Beschreibung des Oberamts Canstatt/Kapitel B 1

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B.


Orts-Beschreibung.




1. Canstatt mit (Berg) Rosenstein und Bellevue, Brag-Wirthshaus, Fabrik in der Au, Ziegelhütte und Bürklische Färberey.


a. Canstatt.
Lage und Verhältnisse.

Canstatt, eine evangelische Oberamtsstadt, liegt an beyden Ufern des Neckars, nach der neuesten Bestimmung der Sternwarte zu Tübingen unter 26° 52′ 39″ L. und 48° 48′ 20″ Br., 680 P. F. über der Meeresfläche. Die Lage der Stadt ist eben und frey, die Gegend gehört zu den freundlichsten und fruchtbarsten des Landes. Die Stadt bildet den Mittelpunkt aller Haupt-Landstraßen, s. S. 82; in ihrem Umkreise liegen vier weitere Städte: Stuttgart, Eßlingen, Waiblingen und Ludwigsburg, wovon das erste nur eine kleine Stunde, die andern nur anderthalb bis zwey Reisestunden entfernt sind. Sie zählt 4041 Einwohner, ist Sitz eines Oberamts, Oberamtsarztes, Oberamts-Wundarztes und Oberamtspflegers, eines Oberamtsgerichts und Gerichts-Notariats, eines evangelischen Dekanats, eines Cameralamts und eines Hallamts. Die Forstverwaltung ist nach dem Laufe des Neckars zwischen den Forstämtern Schorndorf und Leonberg getheilt.

Die Zehenten, den großen und den kleinen und den Weinzehenten hat der Staat mit geringer Ausnahme zu beziehen. Der Heu- und Obst-Zehente gehört seit 1821 der| Stadt, s. u. Von den Weinbergen haben 22 Morgen Theilgebühren zu entrichten, die aber meist in ständige Bodenweine verwandelt sind. Wie mannigfaltig die Zehentrechte ehemals vertheilt waren, ist weiter unten zu sehen.

Die Grundlasten der Stadt betragen 242 fl. in Geld, 223 Schfl. 41/4 S. Dinkel, 148 Schfl. 21/2 S. Haber, 59 Schfl. 73/4 S. glatte Früchte und 42 E. 6 I. 31/2 M. Wein. Den größten Theil davon hat das Spital Eßlingen, einen Theil die K. Finanzkammer zu beziehen, das Übrige vertheilt sich unter die Spital- und die Stadt-Pflege Canstatt, die Kirchen- und Schul-Pflege Eßlingen, die Pfarrey Hofen und drey Lehensinhaber zu Canstatt. Die Finanzkammer hat auch einige Zinse aus Gewerbs-Privilegien und die Marktgefälle von dem alten Johannis-Jahrmarkt zu beziehen, welch letztere dermalen für 77 fl. 21 kr. verpachtet sind. Das Schafweiderecht gehört der Stadt, das Fischrecht ist herrschaftliches Erblehen, und ruht seit mehr als drey Jahrhunderten und vielleicht auch noch länger auf den Familien Seemann, Brälin. Die Jagd gehört zu dem K. Hofjagd-Bezirke.

Name und Beschaffenheit der Stadt.

Der Name der Stadt wird sehr verschieden geschrieben, und fast für jede Schreibart lassen sich Belege finden. Wir folgen der ältesten und einfachsten indem wir Canstatt schreiben. Die Verwandlung in Canstadt scheint darum nicht passend, weil der Name nicht von Stadt, urbs, sondern von Statt, Stätte, wenn nicht von Stad, Gestade, abzuleiten ist, s. u.

Canstatt theilt sich in die Stadt und drey Vorstädte. Die Vorstädte sind: die Neckar-Vorstadt, die Schmidener Vorstadt und die Waiblinger-Vorstadt, wozu noch einzelne Häuser zwischen dem Neckar und der Stadt kommen. Die bedeutendste Vorstadt ist die Neckarvorstadt, die, weil sie lange Zeit die einzige war, auch vorzugsweise „die Vorstadt“ genannt wird. Sie liegt auf dem linken Neckarufer und ist mit der Stadt durch eine Brücke verbunden. In ältern| Zeiten hatte sie den eigenen Namen Brie, wie weiter unten gezeigt ist. Die beyden andern Vorstädte sind größtentheils erst in dem jetzigen Jahrhundert entstanden.

Die Stadt ist mit einer doppelten Mauer und mit Graben und Zwinger umgeben, sie hat 3 Hauptthore: das Brückenthor, das Waiblinger Thor, das Schmidener Thor, und ein Nebenthor, das Badthörle genannt. Kürzlich ist die Stadtmauer noch auf zwey Punkten durchbrochen worden. Mauern und Thore waren früher mit Thürmen versehen, die erst in neuerer Zeit allmählig weggeschafft worden sind. Das Innere der Stadt hat dadurch wesentlich gewonnen, ihr äußeres Ansehen hat dagegen in demselben Grade verloren. Übrigens hat das Innere der Stadt auch jetzt noch nicht das freundlichste Aussehen. Die Straßen und Gassen sind, wie schon aus dem Plan unserer Karte zu ersehen ist, unregelmäßig und düster, und die Häuser großentheils von geringer Beschaffenheit. Was Crusius vor mehr als 200 Jahren von Canstatt sagte, läßt sich auch jetzt noch davon sagen: „die Häuser von Canstatt sind nicht zur Pracht, sondern zum Gebrauch gebaut.“ Gleichwohl hat sich das Aussehen der Stadt in neuern Zeiten bedeutend gebessert, besonders auch dadurch, daß seit etwa 20 Jahren die durch die Stadt gehenden Mineralbäche, die früher fast die ganze Breite der Hauptstraßen eingenommen haben, eingedämmt, und an ihre Stelle gepflasterte Straßen gesetzt worden sind.

Besser und freundlicher als die Stadt sehen die Vorstädte aus, welche auch mehrere ansehnliche Häuser haben. Die bedeutendste davon ist, wie schon bemerkt worden, die Neckar-Vorstadt. Sie wird gegenwärtig durch die Anlegung einer neuen Straße, der Hallstraße, vergrößert, verliert aber dagegen eine Häuserreihe gegen Bellevue, welche S. M. der König zum Abbruch ankaufen ließ.

Die öffentlichen Gebäude der Stadt sind die gewöhnlichen der Oberamtsstädte: das Oberamtsgebäude, das an dem Markt, das Oberamtsgerichts-Gebäude, das| außerhalb der Stadt in der Schmidener Vorstadt an dem Graben steht, und erst i. J. 1825 auf Staatskosten erbaut worden ist; die Cameral-Verwaltung, in der Neckar-Vorstadt, ehemals das Pfarrhaus von der Altenburger Kirche; das Dekanathaus, bey der Kirche, 1585 erbaut; das Rathhaus, am Markte, 1491 erbaut; ein noch älteres, „das alte Rathhaus,“ stand oben in der Stadt bey der Rose, und wurde vor 25 Jahren abgebrochen; die Stadtkirche auf dem Marktplatze. Letztere ist mit einem schönen Thurme, worauf sich ein herrliches Glockengeläute befindet, versehen. Der Thurm wurde 1612 von dem berühmten Baumeister Schickhardt erbaut, 1831 ist er renovirt worden. Die Kirche selbst wurde zu Ende des 15ten Jahrhunderts erbaut, in dem Schlußstein des Chors befindet sich die Jahrzahl 1471; 1788/91 erhielt sie einen ganz neuen Einbau, wobey das für schadhaft erklärte Gewölbe im Schiff der Kirche herabgeworfen wurde. Jetzt hat die Kirche ein sehr heiteres, nur fast zu einfaches Aussehen, und ist mit einer vortrefflichen Orgel von dem geschickten Orgelmacher Walker zu Canstatt versehen. In dem letzten französischen Kriege hatten die Franzosen einen Telegraphen auf dem Thurme errichtet, in der Linie von Wien nach Straßburg. Zwey weitere Kirchen, die Uffkirche und die Altenburger Kirche, stehen, jene auf dem Gottesacker an der Waiblinger Straße vor der Stadt, diese in der Neckar-Vorstadt, s. u. Die erstere wird noch zu Leichenreden benutzt, die letztere dient jetzt zum finanzkammerlichen Fruchtkasten. Auch ist noch eine reformirte Kirche mit einem reformirten Pfarrhaus vorhanden, die aber seit der Vereinigung der Reformirten mit den Lutherischen ihre Bestimmung verloren haben, übrigens dermalen noch Eigenthum der vormaligen reformirten Gemeinde sind. Unter den öffentlichen Gebäuden verdienen noch die Halle oder das Lagerhaus, in der Neckar-Vorstadt, bemerkt zu werden, das 1829 von der Stadt erbaut worden ist, ferner zwey ansehnliche Schulhäuser, wovon das eine für die lateinischen Schulen 1823,| das andere für die deutschen Knabenschulen 1831 erbaut worden ist.

Zu den ansehnlichern Privatgebäuden der Stadt gehören unter andern das Frösnerische Bad und die neuen Fabrikgebäude von Zais und Keller; zu den berühmtern, der Gasthof zum Ochsen. Schon Ladislaus Suntheim sagt vor ungefähr vierthalb hundert Jahren davon: „Canstat ein stat am Neckar, da ist gut Zerung, da ist ein Wirtzhaus, das hat ein prun in der Stuben hinterm Ofen, darin allerley Fisch“ u. s. w. Selbst Petrarca (gest. 1374) erwähnt schon des Brunnens. Der Brunnen ist noch in der Stube.

