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Beschreibung des Oberamts Calw/Kapitel B 21

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Möttlingen,
Gemeinde III. Kl., Pfarrdorf mit dem Bühlhof, 601 Einw., wor. 5 Kath. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Weil d. Stadt, O.A. Leonberg, eingepfarrt.


Am Fuß des sogen. Hundsrückens liegt 2 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt der nicht große, ziemlich regelmäßig angelegte Ort, an dessen westlicher Seite ein freundliches, flach hinziehendes Wiesenthälchen beginnt, das von einem klaren Bach, der Maisgraben, weiter unten der Monbach genannt, durchzogen wird. Gegen Süden | von dem Hundsrücken und gegen Nordosten von dem sogen. Köpfle etwas geschützt, hat der Ort gegen Norden und Westen eine offene, etwas rauhe, übrigens gesunde Lage. Die ziemlich gedrängt an einander gebauten Gebäude sind aus Holz aufgeführt und meist mit steinernen Unterstöcken versehen; sie haben im Allgemeinen ein freundliches Aussehen und tragen das entschiedene Gepräge ächter Ländlichkeit. Mit gutem, jedoch etwas hartem Trinkwasser, das zwei laufende und 3 Pumpbrunnen liefern, ist der Ort hinreichend versehen; auf den Fall der Feuersgefahr ist ein gewölbter Wasserbehälter vorhanden, der von dem Abwasser eines laufenden Brunnens gespeist wird. Am östlichen Ende des Dorfs bilden die Pfarrkirche, das Pfarrhaus, das Schul- und Rathhaus eine freundliche Gruppe, welche dem Ort, von der Südseite gesehen, etwas Malerisches verleiht.

Die mit dem Begräbnißplatz umgebene Pfarrkirche, welche von der Stiftungspflege unterhalten werden muß, ist im Jahr 1749 in einem einfachen Styl neu erbaut worden, während der im germanischen Styl erbaute Chor noch von der früheren Kirche geblieben ist. An der Ostseite steht der in seinen unteren Theilen viereckige, gegen oben in ein Achteck übergehende Thurm, der mit einem spitzen Zeltdach gedeckt ist und im Ganzen ein freundliches Aussehen hat. Das Innere des Langhauses enthält außer einem alten Taufstein nichts Bemerkenswerthes und ist sowohl an der flachgetäfelten Decke, wie an der Kanzel und den Emporenbrüstungen geschmacklos bemalt; von dem Langhaus führt ein Triumphbogen, an dem noch Reste des romanischen Baustyls sichtbar sind, in den im germanischen Styl schön ausgeführten Chor, dessen kunstreiches Netzgewölbe auf den Schlußsteinen noch alte, gut ausgeführte Malereien enthält und zwar in der Richtung von Westen nach Osten 1) einen schwarzen Adler im blauen Felde, 2) das württembergische Wappen, 3) ein Wappenschild mit dem Abtsstab und zwei schräggekreuzten Balken und 4) die Mutter Gottes mit dem Jesuskinde. Im Chor stehen gut geschnittene Chorstühle, die aber in neuerer Zeit theilweise angestrichen wurden. Auf dem Chorboden liegt eine Grabplatte von 1487.

Das gut erhaltene, angenehm gelegene Pfarrhaus ist Eigenthum des Staats, der es auch im Bau zu unterhalten hat.

Das im Jahr 1835 namhaft vergrößerte Rathhaus enthält außer den Gelassen für den Gemeinderath ein schönes Schulzimmer und die Wohnung des Schulmeisters.

Neben einem im Jahr 1840 erbauten Gemeindebackhaus bestehen noch mehrere Privatwaschhäuser, die viel benützt werden. Ein Armenhaus, | in dessen unteren Räumen ein Schafstall eingerichtet ist, steht beinahe mitten im Ort.

Die im Allgemeinen geordneten Einwohner sind wohlgewachsene, sehr fleißige, kirchlich gesinnte Leute, die ihren Haupterwerb im Feldbau und in der Viehzucht finden; ihre Vermögensumstände sind ziemlich gut, indem die Mittelbegüterten die Mehrzahl bilden. Der mittlere Güterbesitz beträgt 16–20 und der höchste 25–30 Morgen; nur 4 Personen erhalten Armenunterstützung von Seiten der Gemeinde.

Außer den Gewerben für den örtlichen Bedarf ist die Teppichfabrik von Christian Kraushaar’s Wittwe zu nennen; sie enthält 12 Stühle, von denen 6–8 stets im Gange sind. Die Fabrikate (wollene Teppiche, Fußböden und wollene Schuhe) werden an das Handlungshaus Landauer und Söhne abgesetzt. Eine Ziegelhütte steht außerhalb des Orts, auch sind im Ort 2 Schildwirthschaften und 2 Krämer vorhanden. In neuester Zeit werden auch Versuche in der Corsettenweberei gemacht.

