Beschreibung des Oberamts Calw/Kapitel B 15

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Hirschau,
Gemeinde III. Kl. mit 726 Einw., wor. 2 Kath. a. Hirschau, Pfarrdorf mit Papiermühle, Wollspinnerei, Löffelschmiede, Walkmühle und Bleiche. b. Altenburger Sägmühle. c. Ernstmühl, Weiler, und mechanische Spinnerei mit der Collbach-Sägmühle. d. Lützenhardt, Hof. – Ev. Pfarrei, die Kath. sind nach Weil d. St., O.A. Böblingen, eingepfarrt [1].


Der Hauptort Hirschau[2] hat in dem anmuthigen Nagoldthale, gerade an der Stelle, wo von der rechten Seite das enge und tief eingeschnittene Ziegelbachthal, von der linken das Schweinbachthal in dasselbe einziehen, zu beiden Seiten des klaren Flusses eine äußerst romantische Lage, die wohl die reizendste Partie des Nagoldthales genannt werden darf. Die Thalebene mit ihren satten Wiesengründen erweitert sich hier ziemlich beträchtlich und die hohen bewaldeten Thalwände, welche durch die Seitenthäler angenehm unterbrochen sind, zeigen wohlgeformte Bergvorsprünge, die der Gegend einen besonderen Reiz und mehr Mannigfaltigkeit verleihen als im Allgemeinen in den Schwarzwaldthälern getroffen wird. Am Fuß der Thalgehänge ziehen sich weniger steile mit Äckern, Baumgütern und Wiesen kultivirte Ausläufer hin, während die Steilgehänge mit malerisch gruppirten Laub- und Nadelhölzern dicht bestockt sind. Zahlreiche Standpunkte gewähren reizende Ansichten von dem Ort mit seinen ausgezeichnet schönen Kloster- und Schloßruinen, wie von der | Umgegend desselben, und erlauben freundliche Blicke in das Nagoldthal und dessen Seitenthäler.

Der Ort, nur 1/2 Stunde nördlich von der Oberamtsstadt gelegen, ist der Sitz des Cameralamts und eines Revierförsters; er zerfällt in 4 Gruppen, von denen 2, die Pletzschenau und der Viehhof, auf der rechten Seite der Nagold, die ehemaligen Kloster- und Schloßgebäude und eine Gebäudegruppe außerhalb der Klostermauern auf der linken Seite des Flusses liegen. Die durch den Fluß getrennten Gebäudegruppen sind mittelst einer steinernen, auf 3 Pfeilern ruhenden Brücke, über die auch die Landstraße einerseits von Calw nach Pforzheim, andererseits nach Wildbad führt, in Verbindung gesetzt. An der Brücke, welche gegenwärtig der Staat zu unterhalten hat, sind im Jahr 1561 die drei Schwibbögen gegen dem neuen Kloster hin ganz neu gemacht und die zwei gegen dem alten Kloster hin ausgebessert worden, was einen Kostenaufwand von 3000 fl. verursachte. Im Jahr 1855 erhielt die Brücke neue Brustwehren und einen neuen Pfeiler.

Die Pletzschenau besteht aus einer Gruppe minder ansehnlicher Häuser, an welche sich im Norden der ummauerte Begräbnißplatz des Orts anlehnt; auf dieser Stelle, von der man eine reizende Aussicht in das Nagoldthal und das gerade gegenüberliegende Schweinbachthal genießt, soll nach der Sage Helizena, eine Edle von Calw, im Jahr 645 ein Kloster gestiftet haben (s. hier. unten). Allhier war die Pfarrkirche Hirschau’s (plebania in Bletzenowe. Würdtwein Subsidia 10, 339), welche P. Bonifacius IX. den 11. Juli 1399 dem Kloster einverleibte. Im Jahr 1260 kommt vor Wolframus sacerdos dictus de Blescenowe. Mone Zeitschrift 1, 248. Noch bis zur Zerstörung Hirschau’s im Jahr 1692 wurde die Hirschauer Kirchengemeinde als zur Pfarrei Pletzschenau gehörig angesehen.

Der unter Abt Bernhard im Jahr 1482 angelegte Viehhof, dessen Name auf seine ursprüngliche Bestimmung hinweist, liegt an der Straße nach Calw, unfern der Brücke über die Nagold. Die große Viehscheuer wurde 1830 von der Gemeinde erkauft und 1835 abgebrochen; an ihrer Stelle stehen jetzt 6 Privatgebäude. Das geräumige ehemalige Meiereigebäude ist zur Hälfte als Rathhaus eingerichtet, während in der anderen Hälfte noch die Wohnungen bestehen, welche zu verschiedenen Zwecken von Seiten der Gemeinde benützt werden.

Zu dieser Gruppe gehörte auch die Aureliuskirche in der Gegend, wo Graf Erlafried von Calw im 9. Jahrhundert das Kloster stiftete (s. hier. unten).

| Diese Säulenbasilika, welche in den Jahren 1059–1071 neu gebaut wurde (Cod. Hirsaug. 3), stand bis zum Jahr 1584, wo sie auf Befehl des Herzogs theilweise abgebrochen und nur der westliche Theil ihres Langhauses erhalten wurde. Zu jener Zeit wurde der Rest dieser ehrwürdigen Kirche zu einer Scheune und Stallungen eingerichtet, welche zu der anstoßenden Wohnung des Forstverwalters, später Cameralverwalters, gehörte. Die über dem Eingang angebrachte Jahrszahl 1585 scheint die Zeit dieser unwürdigen Veränderung anzuzeigen. Im Jahr 1813 wurde die Kirche in ein zu der Saffianfabrik gehöriges Ledermagazin umgewandelt und gegenwärtig ist sie im Besitz der Saffianfabrikanten Gebrüder Zahn, welche sie zwar auch für ihre Zwecke benützen, jedoch nicht in der Ausdehnung, daß das Gebäude gefährdet wäre, wie dieselben überhaupt als Verehrer dieses altehrwürdigen Gebäudes zu dessen Unterhaltung nichts versäumen. Diese mit dem Chor gegen Osten gerichtete, im frühromanischen Styl erbaute Kirche ist dreischiffig[3]. Das Mittelschiff wird durch 2 Säulenreihen von den Seitenschiffen getrennt, an deren westlichen Enden genau in der Fortsetzung ihrer Breite die Erdgeschoße zweier Thürme mit quadratischem Grundriß liegen. Zwischen beiden Thürmen befindet sich eine Vorhalle von der gleichen Breite des Mittelschiffs. Tritt man von der Vorhalle in das Mittelschiff, so erscheint zur Rechten und Linken je ein viereckiger Pfeiler von der Höhe der Säulen; sie liegen in der Verlängerung der Säulenreihen des Mittelschiffs und bilden einen Theil der östlichen Seitenwände der Thürme. Es folgen nun auf jeder Seite 3 Säulen und endlich wieder ein Pfeiler; letztere sind in der östlichen Wand eingemauert, welche das Kirchenfragment schließt. Die Säulen und Pfeiler sind durch 4 halbe Kreisbögen mit einander verbunden, über denen sich die Wände des Mittelschiffs erheben. Die runden Säulen haben den attischen Fuß, mit 4 Blättern auf den 4 Ecken der untersten Platte; das Kapitäl ist das würfelförmige mit einem Bande geschmückt, welches sich um die Abrundung des Würfels zieht. Die Platte darüber ist nach unten schräg abgeböscht und hat auf der Seite gegen das Nebenschiff einen Vorsprung, um einen Gurtbogen zu tragen, der quer über das Seitenschiff gesprengt war und mit seinem andern Fuß auf einer Wandsäule ruhte. Die kleinen Wandsäulen, welche je den Säulen des Mittelschiffs gegenüber angebracht | und in gleichem Styl wie diese gehalten sind, ragen nur mit halbem Leib über die Wände der Seitenschiffe hervor. Das Erdgeschoß des südlichen Thurms enthält eine Wendeltreppe. Die westliche Giebelwand der Kirche ist nicht mehr die ursprüngliche, indem sie vermuthlich zur Zeit der Einrichtung zu einem Magazin starke Veränderungen erlitten hat. Dasselbe gilt theilweise von den Umfassungsmauern auf den übrigen Seiten. An der östlichen Giebelwand sind die Durchgänge von dem Mittelschiff, wie von den Seitenschiffen, welche ohne Zweifel in die halbrunden Absiden führten, später zugemauert worden. Auch die Seitenmauern des Hauptschiffes sind in ihren oberen Theilen abgebrochen worden und über den Kreisbögen der Säulenreihen wurde ein Bretterboden angebracht. An der nordöstlichen Ecke dieser Kirche lehnt sich ein Gebäude an, das nach der Sage das alte Klostergebäude gewesen sein soll, später wurde es die Wohnung des Forstverwalters, dann mehrere Jahre des Cameralbeamten, hierauf des Steuerraths und kam endlich im Jahr 1819 in Privathände. Dieses mehrfach veränderte und modernisirte Gebäude zeigt an der Rückseite eine über dem ersten Stockwerke hinziehende Wulst, welche noch für das hohe Alterthum desselben zeugt. An der Vorderseite des Gebäudes ist eine sehr alte Steinplatte mit dem halberhabenen Bild eines Bischofs oder Abts eingemauert.

Die dritte Gruppe enthält das ehemalige im Jahr 1082 gegründete sogen. neue Kloster, das mit seinen Nebengebäuden, theils als Ruine, theils erhalten innerhalb der noch vorhandenen Klostermauern steht[4]. Diese umfangreiche Partie hat eine überaus schöne, etwas erhöhte Lage auf einem Terrainausläufer zwischen der Nagold und dem Schweinbach.

Von den Nebengebäuden stehen noch:

1) Das Cameralamtsgebäude, frühere Oberamtei, ein ansehnliches Gebäude, an dem Haupteingang in den Klosterhof, der unter einem Theil des Gebäudes durchführt, gelegen. Über dem Eingang sind zwei Hirsche, von denen einer den Abtsstab zwischen den Vorderfüßen hält, nebst dem Württ. Wappen und der ziemlich unkenntlich gewordenen Jahreszahl 1706 angemalt.

2) Die Wohnung des Revierförsters, welche früher die Amtsschreiberei war und im Jahr 1688 erbaut wurde; das in neuerer | Zeit namhaft verbesserte Gebäude hat eine angenehme Lage an der Klostermauer zunächst des obern Thors, von dem das alte Thorhäuschen noch vorhanden ist.

3) Das Schulgebäude bei der Schloßruine, bis zum Jahr 1814 die Wohnung des Hofmeisters und das Bindhaus; das Gebäude wurde im Jahr 1843 beinahe ganz neu aufgeführt und enthält neben zwei geräumigen Lehrzimmern die Wohnungen des Schulmeisters und des Unterlehrers. Auch wird die Industrieschule in diesem Schulgebäude gehalten.

4) Ein Gebäude, welches die evangelischen Geistlichen bis zur Erbauung des gegenwärtigen Pfarrhauses im Jahr 1779 bewohnten, zunächst dem letzteren.

