Beschreibung des Oberamts Blaubeuren/B 12

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12. Gerhausen mit Altenthal.

a. Gerhausen, ein evangelisches Dorf an der Blau und der Landstraße nach Ulm, 1/2 St. von Blaubeuren, mit 550 Einwohnern, Filial von Pappelau. Der große Zehnte gehört a) dem Spital Blaubeuren, b) dem Staat, c) der Universität Tübingen, d) der Pfarrey Dietingen; der kleine von a) nebst dem Heu- und Obstzehnten der Pfarrey Pappelau, von b) der Stadtpfarrey Blaubeuren, von c) der Pfarrey Asch und von d) der Pfarrey Dietingen.

Gerhausen hat eine malerische Lage in dem engen Blauthale zwischen hohen Felsenbergen, am Fuße von Hohen-Gerhausen. Der Name Gerhausen möchte entweder von den alten Familien-Namen Gero, Gerhard, oder von dem alt-deutschen Ger (Krieg, Streit) hergeleitet werden. Gerohusen ist der Name in einer Urkunde von 1092 geschrieben; unter dem Namen Geracker, Gerenacker, Streitacker kommt mehrmals ein Feld in dem Kellerey-Lagerbuche vor. Der Ort hat 1 Kirchlein und 1 Schulhaus, 2 Schildwirthschaften, 1 Brauerey u. 2 Mahlmühlen mit Bann in Asch und Sunderbuch. Die Kirche, deren Baulast die Gemeinde hat, steht ausserhalb des Orts auf einer Insel in der Blau; sie wurde mit den Trümmern von Ruck, 1751, neu erbaut. An die | Kirche stiftete die Gemeinde, 1501, eine später wieder eingegangene Kaplaney. Die Mühlen haben in früherer Zeit viel Kochgerste (Ulmer Gerste) geliefert (S. 79). Die Hauptnahrung besteht in Feldbau, der Weberey und Fischerey. Der Feldbau ist durch die kleine Markung beschränkt; die Güter liegen meist am Abhange und auf dem Hochsträß; die Weber, 21 an der Zahl mit 17 Knappen, sind durchaus Stuckweber, die Fischerey wird von 8 Bürgern betrieben; das vormals klösterliche nun privateigene Fischwasser in der Blau, von dem Blautopf bis zu dem Hof Altenthal ist zu dem Ende in 8 Bezirke abgetheilt. Zwey Hafner fertigen gutes Töpfergeschirr, zwey Familien Wachholdergesälze. Über den Schneckengarten s. S. 74. Der Ort wird von der Blau in drei Armen durchschnitten, über welche 3 hölzerne Brücken darin führen.

Als Merkwürdigkeit von Gerhausen führt Sattler in seiner topogr. Geschichte v. W. S. 536 an, daß am 23. May 1737 der Schultheiß Johannes Gier daselbst in einem Alter von 92 Jahren gestorben sey, und in einer 70jährigen Ehe 6 Söhne und 2 Töchter erzeugt, und von diesen 95 Enkel, 137 Urenkel und 4 Ururenkel, im Ganzen also 244 Kinder und Kindskinder erlebt habe. Von den Söhnen war der eine bey des Vaters Tode 70 Jahre alt. Wir fügen diesem noch bey, daß ein Müller von Gerhausen, Namens Hochstetter, 3 Enkel hatte, welche alle drey Prälaten waren. Ferner verdient bemerkt zu werden, daß Gerhausen den ersten bekannten Buchdrucker des Landes hervorbrachte: Conrad Fymer (Feiner) von Gerhausen druckte schon im J. 1470 zu Eßlingen, und verlegte von da seine Buchdruckerey nach Urach. Er war der erste der hebräisch druckte [1].

In den Jahren 1796, 1800 und 1805 litt Gerhausen großen Verlust durch Truppenmärsche und Plünderung, 1796 war ein östreichisches Lager von 10.000 Mann in der Nähe, und 1800 fiel ein Gefecht zwischen den Franzosen und Östreichern, | zwischen Gerhausen und Sonderbuch vor. Gerhausen kam mit Blaubeuren, 1447, an Würtemberg. Es gehörte zu dem Stadtoberamt. Das Kloster hatte zwar schon bey seiner Stiftung Theil an G. erhalten; es verkaufte aber Schulden halber, 1392, „das Dorf G.“ zu seinem und der Herrschaft Helfenstein Antheil für 15 Pfd. Heller an Dieterich Haug von Ehingen, Bürger zu Biberach. Später, im J. 1499, erkaufte es wieder von der Wittwe Megenhardt zu Blaubeuren Güter zu G. für 202 fl. Übrigens hatten verschiedene Edelleute, namentlich die von Oggenhausen, von Grafeneck, von Nenningen Theil an Gerhausen. Allmählig scheint Alles, auch die Grundherrschaft an die Grafen von Helfenstein zurückgekehrt zu seyn. Die v. Nenningen hatten auch einen Burgsitz in dem Dorfe, und zwar auf einer Insel der Blau; denn im J. 1410 verkaufte Hans v. Nenningen an die Gräfin Anna v. Helfenstein, geb. v. Öttingen, seinen „Burgstall und Werde (Wehrd) in dem Dorf Gerhusen zwischen den Blawen gelegen“ für 55 Pfd. Heller.

