 1418 ertauschte es von dem Kloster Bebenhausen ein Sechstel der Vogtei und Zugehörungen (Sattler Grafen 2, 63), den 19. Juli 1438 erkaufte es von dem Kloster Hirschau, welches übrigens auch später noch hiesige Besitzungen hatte, ein| Drittel der Vogtei und des Gerichts (Sattler a. a. O. 126), den 26. Februar 1448 von Benz Kechler von Schwandorf seinen Theil des Dorfes um 490 fl., ferner in demselben Jahre von der Siechenpflege zu Reutlingen ihr, erst im Jahre 1446 dem Ulmer Bürger Konrad Bitterlin abgekauftes Sechstel der Vogtei sammt Zugehörungen für 465 fl.; das Übrige erwarb Graf Ludwig der Sohn für sich und seinen Bruder, den Grafen Eberhard, den 25. April 1457 von Balthasar von Bühel (Sattler a. a. O. 161. 299). Das Dorf wurde dem Amte Herrenberg zugetheilt.

Im Jahre 1327 kommt vor als hiesiger Kirchherr Johannes von der Familie von Hailfingen (Schmid Urk. 157), von welcher im 15. Jahrhundert die Pfarrei und die Frühmeß an das Stift zu Tübingen veräußert wurde. Gegenwärtig steht das Patronatrecht der Krone zu.

Im Mai 1672 und im März 1682 ward das Dorf durch schweres Brandunglück heimgesucht.



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