Die mittelgroße, beinahe zu 1/3 mit Wald bestockte Markung ist mit Ausnahme des Hundsrückens und des sogen. Köpfles ziemlich eben und hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren Boden, der aus den Verwitterungen der verschiedenen Schichten der Muschelkalkformation besteht; nur selten kommt demselben eine Lehmbedeckung zu, während er an dem Fuß der höheren Hügelzüge als ein sehr gebundener, kalter Thon erscheint. Etwa 1/4 Stunde nordwestlich vom Ort kommt im Maisgrabenthälchen Torf vor, der früher versuchsweise abgebaut wurde.

Auf der Markung besitzt die Stadtgemeinde Weil 500 Morgen Wald und ein Hofgut, das aus 701 Morgen zerstreut gelegenen Gütern besteht; auch ist die Stadt an den Gemeindeeinkünften und Lasten betheiligt (s. hierüber unten das Geschichtliche).

Die Landwirthschaft wird im Allgemeinen mit Anwendung landwirthschaftlicher Neuerungen fleißig betrieben und der Anbau, wie auch der Ertrag der Felder, ist derselbe wie in dem nahe gelegenen Simmozheim. Über den eigenen Bedarf werden jährlich etwa 1000 Scheffel Getreide auf der Schranne in Calw abgesetzt. Der Wiesenbau hat jedoch eine größere Ausdehnung und liefert gutes, nur selten etwas saures Futter. Die Preise der Äcker bewegen sich von 40 fl.–400 fl. und der Wiesen von 100 fl.–400 fl. per Morgen.

Die mit Mostsorten (Luiken, Bratbirnen, Palmischbirnen, Knausbirnen) und Zwetschgen sich beschäftigende Obstzucht ist ziemlich ausgedehnt | und erlaubt in günstigen Jahren einen Obstverkauf von etwa 1000 Sri. nach Außen.

Der verhältnißmäßig starke Rindviehstand besteht aus einer gewöhnlichen Landrace, die durch 3 tüchtige Farren nachgezüchtet wird; das Faselvieh hält ein Bürger im Namen der Gemeinde gegen Nutznießung von 41/2 Morgen Wiesen und 74 fl. Mit Vieh, namentlich mit gemästetem, wird lebhaft nach Calw, Weil d. Stadt und Pforzheim gehandelt.

Die Schafweide wird so benützt, daß auf je 3 fl. Staatssteuer die einzelnen Bürger je ein Schaf einschlagen. Es laufen gegenwärtig 235 Stück Bastarde auf der Weide, von denen die Pferchnutzung der Gemeinde etwa 100 fl. jährlich einträgt.

Schweine werden keine gezogen, dagegen ziemlich viele Ferkel von Außen aufgekauft und theils gemästet verkauft, theils selbst geschlachtet.

Die Bienenzucht ist im Zunehmen begriffen; die Zucht des Geflügels beschränkt sich auf den eigenen Bedarf.

Durch Vicinalstraßen nach Liebenzell, Alt-Hengstett, Weil der Stadt und Münklingen ist dem Ort sein Verkehr mit der Umgegend gesichert.

Die Gemeinde hat beinahe kein Vermögen und ist deshalb genöthigt, Gemeindeschaden umzulegen. Die Stiftungspflege besitzt 2000 fl. und die Armenpflege 1000 fl. Capital (vergl. Tab. III).

Der zur Gemeinde gehörige 1/4 Stunde westlich vom Dorf gelegene Bühlhof wurde im Jahr 1739 von Peter Hermann von Franken, Forstmeister zu Liebenzell, aus Gütern, welche er auf der Möttlinger Markung zusammenkaufte, angelegt. Nachdem derselbe in verschiedenen Händen gewesen war[1], kam er im Jahr 1856 von | der Gemeinde Möttlingen, welche ihn im Jahr 1841 von den Erben des in Calw wohnhaften Joh. Jak. Schill erworben hatte, um den Kaufpreis von 23.000 fl. an eine aus 12 Mitgliedern bestehende Gesellschaft, welche hier eine Ackerbauschule gründete. Die Anstalt ist für 24 arme Zöglinge berechnet, die gegen ein unbedeutendes Eintrittsgeld hier freie Kost, Wohnung, Kleidung und Anleitung in landwirthschaftlichen Geschäften erhalten. Der auf dem Hof angestellte Hausvater hat die Leitung und Verwaltung des Ganzen zu besorgen (s. auch den allgemeinen Theil S. 82). Von den zu dem Hof gehörigen 160 Morgen Gütern liegen 30 Morgen auf Neu-Hengstetter Markung. Der Hof besteht aus einem Wohnhaus und ansehnlichen Öconomiegebäuden nebst Stallungen für etwa 60 Stück Rindvieh und 300 Stück Schafe, und hat einen laufenden Brunnen.