Auf einem angrenzenden Vorhügel, der Frauenberg genannt, soll die Gräfin Anna einen Wohnsitz gehabt und alljährlich, am Tage Johannis d. T., daselbst unter die Jugend einen Eimer Wein vertheilt haben[2].

Hohen–Gerhausen. Über dem Frauenberg stand auf einer schroffen Felsenspitze die Burg Hohen-Gerhausen, wovon ohne Zweifel Frauenberg ein Vorwerk war; denn es war durch den äussern Schloßgraben eingeschlossen. Ihre Ruinen erheben sich äusserst malerisch über dem Dorfe. Wie groß auch die Verheerungen in der Burg waren, so erkennt man doch unter ihren Trümmern noch das Burgthor, die Mauern | und Vorwerke, welche sie von Aussen schützten, und die Hauptzinne im Innern auf dem höchsten Punkte. Es steht hier noch ein gewaltiger Mauerstock, von schönen Buckelquadern aus Tuffsteinen gehauen, 15–20′ ins Gevierte. Er scheint dem kühnen und merkwürdigen Bogen zum Stützpunkt gedient zu haben, der zur Hälfte gesprengt, lange Zeit frey in die Luft hinaus ragte und vorher die Verbindung von einem Felsen auf den andern herstellte. Die Burg muß einst sehr weitläufig und fest gewesen seyn, viel bedeutender als das gegenüber liegende Ruck. Es war daher auch Sprüchwort wozu die vielen Händel zwischen den beyderseitigen Bewohnern Veranlassung gegeben haben sollen: „hüte dich, Ruck, daß dich Gerhausen nicht verdruck.“ Unter dem Volke wird die Burg Gerhausen das Rusenschloß genannt. Ob durch eine Zusammenziehung von Gerhausen, nach alter Mundart Gerhusen, in Gerusen, Rusen, oder von einem ehemaligen Beamten und Bewohner Namens Ruß oder von Reußen die Benennung herrühre, ist unbekannt. Eben so unbekannt ist die Zeit ihrer Erbauung. Daß Gerhausen, obgleich bedeutender als Ruck, nur ein Zugehör von diesem war und zu mehrerer Vertheidigung der Stammburg diente, ist sehr wahrscheinlich, doch scheint es schon frühe einem besondern Zweige des Ruckischen Hauses zum Sitz gedient zu haben und mit einem besondern, von Ruck abgerissenen Güterbesitze verbunden gewesen zu seyn, wozu Sunderbuch, Asch, Berghülen und Suppingen gehört zu haben scheinen, da die Söldbauern dieser Orte noch im Jahr 1666 das Holz für das Schloß zu hauen, die Maierbauern aber dasselbe in der Frohn zu führen hatten. Nach Asch war das Schloß auch eingepfarrt. Übrigens muß auch eine Kapelle im Schloß gewesen seyn; denn der Inhaber der untern Mühle zu G. hatte 15 Schilling H. zu dem ewigen Licht auf das Schloß zu liefern. Die Besitzer der Burg führten auch den Namen und Titel von Gerhausen, und es kommen damit zuerst die bey Ruck genannten Grafen Adelbert und Hugo ums J. 1000 und 1060 vor. In dem Stiftungsbrief des Klosters Ochsenhausen | vom J. 1100 kommt ein „Hartmannus, comes de Gerohusen“ unter den Zeugen vor[3]. Eben dieser Hartmann war es ohne Zweifel, der ums J. 1092 einer Verhandlung zu Bempflingen zwischen den Stiftern von Zwiefalten, den Grafen von Achalm und ihren Neffen beywohnte und als Hartmannus, comes de Gerohusin unterzeichnet ist. Später findet man, wie bey Ruck, Ministerialen, welche sich von Gerhausen schrieben. Nach Blaubeurer Urkunden vermacht, 1282, der Amman Marquart von Blaubeuren dem Kloster daselbst seinen Hof zu Asch, den er von Friedrich v. Gerhusen erkauft; die Grafen von Helfenstein siegeln. 