Einwohner und ihr Nahrungsstand.

Zu der oben bemerkten Einwohnerzahl kommen noch ungefähr 200 Fremde, so daß die wirkliche Bevölkerung der Stadt sich auf 4250 Menschen beläuft. Im J. 1770 waren es 2508, im J. 1800 – 2738. Die Bevölkerungs-Verhältnisse sind, nach dem zehnjährigen Durchschnitt von 1812 bis 1822, folgende: Geborne zu den Lebenden = 1:25; Gestorbene zu den Lebenden = 1:28; unehelich Geborne zu den Ehelichen = 1:101/2; Todtgeborne zu den Gebornen = 1:25. Auf 100 Gestorbene kommen 15 von mehr als 60 Jahren. Die Zahl der neu geschlossenen Ehen war jährlich 26, die der getrennten 21, darunter durch Ehescheidung je in 2 Jahren 1.

Was die Eigenschaften des Canstatters betrifft, so zeichnet er sich vorzugsweise durch Fleiß, Arbeitsamkeit und Mäßigkeit, so wie durch Mildthätigkeit aus. Seine Treue gegen das angestammte Fürstenhaus hat er besonders in dem Bauern-Aufruhr des armen Konrad 1514 bewiesen. Die Canstatter waren unter den ersten, die mit ihrem Fähnlein zu dem Herzog Ulrich in Waiblingen stießen und gegen die auf dem Kapelberge bey Beutelsbach versammelten Aufrührer anrückten. Die Stadt hat auch mehrere angesehene und gerühmte Männer hervorgebracht.

| Wir wollen nur Einige von den letzten Generationen nennen.

Georg Conrad Rieger, Sohn des Weingärtners Michael Rieger und Vater des bekannten Generals und des Consist. Raths und Stiftpredigers Rieger, geb. 7. März 1687, gestorben als Special-Superintendent in Stuttgart 1743, seiner Zeit ein sehr geachteter Geistlicher und nicht unberühmter Schriftsteller im Fache der Homiletik und Kirchengeschichte.

Immanuel Rieger, Bruder des vorigen, und Vater des Ministers Baron v. Rieger, geb. 15. May 1699, gestorben als Regierungsrath und Stadtvogt zu Stuttgart 1758.

Georg Bernhard Bilfinger (nach den Canst. Kirchenbüchern Bülfinger) K. Würt. Geh. Rath, Sohn des Special-Superintendenten in Canstatt, geb. 23. Jan. 1693. Er machte den gewöhnlichen theologischen Studienlauf, wurde 1721 außerordentlicher Professor der Phil. in Tübingen und 1724 ord. Professor der Mathematik, folgte 1725 einem Ruf als Professor der Philos. und Physik nach Petersburg, und kehrte 1731 als Professor der Theol. und Superintendent des theol. Stifts nach Tübingen zurück. 1735 ernannte ihn der Herzog Karl Alexander zum Geheimen Rath und übertrug ihm noch insbesondere die Direction seiner Festungsbau-Unternehmungen; 1737 wurde er zugleich Consistorial-Präsident. Das Jahr vorher hatte er ein kais. Geschenk von Rußland wegen seinen Erfindungen im Fortificationsfach erhalten. Er starb als einer der berühmtesten Männer seiner Zeit d. 18. Febr. 1750.

Ferdinand Friedr. von Nicolai, K. Würt. General-Feldzeugmeister, Großkr. des Würt. Milit.-Verdienst und des K. Preuß. rothen Adler-Ordens, Sohn eines Bürgermeisters, geb. 20. Oct. 1730. Er studirte die Rechte in Tübingen. Als Student schrieb er auf eine noch vorhandene, runde Fensterscheibe in seinem väterlichen Hause die Worte: Ferdinand Frid. Nicolai, J. U. Lic. 1751. Forsan in ignoto fors mea floret agro. Diese Worte waren prophetisch. N. kam nach Preußen, faßte dort, veranlaßt durch den großen Friedrich, Neigung zum Kriegswesen, trat 1756 als Artillerie-Officier in Würt. Dienste und machte im Generalstab den siebenjährigen Krieg mit, durchlief sofort alle milit. Grade, und erwarb sich daneben den Ruf eines ausgezeichneten milit. Schriftstellers. Seiner vorzüglichen Eigenschaften wegen wurde er von König Friedrich, als damals regierendem Herzog, an die Höfe von Berlin und Petersburg gesandt, nach dieser Sendung aber zum General Feldzeugmeister und Mitglied des K. Staatsministerium ernannt. Er starb zu Ludwigsburg 1814, in einem Alter von 84 Jahren.

| Christian Fried. Rösler, Sohn des Stadtschreibers, geb. 19. Juni 1736. Er studirte die Theologie, wurde 1767 Helfer zu Vaihingen, und 1777 Professor der Geschichte zu Tübingen, wo er den 20. März 1821 in seinem 85sten Lebensjahr als ein sehr geschätzter Lehrer, Gelehrter und Schriftsteller starb. S. Würt. Jahrb. 1824 S. 55 u. ff.

Christian Friedrich v. Schnurer, Prälat und Kanzler der Universität Tübingen, Ritter des K. W. Civil-Verdienst-Ordens, Sohn eines Kaufmanns, geb. 28. Oct. 1742. Er machte den Studienlauf der Theologie durch die Seminarien und brachte hierauf mehrere Jahre auf gelehrten Reisen durch Deutschland, Holland, England und Frankreich zu. Nach seiner Rückkehr wurde er von dem Herzog Karl als Gouverneur der Hz. Edelknaben, und 1772 als Professor der orientalischen Sprachen in Tübingen angestellt, und als solcher 1777 zugleich zum Ephorus des theol. Seminars ernannt. 1806 erhielt er von König Friedrich die Stelle eines Kanzlers der Universität, womit damals noch die erste theol. Lehrstelle und die Prälatur von Lorch verbunden war, und 1808 das Ritterkreuz des C. V. O. Im J. 1817 in den Ruhestand versetzt, starb er zu Stuttgart 10. Nov. 1821. S. W. Jahrb. 1824 S. 24 u. ff.

Die Religion der Einwohner ist die evang. lutherische; Katholiken sind nur wenige vorhanden, dagegen ist noch ein Rest von Reformirten übrig, die sich neuerlich vorläufig mit der luth. Gemeinde vereinigt haben; s. u.

Der Nahrungsstand der Einwohner ist im Allgemeinen gut, es gibt mehrere sehr vermögliche Bürger, und auch dem Unvermöglichen fehlt es bey den mancherley Erwerbsquellen nicht an Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst. Die Nahrungsquellen bestehen theils in der Landwirthschaft, theils in Gewerbe und Handel. Canstatt hat eine ansehnliche Markung, welche 5550 M., darunter über 3000 M. Äcker und Länder, an 1000 M. Weinberge und 738 M. Wiesen enthält, somit die verschiedenen Culturzweige in einem sehr günstigen Verhältniß vereinigt. Von der Markung gehören übrigens, wie die Tabelle zeigt, 4171/2 M. dem König und dem Staat, 73/4 M. Weinberge zur königl. Hofdomänen-Kammer, 2383/4 M. sind Eigenthum von Stiftungen, hauptsächlich der Spitäler Eßlingen und Canstatt, und 483 M. (ohne Gewässer und Straßen) sind städtisches Eigenthum.| Die Cultur steht auf einem sehr hohen Grade, eben so zeichnet sich auch der Viehstand sehr vortheilhaft aus. Ungebaute Plätze trifft man wenige mehr an, seit 30 Jahren sind auch die hochgelegenen Heiden größtentheils vollends angebaut worden. Die Weinberge liefern zum Theil vorzügliche Weine, die besten Berge sind die Zuckerlen, die Steinhalden, die Wolfersberge und die Berge. Auch die Obstzucht ist sehr weit getrieben, und selbst die Straßen sind mit den edelsten Obstsorten besetzt. Um die Ausdehnung und Veredlung der Obstzucht hat sich in voriger Zeit ein Bürgermeister Weber sehr verdient gemacht. Die Verbesserung des Weinbaus ließ sich der Geh. Rath Bilfinger sehr angelegen seyn, s. S. 64.

Der Mangel an Waldungen wird den Canstattern zum Theil durch die großen Weidenbaumpflanzungen ersetzt, welche auf den der Überschwemmung und den Eisgängen ausgesetzten Thalflächen angelegt sind, und nicht nur vieles Brennmaterial liefern, sondern auch sonst manchen Nutzen gewähren; sie sind ebenfalls ein Werk Webers.

Auch die Steinbrüche, sowohl die Werksteinbrüche, auf den Heiden, als auch die Gyps- und Tuffsteinbrüche im Thale werden gut und mit Vortheil benutzt.

In früherer Zeit wurde auch die Seidezucht in Canstatt fleißig betrieben, sie kam aber zu Anfang dieses Jahrhunderts in Abgang und der Stadtrath fand sich bewogen, die Maulbeerbäume umhauen zu lassen, welche in großer Anzahl vorhanden waren.