5) Das alte Schulhaus hinter dem Pfarrhaus gelegen, seit 1814 in Privathänden.

6) Eine Zehentscheune und 2 Fruchtkästen, welche an Bürger vermietet sind.

Außer den angeführten Gebäuden stehen noch innerhalb der Klostermauern mehrere Privatwohnungen und das frei gelegene, massiv erbaute Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Staat zusteht.

Von den ehemaligen Hauptgebäuden (Kirche, Kloster, Schloß etc.), welche im Jahr 1692, den 20. September, durch Melac’s Horden und später durch allmähliges Einreißen, zerstört wurden, sind uns nur noch Trümmer, als ernste Zeugen der ehemaligen Pracht und Größe des Klosters übrig geblieben. Von der ehemaligen großartigen Klosterkirche zum heil. Petrus, welche in den Jahren 1083–1091 gebaut wurde und nach dem Ulmer Münster für das geräumigste Gotteshaus in Schwaben galt (Petri Suev. eccl. 440), hat sich, mit Ausnahme des an der nordwestlichen Ecke des Vorhofes stehenden Thurmes, nur noch der Grundriß erhalten, welcher sich durch Schutthügel und einzelne 2–3′ über die Erdfläche hervorragende Mauern noch bezeichnet. Die Kirche war dreischiffig und in der Form eines lateinischen Kreuzes, dessen Querarm nur unbedeutend über die Abseiten hervortrat. Der Hauptchor, wie die in der Verlängerung der Seitenschiffe angebrachten Nebenchöre oder Kapellen, waren geradlinigt geschlossen. An der Nordseite des nördlichen Seitenchors sieht man noch die wohlerhaltenen Grundmauern einer Kapelle, deren Chor mit einem halben Achteck geschlossen und mit Strebepfeilern versehen ist. Die schön gearbeiteten Knäufe und die Anfänge der zierlichen Gewölbegurten bekunden ihre Erbauung im 14. Jahrhundert. In dieser Kapelle waren einst der Kirchenschatz und die ledernen Kleider eines Riesen, die er mit eisernen Ringen zugethan, aufbewahrt (Steck 292); sie heißt daher die Riesenkapelle und noch im Jahr 1781 zeigte | man daselbst einen Balken, der dem Riesen als Stab gedient haben soll. – Ein schöner Bogen, welcher zwischen dem Chor und Schiff der Kirche noch im Februar 1792 stund, stürzte damals zusammen. Die Kirche hatte 3 Thürme, der eine erhob sich auf den Kreuzungspunkt des Querchors mit dem Mittelschiff und war achteckig. An der westlichen Seite der Kirche, genau in der Verlängerung der Abseiten des Langhauses, befand sich ein quadratischer Vorhof (Paradies), in dessen südlichen und nördlichen Ecken Thürme standen, von denen der nördliche noch vollkommen erhalten ist und der ganzen Gegend als besondere Zierde gereicht. Der im romanischen Styl erbaute Thurm ist viereckig, über 100′ hoch und besteht aus sechs Stockwerken, von denen die zwei obersten gekuppelte Rundbogenfenster mit runden Zwischensäulen haben, welche mit Würfelknäufen und erhöhten Aufsätzen versehen sind. Am Gesimse des obersten Stockwerks zieht sich ein Rundbogenfries hin. Die 3 unteren Stockwerke sind durch vortretende Pfeiler in Felder getheilt und auf dem Gesimse des zweiten Stockwerks ruhen, weit aus der Wand hervortretend, in kolossalem Maßstab roh gearbeitete, abenteuerliche Menschen und Thiergestalten; auf der westlichen Seite kniet unter dem Pfeiler ein Mann, der seine Rechte vor die Augen hält, zu beiden Seiten sind Hirsche angebracht, an welche sich gegen die Ecken des Thurms Löwen anreihen; letztere hängen durch die Köpfe mit Löwen auf den andern Seiten zusammen, so daß die 4 Tragpfeiler des Thurms durch 8 Löwen gleichsam bewacht sind. Auf der südlichen Seite ist ein sitzender Mann mit Laientracht und lockigem Haupthaar, der mit beiden Händen den mittleren Pfeiler trägt; zu beiden Seiten befinden sich ebenfalls Hirsche, jedoch in ganz demüthiger Stellung, und an den Ecken sind die Löwen angebracht. Die Nordseite zeigt unter dem Pfeiler einen sitzenden Mönch mit geschorenem Haupt, zu seiner Rechten steht ein Bock, zur Linken befindet sich ein Rad und eine kleine Menschengestalt, während an den Ecken die beiden Löwen wieder angebracht sind. Von Seiten der Finanzverwaltung wurde im Jahr 1839 dieser Thurm durch Anlegung einer bequemen hölzernen Treppe im Innern besteigbar gemacht; oben angelangt, wird man überrascht von der freundlichen Aussicht über das ehemalige Kloster und dessen anmuthige Umgebungen. Der auf der Südseite gestandene Thurm ist bis auf wenige Grundreste ein Opfer der Zerstörung geworden.

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Der Boden der ehemaligen Peterskirche wurde in den Jahren 1835/36 in einen Garten umgewandelt und bei dieser Veranlassung sind mehrere Gräber mit Grabplatten, die Inschriften enthielten, | zum Vorschein gekommen. Die aufgefundenen Gebeine wurden sämmtlich in einen Sarg gelegt und in einen an der Stelle des ehemaligen Chors aufgedeckten, ausgemauerten Behälter gestellt, die Öffnung zu dieser Gruft aber mittelst einer Fallthüre verschlossen. An der Südseite der Peterskirche stand das Kloster, von dem sich nur der Kreuzgang, der den Klostergarten umschloß und unter Abt Bernhard † 1482 zu bauen begonnen und durch Abt Blasius † 1503 vollendet wurde, theilweise erhalten hat; er zeigt noch schöne, im germanischen Styl gehaltene Fenster, die jedoch meist sehr gelitten haben und in neuerer Zeit auf Staatskosten im ursprünglichen Styl und in meisterhafter Ausführung theilweise restaurirt wurden. Die übrigen sollen später ebenfalls eine Ausbesserung erhalten. An der östlichen Seite des Kreuzgangs ist die Außenwand desselben theilweise im romanischen Styl gehalten und enthält schöne gekuppelte Rundbogenfenster; dieser Theil scheint sich noch von dem ursprünglichen, zu gleicher Zeit mit der Kirche erbauten Kreuzgange erhalten zu haben. Die 40, gegenwärtig hohlen Fenster des Kreuzgangs waren mit prachtvollen Glasgemälden geziert, welche im Jahr 1491 u. ff. nach den Holzschnitten der Biblia Pauperum (Armenbibel)[5] mit einem Aufwand von mehr als 300 Goldgulden gefertigt waren, aber im Jahr 1692 durch die Franzosen zerstört wurden (Steck a. a. O. S. 293 ff.). Auf dem Kreuzgang waren zur Zeit der evangelischen Klosterschule die Studir- und Schlafzimmer der Studenten mit den langen, zum Ambuliren geeigneten Gängen, Dorment genannt.

Zunächst, östlich, der ehemaligen Peterskirche steht oben an einer Terrasse gegen das Nagoldthal die Kapelle der heil. Jungfrau, seit der Einäscherung des Klosters die einzige Kirche der evangelischen Ortsgemeinde; sie wurde nach einer an der Kirche angebrachten Inschrift im Jahr 1509 erbaut von Abt Johann († 1524, welcher auch allda begraben wurde), und am 21. Juli 1516 eingeweiht.

Die Kirche ist im spätgermanischen Style erbaut, hat spitzbogige, in den Bogentheilen ornamentirte Fenster und Strebepfeiler sowohl an dem Langhaus, als an dem mit einem halben Achteck schließenden Chor, auf dem ein kleines Thürmchen (Dachreiter) sitzt. Das Innere ist modern getüncht und mit einer flachen Holzdecke versehen; ursprünglich hatte die Kirche ein steinernes Gewölbe, dessen Gurten von Consolen ausgingen, welche die Brustbilder der 12 Apostel vorstellen und noch als schöne Überreste des ehemaligen Gewölbes an | den inneren Kirchenwänden hervorstehen. Überdieß sind noch zwei Eingänge vorhanden, die an ihren Innenseiten sehr schöne Verzierungen haben.

In den obern Räumen der Kirche befindet sich der alte Klosterbibliotheksaal, der so lang ist als die Kirche selbst und noch 12 alte Bücherkästen enthält, welche, wie auch die flache Holzdecke des Saals, mit prachtvollen, im spätgermanischen Geschmack gehaltenen Schnitzwerken reich verziert sind. Die Schnitzwerke stellen mit vielem Fleiß ausgeführte Gewände von Blumen, Früchten etc. dar und waren überdieß schön bemalt. Diese reichgeschmückten Bücherschränke sind in neuerer Zeit zu Registraturkästen mit Fächereinrichtung und einfachen tannenen Thüren umgewandelt worden. Der ganze Saal mit seinen alterthümlichen Überresten und seinen spitzbogigen, germanisch gefüllten Fenstern, aus denen man eine reizende Aussicht in das Nagoldthal genießt, macht einen feierlichen Eindruck. Einige Schlußsteine von dem ehemaligen Kirchengewölbe und einzelne gut gearbeitete Holzfiguren sind ebenfalls in dem Bibliotheksaal aufbewahrt.

An der Südseite der im Jahr 1739 angebauten Sacristei sind zwei alte Denkmale aufgestellt, das eine der Denkstein des heiligen Aurelius, das andere der Grabstein des Grafen Erlafried von Calw. Ersterer enthält das Bild des heiligen Aurelius mit der Bischofsmütze und dem Krummstab; die Umschrift in römischer Majuskel lautet: Anno benignitatis Octingentesimo Tricesimo, almi Praesulis Aurelii venerando corpore de Italia translato, est eidem Hirsaugia suscipiendo fundata. Der Grabstein des Erlafried enthält das schön gearbeitete Wappen der Grafen von Calw und mit gothischen Buchstaben die nur theilweise noch erhaltene Umschrift: (Ab) Incarnatione (Christi anno) octingentesimo XXX fundatum est hoc (monasterium a generoso domino Erlafrido, comite de) Calw: cujus depositio agitur IV. cal. Februarii. Diese Denksteine wurden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus der Aureliuskirche in die Peterskirche verpflanzt und im 18., aus dem Schutte der letzteren ausgegraben, hieher versetzt (Steck 326).

Nach einem Vertrage von 1830 hat die Unterhaltungskosten für Thurm und Kirche der Staat zu bestreiten.

Die Reste des ehemaligen Schlosses, welches Herzog Ludwig von Württemberg † 1593 „auf dem Platz der alten Abtei“ erbaute[6], liegen am südlichen Ende des mit der Klostermauer umfriedigten | Gebäudecomplexes und bestehen aus den theilweise noch vorhandenen Umfassungsmauern. An der gegen den Schloßhof gekehrten Seite steht ein rundes Thürmchen, das die zu den Gelassen des Schlosses führende Wendeltreppe enthält.