1292 kommt Gebehardus miles, advocatus in Gerohusen vor; Ebenderselbe in einer Salmansweiler Urkunde von 1294[4] und in einer Blaubeurer Urkunde vom J. 1309 ist wieder ein Friedrich von G. Zeuge bey einem Verkauf zu Asch. Die Burg Gerhausen mit Zubehör scheint jedoch schon nach dem Erlöschen der Ruck-Gerhausischen Linie an die von Helfenstein gefallen und von einer Linie derselben bewohnt worden zu seyn, noch ehe Ruck und Blaubeuren helfensteinisch waren. Im Jahr 1297 freyen die Grafen von Helfenstein dem Kloster Blaubeuren Güter zu G.; nach der Theilung im Jahr 1356 räumt Graf Ulrich d. ä. von Helfenstein seinem Vetter dem Grafen Ulrich d. j. den Sitz in Gerhausen. Man hat noch ein Verzeichniß von Geräthschaften, welche „min alter Herr, Herr Ulrich von Gerhusen (nach Hiltenburg) gebracht,“ worunter sich insbesondere die Stücke welche Ulrichs junger Gemahlin, einer Prinzessin von Bosnien angehörten, durch Kostbarkeit auszeichnen. Wie die 3 Vesten Gerhausen, Ruck und Blauenstein im J. 1448 von den Grafen von Helfenstein an das Haus Würtemberg verkauft worden, ist schon S. 10 berichtet. Unter Würtemberg wurde das Schloß von einem Forstbeamten, Forstknecht bewohnt, während der Obervogt seinen Sitz auf Ruck hatte. Nach den alten Rechnungen | wurde im J. 1617 der Brunnen wieder hergestellt, weil der Forstknecht seit etlichen Wochen kein Wasser hatte; 1628 wurde die Wohnung des Forstknechts reparirt, 1632 wird befohlen, das sehr in Abgang gerathene Schloß in aller Eile so gut als möglich auf den Fall nöthiger Defension zu repariren; 1666 wird von den Frohnpflichtigen noch Holz beygeführt. Von dem weitern Schicksale der Burg ist nichts bekannt, als daß im J. 1768 ihre Ruine, oder eigentlich das Recht, die Burg vollends zu zerstören und die brauchbaren Steine wegzuführen, an einen Blaubeurer Bürger für 60 fl. verkauft worden ist. Diesen schmählichen Verkauf hatte der Staat in der Folge wenigstens mit dem zehnfachen Schaden zu büßen, welcher durch das Herabrollen der abgebrochenen Steinmassen bey jedem neuen Angriff in den darunter gelegenen herrschaftlichen Waldungen angerichtet wurde. Theils deßwegen, theils in der löblichen Absicht, ein ehrwürdiges Denkmal des Alterthums und eine malerische Zierde der Gegend zu erhalten, wurden die noch übrigen Reste, an welchen ausser dem Käufer und seinen Nachkommen auch noch viele Andere genagt hatten, auf Antrag des letztverstorbenen Cameral-Beamten Teichmann wieder für 44 fl. zurückgekauft und dem gänzlichen Untergange entzogen.

b. Altenthal, ein Bauerhof im Blauthale, 1/2 St. unterhalb Gerhausen, mit 5 evang. Einwohnern, Filial von Pappelau. Die Zehnten bezieht der Staat. Dieses schöne Gut, das seine eigene Markung hat, vereinigt Äcker, Wiesen, Wald, Weide und Fischwasser in sich. Es war ehemals Lehen des Klosters Blaubeuren und wurde diesem bey seiner Stiftung von dem Grafen Werner, einem Sohne Sigebotos von Ruck, geschenkt. Jetzt ist es Eigenthum des Besitzers.



  1. Zapf „Älteste Buchdrucker-Geschichte Schwabens.“ Ulm, 1791. S. 11, 12, 18.
  2. Noch in neuern Zeiten feyerte die Jugend den Johannis-Abend auf dem Frauenberge mit Freudenfeuern; aus Stroh geflochtene Räder wurden dabey den Berg hinabgerollt. Also auch hier, wie zu Saulgau, die Johannisfeuer. Schon das constantinop. Concilium vom Jahr 680 eifert gegen die (aus dem Heidenthum herrührende) Feuertänze.
  3. Gerbert Hist. silv. nigr. T. III. p. 38.
  4. v. Raiser, Elchingen S. 149.
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