Der Gewerbsbetrieb hat sich besonders in neuerer Zeit sehr gehoben; Canstatt gehört jetzt zu den gewerbsamsten Landstädten. Die Zahl der Gewerbs- und Handelsleute belauft sich im Ganzen auf 365 mit 460 Gehülfen und Arbeitern; das Gewerbscataster der Stadt beträgt 2213 fl. 16 kr. Die Stadt hat mehrere ansehnliche Fabriken, und zwar:

1) Die Türkischroth- und Indigoblau-Färberey und mechanische Baumwollen-Spinnerey von Wilhelm Zais,| welche 120 Arbeiter beschäftigt, ausgezeichnete Waare liefert, und einen weit sich erstreckenden Absatz ins Ausland hat. Zais, der die Fabrik 1804 unternahm, hat das Verdienst, der Gründer der Türkischroth-Färberey in Würtemberg zu seyn; er war lange Zeit fast der Einzige in Europa, der die Kunst, türkisch zu färben, verstand. Das Geschäft wird mit Wasserkraft betrieben; Zais führte zu dem Ende vor ungefähr 10 Jahren einen unterirdischen Canal von dem Neckar aus in seine Fabrikgebäude; in den zwey letzten Jahren wurde von ihm das schöne Fabrikgebäude auf die Mühlinsel (Mühlgrün) gesetzt, die er von der Stadt nebst der Wasserkraft eines Mahlgangs erkaufte.

2) Die Türkischroth-Färberey und Baumwollen-Spinnerey in der Au, Firma Bockshammer und Comp.; gleichfalls von bedeutendem Umfang und mit Wasserkraft betrieben. Sie wurde von dem Kaufmann Wergo fast zu gleicher Zeit mit der Zaisischen gegründet.

3) Die Wollentuchfabrik von Kellers Söhnen, gegründet 1829, mit einer mechanischen Wollen-Spinnerey, wozu die Inhaber im vergangenen Jahre das ansehnliche Fabrikgebäude mit Wasserkraft in der Nähe des Mühlcanals aufführten.

4) Die Tabacksfabrik von Joh. Anderwerth, Firma Stern und Comp., gegründet 1812. Die Fabrik hat einen sehr lebhaften Betrieb und beschäftigt 90 bis 100 Menschen. Der Absatz beschränkt sich nicht blos auf Würtemberg, sondern geht auch in die Schweiz, nach Bayern, u. s. w.

5) Die Seidenfelbelfabrik von Louis Keller, gegründet 1830.

6) Die Bürklische Türkischroth-Färberey, oberhalb Canstatt.

7) Die Essigfabrik von Kaufmann Wolff.

Hierzu kommen außer den auf Canstatter Markung zu Berg gelegenen Fabriken und Werken, welche seiner Zeit bey Stuttgart werden aufgeführt werden, eine große Mahlmühle, eine Sägemühle, eine Tabacksmühle und 2 Gypsmühlen.| An die Stelle der Tabacksmühle ist jedoch neuerlich eine Öl- und Obst-Mühle getreten. Die Mahlmühle ist Eigenthum der Stadt. Sie wurde 1605 ganz neu hergestellt; sie hat 9 Mahlgänge und vereinigt mehrere kleinere Mühlen, die ehemals bey der Stadt, eine sogar in der Vorstadt, standen, namentlich die „Sulzmühle bey dem Schmidener Thor,“ wegen der die Stadt noch bis 1821 an die Kammer 3 fl. 35 kr. Zins zu entrichten hatte, ferner die Fluormühle, die unterhalb der Stadt im Fluor gestanden hatte, 1604 abgebrochen und mit der „gemeinen Neckar- oder Bürgermühle“ unter einem Dach vereinigt wurde. Die Stadt hat ferner 2 Apotheken, 2 Buchdruckereyen, 7 Schild- und 4 Speise-Wirthschaften, 3 Bade-Anstalten, von welchen unten noch weiter zu finden ist, eine neuerdings errichtete kleine Bierbrauerey, 2 Instrumentenmacher, einen Orgelmacher u. s. w. Von den beyden Apotheken ist die eine, die Mohrstattische erst 1816 errichtet worden, die andere wurde 1638 gegründet, indem dem Hofapotheker Künlen in Stuttgart gestattet wurde, „ein besonderes Corpusculum pharmaceuticum oder Apothekerstückwerklein“ in Canstatt aufzurichten. Die Mohrstattische Apotheke liefert zugleich verschiedene chemische Fabrikate in den Handel, namentlich neben den gewöhnlichen pharmaceutischen Präparaten noch Scheidewasser, Weinsteinsalz, Firnisse aller Art, auch Chocolade und Liqueurs. Von den gewöhnlichen Gewerben ward ehemals die Strumpfweberey durch die franz. Refugiés sehr stark betrieben, noch jetzt zählt die Stadt 8 Strumpfweber. Sonst stand auch die Canstatter Bäckerey in Ansehen, die „Canstatter Mütschelein“, ein Butterbackwerk, und die „Canstatter Brödlein“, ein Zwieback, haben von ihr den Namen.

1

Der Handel ist ebenfalls bedeutend, der innere Verkehr will zwar wegen der Nähe von Stuttgart nicht viel heißen, desto größer ist der Verkehr und Absatz der Fabriken und der Speditionshandel; auch hat die Stadt 2 Großhandlungen in Material- und Farbwaren. Der Speditionshandel wird sowohl zu Wasser als zu Land betrieben,| er hat sich besonders in neuern Zeiten sehr gehoben. Um denselben hat sich hauptsächlich der verstorbene Commercienrath Keller sehr verdient gemacht. Er ist auch der Gründer des bedeutenden Bretterhandels, der jezt von Canstatt aus betrieben wird. Im Ganzen laufen jezt jährlich allein 108.000 Ctr. Güter durch die Bücher des Hallamts, und eine eben so große Quantität bewegt sich über den Platz, ohne daß in den Büchern davon ein Eintrag geschieht. Zu Wasser kommen 40 bis 50.000 Ctr. an; abwärts gehen dagegen nur 600 bis 700 Ctr., es kommen jedoch noch ungefähr 135.000 Bretter im Gewichte von 40.000 Ctrn. dazu, welche von den Illergegenden durch das Handlungshaus Kellers Söhne bezogen und von Canstatt zu Schiff in die Rheingegenden versendet werden. Übrigens hat Canstatt selber seit längerer Zeit keine eigenen Neckarschiffe mehr; dagegen befinden sich daselbst 4 Frachtfahrer zu Lande. S. u. Anstalten. Das Speditionsgeschäft wird von mehreren Kaufleuten betrieben; früher war es, wie wir nachher sehen werden, Monopol der Stadt, die es eine Zeit lang selbst verwaltete, später aber mit Krahnen und Lagerhaus verpachtete, und zulezt daraus einen Pachtzins von 550 fl. bezog.
Gemeindewesen.
Von den lezten schweren Kriegszeiten her, welche Canstatt besonders hart betroffen haben, hat die Stadt noch eine beträchtliche Schuldenlast. Zwar wurde von ihr immer der Grundsatz, der anderwärts und besonders in Neuwürtemberg nur wenig beachtet worden ist, festgehalten, jedes-Jahr, so viel möglich, umzulegen. Allein die Lasten waren zu groß, als daß sie ohne Schulden hätten getragen werden können. Indeß stehen die Schulden in keinem Mißverhältnisse mit den Kräften der Stadt. Canstatt hat ein bedeutendes Vermögen theils in Grundeigenthum und nutzbaren Gebäuden, theils in Capital-Ausständen, es hat überhaupt mancherley Hülfsquellen, welche bey einer guten Verwaltung und zweckmäßigen und verständigen Benutzung dem| Gemeindewesen und den Bürgern einen glücklichen Zustand sichern. Das Grundeigenthum der Stadt besteht hauptsächlich in Wiesen und Weideplatz. Die wenigen Waldungen, die sie auf Roracker und zum Theil auf Zuffenhauser Markung besaß, hat sie neuerlich verkauft. Die Güter werden meist stückweise an den Meistbietenden verpachtet, nur ein kleiner Theil von Baufeld wird gegen einen kleinen Zins als Burgergabe verliehen. Die Weidefläche dient zur Schafweide, die Rindviehweide ist längst abgeschafft. Unter den nutzbaren Gebäuden, welche die Gemeinde besitzt, verdienen außer der Mahlmühle und der Halle auch die Keltern genannt zu werden. Es sind ihrer zwei, die eine in der Vorstadt, die andere, die erst vor wenigen Jahren gebaut wurde, steht bei der Uffkirche. Die letztere vertritt nun die Stelle von vier Keltern, die sich früher in der Stadt befunden hatten.[1]

Die Schulden der Stadt betragen dermalen noch die Summe von 65.000 fl., i. J. 1816 betrugen sie 97.300 fl. Sie würden sich seit dieser Zeit noch ungleich mehr vermindert haben, hätte die Stadt nicht während derselben außerordentlicher Weise starke Ausgaben gehabt, z. B. für die Erbauung eines lateinischen Schulhauses 10.300 fl., einer Kelter 10.800 fl., der Halle 18.300 fl., eines deutschen Schulhauses 14.000 fl., eines Krankenhauses 4500 fl., für Reparation des Kirchthurmes 6300 fl., Neckarbau 10.000 fl., eine thönerne Brunnenleitung 4700 fl. u. s. w., im Ganzen 82.400 fl.

Die Einkünfte belaufen sich, einschließlich 2000 fl. Brückengeld, die jetzt wegfallen, nach unserer Tabelle auf 20.700 fl., sie sind mehr als hinreichend, um in ordentlichen Zeiten die Ausgaben ohne Umlagen zu bestreiten. Die Haupt-Einkommensquellen sind außer den gewöhnlichen städtischen| Einkünften, das Grundeigenthum 4600 fl., Schafweide und Pförch 2200 fl., die Halle 2400 fl., die Mahlmühle 3600 fl., das Brücken-, Weg- und Pflastergeld und die Thorsperre wurden im vergangenen Jahr von dem Stadtrathe aufgehoben. Unter den Ausgaben von 22.700 fl. befinden sich 2800 für Schuldentilgung, ausserdem sind Straßen- und Wasserbauwesen, Besoldungen und Capitalzinse die bedeutendsten Ausgaben.