An der östlichen Seite des Schlosses befindet sich die im Renaissancegeschmack erbaute ehemalige Prälatur, die malerischste Parthie des Klosters bildend. Nur die 4 Wände des hohen Gebäudes sind noch erhalten und an der Stelle des verschwundenen Dachs wölbt sich die Krone einer üppigen, im inneren Raum entsprossenen Ulme und legt die kräftigen Äste theils über den doppelten, ornamentirten Staffelgiebel, theils ragen sie durch die hohlen Fenster allwärts nach dem Lichte strebend. Zu diesem schönen Baume hat sich eine junge Ulme gesellt, die kräftig neben dem Mutterstamme aufwächst, um denselben, wenn er abgegangen, einst zu ersetzen.

Über dem Eingang in den Schloßhof erhebt sich ein im Renaissancestyl erbauter achteckiger Thurm; auf demselben hängen 2 Glocken, von denen die eine 1789 von C. F. Blüher in Stuttgart, die andere 1844 von Neubert in Ludwigsburg gegossen wurde.

Die 4. Gruppe des Orts besteht aus den Gebäuden, welche auf der linken Seite der Nagold außerhalb der Klostermauern liegen, und sich von der Brücke an weitläufig zerstreut in das Schweinbachthal hinein ziehen; es ist hauptsächlich der gewerbliche Theil des Orts, zu dem außer mehreren Fabriken (s. unten) auch das ansehnliche Gasthaus gehört.

Der Ort hat Überfluß an gutem Trinkwasser, das 15 laufende Brunnen liefern; sie werden meist aus dem einige 100 Schritte westlich vom Kloster in dem Schweinbachthal gelegenen Bassin der sogen. Hirschbrunnenquelle gespeist. Seen bestanden hinter dem Rathhaus, 2 kleinere zwischen der Pfarrkirche und der Landstraße nach Liebenzell und einer im Schweinbachthal; sie sind sämmtlich trocken gelegt und in Wiesengrund umgewandelt.

Das Fischrecht in der Nagold und in dem Schweinbach hat der Staat, der es an Bürger verpachtet; der Schweinbach führt nur Forellen, die Nagold aber neben Forellen auch Aschen, Barben, Schuppfische und zuweilen Aale.

Die Einwohner sind im Allgemeinen ziemlich unbemittelt, finden aber in den Fabriken Gelegenheit, sich den täglichen Unterhalt zu erwerben.

Die Landwirthschaft ist ganz unbedeutend und der Ackerbau wird | nur mit Hacke willkürlich und ohne Brache betrieben, dagegen ist der Wiesenbau von einigem Belang; die Wiesen liefern ein gutes Futter und zwar im Durchschnitt von dem Morgen 25 Centner Heu und 10 Centner Öhmd. Die Preise der Wiesen bewegen sich von 300–500 fl. und die der Äcker von 200–400 fl. per Morgen.

Die verhältnißmäßig nicht unbedeutende Obstzucht beschäftigt sich vorzugsweise mit Mostsorten, etwas Tafelobst und wenig Zwetschgen. Frühlingsfröste schaden nicht selten dem Obst, weil in dem sonnigen Thale die Bäume bald zu treiben beginnen und dann bei eintretender Kälte leiden. Die Luftströmungen, welche hier aus den Thälern nach allen Richtungen Zutritt haben, begünstigen einerseits die Fröste, andererseits halten sie die Luft in steter Bewegung, was besonders im hohen Sommer das Klima sehr angenehm und gesund macht, daher auch epidemische Krankheiten zu den Seltenheiten gehören. Hagelschlag kommt selten vor.

Die Rindviehzucht ist nicht ausgedehnt; sie wird durch 2 veredelte Landfarren, die ein Bürger gegen eine jährliche Entschädigung von 50 fl. nebst der Nutznießung von 21/2 Morgen Wiesen hält, nachgezüchtet.

Von den zahlreichen Gewerben, welche die Hauptnahrungsquellen der Einwohner bilden, nennen wir:

1) Die Saffianfabrik von Gebrüder Zahn (Firma: J. F. Haßenmajer und Zahn); sie liegt an dem Schweinbach, beschäftigt 25 Personen und liefert Saffian und gefärbtes Schafleder; auch wird etwas Lohgerberei getrieben. Die Fabrikate finden ihren Absatz größtentheils in den Zollvereinsstaaten, übrigens auch in Österreich und Holland. Die Fabrik wurde im Jahr 1788 von Calw, wo sie im Jahr 1766 durch Haßenmajer und Flößer gegründet worden war, hieher verlegt und nimmt unter den Saffianfabriken Württembergs eine der ersten Stellen ein.

2) Die Wollspinnerei von Ölschläger und Stottele, früher Papierfabrik von Ludwig Ferber, beschäftigt 8–10 Personen und arbeitet um den Lohn für Calwer Tuchfabrikanten.

3) Die Papierfabrik von Gottlieb Ferbers Kinder beschäftigt 3–4 Arbeiter; sie liefert hauptsächlich Pappendeckel und Preßspähne für Tuchmacher.

4) Die Löffelfabrik von Gottlieb Beeri liefert Löffel von Eisen und verzinnt; Arbeiter 8–10; Absatz hauptsächlich in das Inland und in geringer Ausdehnung nach Baden. Das Dutzend Eßlöffel kann zu 36 kr.–1 fl., das Dutzend Kaffeelöffel zu 24 kr. abgegeben werden. Die Löffelfabrikation unterscheidet sich von der im Erzgebirge | insoferne wesentlich, als sie hier mittelst vom Wasser in Bewegung gesetzter Hämmer, im Erzgebirge aber von der Hand bewerkstelligt wird.

5) Eine oberhalb der Löffelfabrik, ebenfalls am Schweinbach gelegene mechanische Tuchappreturanstalt, frühere Kunstmühle, ist Eigenthum von Valentin Schäuerlin’s Wittwe; sie arbeitet für die Tuchfabrikanten in Calw und beschäftigt 8–10 Personen.

6) Die mechanische Tuchscheererei, an der Nagoldbrücke gelegen, ist Eigenthum von Heinrich Zahn, der sie verpachtet hat; sie beschäftigt 5–6 Personen.

7) Eine auf der rechten Seite der Nagold gelegene Mahlmühle (ehem. Klostermühle) mit 4 Mahlgängen und einem Gerbgang. Zunächst derselben steht eine Sägmühle mit Fournirschneidmühle, Walke und Hanfreibe.

Außer den angeführten größeren Gewerben bestehen neben den gewöhnlichen Handwerkern, noch eine Handlung und 2 Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei.

Im Ort befinden sich auch 2 Einbindstätten für Flößer von Wildbad, Calmbach, Reichenbach etc., was den Einwohnern einigen Verdienst bringt.

Durch den Ort führt die Landstraße von Calw nach Wildbad, von der in Hirschau die Straße über Liebenzell etc. nach Pforzheim ablenkt; letztere wurde im Jahr 1838 ff. namhaft verbessert und erhielt von Wildberg bis an die Landesgrenze unterhalb Reichenbach den Namen „Wilhelmsstraße“. Überdieß gehen Vicinalstraßen nach Ottenbronn, Alt-Hengstett und Ober-Kollbach (frühere Landstraße von Hirschau nach Wildbad), wodurch dem Ort der Verkehr hinlänglich gesichert ist.

Nach Aufhebung des Klosteroberamts besorgte die schultheißenamtlichen Geschäfte ein Amts- und Gegenschreiber, bis im Jahr 1820 nach Einsetzung des Gemeinderaths, zum erstenmal ein Schultheiß von der Gemeinde gewählt werden durfte. Nach einem Vertrag vom 30. Oktober 1830 zwischen der K. Finanzverwaltung und dem vormaligen Klosterort Hirschau, wurde dem letzteren einerseits verschiedenes herrschaftliches Grundeigenthum abgetreten, andererseits aber sind die früher von der Klosterverwaltung gehabten Nutzungen und Unterstützungen aufgehoben worden. Der zu einer selbstständigen Gemeinde erhobene Ort erhielt sodann als Eigenthum die zur Meierei gehörigen Wiesen und Felder, im Ganzen 171 Morgen im Anschlag 35.306 fl. 15 kr.; sodann 91 Morgen Waldungen im Anschlag 7000 fl. (s. F. Steck das Kloster Hirschau S. 235 ff.).

| Der Ertrag der Gemeindewaldungen wird theils zur Heizung der Schule, des Rathszimmers etc. verwendet, theils verkauft, was der Gemeindekasse etwa 150 fl. jährlich einträgt. Auch sind etwa 60 Mrg. Gemeindegüter vorhanden, die eine jährliche Pachtsumme von etwa 600 fl. abwerfen; über Gemeinde- und Stiftungshaushalt s. Tabelle III. Die Stiftungspflege besitzt ein Armenfruchtkapital von 1500 fl. und der Filialort Ottenbronn ein solches von 700 fl., wovon die Zinse alljährlich an die bedürftigsten Ortsarmen vertheilt werden. Es wurden nämlich von alten Zeiten her zu Unterstützung der Armen des Klosteroberamts Hirschau jährlich auf’s Neujahr von der Klosterverwaltung abgegeben: 10 Schffl. Roggen, 60 Schffl. Dinkel, 30 Schffl. Hafer, mit der Bestimmung, daß solche von dem Prälaten und Oberamtmann an die eigentlich Armen ausgetheilt werden sollen. Hirschau erhielt jährlich 1 Schffl. 4 Sri. 2 Vierl. Roggen, 10 Schffl. 6 Sri. Dinkel, 2 Schffl. 6 Sri. 2 Vierl. Hafer; – Ottenbronn 6 Sri. Roggen, 4 Schffl. 2 Sri. Dinkel und 2 Schffl. Hafer. Für diesen jährlichen Unterstützungsbeitrag an Früchten erhielt im Jahr 1824 die Gemeinde Hirschau die Ablösungssumme von 1500 fl. und Ottenbronn 700 fl. Beide Kapitalien wurden den betreffenden abgesonderten Stiftungspflegen mit der Bestimmung einverleibt, daß das Armenfruchtkapital besonders erhalten bleibe.

In Hirschau ist den 2. Sept. 1677 geboren Christian Eberhard Weismann, Sohn des Klosterpräceptors. Er wurde 1721 Professor der Theologie und Stadtpfarrer zu Tübingen, 1729 Superattendent des theologischen Stiftes und starb den 22. Mai 1747. Er war ein Mann von vortrefflichem Charakter und gründlicher Gelehrsamkeit, Gegner der Wolfischen Philosophie, als theologischer Schriftsteller sehr fruchtbar.

Einen eigenen Pfarrer hat Hirschau erst seit 1698. Früher waren die Lehrer der Klosterschule die Prediger und Seelsorger der Gemeinde bis zur Zerstörung des Klosters im Jahr 1692. Unmittelbar auf die letztere wurde der Ort von Althengstett aus pastorirt.

