Beschreibung des Oberamts Calw/Kapitel B 20

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Martinsmoos,
Gemeinde III. Kl., Dorf mit 336 evang. Einw. – Pfarrfilial von Zwerenberg.


An der Vicinalstraße von Wildberg nach Zwerenberg liegt auf der Hochfläche unfern der rechten Thalgehänge gegen die obere Teinach, 3 Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt und 3/4 Stunden östlich von dem Mutterort, das hinter Obstbäumen versteckte Dorf, dessen zum Theil ansehnliche Gebäude theils auf die Anhöhe, theils an einem sanft gegen Norden geneigten, wiesenreichen Abhang weitläufig hingebaut sind. Durch eine weitere Vicinalstraße ist der Ort mit Ober-Haugstett verbunden. Die aus Holz erbauten, meist mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäude sind durchgängig mit Ziegelplatten gedeckt und theilweise noch mit Brettern verschlagen.

Die Kirche, welche die Gemeindepflege unterhält, ist stylwidrig verändert, namentlich gleicht die westliche Giebelseite mehr einem Bauernhaus als einer Kirche. Der viereckige, massive, mit einem Satteldach gedeckte Thurm ist sehr alt und trägt noch entschiedene Spuren des Übergangsstyls; auf demselben hängen 2 Glocken, von denen die eine die vier Evangelistennamen in verkehrten, uralten Majuskeln als Umschrift trägt, die andere wurde von Heinrich Kurtz in Stuttgart 1856 gegossen. Das Innere der Kirche hat außer einem alten, gut in Holz ausgeführten Christusbilde nichts Bemerkenswerthes; von dem Langhaus führt ein runder Triumphbogen in dem unteren Theil des Thurms, welcher die Stelle des Chors vertritt und mit einem Tonnengewölbe gedeckt ist. In demselben steht ein sehr alter, achteckiger, steinerner Tauftisch.

Begräbnißplatz ist keiner vorhanden; die Verstorbenen werden in Zwerenberg beerdigt.

Beinahe in der Mitte des Orts steht das im Jahr 1842 mit einem Aufwand von 5000 fl. neu erbaute Schulhaus, welches ein Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und Gelaß für den Gemeinderath enthält.

| Auch ist ein Armenhaus vorhanden.

Sehr gutes Trinkwasser liefern 2 Schöpf- und 9 Pumpbrunnen, die in heißen Sommern nur theilweise ausgehen, so daß nie eigentlicher Wassermangel entsteht. Eine Wette besteht bei der außerhalb des Orts gelegenen Ziegelhütte. In der Nähe des Orts befinden sich 2 nie versiegende Quellen.

Die im Allgemeinen körperlich kräftigen Einwohner sind fleißige, sparsame Leute, die sich vorzugsweise durch Feldbau, Viehzucht, Waldertrag und Taglohnarbeiten ihren Lebensunterhalt sichern. Von den Gewerben sind, außer der schon angeführten Ziegelhütte, nur noch eine Schildwirthschaft und ein Krämer zu nennen. Die Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen, indem keine eigentlich Reiche, dagegen auch nur wenige wirklich Arme vorhanden sind; etwa 3 Personen erhalten gegenwärtig Unterstützung von Seiten der Gemeinde.

Der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt 40 Morgen, der mittlere etwa 20 Morgen, der geringste 5–10 Morgen. Überdieß besitzen etwa die Hälfte der Bürger 1–25 Morgen Privatwaldungen. Die Gemeinde ist im Besitz von 636 Morgen Nadelwaldungen, welche jährlich 196 Klafter Holz ertragen. Der Holzertrag wird meist verkauft und der Erlös für die Gemeinde verwendet; überdieß erhält jeder Bürger jährlich 5/4–11/2 Klafter Holz und gegen 100 Stück Wellen. Über das Vermögen der Gemeinde- und Stiftungspflege s. Tabelle III.

Die ziemlich ausgedehnte Markung liegt mit Ausnahme der Gehänge gegen das Teinachthal meist eben und hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren Boden, der theils aus den Verwitterungen des Wellenmergels, theils aus denen des bunten Sandsteins besteht und sich somit einerseits als thonig, ziemlich stark gebunden, andererseits als leicht herausstellt.

Die Landwirthschaft wird ziemlich gut theils im Dreifeldersystem, theils wechselwirthschaftlich betrieben und zur Besserung des Bodens kommen außer dem noch allgemein üblichen Motten und dem gewöhnlichen Stalldünger auch Compost in Anwendung; die Benützung der Gülle ist noch nicht so allgemein, als es wünschenswerth wäre, wie überhaupt die landwirthschaftlichen Neuerungen, als verbesserte Pflüge etc. nur bei Einzelnen Eingang gefunden haben.

Von den Cerealien baut man vorzugsweise Roggen, weniger Dinkel, Hafer und Gerste, überdieß Kartoffeln, Rüben, dreibl. Klee, Erbsen, Flachs und Hanf. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens Acker beträgt 3–4 Schffl. Roggen, 6–10 Schffl. Dinkel, | 5–6 Schffl. Hafer und 3–4 Schffl. Gerste. Die Ackerpreise bewegen sich von 70–150 fl. per Morgen. Das Getreideerzeugniß reicht für das örtliche Bedürfniß.

Die Wiesen, von denen etwa 1/3 bewässert werden können, liefern mit Ausnahme der sauren Strecken, ein gutes nahrhaftes Futter, und kosten die geringsten 100, die besten 800 fl. per Morgen.

In Folge des theilweise gebundenen Bodens und der etwas geschützten Lage gedeiht das Obst gerne und wird auch schmackhaft; man zieht späte Mostsorten (Knausbirnen, Wolfsbirnen, Wadelbirnen, Henkelesbirnen, Grundbirnen, Mönchäpfel, Schmalzäpfel, Klepperäpfel etc.) und Zwetschgen. In günstigen Jahren wird ziemlich viel Obst nach Außen verkauft.

Die aus einer gewöhnlichen Landrace bestehende Rindviehzucht ist ausgedehnt und erlaubt einen beträchtlichen Handel auf benachbarten Märkten. Zur Nachzucht sind zwei Farren aufgestellt, die ein Bürger gegen Nutznießung von 2 Morgen Wiesen hält. Viehaustrieb findet noch statt. Butter wird viel nach Wildbad abgesetzt. Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, indem die Ferkel von Außen bezogen und theils für den eigenen Bedarf, theils auf den Verkauf gemästet werden.

An der nördlichen Seite des Dorfs stand eine Burg (Burggraben genannt), von der nur noch ein runder Hügel vorhanden, der Burggraben aber ausgefüllt ist.

Am Abhange gegen das Teinachthal bestand früher ein Silber- und Kupferbergwerk, von dem noch einige Spuren sichtbar sind (s. den allgemeinen Theil).

Martinsmoos kam mit Calw an Württemberg.

Im Jahr 1558 ließen Schultheiß, Richter und ganze Gemeinde auf Zulassen ihres Herrn, Herzog Christophs, ihre alten zuvor gehabten Dorfsbräuche durch den Vogt zu Calw in glaubhafter Form niederschreiben.

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