Die bürgerlichen Benefizien sind weder allgemein noch erheblich; der Rohrtrunk ist das Einzige, das einer besondern Erwähnung verdienen dürfte. Er besteht in einem Maas Wein und einem Brod, welche jeder Bürger und jeder erwachsene Bürgerssohn auf das Dreykönigsfest, den sogenannten Obersten erhält. Die Honoratioren erhalten anderthalb Maas, oder eine sogenannte Staufe, s. S. 79.

Das Wappen der Stadt besteht in einer Kanne, einer sogenannten Staufe, – abgestumpften Kegel – und gehört unstreitig unter die sogenannten redenden oder Schall-Wappen, welche dem Namenslaute nachgebildet sind. Man findet es übrigens schon an Urkunden des 13ten Jahrhunderts, namentlich an Urkunden der Herren von Canstatt vom Jahr 1275 und 1277.

Kirchliche Verhältnisse.
Die Einwohner bilden zusammen Eine kirchliche Gemeinde mit Einer Pfarrkirche, der Stadtpfarrkirche, welche den heiligen Cosmas und Damian geweiht ist. An der Kirche stehen ein Stadtpfarrer und ein Helfer; ersterer ist zugleich Dekan. Das Patronat war vormals Constanzisch, 1802 kam es an Baden und 1807 endlich an Würtemberg, s. u. Das Kirchenvermögen ist mit der Spitalpflege vereinigt. Die Kirchenbücher, und zwar die Tauf- und Ehebücher gehen bis 1558, die Todtenbücher bis 1603. Filiale hat die Kirche keine. Wie ehemals Canstatt drey Pfarrkirchen, in welche die Orte der ganzen Umgegend, selbst Stuttgart, eingepfarrt waren, hatte, ist unten gezeigt. Ein Jahrhundert lang bestand zu Canstatt auch eine besondere| reformirte Gemeinde mit einem eigenen Pfarrer und einer eigenen Kirche s. u. Geschichte.[2]
Anstalten.

1. Schul-Anstalten. Die Stadt hat 1) eine lateinische Schule mit 2 Lehrern, einem Präceptor und einem Collaborator; 2) eine deutsche Knabenschule, und 3) eine Mädchenschule, je mit einem Schulmeister und 3 Provisoren. Jede dieser 3 Schulen hat ihr eigenes Schulhaus. Die Schulstiftungen betragen im Ganzen 732 fl. und sind zu Schulgeldern für arme Kinder, Prämien u. s. w. bestimmt. Wie in den meisten Städten, so ist auch hier die lateinische Schule die ältere, und diejenige Anstalt, wovon die andern ausgingen. In dem Spitalstiftungsbriefe vom Jahr 1548 heißt es: „Und soll sich der lateinisch Schulmeister der Knaben, so teutsch lernen wollen, nit beladen, sondern mag wohl ein Mößner die teutsch Schul halten.“

Eine Industrie-Schule für Mädchen im Nähen, Sticken etc. besteht seit 1817.

Eine Gewerbsschule, worin Sonntags im Schreiben, Rechnen, Zeichnen und in der Geometrie Unterricht ertheilt wird, besteht seit 1826 neben der gewöhnlichen Sonntagsschule.

2. Wohlthätige Anstalten. Sie bestehen in einem Spital, dessen Verwaltung alle sonst gewöhnliche Armenanstalten, Armenkasten, Almosenpflegen u. s. w. sammt der Kirchen-Stiftungspflege in sich vereinigt. Die Anstalt entstand durch mehrere kleine fromme Stiftungen, und durch Verbindung verschiedener Fonds und Gefälle von Handwerks-Brüderschaften, geistlichen Pfründen etc., welche nach der Reformation aufgehoben und i. J. 1548 der Stadt und Anstalt, wie in vielen andern Städten, von dem Herzog Ulrich| frey, erblich und eigen überlassen wurden. Der Brief, wodurch dies geschehen, wird gemeiniglich der Stiftungsbrief genannt, die Gebäude aber beweisen, daß schon vor 1548 ein Spital vorhanden war, sie theilten sich nämlich in das alte (nun abgebrochene) und das neue Spital, und das neue wurde i. J. 1549 erbaut; schon i. J. 1390 ist sogar von einer Kapelle in Hospitali pauperum die Rede, die ihren eigenen Kaplan hatte. Ehemals war mit der Anstalt, wie überall, eine eigene Ökonomie verbunden; sie ist aber längst aufgehoben worden, und die Anstalt erfüllt jetzt ihre Bestimmung durch Geldspenden und zum Theil durch Wohnungsverleihungen in dem Spital-Gebäude.

Ihr Vermögen besteht in ungefähr 22.000 fl. Activ-Capitalien, in Gütern – 164 Mg. Äcker und 14 Mg. Wiesen, in Naturalgefällen – ungefähr 400 Sch. Früchten, und 25 Eimer Wein, und in einzelnen Geld-Einnahmen. Die Einkünfte wurden sonst zu 5–6000 fl. angeschlagen, neuerlich sind sie nur noch zu 3500 fl. berechnet. Neben dem Aufwand für die Armuth und den Verwaltungskosten hat die Anstalt auch noch zur Besoldung von Schullehrern und andern Dienern und zur Unterhaltung der Kirche und Schulen beyzutragen.

Ein Anhang des Spitals ist:

Das Krankenhaus auf dem Seelberge. Es wurde 1831 aus Veranlassung der Vorbereitungen für die Cholera erbaut, und wird dermalen zur Wohnung und Verpflegung von gebrechlichen Stadtarmen gebraucht, wozu von den Einwohnern ansehnliche freywillige Beiträge gegeben werden. Ein sogenanntes Bettelhaus stand ehemals in der Vorstadt, auf der Stelle der Farbe.

Als besondere Stiftungen, Stipendien für Studirende, sind zu bemerken:

Die Hellerische Stiftung, gestiftet von dem Rathsverwandten Heller 1741 mit 200 fl. für Studirende der Theologie aus seiner Familie, wenn es an solchen fehlt, aus der Bürgerschaft und wenn auch hier keine vorhanden sind,| zur Austheilung an Stadtarme. Die Verwaltung hat die Spitalpflege.

Die Herrgottische Stiftung, gestiftet 1771 mit 2800 fl., von weil. W. Frid. Herrgott, Herzogl. Rath zu Ober-Türkheim, mit der Bestimmung, den Zins aus 2000 fl. an Studirende aus seiner Familie, und in deren Ermanglung an arme Studirende zunächst aus dem Oberamt, und dann aus Würtemberg, sodann aus 600 fl. als Hochzeitgeschenk an ledige Frauenspersonen aus der Herrgottischen Familie bey ihrer Verheirathung zu reichen. Die Verwaltung hat das gem. Oberamt zu führen; jetziger Stand der Stiftung: 12.000 fl.

Die vormalige reformirte Gemeinde besitzt und verwaltet noch ein eigenes Stiftungs-Vermögen von 3300 fl. nebst einem Wohnhaus (vormal. Pfarrhaus nebst Kirche) und 5/4 Mg. (Pfarr-) Garten.

3. Anstalten für Handel und Verkehr. Hieher gehören das Lagerhaus oder die Halle, die Neckarschifffahrts-Anstalt, die Boten-Anstalt, die Brücke, die Straßen und die Märkte, deren oben theilweise schon erwähnt ist.

Die Stadt Canstatt ist schon seit langer Zeit eine Hauptzollstätte. Es war im Jahr 1465, daß der Kaiser Friedrich III. den Grafen Ulrich, den vielgeliebten, mit dem einträglichen Judenschutze in den Erzstiften Mainz, Trier und Salzburg auch das Recht verlieh, „daß er zu der Mülen bey Canstatt gelegen, uff des heiligen Reichs freyer Straß ein Zollstat haben möge, da von denen, so Centner Güter führen, von jedem Roß, das zeucht, 1. Gulden und ein alter Thurneß gegeben, was aber nicht Centner Güter führt, von jedem Roß 6. Pfenning geben werden.“ Daß dieser Zoll nicht unbedeutend war, beweist, daß die Gemahlin Eberhards d. j. 1468 mit ihrem Jahrgehalt darauf angewiesen wurde. Im Jahr 1479 wurde mit Kaiserlicher Genehmigung der Zoll in die Stadt verlegt, „dieweil die Mül nicht verwahrt und der gemeine Handelsmann an seiner| Kaufmannschaft und Gütern bald merklichen Schaden leiden möchte." Lange Zeit befand sich das Lagerhaus unter der Mädchenschule in der Stadt; im Jahr 1829 baute endlich die Stadt die jetzige schöne Halle an der Ludwigsburger Straße, und bezieht nun dafür die Wage- und Lagerhaus-Gebühren, wodurch ihr das aufgewendete Kapital reichlich verzinst wird. Die Anstalten für die Neckarschifffahrt bestehen in einem Krahn, der auf dem rechten Neckarufer unterhalb der Mühle steht, in dem Mühl- und Schiffs-Kanal und in einer Schleuße. Mittelst der letztern Einrichtung wird die Fahrt zwischen dem Kanal und dem über dem Mühlwehr um mehrere Fuß höher stehenden Flusse bewerkstelligt. Die Fahrt ging übrigens nie weiter, als bis in den Holzgarten zu Berg mit Scheiterholz von Rems. Canstatt war immer der Endpunkt der Neckarschifffahrt, und somit ein natürlicher Stapelplatz. Auf der andern Seite ging die Schifffahrt abwärts bis zur Zeit der Erbauung des Kanals zu Heilbronn, wodurch die Durchfahrt in den untern Neckar hergestellt wurde, nur bis Heilbronn; es theilte sich deswegen die Schifffahrt in die untere und die obere Neckarschifffahrt, und diese Eintheilung besteht noch auf den heutigen Tag, obgleich nun auch die Schiffe des untern Neckars bis Canstatt fahren. Die Neckarschiffe auf dem Ober-Neckar (von Canstatt bis Heilbronn) sind vorschriftsmäßig alle von gleichem Bau und gleicher Größe, 80′ lang und im Boden 5′ 8″ breit, mit einer heizbaren Cajüte und einem Verdeke, mit einem Mast und Steuerruder und einem Anhänge-Nachen von 38′ Länge versehen. Ihre höchste Ladungsfähigkeit sind 600 Ctr. Die Schiffer, deren früher 8 waren, jetzt aber mehr sind, befinden sich zu Hofen, Rems und Horkheim. Sie bildeten bis zur Zeit des neuen Gewerbsgesetzes eine eigene Gilde oder Bruderschaft, die ihren Sitz in Canstatt hatte; der Oberamtmann daselbst war Oberbrudermeister. Die Schifffahrts-Verwaltung, und mit ihr die Spedition, kam durch Vertrag 1743 in die Hände der Stadt, die als Besitzerin des Lagerhauses dann auch die Spedition| zu Land an sich zog und so ein ausschließliches Recht auf die Spedition zu Wasser und zu Land übte, bis sie endlich dasselbe als unhaltbar 1818 aufgab und das Geschäft dem freyen Privatbetrieb überließ.