Außer den unten anzuführenden drei Parcellen, welche zur Gemeinde gehören, ist noch Ottenbronn (s. d.) hieher eingepfarrt.

Der Pfarrsatz gehört der Krone.

Etwa 1/4 Stunde nördlich von Hirschau unfern des Wegs nach Lützenhardt liegt beinahe auf der Höhe des Waldes Bruderberg, die Bruderhöhle, eine ehemalige Beghardenwohnung. Im tiefen Dunkel eines bewaldeten Abhanges gegen die Nagold ragt ein überhängender, grotesker Felsen hervor, der gegen vornen einen natürlichen Stützpunkt hat und dem überdieß durch Kunst etwas nachgeholfen ist, | indem ein Theil des Felsen weggespitzt, und in der Nähe des Eingangs theilweise trocken zugemauert wurde. Die Höhle selbst theilt sich in 2 Gelasse, in die vordere und hintere Höhle; die vordere, welche 10′ hoch und 15′ lang ist, enthält an der südlichen Wand noch die Überreste des ehemaligen Heerdes, der auch die Stelle des Ofens vertrat; derselbe besteht aus einer großen Sandsteinplatte, unter welcher ein offener Raum für das Feuer angebracht ist. Zu beiden Seiten dieser Öffnung ist rohes Mauerwerk aufgerichtet, auf dem die Steinplatte ruht. Oberhalb, etwas seitwärts dieser Feuerungseinrichtung, geht eine Felsenspalte nach oben, die theilweise ausgemauert ist und als Kamin diente. An den Wänden der Höhle sind noch Reste von steinernen, roh gehaltenen Bänken vorhanden. Von der vorderen Höhle ist die hintere nur durch eine etwa 2′ dicke Felsenwand getrennt; letztere bildet eine ziemlich geräumige Felsenspalte, von der durch die Zwischenwand eine Öffnung (Fenster) zu der vorderen Höhle angebracht ist. Ohne Zweifel hatte der Waldbruder in der hinteren Höhle, die weit geschützter und wärmer als die vordere ist, seine Schlafstätte. Vor der Höhle befindet sich ein ebener Raum, der gegen Osten mit einer 10′ hohen Mauer, die auf einem 15′ hohen senkrechten Felsen sitzt, unterfangen ist. Vermuthlich hatte sich hier der Waldbruder ein kleines Gärtchen angelegt. An der Felsenwand befindet sich eine 10′ hohe und 3′ breite Spalte, nach der Sage der Keller des Einsiedlers; sie ist künstlich überwölbt und führt gegen 30′ tief in den Felsen hinein.

In der Nähe von Hirschau lagen die abgegangenen Orte Gumbrechtsweiler und Nagoldhardt, beide schon im 9. Jahrhundert an das Kloster Hirschau gestiftet (Cod. Hirsaug. 25a) und als uraltes Klostergut in der Urkunde K. Heinrich IV. vom 9. Okt. 1075 für Kloster Hirschau aufgeführt.

An den Ort knüpft sich die Sage, K. Heinrich III. habe in hiesiger Mühle als Sohn eines Calwer Grafen Lupold das Licht der Welt erblickt. K. Konrad II. (der wirkliche Vater des nach der Wahrheit in Geldern geborenen K. Heinrichs III.) habe Heinrichen als Sohn eines Landfriedensstörers umbringen lassen wollen, habe aber in einer wunderbaren Vereitlung seines einschlägigen Planes den Finger Gottes gesehen, und dem zum Jüngling Herangereiften seine Tochter zur Ehe und damit die Anwartschaft auf das Reich gegeben. Schon seit den 1180er Jahren ist diese Geschichte, welche bei Grimm Deutsche Sagen 2, 177 und Stälin Wirt. Gesch. 1, 486 umständlicher erzählt ist, durch das Pantheon Gottfrieds von Viterbo in viele Geschichtsbücher übergegangen.

| Von den Parcellen der Gemeinde Hirschau ist

1) die Altburger Sägmühle, 1/2 Stunde westlich von dem Mutterort an dem Schweinbach gelegen, im J. 1745 von Altburg hinweg hieher eingepfarrt; sie hat als Sägmühle, als welche sie im vorigen Jahrhundert von Angehörigen des Dorfes Altburg errichtet war, längst aufgehört und ist nun zu einer Bleiche eingerichtet.

2) Ernstmühl, Weiler, liegt im Nagoldthale, 1/4 Stunde unterhalb Hirschau an der Landstraße nach Pforzheim, und zwar so weit es zu Hirschau gehöriger Weiler ist, auf der linken Nagoldseite (vgl. oben Ernstmühl, Dorf), der Ort besteht aus einer großartigen mechanischen Wollspinnerei in einem sechsstockigen Gebäude und einem weitern Haus, welches der Geschäftsführer der Fabrik bewohnt, einer Schildwirthschaft und einigen Wohnungen für Taglöhner und Fabrikarbeiter. Ein laufender Brunnen liefert gutes Trinkwasser.

Die Einwohner, welche in die Kirche und Schule nach Hirschau gehören, finden, neben ganz unbedeutendem Feldbau, ihre Hauptnahrungsquellen in Fabrikarbeiten und Taglohnen. Die Wollspinnerei ist von Dörtenbach und Schauber in Calw erbaut und nun mit Schill und Wagner dorten vereinigt; sie beschäftigt etwa 60 Personen, welche den Tuchmachern in Calw und der Umgegend Kundenarbeiten fertigen.

Zu dem Weiler gehört die Kollbach-Sägmühle, welche 1/4 Stunde unterhalb desselben an der Einmündung des Kollbachs in die Nagold liegt.

3) Lützenhardt, Hof, liegt auf der Hochebene zwischen dem Schweinbach- und dem Kollbachthal 1/2 Stunde nordwestlich von dem Mutterort. „Lützenhardt“ wird schon im 9. Jahrhundert unter den damaligen Widemsgütern des Klosters Hirschau genannt und im Jahr 1075 als „Lutzelenhart“ unter denjenigen Besitzungen, welche demselben Kloster zurückgegeben wurden. Abt Blasius von Hirschau 1484–1503 baute hier Haus, Scheuer und Stall.

Der Hof ist Eigenthum des Staats und besteht aus einem freundlichen Wohnhause und einem ansehnlichen Ökonomiegebäude, nebst 76 Mrg. Äcker, 22 Mrg. Wiesen, 46/8 Mrg. Gras- und Baumgärten, 205/8 Mrg. Weide mit Gras (in neuerer Zeit größtentheils kulturfähig gemacht), 2 Mrg. 1/2 Viertel öde Felder und 1 Mrg. 31/4 Wege. Das Gut wird von dem dermaligen Pächter Schütz, welcher auch einen sehr schönen Viehstand aufgestellt hat, in 7 Rotationen rationell bewirthschaftet und zwar: 1) reine Brache (gedüngt), 2) Reps, 3) Winterfrucht, 4) Hackfrucht (gedüngt), 5) Winterfrucht mit Kleeeinsaat, 6) Klee und 7) Hafer.

| Ein laufender Brunnen ist vorhanden, der jedoch in trockenen Sommern seinen Dienst versagt, so daß das Wasser in Oberkollbach geholt werden muß.


Geschichte des Klosters[7].
Bei dem Kloster Hirschau zählt man eine dreimalige Stiftung. Die erste angeblich von 645 ist ganz mythisch und kam erst 1534 durch die deutschen Aufzeichnungen, welche Abt Johann von Hirschau vom Speirer Domcapitel erhielt (Crusius Annal. Suev. pars 2, 41), zur Kenntniß der Hirschauer Klostergeistlichkeit selbst. Sie lautet: Einer kinderlosen edeln Wittwe Helizena von Calw erscheint im Traum eine Ebene, auf welcher aus einem Stamme drei Fichtenbäume emporsproßten, mit der Mahnung, allhier eine Kirche zu gründen. Des Morgens geht sie in Begleitung einer Magd und zweier Diener hinaus, trifft das im Traum erschienene Wahrzeichen und stiftet nach eingeholter Einwilligung ihrer Verwandten, namentlich Egwards und Lupolds eine Kirche mit reicher Güterausstattung. Sie kleidet sich selbst als Nonne ein. Geschichtlich ist die zweite Stiftung unter K. Ludwig dem Frommen (814–840)[8]. Bischof Noting von Vercelli kam, so heißt es, im J. 830 auf Besuch zu seinem Vater, dem Grafen Erlafried, Stammherrn der Calwer Grafen und brachte die ihm kurz zuvor vom Erzbischof von Mailand geschenkten Gebeine des heiligen Aurelius, Bischofs von Redicia († 383) mit. Um ein solches Heiligthum würdig aufbewahren zu können, schlug er seinem Vater den Bau eines Klosters vor, worauf dieser auch willig einging. Bis zur Vollendung des Baus brachte man die Heiligengebeine | in das St. Nazariuskirchlein, unterwegs rief ein Blinder den h. Aurelius um Hilfe an und erhielt sein Gesicht wieder; die Stelle, wo dieß geschehen war, wurde sogleich für das neu zu gründende Kloster, auf dem rechten Nagoldufer, ausgewählt. Noting steuerte reichlich zum Bau bei, gab auch goldene und silberne Kreuze und allerlei Zierrathen und Geräthschaften zur Ausschmückung und zum Gebrauch des Gotteshauses, nebst verschiedenen Handschriften. Im J. 838 stand das Kloster vollendet da. Es erhielt den Namen Aureliuszelle, wurde aber gewöhnlich von der Gegend, in der es stand, Hirschau genannt (monasterium Hirsaugia sive sancti Aurelii cella, Urk. K. Heinrichs IV. 9. Okt. 1075; monasterium sancti Aurelii, quod dicitur Hirsawgia, Bulle Pabst Gregors VII. 1075). Auf Bitten Erlafrieds sandte Rhabanus Maurus, Abt in Fulda, den gelehrten Lindebert als Abt und 15 Benediktinermönche dahin, die den 25. Mai 838 ihren Einzug in dem neuen Kloster hielten, welches hierauf am 11. Sept. Erzbischof Otgar von Mainz in Gegenwart des Abtes von Fulda und vieler geistlichen und weltlichen Personen höheren Standes einweihte. Der Stifter und sein Sohn Ermenfried gaben dem neuen Kloster eine reiche Ausstattung, den Ort, wo es stand, mit einem Waldbezirk auf beiden Ufern der Nagold, welcher von der Teinach bis zum Schweinbach sich erstreckte, die benachbarten Weiler: Lüzenhard, Nagoldhard, Gumprechtsweiler, Ottenbronn, einen großen Theil von Stammheim mit der Kirche und den Weilern Kentheim, Lüzenhardt und Sommenhardt, die Kirchen zu Deckenpfronn und Döffingen, die Orte Ebersbühl, Oberkollbach, Haugstett, Weltenschwann, Würzbach, Calmbach, Güter in Maichingen, Münklingen, Gültstein und Deckenpfronn. Kaiser Ludwig der Fromme und Papst Gregor IV. bestätigten das Kloster mit seinen Besitzungen, letzterer unter der Bedingung, daß die Mönche die Regel des h. Benedikts beibehalten und daß ihnen die freie Abtswahl gestattet sein sollte. Zum Schutzvogt des Klosters ernannte der Pabst den Grafen Erlafried, dem aber sein Sohn Ermenfried nur dann folgen dürfte, wenn Abt und Convent ihn durch freie Wahl dazu erkoren. Schon unter seinem ersten Abt gelangte Hirschau zu schöner Blüthe, 839 wurde der gelehrte Mönch Hildulph aus Fulda dahin berufen und eine Klosterschule errichtet, die in kurzer Zeit stark besucht wurde und sich großen Ruhm erwarb. Die meisten Äbte hielten streng auf Zucht und begünstigten wissenschaftliche Studien bei ihren Mönchen. Dieser gedeihliche Zustand dauerte bis zum Jahr 988, nun aber raffte eine Seuche innerhalb 3 Monaten den Abt und über 60 Mönche weg; nur 12 blieben am Leben und unter diesen entstand bei der Wahl eines neuen Abtes Streit. Der Großkellner Eberhard, von der Minderzahl erwählt, mußte seinem Nebenbuhler weichen und bat den Grafen Adelbert von Calw um seinen Beistand. Willig ergriff dieser die Gelegenheit, das Kloster in seine Gewalt zu bringen, er baute auf dessen Grund und Boden eine Burg, plünderte es am 14. Febr. 990 aus und vertheilte die Güter desselben zunächst unter seine Dienstleute. | Ja er zog diese Güter, als der von der Mehrzahl erwählte Abt Konrad gestorben war (den 20. Aug. 1001), ganz ein und setzte einen Verwalter darüber, jagte 1003 sogar die Mönche, bis auf zwei, ganz fort. Die Vertriebenen wählten nun zwar einen neuen Abt, dieser jedoch kam nie in den Besitz des Klosters, weil Niemand ihm gegen den mächtigen Grafen beistehen wollte, der nun gar das Kloster Weltgeistlichen übergab. Diese führten ein sehr ausschweifendes Leben, verkauften die ansehnliche und kostbare Bibliothek und ließen die Klostergebäude so sehr zerfallen, daß sie zuletzt selbst nicht mehr darin wohnen konnten. Nach ihrem Abzug fielen diese Gebäude vollends in Trümmer und das Kloster ging völlig ein.