Etwa 1/4 Stunde nordwestlich von Möttlingen trägt eine Stelle den Namen St. Leonhardskirche; hier soll nach der Sage eine Kirche gestanden und später versunken sein. Nördlich am Ort fand man auf den sogen. Birkäckern (ohne Zweifel Bürgäcker) schon Spuren von Gebäuden. An der nördlichen Grenze der Markung, welche zugleich die Landesgrenze gegen Baden bildet, zieht der stellenweise noch deutlich sichtbare Landgraben unter dem Namen Schanze hin (s. über den Landgraben die Oberamtsbeschreibung von Leonberg).

Möttlingen, ein gräflich calwischer Ort, kommt, als Mettelingen, schon im 9. Jahrh. vor, unter den Orten, an welchen das elsaßische Kloster Weissenburg Besitzungen hatte (Tradit. Wicenb. 292). Im Jahr 1075 steht er unter den Orten, bei welchen Graf Adelbert dem Kloster Hirschau dortige längst abgekommene Widemsgüter zurückgab (Wirt. Urk.Buch 1, 279). Am Ende des 13. Jahrhunderts erscheinen die in einen Theil des Calwischen Besitzes eingerückten Pfalzgrafen von Tübingen als Oberherrn eines hiesigen Hofs (Schmid Pfalzgr. v. Tüb. Urk. 31). Im Jahr 1327 war Graf Götz von Tübingen-Böblingen hiesiger Kirchherr (Schmid a. a. O. 354). Hauptlehenträger des adelichen Guts waren die Herren von Waldeck, welche hier eine Burg hatten. Nach Fürderers v. Waldeck Tode erkaufte im Jahr 1411 Graf Eberhard von Württemberg von Rafan Hofwart zu Kirchheim die „Rechte und die Forderungen am hiesigen Besitz, welche diesem von dessen Basen von Waldeck und dessen Schwester angestorben waren“ (Steinhofer 2, 613); der Burgstall und der Gerichtsstab gehörten hiezu.

Die, wie bereits erwähnt, hier begüterte und berechtigte Stadt Weil faßte schon 1370 u. f. hier festen Fuß. Den 20. Juli 1478 | verglich sie sich mit dem Grafen Eberhard im Bart von Württemberg: daß sie ihm und seinen Erben den Gerichtsstab „ohne Eintrag und Widerrede“ lassen sollte, jedoch unabbrüchig ihrer Gerechtigkeit daselbst, so daß sie ihre eigenen Güter an Wäldern und Feldern, auch die gemeine Mark an Allmanden, Wunn und Weide brauchen und nießen mögen (Reyscher Stat. Rechte 595). Ein neuer Vergleich wurde 1486 geschlossen und durch ihn verpflichtete sich die Stadt, Württemberg im Besitz des Burgstalls nicht zu irren und dessen Amtmann in Calw zu gestatten, daß er in Möttlingen Bauplätze hergebe, doch „daß denen von Weil auch dazu verkündigt werde, weil sie den halben Theil der Zinse und Güter hier haben“ (Steinhofer 3, 440). Herzog Christoph erneute den 7. Juli 1559 diese Verträge und 1565 wurde festgesetzt: jede fremde Person, welche sich in Möttlingen niederlasse, sollte an Württemberg 1 fl., an die Gemeinde ebensoviel, wenn es aber ein fremdes Ehepaar sey, das Doppelte zahlen (Reyscher 611). Als Stabsherr bezog Württemberg von dem Weilderstadter Hofmeier jährlich 1/2 fl. Schirmgeld (eb., Lagerbuch von 1523). Außer diesem Hofe bestunden noch der Widemhof, der Herrenalber Hof, der Hirschauer oder Mönchshof, endlich der Liebenzeller Hof, welcher ehedem den Markgrafen von Baden gehörte. Diese 4 Höfe sind jetzt Privateigenthum einzelner Bürger.

Das Kirchenpatronat gehörte dem Kloster Hirschau und kam mit diesem an Württemberg, wie es auch heut zu Tage der Krone zusteht.


  1. Aufsehen machte eine Zeitlang in und außer Landes mit seinem Kunstgeräth und seinen Gewerksanlagen der im Jahre 1798 verstorbene Titular Geh. Rath Joh. Heinr. Mögling, welcher etlich und 30 Jahre den Hof besaß. Hier hatte er mancherlei mechanische Vorrichtungen, eine Dreschmaschine mit 16 Flegeln, eigenthümliche Windmühlen, deren zwölf mit der Inschrift „zur Nachahmung und Verbesserung“ im Jahr 1795 bestunden, auch eine Seilerei zur Fertigung rundgewobener Stricke, wobei Thomas Kraushaar thätig war. (Rappolt im Reichsanzeiger 1795 St. 84, Beckmann Physik. ökon. Bibl. 19, 258. 22, 126.) Nach seinem söhnelosen Ableben, da im Jahr 1799 ein Winzer aus Stetten im Remsthal den Hof kaufte, verschwanden diese Kunstarbeiten. Die Seil- und Schlauchweberei kauften Landauer und Heugelin in Stuttgart.
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