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Was die Neckarschifffahrt von Canstatt bis Heilbronn im Allgemeinen betrifft, so theilen wir hier noch einige weitere geschichtliche Nachrichten darüber mit. Die Schiffbarmachung des Neckars wird gemeiniglich dem Herzog Christoph zugeschrieben: es ist jedoch schon in dem unten angeführten Canstatter Dokumente aus der Zeit des Grafen Eberhards d. j., also 1480–1482, von der Schifffahrt bis Heilbronn die Rede. Man hat sogar Spuren, daß die Schifffahrt schon zur Zeit der Römer im Gange war, wenigstens hat man zu Marbach einen römischen Altar gefunden, den die Schiffer dem Schutzgott der Schiffe – Nautae Genio Nautarum – geweiht haben. Die Schwierigkeiten, welche der Fluß darbietet, mögen Ursache gewesen seyn, daß die Schifffahrt wieder in Abgang gekommen ist. Kaiser Karl ertheilte dem Herzog Christoph am 1. Decbr. 1553 die Freyheit, den Neckarfluß, so weit solcher durch sein Fürstenthum fließe, und er auch sonst solches nützlich befinde, zu öffnen, schiffreich und gängig zu machen etc. Da die Durchfahrt zu Heilbronn mit Mühlen und Werken verbaut war, so schloß der Herzog am 4. Januar 1557 mit der Reichsstadt einen Vertrag ab, wornach er der Stadt 10.000 fl. zu erlegen versprach, diese aber „den Wasserbau zu einer geraumen Schifffahrt“ in das Werk zu richten und künftig im Bau zu erhalten über sich nahm, doch unbeschadet der Rechte und Freyheiten der Stadt. Allein schon 1590 war die Heilbronner Einrichtung durch Überschwemmung unbrauchbar geworden. Der Baumeister Schickhardt übergab deswegen dem Herzog Friedrich I., dessen reger Sinn für Handel und Gewerbe sich auch auf die Neckarschifffahrt gerichtet hatte, einen neuen Plan zur Bewerkstelligung der Durchfahrt zu Heilbronn. Der frühzeitige Tod des Herzogs scheint jedoch sowohl diesen als andere Plane, worunter auch die bereits| versuchte Schiffbarmachung des Neckars bis Plochingen hinauf gehörte, vereitelt zu haben, und die folgende, an Kriegs-Ereignissen schwere Zeit war nicht geeignet zu dergleichen Unternehmungen. Erst unter dem Herzog Eberhard Ludwig wurde wieder ernstlich an die Neckarschifffahrt gedacht. Im Jahr 1712 wurde eine Untersuchungsfahrt von Heilbronn bis Berg gemacht; in Folge derselben unternahm es der Kammer-Präsident von Tessin, die Neckarstraße im Laufe eines Sommers herzustellen. Es geschah, und die Stadt Canstatt stellte selber 2000 Fröhner und Fuhren nebst Eichen und anderem Holz dazu. Im folgenden Jahre 1713 wurde „die Schifffahrt zu Canstatt mit vielen Solennitäten auf- und eingerichtet,“ und man kann von dieser Zeit die Schiffbarmachung des Neckars datiren. Zu Canstatt wurde nun eine eigene Schiffer-Innung errichtet, und von 1716 an gingen alle Wochen zwey Marktschiffe zwischen Canstatt hin und her. Nach abwechselnder Ebbe und Fluth wurde endlich 1743 auch ein Krahn zu Canstatt erbaut, die Herzogliche Kammer aber zog sich von dem Geschäfte zurück und überließ dasselbe mit Nutzen und Lasten der Stadt Canstatt.

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Die nach der Mitte des letzten Jahrhunderts erfolgte Anlegung von Kunststraßen konnte der Schifffahrt nicht günstig seyn, und wäre die Heilbronner Straße zweckmäßiger angelegt worden, so würde sich jene bey dem jetzigen geringen Unterschied der Fracht und dem viel langsamern Gang der Schiffe vermuthlich ganz aufgehoben haben. Durch den mit Pfalzbayern 16. Juli 1782 abgeschlossenen Salz- und Weinhandels-Vertrag erhielt die Schifffahrt wieder neues Leben. Der Vertrag legte Würtemberg zugleich die Verpflichtung auf, „die Neckarschifffahrt von Canstatt nach Heilbronn, welche zum Behuf der groben und schweren Güter unentbehrlich, innerhalb Jahresfrist vollkommen und brauchbar herzurichten.“ Es bildete sich jetzt eine Speditionshandlung unter der Firma „Gsell, Reinhard und Comp.,“ nachher „Beuttenmüller und Comp.,“ welche das Geschäft von der Stadt in Pacht erhielt, und es wurde nun auch wieder| ein Marktschifflauf zwischen Canstatt und Heilbronn eingerichtet. Aber auch jetzt wollte die Schifffahrt keinen rechten Fortgang gewinnen, und von 1810 an stand sie viele Jahre lang ganz still. Der verstorbene Finanzminister von Wekherlin bemühte sich, sie neuerdings ins Leben zu rufen, und der Salztransport von der neu errichteten Saline Friedrichshall, so wie die Thätigkeit einzelner Speditionshandlungen, insbesondere des Handelshauses Kellers Söhne, förderte dieses Bemühen. Um die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, welche der Neckarschifffahrt durch die Unterbrechung zu Heilbronn und an andern Orten in dem Wege standen, ließ König Wilhelm den schönen Kanal daselbst mit einem Kostenaufwand von 175 bis 200.000 fl. bauen. Aufwärts wurden neue Schleußen gebaut, hinderliche Mühlen, wie die Mühlen zu Kaltenwestheim, Hoheneck und – für künftige Zeiten – zu Ober-Türkheim, wurden weggeschafft, und überhaupt keine Kosten gespart, um der Neckarschifffahrt den größtmöglichen Flor zu verschaffen. Bey dem Allem aber befindet sich die Neckarstraße auch jetzt noch in einem Zustande, der der Schifffahrt nichts weniger als günstig ist. Um deßwillen haben denn auch die Stände auf dem letzten Landtage die Summe von 100.000 fl. für dieselbe bewilligt, welche jedoch kaum zu den dringendsten Verbesserungen hinreichen wird. Indeß ist die Stadt Canstatt im Hinblick auf die neue Rheinschifffahrts-Ordnung durch Königl. Entschließung vom 14. Nov. 1831 zum Freyhafen erklärt worden, auch ist die Regierung gegenwärtig bemüht, die Hindernisse hinwegzuräumen, welche der Neckarschifffahrt von Badischer Seite durch Zölle und Stapelzwang zu Mannheim in den Weg gelegt worden sind.

Boten-Anstalt. Canstatt hat einen Stadtboten, der täglich nach Stuttgart geht, und wöchentlich dreymal dahin fährt. Vormals war es zugleich der Sitz des Hauptpostamts, wovon hier noch einige weitere Nachrichten stehen mögen.

Im Jahr 1516 hatte K. Maximilian I. durch Franz| von Thurn und Taxis eine vorübergehende und nach ihm K. Karl V. eine bleibende reitende Post von den Niederlanden durch Deutschland anlegen lassen. Bey dieser Einrichtung wurden im Herzogthum Würtemberg 4 Posthalter oder sogenannte Postboten, und zwar zu Knittlingen, Enzweihingen, Canstatt und Ebersbach aufgestellt. Als später, trotz allem Widerspruch der Reichsstände, aus dieser niederländischen Post eine Reichspost wurde, und dieselbe 1602 bis 1615 eine ausgedehntere Einrichtung erhielt, wurde aus dem Canstatter Postboten ein Reichspostmeister mit einem Hauptpostamte, dem nicht nur sämmtliche würtembergische, sondern auch die auswärtigen Postämter von Schaffhausen bis Frankfurt und von Nürnberg bis Kehl untergeordnet waren. Neben dem Postamt bestand eine besondere Posthalterey für Extraposten; die Postwagen-Expedition dagegen, eine neuere Anstalt, die auf besondern Verträgen mit Taxis beruhte, ward mit dem Postamt Stuttgart verbunden.[3]

Nach der Auflösung der deutschen Reichsverfassung wurden auch die Taxisschen Posten aufgehoben, und Canstatt erlitt nun den empfindlichen Verlust, daß seine Postanstalt mit der von Stuttgart verbunden und das Hauptpostamt dorthin verlegt wurde, ein Verlust, der bey der ungünstigen Lage von Stuttgart für den Verkehr lange Zeit auch in anderer Beziehung beklagt wurde.