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Da erschien wahrscheinlich gegen Ende 1049[9] auf der Burg Calw Pabst Leo IX., von der Familie der Elsäßischen Grafen von Egisheim, der eine Reise durch Deutschland machte, und wurde von seinem Schwestersohn, einem jüngern Grafen Adelbert sehr ehrenvoll empfangen. Bei Besichtigung der Umgegend schien ihm diese wegen ihrer Abgeschiedenheit und ihres Reichthums an Wasser sehr geeignet für ein Kloster und sein Neffe konnte auch nicht läugnen, daß ein solches früher hier gestanden habe, durch die schlechte Aufführung der Mönche aber, wie er angab, zu Grunde gegangen sei. Die Frage des Pabstes nach den Klostergütern beantwortete er so ausweichend, daß Leo IX. merken mußte, der Untergang des Klosters habe eine andere Ursache gehabt, als die, welche der Graf ihm angab. Er ließ sich daher nach dem Orte führen, wo es gestanden hatte, erfuhr hier von einem alten Geistlichen, Berthold, den wahren Verlauf der Sache und fand beim Nachgraben in der Kirche auch die Gebeine des h. Aurelius. Nun stellte er seinem Neffen auf’s Ernstlichste vor, wie sehr sich seine Vorfahren durch die Zerstörung des Klosters versündigt hätten und wie es für ihn Gewissenspflicht sei, sich dieser Sünde nicht theilhaftig zu machen, sondern sie vielmehr durch Wiederherstellung des Klosters zu sühnen. Wenn dieß nicht geschehe, fügte er bei, müsse er ihn in den Bann thun. Adelbert versprach seinen Befehlen pünktlichen Gehorsam zu leisten, vergaß aber dieses Versprechen nach Leo’s Abreise schnell wieder. Desto besser behielt es seine fromme Gattin im Gedächtniß und brachte es durch ihre unaufhörlichen Bitten und Vorstellungen bei Adelbert endlich auch dahin, daß dieser 1059 den Wiederaufbau des Klosters begann. Die alte Klosterkirche, welche nicht einmal Säulen hatte, wurde abgebrochen und die | oben beschriebene Aureliuskirche abermals auf dem rechten Nagoldufer gebaut und am 4. Sept. 1071 vom Bischof Heinrich von Speier eingeweiht. Noch ehe dieß geschah, waren aus dem Kloster Einsiedeln der Abt Friedrich und 12 Mönche nach Hirschau gekommen (den 4. December 1066) und ihnen wurden die Benediktiner aus dem aufgehobenen Kloster Sindelfingen beigesellt. Er begleitete indeß nicht drei Jahre seine Würde, als er auf unerwiesene Anschuldigung hin im J. 1069 abgesetzt wurde.

Sein Nachfolger war Wilhelm, Prior des Klosters St. Emmeran in Regensburg, der jedoch sein Amt nicht eher antrat, als bis die Nachricht kam, Abt Friedrich sei im Kloster Lorsch gestorben (den 12. Mai 1069). Dann aber trat er, von der Calwer Gräfin Wiltrud unterstützt, so kräftig auf, daß Graf Adelbert sich nicht nur zur Herausgabe sämmtlicher früheren Klosterbesitzungen verstand, sondern dem neuen Abt auch die Vollmacht zur Verfassung der neuen Stiftungs- und Dotationsurkunde gab. Die Folge hievon war, daß diese Urkunde sehr günstig für das Kloster ausfiel. Graf Adelbert übergab nämlich in seinem, seiner Gattin und Kinder Namen dem Kloster die sämmtlichen ihm früher entrissenen Besitzungen mit all ihren Rechten, Gerechtigkeiten und Nutzungen als ewiges Eigenthum, frei von aller Unterwürfigkeit unter irgend eine weltliche Botmäßigkeit, zur alleinigen unumschränkten Verwaltung eines jeweiligen Abts, und entsagte für sich und seine Nachkommen allen Ansprüchen und Eigenthumsrechten darauf, in der Hoffnung, daß ihm dafür seine Sünden vergeben werden und daß die Mönche seiner selbst, wie seiner Familie, seiner Vorfahren und Nachkommen in ihrem Gebete täglich gedenken würden. Dem Convent wurde die freie Abtswahl, dem Abt aber die unbeschränkte Verwaltung der Klostergüter nach seinem besten Wissen und Gewissen zugesichert; wenn er aber diese Vollmacht zum Schaden des Klosters benützte und mit dem Klostereigenthum übel wirthschaftete, so sollte er, durch die Nachkommen des Grafen, unter Beistimmung und mit Hilfe des Convents, des Vogts, der Geistlichkeit und aller Kloster-Hintersassen seiner Würde entsetzt werden. Dem Abt und Convent wurde erlaubt, einen Vogt nach Belieben zu wählen, wenn sich in der Calwer Familie Niemand finde, der allein um Gottes, nicht um zeitlichen Vortheils und Lohnes willen den Schirm übernehmen wolle, dem Schutzvogt aber die Pflicht auferlegt, dreimal jährlich in den Angelegenheiten des Klosters Gericht zu halten, wofür er als Belohnung nur den dritten Theil der fallenden Strafgelder und was andere Klostervögte anzusprechen hätten, erhalten sollte. Unberufen durfte er die Klostergüter nicht besuchen, noch darin unter dem Vorwand von Amtsgeschäften übernachten, überhaupt dem Kloster keine widerrechtliche Zumuthung machen und auch keinen Untervogt anstellen. Wenn er sich nicht als getreuer Beschirmer, sondern als gewaltsamer Bedränger bewies, war das Kloster berechtigt, ihn abzusetzen.