Die Brücke über den Neckar, welche die Stadt und Vorstadt verbindet, ist 375′ lang und hat 2 hölzerne und 7 steinerne Pfeiler mit einer hölzernen Fahrbahn. Der Standpunkt auf derselben ist äußerst freundlich, aber die Brücke selbst befindet sich in einem sehr traurigen Zustand, in einem Zustande, der für eine Haupt-Landesbrücke kaum schmählicher seyn könnte, überdies nicht ohne Gefahr ist. Man ist| daher schon längst damit umgegangen, eine neue und zwar ganz steinerne Brücke an ihre Stelle zu setzen; da aber die Kräfte der Stadt, welcher bisher die Baulast gegen Bezug eines Brückengelds allein obgelegen war, zu einer solchen nicht hinreichen, und billiger Weise auch dafür nicht in Anspruch genommen werden können, so entschloß sich die Regierung, ins Mittel zu treten, und es wurde auf ihren Antrag i. J. 1830 von den Ständen die Summe von 189.300 fl. zu dem Bau bewilligt, unter der Bedingung, daß die Stadt die weiteren Kosten – der Überschlag war auf 230.000 fl. berechnet – zuschießen und daneben ihr Recht auf das Brückengeld aufgeben solle. Da sich die Stadt jedoch neben Aufgebung des Brückengelds nur zu einem Beytrag von 25.000 fl. verstehen wollte, so blieb der Bau bis jetzt um so mehr aufgeschoben, als man auch über die Stelle nicht ganz einig war, auf welche die neue Brücke gesetzt werden sollte. Weil indeß der Zustand der alten Brücke immer gefährlicher sich zeigte, so wurde einstweilen im Sommer 1831 oberhalb derselben auf Staatskosten eine Nothbrücke gebaut; das Brückengeld aber wurde von der Stadt vorläufig aufgehoben, weil sie durch die Interimsbrücke dazu genöthigt war. Das Recht des Brückengelds war der Stadt durch zwey kaiserliche Privilegien von Kaiser Karl V. 1532 und von K. Rudolph II. 1593 bestätigt worden.

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Neben der Canstatter Brücke hat die Stadt auch noch mit einem Viertheil zu dem Bau und der Unterhaltung der Unter-Türkheimer Brücke beyzutragen. Diese Obliegenheit hat folgenden Grund: Graf Eberhard d. j. ließ ums Jahr 1480 der Stadt durch den Vogt Rummel den Antrag machen, daß er den Weg über Berg abthun wolle, wenn sich die Stadt dagegen erkenntlich bezeuge. Die Stadt bezahlte dem Grafen die Summe von 100 Thalern, und der Weg von Stuttgart und Canstatt über Berg nach Eßlingen blieb verboten. Nun gründete aber darauf nachher Graf Eberhard d. ä. das Ansinnen an die Stadt, auch den Bau und die Erhaltung der Unter-Türkheimer Brücke zu| übernehmen, und durch einen Vergleich vom J. 1491, dem später noch ein anderer folgte, wurde denn auch wirklich ein Theil der Baulast von ihr übernommen. S. Unter-Türkheim.

Die Straßen und Wege, welche von Canstatt ausgehen, sind in gutem Stande. Die Unterhaltung der Straßen lag der Stadt ehemals durchaus allein ob, so weit die Gränzen ihrer Markung gehen, nur eine einzige Straße wurde von der Herrschaft unterhalten, und zwar in der Art, daß dem Vogt jährlich 40 Pf. H. dazu bewilligt wurden. Es war dies eine nun abgegangene Straße, welche an dem rechten Neckarufer von Canstatt nach Unter-Türkheim führte. Sie wurde, weil die ältere von der Uffkirche dahin führende Straße „verfault“ (sie war von Holz) und zum Reiten und Fahren unbrauchbar war, wie es scheint, als Poststraße zu Anfang des 16ten Jahrhunderts gebaut, und hieß die neue Landstraße, im Gegensatz von der noch bestehenden Uffkirchen-Straße, welche die alte Landstraße hieß. Ohne Zweifel wurde sie bei der Anlegung von Chausseen wieder verlassen. Die Stadt hatte dagegen ein Weggeld zu beziehen; schon 1484 rechten mit ihr das Kloster Bebenhausen und das Stift Stuttgart wegen der Freyheit vom Wegezoll.

Die Märkte. Die Stadt hat 3 Vieh- und Krämer-Jahrmärkte und 2 Wochenmärkte. Die erstern sind theilweise ziemlich besucht, die letztern aber wegen der Nähe von Stuttgart, wohin Käufer und Verkäufer sich gerne wenden, unbedeutend. Ein Fruchtmarkt, den man neuerlich damit zu verbinden versucht hat, ist wieder eingegangen. Die Gerechtigkeit, einen Jahr- und Wochenmarkt zu halten, wurde der Stadt 1393 von Graf Eberhard dem Milden verliehen und 1413 bestätigt. Doch war auch die erste Verleihung mehr eine Bestätigung und Erneuerung einer alten, ohne Zweifel schon von den Kaisern verliehenen Gerechtigkeit, als eine wirkliche Verleihung.

4. Das landwirthschaftliche Fest, das alljährlich zu Canstatt auf den 28ten Sept. abgehalten wird, s. S. 81.

| 5. Eine Schießstätte, die früher bey dem Krahn war, ist neuerlich weiter abwärts am Neckar neu und gut eingerichtet worden. Wie in andern Städten, so hat sich auch in Canstatt in der letzten Zeit eine Bürgergarde unter dem Namen Schützen-Corps gebildet. Bey der Einrichtung, welche dergleichen Anstalten erhielten, blieben ihre Vortheile sehr zweifelhaft, weniger dagegen ihre Nachtheile.

6. Ein Exerzierplatz, zu den größeren Übungen der Besatzung von Stuttgart, befindet sich ganz nahe bey der Stadt. Der Platz ist 43 Mrgn. groß. Er war Eigenthum der Stadt und wurde durch Vertrag vom 20. März 1821 von ihr gegen den herrschaftlichen Heu- und Obstzehenten, 91/2 Mg. Wiesen zu Münster und 186 fl. jährliche Gefälle etc. vertauscht.

7. Brunnen- und Bade-Anstalten. Die Stadt ist weniger gut mit gewöhnlichem Quellwasser, als mit Mineralwasser versehen. Es fehlt zwar nicht an Brunnen,[4] aber das Wasser ist von geringer Beschaffenheit, und weder zum Waschen, noch zum Kochen wohl brauchbar. Nur ein einziger Brunnen in der Stadt liefert etwas besseres Wasser; er wird der Erbsenbrunnen genannt, weil sein Wasser auch zum Kochen der Hülsenfrüchte gebraucht werden kann. Dagegen ist ein ausserordentlicher Reichthum an Mineralquellen, in Canstatt Sulzen genannt, vorhanden. Man zählt zu Canstatt über 30 Mineralquellen, darunter 10 Hauptquellen und zwar:

1) Die Sulzerain-Quelle. Diese Quelle kam erst in vorigem Jahrhundert zum Vorschein. Durch ihren Salzgehalt haben die Canstatter Quellen zu verschiedenen Versuchen auf Salzgewinnung Veranlassung gegeben. Solche Versuche wurden 1709 und 1710 mit der Stadtsulz gemacht; 1739 erhielt Gottfried Demmler auf sein Ansuchen ein Privilegium auf sämmtliche Quellen. Er war seiner Sache so gewiß, daß er zugleich um ein Verbot aller Salzeinfuhr in| Würtemberg auf 10 Jahre bat. 1772 wurde auf herrschaftliche Kosten ein „Salzquellen-Ergrabungs- und Bohr-Versuchs-Geschäft“ an dem Sulzerain unternommen und bis ins Jahr 1773 fortgesetzt. Ungefähr 60 Schritte von der alten Quelle daselbst wurde zuerst ein Schacht von 50′ Tiefe gegraben und hierauf der Bohrer angesetzt. Nachdem man in eine Tiefe von 106′ gekommen war, brach plötzlich eine ausserordentlich starke Quelle an, die eine fast tödtliche Ausdünstung voranschickte, und die Arbeiter in große Gefahr setzte. Da aber der Gehalt des Wassers noch nicht befriedigte, so wurden die Bohrarbeiten fortgesetzt, und bis in eine Tiefe von beynahe dritthalbhundert Fuß getrieben. Der beabsichtigte Zweck wurde nun zwar nicht erreicht, dagegen erhielt Canstatt durch das Unternehmen eine seiner gehaltreichsten Mineralquellen.

2) Die alte Sulzerain-Quelle, welche nur etwa 50 Schritte von der vorigen, auf den unter der Anhöhe gelegenen Gütern hervorquillt; sie ist unbedeckt und unbenutzt.

3) Die Zollerische Quelle, ganz nahe bey der vorigen auf einer Wiese, im Burgstall genannt. Sie zeigte sich erstmals 1814; der Eigenthümer des Guts wollte sie durch Auftragen eines Hügels abtreiben, aber als man ihr im Frühjahr 1817 etwas Luft machte, brach sie neuerdings mit Macht in einem mannsdicken Strahle hervor und fließt nun seitdem in üppiger Fülle. Sie ist bedeckt und versieht das Zollerische oder Wilhelmsbad mit Wasser.

4) und 5) Die Frösnerischen Quellen in dem Badegarten, zwey neben einander liegende, sehr ergiebige Quellen, wovon die eine das Männlein und die andere das Weiblein genannt wird, eine Benennung, die daher rühren soll, daß sich die eine, das sogenannte Weiblein, vor der neuen Fassung periodisch getrübt hat, vielleicht aber auch von ihrem Nebeneinanderliegen herkommt.

6) Die Stadt-Sulz neben dem Rathhause. Sie quillt aus einem großen, zum Theil über 20′ tiefen Kessel mit vielen Quellen, deren in Menge aufsteigende Luftbläschen| dem Kessel das Ansehen geben, als ob er im beständigen Sieden begriffen wäre. Die äußerst ergiebige Quelle wird von den Stadtbewohnern zu Bädern benutzt, ihre seichtere Fläche dient zur Pferdeschwemme.

7) Die obere Sulz vor dem Waiblinger Thor. Ihr Umfang und ihre Tiefe sind noch größer, als die der vorigen Sulz; sie nimmt über 1/4 Morgen ein und greift von Zeit zu Zeit mehr um sich. Sie hat das siedende Aussehen, wie die innere Sulz. Da ihr Boden durchaus mit einem röthlichen eisenhaltigen Niederschlage bedeckt ist, der durch die aufsteigenden Luftblasen immer beunruhigt wird, so ist das Wasser auch immer trüb. Der Abfluß der Quelle ist theils durch die Stadt, theils auf das Rad einer Sägmühle geleitet.

8) Die Linckhische Quelle in der Vorstadt in dem Garten zu dem Gast- und Badehause zum Ochsen.

9) Die Quelle in der Au, bey der dortigen Fabrik. Die Quelle fließt ruhig und krystallhell aus zwey tiefen Kesseln und treibt sogleich nach ihrem Erscheinen ein Wasserrad der Fabrik. Sie friert nie, zeigt übrigens keine mineralische Bestandtheile, duldet aber auch keine Fische.

10) Die Quelle auf der Insel oder die sogenannte Berger Quelle. Sie ist sehr ergiebig und ihr Wasser wird häufig nach Stuttgart geholt.[5] S. Berg.

Die Wassermasse dieser Quellen ist größtentheils sehr bedeutend. Man kann sich einen Begriff davon machen, wenn man weiß, daß von den drey am Sulzerain neben einander liegenden Quellen die einzige Curbrunnenquelle nach einer von dem Obersten von Duttenhofer wiederholt vorgenommenen Messung jede Minute ungefähr 5 W. Eimer ergießt, und die andern ihr an Ergiebigkeit wenig nachgeben.

Die Temperatur ist bey allen Quellen gleich, Sommers, wie Winters zwischen 15 und 16° R. In Vergleichung mit der äußern Lufttemperatur scheint natürlich das Wasser dem Gefühle nach sehr verschieden zu seyn und es| erklärt sich daraus die Täuschung, als ob es Winters warm und Sommers kalt wäre.

Ihrem Charakter nach gehören die Canstatter Quellen zu den salinisch kohlensauren Eisenwassern. Sie haben die Eigenschaft, daß sie stark inkrustiren. Ihre Bestandtheile sind wiederholt untersucht worden; wir theilen hier die Ergebnisse der neuesten und zuverläßigsten Untersuchungen von Herrn Morstatt, einem anerkannt geschickten Chemiker und Apotheker zu Canstatt, mit, und fügen noch die minder zuverläßige von der Linckhischen Quelle bey.[6]

Nach denselben enthält 1 Pfund (221/2 Cz.[s 1]) Wasser:

Sulzerain. Zoller. Frösner. Linckh. O. Sulz.
Männlein. Weiblein.
Kohlens. Gas 23,33 Cz. 19,23 Cz. 19,44 Cz. 19,50 Cz. 10,15 Cz. 15,522 Cz.
Salzs. Kalkerde 0,142 Gr. 0,250 Gr. 0,125 Gr. 0,250 Gr. Gr. Gr.
Salzs. Bitter-Erde 0,050 Gr. 0,125 Gr. 0,620 Gr. 0,187 Gr. Gr. 0,272 Gr.
Salzs. Natrum 19,500 Gr. 15,000 Gr. 16,000 Gr. 16,750 Gr. 6,125 Gr. 19,711 Gr.
Schwefels. Nat. 7,750 Gr. 0,750 Gr. 4,875 Gr. 4,750 Gr. 3,750 Gr. 7,034 Gr.
Schwefels. Bittererde 2,125 Gr. 2,375 Gr. 2,333 Gr. 2,250 Gr. 4,250 Gr. 4,561 Gr.
Schwefels. Kalk-Erde 11,200 Gr. 8,375 Gr. 8,750 Gr. 7,750 Gr. 4,550 Gr. 8,775 Gr.
Kohls. Kalkerde 7,142 Gr. 8,687 Gr. 7,000 Gr. 7,375 Gr. 4,950 Gr. 9,100 Gr.
Kohls. Bitter-Erde 0,142 Gr. Gr. Gr. 0,312 Gr. Gr. 0,475 Gr.
Kohls. Eisenoxyd 0,142 Gr. 0,125 Gr. 0,200 Gr. 0,250 Gr. 0,375 Gr. 0,231 Gr.
Schwefels. Kali. Gr. Gr. Gr. Gr. Gr. 2,617 Gr.
| Ein Pfund des Eisenschlammes, welcher sich in den Bade-Cabinetten der obern Sulz-Quelle absetzt, lieferten getrocknet 61/2 Unzen Eisenoxyd, 8 Unzen kohlensaure Kalkerde, 21/2 Unzen schwefelsaure Kalkerde. Der Heerd dieser Quellen befindet sich vermuthlich in dem Gebirge, worauf das Dorf Rotenberg liegt. Zu dieser Vermuthung wird man sowohl durch die Beschaffenheit des Gebirgs, als durch verschiedene Erscheinungen veranlaßt. Als im Jahr 1773 der Sulzerainbrunnen angebohrt wurde, ereignete sich bald darauf der bedeutende Erdfall, dessen S. 27 erwähnt ist. In der Richtung von jenem Gebirge gegen den Neckar beobachtet man auch den unterirdischen Lauf von Quellen, von deren Getöse den Wiesen des Bezirks von dem Volke der Name „Trommelwiesen“ gegeben worden ist. In dem Neckar selbst werden mehrere Quellen wahrgenommen.

Von den obigen Quellen werden zu Canstatt 7 als Heilquellen in eigenen Anstalten benutzt. Ihre Wirksamkeit betreffend, verweisen wir auf die vorzügliche Schrift: Canstatts Mineralquellen und Bäder von Dr. Trittschler; Oberamts-Arzt in Canstatt. Stuttgart 1823. Im Allgemeinen sind ihre Eigenschaften auflösend, gelinde eröffend und urintreibend, zugleich aber auch belebend und stärkend, s. darüber die oben angeführte Schrift S. 71 und ff. Als Bad gebraucht wirkt das Canstatter-Wasser besonders bey Gicht, chronischen Rhevmatismen, Schwäche und Nervenübeln. Die Wirkungen des Wassers werden nicht wenig durch die eigenthümliche Quellwärme, man kann sagen, Lebenswärme, unterstützt, womit es dem Schoose der Erde entquillt. Diese Temperatur hat überdieß den großen Vortheil, daß nur der vierte Theil des Wassers einer künstlichen Erwärmung bedarf, um dem Ganzen die erforderliche Badewärme zu geben. Man badet somit in der frischen lebendigen Quelle. Darum wird das Canstatter Wasser auch von ältern und neueren Ärzten außerordentlich gerühmt, und der ehemalige Leibmedicus Centil nennt es einen wahren Lebensbrunnen.

| Die Anstalten zum Gebrauch des Wassers sind: Die Brunnen-Anstalt am Sulzerain. Die Quelle, welche in der Regel von den Curgästen als Trinkquelle gebraucht wird, und dazu besonders eingerichtet ist, ist die Sulzrain-Quelle, s. o. Sie liegt 1/8 Stunde von der Stadt an einer Halde, die von ihr der Sulzerain genannt wird. Die aus der Tiefe von 250′ heraufsteigende Wassermasse wird unter der Oberfläche in 4 Brunnen vertheilt; sie sind

1) der Hauptbrunnen, in der sehr schönen von Thouret erbauten Brunnenhalle, worin das Wasser mittelst einer eben so sinnreichen, als geschmackvollen Einrichtung aus 18 Röhren sich ergießt;

2) der Nebenbrunnen, der nur wenige Schritte von ersterem unter einem Strohdache steht, aus 8 Röhren sein Wasser ergießt und am häufigsten gebraucht wird;

3) der Felsenbrunnen, der zur Seite aus einer Felsengrotte in 3 vollen Röhren ausströmt;

4) der Füllbrunnen mit 4 Röhren, der in einiger Entfernung in einem niedlichen Gebäude, worinn der Brunnenmeister seine Wohnung hat, sich befindet und zum Füllen des Wassers, ohne Stöhrung der Curgäste, bestimmt ist.