Der Abt reiste hierauf selbst nach Rom, wo er von Pabst Gregor VII. die Bestätigung des Klosters und die Übernahme desselben in den päbstlichen | Schutz gegen die gewöhnliche Abgabe von einem goldenen Byzantiner jährlich erlangte; Graf Adelbert selbst aber ließ die neue Stiftung zu Worms am 9. October 1075 durch K. Heinrich IV. feierlich bestätigen; nachdem er zuvor dem Kloster am 14. September 1075 seine Güter in Gegenwart verschiedener Grafen und Herren übergeben hatte. Für einen ihm vom Kloster überlassenen Hof zu Laufen schenkte er demselben auch noch die Kirche zu Malsch, Güter in Weil der Stadt und den benachbarten, jetzt abgegangenen zwei Weilern Greckenbach und Blanden, in Botnang, Dambach (gleichfalls abgegangen), Feuerbach und Walheim, etwas später auch noch in Schöllbronn. Zuletzt ließ sich Adelbert selbst als Mönch einkleiden († 1099). Sobald nun das Kloster auf solche Weise seine Selbstständigkeit erlangt hatte, schritt Abt Wilhelm unverweilt zur Ausführung seiner Plane und führte auf den Rath des päpstlichen Legaten Abt Bernhards von Marseille, welcher sich 1077 ein ganzes Jahr lang bei ihm aufhielt, eine Klosterordnung ein (Herrgott vetus disciplina monast. S. 371 ff., im Auszug bei Cleß Versuch 2, 40 ff.), in welcher er die Benediktinerregel von Clugny den besonderen Bedürfnissen Hirschau’s und der schwäbischen Benediktinerklöster überhaupt anpaßte, und führte zuerst auch in Deutschland das Institut der Laienbrüder (Conversi) oder Bärtlinge (Barbati) ein, einer Art Halbmönche, welche ihren eigenen Meister und ihre Statuten hatten, als Knechte und Taglöhner, wie als Handwerker jeder Art dem Kloster Dienste thaten und zum Theil auch zu seinen Kunstarbeiten verwendet wurden. An sie schloßen sich die sogenannten Geschenkten (Donati, Oblati) an, Leute von beiderlei Geschlecht, welche zwar ihre weltliche Kleidung forttrugen und nicht im Kloster wohnten, sich aber ganz dem Dienste desselben widmeten und vornehmlich solche Arbeiten übernahmen, die man auch den Laienbrüdern nicht gerne überließ, weil sie dadurch zu viel unter die Weltleute gekommen wären. Sie hatten ebenfalls ihren besondern Meister und Speisesaal, ihren Namen aber daher, daß sie sich freiwillig dem Kloster hingaben. Mit ihrer und der Laienbrüder Hilfe vornehmlich, zugleich von Adlichen und Reichen, besonders von Judith, der Wittwe des Markgrafen Hermann von Baden, unterstützt, begann Abt Wilhelm auf einer Anhöhe am westlichen Ufer der Nagold 1083 den Neubau des Klosters, den nicht nur die Zahl der Bewohner desselben (150 Mönche und 60 Laienbrüder und neben ihnen noch 50 Geschenkte), sondern auch die niedere, häufigen Überschwemmungen ausgesetzte Lage des bisherigen Klostergebäudes nöthig machte. Er erlebte auch noch die Einweihung der neuen, den Aposteln Petrus und Paulus geweihten Klosterkirche (den 2. Mai 1091), starb aber, noch ehe die Klösterlinge aus dem alten Kloster, in welchem nur ein Prior mit 12 Mönchen zurückblieb, in’s neue einzogen. Wilhelm war einer der ausgezeichnetsten Männer seiner Zeit, angesehen nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland, die treueste und festeste Stütze des päbstlichen Stuhls in Schwaben, weßwegen | er freilich auch von K. Heinrich IV. und seinen Anhängern, wie von Bischof Werner von Straßburg im J. 1077 (Pertz Mon. 14, 222), manches zu leiden hatte, dagegen dem Gegenkönige Rudolf, welcher allhier Pfingsten 1077 feierte, Güterschenkungen verdankte (Cod. Hirs. 26a). Er hatte ein ehrfurchtgebietendes Äußeres, eine starke Stimme und eine hinreißende Beredsamkeit, war ein Freund und gelehrter Kenner der Wissenschaften und Künste, namentlich der Mathematik, Sternkunde, Musik und Baukunst. Um die Philosophie und Sternkunde machte er sich als Schriftsteller verdient. Ein großer Bücherfreund, richtete er in Hirschau eine Schreibschule vortrefflich ein. Um die Verbesserung des Ordens in Deutschland und des in tiefen Verfall gerathenen Klosterlebens erwarb er sich große Verdienste. Durch ihn war überhaupt unter den Klöstern, welche ganz angeschlossen an Clugny die dortige Zucht auf Veranstalten P. Gregors VII. zur Herrschaft bringen sollten, für nah und fern das Kloster Hirschau der stärkste tonangebende Vorposten. Der Clugnysch-Hirschauische Orden verbreitete sich nach allen Seiten; Hirschauer Mönche kamen nach Reichenbach an der Murg und St. Georgen an der Donauquelle, nach Schaffhausen am Rhein, Petershausen und Pfeffers, nach Weilheim (später nach St. Peter bei Freiburg im Breisgau verlegt), Zwiefalten, Lorch, Blaubeuren und Isny, Wiblingen und Ochsenhausen, nach Comburg in Franken, nach Fischbachau, Scheiern, Prüfling und Ensdorf in Bayern, nach dem Petersberg bei Erfurt, Reinhartsbrunn, Gosek, Hasungen und Magdeburg, nach Admunt in Steiermark, St. Paul in Kärnthen. Ein Erzbischof (Thiemo von Salzburg), mehrere Bischöfe und eine Menge Äbte gingen unter ihm oder bald darauf aus dem Kloster hervor. Er starb nach den sichersten Berichten am 5. (nach andern am 4.) Juli 1091 (Pertz Mon. 14, 221. Anm.) Sein Nachfolger war Gebhard, aus dem Geschlecht der Grafen von Urach, der das durch ihn 1092 vollendete neue Kloster bezog, von P. Urban II. die Bestätigung der früheren Bulle Gregors VII., des Besitzes der Priorate Reichenbach (an der Murg) und Fischbachau (östlich vom Schliersee), auch verschiedener, die Abtswahl, den Eintritt in’s Kloster, die Geschenkten u. s. w. betreffenden Privilegien erhielt (den 8. März 1095 und 1099). Schirmvogt des Klosters sollte allein der Kaiser sein[10], dem Abt und Convent aber freistehen, ein hiezu tüchtiges Mitglied des Calwer Grafengeschlechts zum Untervogt zu wählen. Noch am 8. Juli 1215 und im Januar 1223 versprach auch K. Friedrich II., die schon von seinen Vorgängern bekleidete Schutzvogtei des Klosters nie vom Reiche zu veräußern oder als Lehen zu vergeben. Auch an Wohlthätern, welche das Kloster mit mehr oder minder reichlichen Schenkungen bedachten, von denen freilich entferntere und zerstreutliegende demselben öfters bald wieder entrissen wurden, fehlte es nicht und so gedieh Hirschau fortwährend. Seine Vorsteher waren meist tüchtige, | für das Wohl des Klosters eifrig besorgte Männer. Erst im 13. Jahrh. aber, als sorglose und schwache Äbte zur Regierung kamen, begann die Klosterzucht zu zerfallen und der Wohlstand abzunehmen; Verpfändungen und Verkäufe wegen „schwerer Noth und großer Schulden“ wurden immer häufiger. Einzelne tüchtige Äbte, wie Kraft und Gotfried I., vermochten weder den zerrütteten Finanzzustand noch die verfallene Klosterzucht gründlich zu verbessern. Der Abt Heinrich II. wurde 1324 wegen übermäßiger Verschwendung abgesetzt und als auf ihn wieder einige haushälterische Äbte folgten, traten ihnen in ihren Versuchen, den Wohlstand des Klosters herzustellen, die Zeitumstände hindernd in den Weg. Die Schutzvogtei des Klosters nämlich war von den Grafen von Calw auf die Pfalzgrafen von Tübingen, von diesen 1342 auf die Grafen von Württemberg übergegangen, deren mächtiger Schutz dem Kloster zwar auf mancherlei Weise nützte, bei deren vielen Fehden es aber, namentlich bei dem langwierigen Kampf Württembergs mit den Reichsstädten, auch vieles zu leiden hatte. Konnte das Kloster Hirschau noch am 6. März 1349 sich die Burg und Stadt Calw von den Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg für 6900 Pf. Heller verpfänden lassen, so verschlimmerte sich dagegen am Ende des 14. Jahrh. sein öconomischer Zustand so sehr, daß man zum äußersten Mittel schreiten und eine Anzahl Mönche in befreundete Klöster schicken mußte. Hiezu kam dann auch noch der Umstand, daß die frühere Freigebigkeit gegen die Klöster sehr abgenommen hatte, weßwegen man sich nun durch die Bitten um Incorporationen von Kirchen, deren Patronat das Kloster besaß, beim päbstlichen Hofe zu helfen suchte, indem hiedurch die Einkünfte dieser Kirchen, nach Abzug eines geringen Gehalts für den aufzustellenden Vikar, dem Kloster zu Nutze kamen. Solche Incorporationen kommen daher auch im 14. und 15. Jahrh. häufig vor und als Beweggrund dazu wird gewöhnlich der Nothstand des Klosters angegeben, das so herabgekommen sei, daß es die nöthigen Ausgaben nicht mehr bestreiten, viel weniger noch die gewohnte Hospitalität und Mildthätigkeit gegen die Armen ausüben könne. Die dabei angeführten Ursachen dieses Nothstandes aber sind am häufigsten die durch Kriege zugefügten Verheerungen und sonstige Unglücksfälle, aber auch die durch weltliche Herren an den Klostergütern erpreßten Steuern und Abgaben und „die Unklugheit oder Sorglosigkeit einiger Äbte.“ An päbstlichen und königlichen Privilegienbriefen aber fehlte es auch in diesen späten Zeiten nicht. Pabst Innocenz IV. versprach den 7. März 1250 dem Kloster, daß es durch päbstliche Briefe nicht gezwungen werden sollte, an irgend Jemand eine geistliche Pfründe zu ertheilen, Pabst Nicolaus III. bestätigte nicht nur seine Freiheiten, sondern erlaubte ihm auch, sich der Privilegien seines Ordens, von welchen es bisher keinen Gebrauch gemacht habe, zu bedienen, sobald dieselben nicht ausdrücklich wieder aufgehoben worden seien (den 20. December 1278, 13. Juni 1280); die Befreiung von allen weltlichen Abgaben aber erlangte es von mehr als einem Pabste | (von Clemens V. den 14. Febr. 1314, Clemens VI. den 18. März 1347, den 14. Febr. 1351, Innocenz VI. den 24. Nov. 1355, 19. Okt. 1372, Urban VI. 1381, Bonifaz IX. den 11. Jan. 1396 und Alexander VI. den 8. Juli 1499). König Adolph (den 1. April 1293) und Kaiser Ludwig der Bayer (den 19. April 1341) bestätigten dem Kloster die ihm früher (1215 und 1223) ertheilte Zusicherung K. Friedrichs II., und König Wenzlaw (den 1. Juli 1398) überhaupt alle und jede Privilegien, Briefe und Handfesten, welche es von römischen Kaisern und Königen erhalten habe.

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Mit dem Verfall des Wohlstandes aber ging der Verfall der Klosterzucht Hand in Hand und zwar nicht nur in Hirschau, sondern auch in andern Benediktinerklöstern, weßwegen auch von vielen Seiten her ernstlich auf eine Reformation dieses Ordens gedrungen und eine solche mehr als einmal versucht wurde. Abt Friedrich II., 1400–1428, war eifrig hierauf bedacht, aber das hartnäckige Widerstreben der Mönche vereitelte seinen ersten Versuch. Nun ging er auch zur Kirchenversammlung in Costnitz. Hier bestätigte K. Sigmund dem Kloster am 15. Febr. 1415 alle seine Privilegien, Freiheiten, Rechte und Briefe von geistlichen und weltlichen Herren, seine Herrschaften und Besitzungen und befahl den Vögten seiner Güter, dieselben nicht über das alte Vogtrecht und Herkommen zu beschweren, da die Vogteien von ihm und dem Reich zu Lehen rührten. Auch Pabst Martin V. nahm das Kloster in seinen Schutz und bestätigte die Privilegien desselben zu Constanz den 28. Jan. 1418, dem Abt selbst aber erlaubte er den Gebrauch der Bischofsmütze, des Rings und anderer bischöflichen Kleidung und die Ertheilung des Segens in den Kirchen des Klosters den 9. Mai 1418. Manchfacher Entartung der Klosterzucht steuerte im J. 1457 die – hier etwas früher als in andern benachbarten Benediktinerklöstern – eingeführte Bursfelder Observanz; solche setzte durch, mancher sich kundgebender Widerspenstigkeit zum Trotz, der thatkräftige Abt Wolf Maiser. Derselbe besuchte 1431 und 1435 die Kirchenversammlung zu Basel und führte mehrere Gebäude, namentlich die Abtswohnung am Klosterthor auf. Ihm bestätigte K. Friedrich IV. den 17. September 1442 die Privilegien, Rechte und Freiheiten des Klosters. Noch größere Verdienste um Hirschau als er erwarb sich sein Nachfolger, Abt Bernhard (1460–1482), indem er das Kloster im Geistlichen und Weltlichen wieder sehr in Aufnahme brachte und daher auch den Beinamen des zweiten Stifters desselben erhielt. Er tilgte in kurzer Zeit eine Schuld von 12.000 fl., welche theilweise aus längst vergangenen Zeiten herrührte, vermehrte die Klostereinkünfte, that den Armen viel Gutes, kaufte neue Güter an, ließ einen silbernen Abtsstab und verschiedene Kirchenzierrathen verfertigen und die Sakristei, das Krankenhaus, ein Sommer- und Winter-Refektorium u. s. w. bauen. Beim Grafen Eberhard im Bart, welcher am 12. Juni 1464 für 1500 fl. das Kloster von Gastung und Jägeratz befreite, und bei dessen Mutter Mechtild stand er sehr in Gunst und Ansehen; letztere machte noch vor ihrem Tode | (1482) dem Kloster kostbare Geschenke. Auch die Reformation von acht Klöstern wurde dem Abt übertragen. Ihm strebte sein Nachfolger Blasius (1482–1503) nach, der auf Bauten und Kirchenzierrathen 24.000 fl. verwendete, zwei Weiher im Conventsgarten und einen beim Krankenhaus anlegte, den Kreuzgang vollendete, die Kirche ausbesserte und schmückte, neue Erwerbungen machte, von Pabst Innocenz VIII. den 14. Febr. 1491 die Erlaubniß zur Einziehung des Novalzehentens in Pfarreien, wo das Kloster schon den großen Zehnten besaß, und von K. Maximilian I. den 25. März 1495 die Bestätigung der Privilegien des Klosters, den 3. Juni 1495 die Erneurung des Asylrechts auf der Straße zwischen dem alten und neuen Kloster und der zwischen beiden gelegenen Klostertafern (dem jetzigen Gasthof zum Lamm und Hirsch) erlangte. Der päbstliche Legat, Bischof Raimund von Gurk, ertheilte 1501 dem Abt für sich und das ganze Kloster vollkommenen Ablaß und, zum Dank für die gastliche Aufnahme, welche er darin gefunden hatte, den 17. Febr. 1502 den Mönchen noch die Erlaubniß, während der geschlossenen Zeiten, die Charwoche allein ausgenommen, Fleisch, Butter und Milchspeisen genießen zu dürfen. Dennoch klagten seine Untergebenen über Blasius und brachten es 1496 dahin, daß er ein Jahr lang von seinem Amte suspendirt wurde. Im April 1493 wurde in Hirschau ein Provincialkapitel des Benediktinerordens gehalten und 1502 hielt sich Elisabeth, die Gemahlin des Grafen Eberhard des Jüngern, 6 Monate lang im Kloster auf, weil zu Nürtingen, wo sie gewöhnlich wohnte, die Pest wüthete. Im J. 1519 unterwarf sich Hirschau dem schwäbischen Bund, am 25. April 1525 wurde es von den aufrührerischen Bauern erstürmt, welche Wein, Frucht, Hausgeräthe und andere fahrende Habe fortschleppten, das Vieh wegtrieben und „dermaßen Haus hielten, daß sie dem Kloster einen Schaden von 16.000 fl. zufügten.“ Als 1534 Herzog Ulrich zur Wiedereroberung seines Erbfürstenthums heranzog, floh der Abt Johann III. nach Pforzheim, entschuldigte sich aber nachher beim Herzog und bat, der Herzog möchte das Kloster in gnädige Huld aufnehmen und ihm einen Schutzbrief verleihen, was er „als sein armer Kaplan jederzeit zu verdienen beflissen sein werde.“ Zu Anfang des Jahrs 1535 aber sendete der Herzog den Theodor Raismann als „Lesemeister“ in das Kloster, um dem Convent die evangelische Lehre zu verkündigen und besonders die Novizen in der heiligen Schrift zu unterrichten. Dieser gerieth mit dem Abt bald in Streit, verglich sich jedoch mit ihm (den 5. März 1535) und versprach, sich nicht in die Angelegenheiten des Klosters zu mischen, sondern nur Gottes Wort zu predigen. Bei einem Theil der Conventualen fand der Lesemeister auch vielen Beifall, die meisten verließen das Kloster, theils mit einer Abfindungssumme, theils mit Leibgedingen versehen[11]. Der Abt selbst, der 50 Goldgulden jährlich empfieng, durfte | im Kloster bleiben, mußte aber am 10. October 1535 einen Revers ausstellen, daß er dessen Einkommen getreulich verwalten und alljährlich Rechnung darüber ablegen wolle, auch sollte er keinen Novizen mehr annehmen, die vorhandenen aber wurden, mit Kleidern versehen, nach Hause geschickt. Im J. 1542 kamen die Stipendiaten und die philosophische Facultät, weil in Tübingen die Pest hauste, nach Hirschau, wo sie bis zur Charwoche 1543 blieben. Nach der Einführung des Interims wurde Abt Johann III. wieder völlig in seine Würde eingesetzt, doch erst nachdem er in die ihm vorgelegten Bedingungen, sein und der Klosterhintersassen Verhältniß zu Württemberg, seine Pflichten als Rath und Landtagsmitglied, die Abtswahl u. s. w. betreffend, gewilligt hatte. Er rief nun auch die frühern Mönche zurück, von denen aber nur sehr wenige wieder kamen, so daß es dem Herzog Christoph um so weniger schwierig wurde, auch in Hirschau eine Klosterschule zu gründen (1556); kurz nachher, den 13. Dec. 1556, starb Abt Johann III. Sein Nachfolger war der bisherige Prior, Ludwig Velderer, welcher sich aber 1558 gefallen lassen mußte, daß man ihm in dem Dekan zu Calw, Heinrich Weickersreuter, einen evangelischen Koadjutor gab, welcher auch nach Velderers Tode (den 8. August 1560) der erste evangelische Abt wurde. Das Restitutionsedict vom 6. Mai 1629 verschaffte dem Benediktinerorden auch den Besitz des Klosters Hirschau wieder; der evangelische Abt Albrecht Bauhof mußte abziehen und an seine Stelle kam Andreas Geist, Prior in Weingarten, welcher den 17. Decbr. 1630 die Klosterunterthanen huldigen ließ, im J. 1632 zwar mit seinen Mönchen fliehen mußte, nach der Schlacht bei Nördlingen, auf welche hin der evangelische Abt am 21. Sept. 1634 zur Flucht gezwungen wurde, wieder zurückkehrte und am 28. April 1637 in Hirschau starb. Sein Nachfolger Wunibald Zürcher (aus einer patricischen Familie in Bludenz) erwies sich sehr feindselig gegen Württemberg und entfloh endlich, da er das Kloster dem Herzog wieder übergeben mußte, mit den Lagerbüchern und Urkunden, deren Haupttheil er im Kloster Weingarten barg, in die Gegend seiner Heimath, in das Kloster Weingarten’sche Schloß Blumeneck. Jetzt wurde Hirschau wieder der Sitz eines evangelischen Abts und einer Klosterschule, bis der französische General Melac am 20. (30.) September 1692 zugleich mit der Stadt Calw das Kloster verbrannte, worauf die Klosterzöglinge in andere Klöster vertheilt wurden, bis statt Hirschau’s im J. 1713 Kloster Denkendorf zur Schule neu eingerichtet wurde.

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Die Reihe der Äbte seit der Wiederherstellung des Klosters im 11. Jahrhundert[12] ist folgende: Friedrich 1066–1069, Wilhelm 1069–1091, | Gebhard (ein Graf von Urach) 1091–1105 (nachher Bischof von Speier † 1110), Bruno (ein Herr von Württemberg-Beutelsbach) 1105–1120, Volmar 1120–1157, Hartwig 1157 † 1157, Mangold 1157–1165, Ruprecht 1165, resignirt 1176, Konrad (ein Graf von Kirchberg) 1176 bis 1188, Heinrich 1188–1196, Markward 1196–1205, Luitfried 1205–1216, Eberhard 1216–1231[13], Regimbodo 1234, Diemo 1240–1241, H. (Heinrich) 1255, Berthold 1258, Heinrich 1260 ff., Volland 1269. 1270, Kraft 1275–1281, Volland 1284. 1286 (Mone Zeitschrift 3, 440. 442. 4, 99), Gottfried 1294–1298, Konrad 1307 (Gerbert Hist. nigr. silv. 3, 250), Simon 1310, Heinrich 1317 (Reg. Boic. 5, 370) bis 1320 (wurde abgesetzt, Besold 562), Simon 1324–1333, Wighard 1337, Simon 1341, Wighard 1341–1359, Gotfried 1368–1376, Wighard 1381–1401, Friedrich 1403–1428, Wolf Maiser 1428–1460, Bernhard 1460–1482, Georg 1482–1484, Blasius 1484–1503, Johann 1503 bis 1524, Johann 1524–1556, Ludwig Veldener 1556–1560.

Die Reihe der evangelischen Äbte, in den Jahren 1630–1633 und 1634–1648 durch ein katholisches Interregnum unterbrochen, eröffnet sich im J. 1560, wie bereits erzählt, mit Heinrich Weickersreuter und schloß nach Aufhebung des Kirchenguts mit Aug. Friedr. Böck († 1815) im Jahr 1807 (Sattler Topogr. 579, Christmann 269 ff., Steck 171). Der Sitz des Abtes war in Hirschau selbst nicht mehr seit seiner Zerstörung im Jahr 1692.

Was die Pflege gelehrter Arbeiten in Hirschau betrifft, so hat eine stattliche Reihe theologischer Schriftsteller unter seinen Mönchen geblüht (Lessing Werke 5, 248–254, Ausg. v. 1855); die besonderen Verdienste des berühmten Abts Wilhelm († 1091) um die Wissenschaft und dessen Eifer für das Bücherabschreiben haben wir bereits erwähnt; in Hirschau selbst wurde bald nach seinem Tode sein Leben Stoff zu einer legendenartigen Beschreibung desselben, welche den dortigen Prior Haymo zum Verfasser hat (Ausg. in Pertz Mon. 14, 211–225). Wilhelms nächste Nachfolger bemühten sich noch um Vermehrung des Büchervorraths (Wirt. Jahrbücher Jahrg. 1837, 369), allein mit der sinkenden Klosterzucht erlosch auch die Liebe zu den Wissenschaften und zu den Büchern. Zu Ende des 15. Jahrh., zu welcher Zeit (1495) auf Bitte des Hirschauer Abtes Blasius der damalige Spanheimer Abt Trithemius seine Hirschauer Chronik begann, | erhob sich das Kloster wieder bedeutend; in dieser Zeit lieferte es in seinem Mönche Nicol. Baselius aus Dürkheim am Hardgebirge auch wieder einen Schriftsteller, doch hat der Verfasser seine Chronik, welche einen Anhang der Nauclerischen bildet und die Jahre 1501–1513 begreift, aus dem Werke seines Lehrers Trithemius fast ganz wörtlich entnommen.

Unter den protestantischen Äbten, so lang diese noch hier wohnten, machte sich der zweite, Joh. Parsimonius (Karg) 1569 † 1588, durch seine Sammlungen um die Geschichte seines Klosters verdient (Hdschr. der k. öff. Bibl. in Stuttg. hist. Q. nr. 198, Lessing a. a. O. 5, 242–255, vgl. auch Steck 21).

Das neue Emporblühen Hirschau’s durch den Abt Wilhelm fällt in eine Zeit, welche den Klöstern für große Gütererwerbungen besonders günstig war, und so wurden die Besitzungen des Klosters Hirschau, deren Bestand bis gegen Ende des 12. Jahrh. herab der Cod. Hirsaug. aufführt, besonders ausgedehnt. In entfernten Gegenden gehörten dahin in seiner Blüthezeit die Priorate Fischbachau in Bayern, Schönrain am Main, Mönchsroth im Ries (Materialien zur Oetting. Gesch. 4, 171. 5, 403, Trithemius Annal. Hirsaug. 2, 534), die Probstei Alspach im Elsaß, eine unter dem Abt Bruno † 1120 gestiftete Colonie Hirschau’s, deren Mönche späterhin nach Hirschau verpflanzt wurden. Es hatte mehrere Höfe bei Straßburg, Kaisersberg, Weinberge bei Bingen und bei Meckenheim (an der Hard), Besitzungen überhaupt an verschiedenen Punkten des jetzigen badischen Ober- und Unterlandes[14], von den ansehnlichen im nahegelegen Pforzheim nicht zu reden (s. eine Aufzählung von vielen Gütern in Stälin Wirt. Gesch. 2, 694–696). Seine Hauptgüter und Rechte bestanden natürlich auf dem jetzigen Wirtembergischen Boden, wo von ihm auch das Priorat Reichenbach abhängig war. Unter seine verschiedene Besitzthümer gehörten manche Kirchensätze, welche es sich einverleiben ließ; das letztere geschah 1399 mit der Kirche zu Pletzschenau, Ditzingen und Döffingen in und nach der Mitte des 14. Jahrh. mit der zu Calw, in der Altstadt Pforzheim, zu Weil der Stadt und Gültstein (O.A. Herrenberg); am 4. Mai 1468 erhielt es durch die Erzherzogin Mechtild, Mutter Graf Eberhards im Bart von Württemberg, die Kirche und das Patronatrecht in Böblingen geschenkt (Eb. 3, 494) und ließ auch diese Kirche sich bald darauf incorporiren. An Veräußerungen und sehr großen Güterverlusten überhaupt fehlte es freilich auch nicht; beispielshalber kam durch Tausch hinweg am Ende des 11. Jahrh. das Priorat Weilheim, als solches nach St. Peter bei Freiburg verlegt wurde, gegen Entschädigung durch Güter in Gültstein; im J. 1319 wurde Schönrain am Main mit ein Paar zugehörigen Dörfern an Ludwig von Rieneck | für 1000 Pfund Heller verkauft (Gudenus Cod. dipl. 5, 347), in protestantischer Zeit im J. 1565 der Hof bei Pforzheim und der nahe gelegene Wald Maurach an den Markgrafen Carl von Baden. Gleichwohl überkam Württemberg durch die Reformation hier ein stattliches Klosteramt[15], welches noch im vorigen Jahrhundert die Pflegen Gültstein, Ditzingen, Hessigheim, Friolzheim, Weilderstadt, Neckarthailfingen, Eberdingen hatte, sehr ausgedehnte Waldungen (Steck 240) besaß und außer den, I, 5 aufgeführten Theilen des jetzigen Oberamts Calw auch die Orte Friolzheim und Schaffhausen (ersteres im J. 1461 und letzteres im J. 1468 erkauft) begriff.

In der württembergischen Hausgeschichte ist Hirschau dadurch denkwürdig, daß Herzog Wilhelm Ludwig von Württemberg, allhier sich der Sauerbronnenkur bedienend, erst dreißigjährig am 23. Juni 1677 verschied.

Bedeutende Thalüberschwemmungen durch die Nagold sind unter den Jahren 1461 (Trithemius Annal. 2, 445), 1500 am 1. Juni (eb. 2, 581) und 1824 angemerkt, ein großer Waldbrand unter dem J. 1473 (Wirt. Jahrb. 1852a, 164).


  1. Literatur: Franz Steck, † Stadtpfarrer in Murrhard (früher Pfarrer in Hirschau) das Kloster Hirsau, historisch-topographisch beschrieben. Calw, 1844 Verlag von Rivinius. 8.
  2. Der Name wird theils von Hirse abgeleitet, also eine zum Hirsenbau bestimmte Au (wie schon im Mittelalter Hirsaugienses durch Milienses übersetzt worden, Cod. Laur. 1, 225, vgl. auch Förstemann altdeutsches Namenbuch 2, 740), theils von Hirsch, eine von Hirschen besuchte Au; auf letztere Deutung stützt sich das Klosterwappen, ein Hirsch einen Abtsstab zwischen den Vorderfüßen haltend.
  3. Nach Krieg von Hochfelden in Mone Anzeiger 1835, 103 ff., wo auch, 259–261, die oben folgende Peterskirche beschrieben wird und Abbildungen beigegeben sind.
  4. Ansicht des Klosters und seiner Umgebung im Zustand vor seiner Niederbrennung im J. 1692 auf der kgl. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart Cod. hist. fol. Nr. 281, im Schwäbischen Taschenbuch 1820 zu S XLI. und bei Steck a. a. O. zu S. 17.
  5. Nicht umgekehrt, die Holzschnitte der Biblia Pauperum nach diesen Fenstern. Letzteres war die Ansicht von Lessing, Werke 9, 222–228. Ausg. v. 1855.
  6. Steck 290. Nach Walch Beschreibung des Bades bei Liebenzell von 1686 S. 22 hätte erst Herzog Friedrich 1595 das fürstliche Lust- und Jagdhaus „mit schönen Zimmern und einem lustigen, durch Schraufwerck gehängten Tanzsaal bauen lassen“. Vielleicht, daß dieser Herzog den Bau vollendete.
  7. Quellen: Codex Hirsaugiensis, mit der Erwerbung Kl. Weingartens an Württemberg zurückgekommen, jetzt im Stuttgarter Staatsarchiv, Ausgabe Stuttgardiae 1843 (in der Bibliothek des literarischen Vereins Bd. 1). Trithemius († 1516 als Abt zu St. Jakob in Wirzburg) Chronicon Hirsaugiense Basil. 1559 fol. und Annales Hirsaugienses 1. 2. Typ. monast. S. Galli 1690, in welch letzterem Werke das Chronicon erweitert und überarbeitet und bis 1513 herabgeführt ist. (Diese Arbeiten des Trithemius sind übrigens zugleich allgemeine Geschichten.) Urkunden bei Besold Docum. 513–633. Nach der Ankunft Weingartens an Württemberg im J. 1806 kamen aus dem dortigen Klosterarchiv Hirschauer Urkunden, welche im 30jährigen Krieg nach Weingarten geflüchtet worden waren, an das K. Staatsarchiv. Neuere Hilfsmittel: Christn. Daniel Christmann, Gesch. des Kl. Hirschau. Tüb. 1782. Steck (s. ob.).
  8. So gewiss der folgenden sog. dritten Stiftung eine frühere voranging, so muß freilich über die Richtigkeit obiger Einzelnheiten bei der sog. zweiten Gründung vieles dahin gestellt bleiben, da außer dem Erlefredus quidam nobilis senator et religiosus et Notingus filius ejus Uercellensis episcopus ... tempore Ludowici pii regis und der Benennung der Stiftungsgüter, was Alles in der Urkunde K. Heinrichs IV. vom 9. Oct. 1075 steht, und außer der kurzen Nachricht in dem um einige Jahrhunderte jüngern Codex Hirsaug., alle übrigen oben erzählten Nebenumstände sich bei keinem älteren Schriftsteller, als bei Trithemius finden, von welch letzterem man weiß, wie bei ihm in älteren Zeiten die fehlenden Geschichtsdaten durch Dichtungen ersetzt sind und wie er auch in den Perioden, aus welchen wirkliche Klosterurkunden benützt werden konnten, schon in der Äbtereihe mit diesen Urkunden mehrmals im Widerspruch steht.
  9. Das Jahr 1050 bei Trithemius muß unrichtig sein; denn in diesem Jahr kam Pabst Leo IX. gar nicht in das jetzige Deutschland. Auch irrt dieser Schriftsteller, wenn er den Pabst von Hirschau aus auf das Mainzer Concil kommen läßt; dieses Concil fand im October 1049 statt und Pabst Leo reiste dahin von Rheims und Verdun. Kurze Aufenthalte des Pabstes in Schwaben sind aus dem Ende des Jahres 1049 und den Jahren 1051, 1052 und 1053 bekannt. Den Besuch des Pabstes bei seinem Schwestersohn, Graf Adelbert, und sein Andringen auf Wiederherstellung des Klosters Hirschau erwähnt auch, übrigens ohne genauere Zeitbestimmung, Annalista Saxo bei Pertz Mon. 8, 687.
  10. Noch 1277 und [...] war Graf Albrecht von Hohenberg, als königlicher Landvogt in Schwaben, Klostervogt.
  11. Die Reliquien des hl. Aurelius kamen durch die Reformation als Geschenk Herzog Ulrichs an den Grafen Wilhelm Werner und in dessen Schloß Herrenzimmern, von da 1594 an dessen Tochtermann Graf Eitelfritz von Zollern nach Hechingen, 1690 als Geschenk des Fürsten Friedrich Wilhelm von Zollern nach Zwiefalten, wo sie blieben.
  12. Auch für die Zeit von 838–1001 hat Trithemius eine Äbtereihe mit den Jahren der Einsetzung und des Abtretens, als den ersten Lindebert 838–853. Die auch noch in späterer Zeit verdächtige Genauigkeit seiner Angaben läßt sich indeß durch nichts erhärten. Der Cod. Hirsaug. geht auf keine ältere Äbte als obigen Friedrich zurück.
  13. Die späteren Äbte bis zum Schluß des 14. Jahrhunderts heißen bei Trithemius und in einem späteren Zusatz zum Cod. Hirsaug. also: Ernst 1231–1245, Volpold 1245–1265, Johann 1265–1276, Volland 1276–1280, Kraft 1280 † 1293, Gotfried 1293–1300, Heinrich 1300–1317, Sigmund 1317–1341, Wighard 1341–1354, Wighard 1354–1359, Wigand 1359–1380, Gotfried 1380–1389, Wighard 1389–1400. Hiemit stimmen aber die Urkunden nicht. Im obigen Texte gaben wir von Regimbodo an die Äbte des 13. und 14. Jahrhunderts, welche – zum Theil freilich sehr vereinzelt – unter den beigesetzten Jahren in Urkunden vorkommen. (Bei Christmann 309 ist 1309 Druckfehler statt 1319.)
  14. Ein Hirschauer Weisthum für Bauerbach (bad. Amt Bretten), einen im J. 1511 an das Domstift Speyer verkauften Ort, s. bei Grimm Weisthümer 1, 403–406.
  15. Der Oberamtmann, zugleich Klosterverwalter, hatte die niedergeistliche Obrigkeit. Für fünf Stabsorte bestund das Hirschauer Bruckengericht. Steck 9.
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