An die Brunnen schließen sich angenehme Spaziergänge und Anlagen an, eine dreyfache Allee verbindet sie mit der Stadt. Die Anlagen ziehen sich an der steilen Bergwand hinauf, und setzen in einer Allee auf der Höhe fort, auf der man eine herrliche Aussicht über das freundliche Neckar- und das Stuttgarter Thal und auf das entfernte Alpgebirge geniest.

Der Brunnen ist Eigenthum der Stadt, die Anstalt steht aber unter der besondern Aufsicht und Leitung eines freywilligen Brunnen-Vereins, der sich ihre Beförderung zur Angelegenheit gemacht hat. Die Füllung des Wassers für den auswärtigen Gebrauch geschieht unter der Aufsicht des Brunnenmeisters, der die Gefäße auf Verlangen siegelt. Der Absatz ist nicht unbedeutend, er gewährt ein jährliches| Pachtgeld von 1100 fl., obgleich auch an den andern Quellen viel Wasser geholt wird. Für die Füllung wird von einem Kruge 1/2 kr., für die Füllung und Versieglung 1 kr. bezahlt. Bey einer sorgfältigen Füllung erhält sich das Wasser lange Zeit in vollkommener Kraft und kann auch weit versendet werden. Das Wasser hat einen prickelnd säuerlichen und ziemlich salzigen Geschmack. Wegen seines großen kohlensauren Gehalts mussirt es stärker als Champagner Wein, schnell getrunken verursacht es auch eine augenblickliche Berauschung.

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Die Sulzerainquelle wurde lange Zeit blos zum Betrieb einer Ölmühle benutzt, erst allmählig wurde sie auch als Trinkquelle aufgesucht. Der vormalige Oberamtmann Seyffer ließ deßwegen gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts eine Einrichtung zur Bequemlichkeit der Gäste dabey machen. Die Besuche mehrten sich, und nahmen, insbesondere vom Jahr 1812 an, auffallend zu. Ein dankbarer Brunnengast, der Herr Hofrath Sick, nahm sich der sehr bescheidenen Anstalt an, und verschönerte 1814 die Umgebung des Brunnens durch neue Anlagen. Später wollte eine Gesellschaft eine große Bad- und Brunnen-Anstalt an der Quelle errichten, sie suchte dazu die Königliche Erlaubniß nach; die Bitte hatte die Folge, daß der König Friedrich dem Stadtmagistrat die Absicht zu erkennen geben ließ, selbst eine entsprechende Anstalt zu gründen, wofern die Stadt Ihm das Eigenthumsrecht auf den Brunnen und den Sulzerain abtreten wolle. Die Abtretung geschah; aber ungünstige Umstände beschränkten die Ausführung des Königlichen Plans auf einige nothdürftige Einrichtungen. Das Bedürfniß verlangte jedoch mehr und glücklicher Weise kam diesem Bedürfniß eine allgemeine Theilnahme zu Hülfe. Es flossen Privatbeyträge bis auf die Summe 5000 fl. und es bildete sich nun der oben erwähnte Brunnenverein, der das Glück hatte, in dem Herrn General-Lieutenannt von Spitzenberg einen eben so einsichtsvollen als kräftig wirkenden Vorstand zu gewinnen. S. M. der König Wilhelm, stets geneigt,| gemeinnützige Unternehmungen zu fördern, gab der Stadt auf ihre Bitte nicht nur das Eigenthumsrecht auf den Brunnen zurück, sondern unterstützte auch die weitere Vervollkommnung der Anstalt mit königlicher Freygebigkeit. Die Staatskasse trat ebenfalls ins Mittel, die Stadt selber trug nun auch 2000 fl. bey, und übernahm dabey noch die Gewährleistung für ein Anlehen von 10.000 fl., so daß der Verein allmählig über die Summe von 42.000 fl. zu verfügen hatte. Nachdem zuerst 1819 bis 1820 die Quelle, deren Fassung sehr Noth gelitten hatte, durch den Herrn Obersten von Duttenhofer mit Überwindung vieler Schwierigkeiten neu gefaßt worden war, wurden 1821 und 1822 die Anlagen mittelst Ankaufs von Gütern unter der Leitung des Herrn Oberhofgärtners Bosch erweitert, es wurde namentlich die von der Stadt zu dem Brunnen führende dreyfache Allee angelegt; 1824 wurde das schöne Füllhaus gebaut, und 1825 der Grundstein zu der eben so soliden als geschmackvollen Brunnenhalle gelegt. Aber leider waren nun mit ihrer Erbauung die Mittel erschöpft, und die beyden Gallerien oder Promenaden, welche sich an die Halle anschließen sollten, so wie noch andere beabsichtigte Anlagen blieben bis jezt unausgeführt. Indeß befindet sich nun die Anstalt auch so, wie sie ist, in einem Zustande, der ihr sehr zur Empfehlung gereicht.

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Die Frösnersche Bad- und Brunnen-Anstalt. Diese Anstalt befindet sich auf der Südseite der Stadt, außerhalb der Stadtmauer in einer ganz freyen und äußerst angenehmen Lage. Sie ist die älteste Anstalt und war lange Zeit die einzige. Es ist bekannt, daß ehemals jeder Ort von einiger Bedeutung seine Bad- und Schwitz-Stube hatte. Eine solche Anstalt befand sich auch in C. Sie stand an dem obern, oder Waiblinger, Thore, eine benachbarte Kelter hieß bis auf unsere Zeiten davon die Badkelter. Ums Jahr 1538 wurde die neue Badstube am Neckar, das nun abgebrochene Frösnerische Badhaus, erbaut. Die Anstalt zahlte einen jährlichen Zins von 3 Pfd. 3 Sch. an die| Herrschaft, und eben so viel an die Pfarrey Wangen, „alles vermög eines Pergamentinnen Briefs v. J. 1377.“

Neben dieser gemeinen Badeanstalt besaß Canstatt von alten Zeiten her noch ein besonderes Mineralbad, welches das Sulzbad genannt wurde, und in dem Badgarten stand. Die dort, nach S. 13, aufgefundenen Denkmähler beweisen, daß schon die Römer eine Badeanstalt an den dortigen Quellen erbaut hatten. 1449 wurde das Bad von den Eßlingern in Asche gelegt; gleiches Schicksal hatte es in dem dreyßigjährigen Krieg; es wurde daher mit der neuen Badstube vereinigt. Zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts baute der Badinnhaber Frösner ein neues Gebäude dazu, 1818 fing er an, die Gebäude in dem Badegarten aufzuführen, wohin er später die ganze Anstalt verlegte. Die Anstalt, wie sie jetzt ist, gehört zu den schönsten und best eingerichteten ihrer Art; es wird wenige Curanstalten geben, die so viel Annehmlichkeiten in sich vereinigen, wie diese. Mit einem großen und ansehnlichen Hauptgebäude ist ein langes Nebengebäude verbunden, in dessen Erdgeschoße die Badegemächer angebracht sind. Vor den Gebäuden breitet sich ein schöner über 10 Morgen großer, Garten aus, von alten Zeiten her der Badgarten genannt, der zum Vergnügen der Curgäste eingerichtet ist. In dem Garten selber befindet sich wieder ein großes Gebäude mit einem Tanzsaal. Die Gebäude sind durchaus neu, und die Einrichtung ist vorzüglich; sie enthalten 109 gute, zum Theil sehr schön eingerichtete Zimmer, nebst einem Billard Zimmer und einem Speisesaale für 300 Gäste. Von den Zimmern aus erfreut man sich fast überall der freundlichsten Aussichten. Besonders gut und angenehm sind auch die Badegemächer und deren Einrichtung. Man badet, wie in den andern Bädern, in hölzernen Wannen; ein Theil der Gemächer hat aber auch steinerne oder kupferne Wannen. Jede Wanne hat ihre eigene Hahnen-Einrichtung, mittelst welcher der Badende sich selber mit warmem oder kaltem Wasser versehen kann; lezteres fließt aus der Quelle unmittelbar in ganz frischer Lebenskraft in die Wannen.

| Die Quellen, s. S. 109, die sich ganz nahe bey den Badgemächern befinden, sind beyde neu und gut gefaßt. Die eine davon wird als Trinkquelle, die andere zu den Bädern benützt; die Cur-Gäste, die an der großen Brunnen-Versammlung an dem Sulzerain nicht Theil nehmen wollen, haben die Annehmlichkeit, daß sie hier ihre Brunnen-Cur mit aller Bequemlichkeit und gleich gutem Erfolg in dem Garten gebrauchen können. Der Garten bietet noch die weitere Annehmlichkeit dar, daß er seit vielen Jahren ein Vereinigungspunkt geselligen Vergnügens ist. Die Anstalt ist sehr besucht, besonders in neuern Zeiten, seitdem ihr Inhaber die Wirthschaft wieder selber übernommen hat. In ihrem alten Zustande war sie bis 1643 städtisches Eigenthum, jetzt ist sie, wie die folgenden Anstalten, Privat-Eigenthum des Innhabers.

Das Wilhelms-Bad. Diese Anstalt ist erst in neuern Zeiten seit 1817 entstanden. Sie befindet sich auf der nordöstlichen Seite der Stadt in der Schmidener Vorstadt. Die Anstalt ist ebenfalls gut, sehr geräumig und mit einem schönen Garten versehen. In den Badgemächern findet gleichfalls die Hahnen-Einrichtung statt. Die Anstalt hat das Angenehme, daß sie an die Allee zu dem Sulzerain-Brunnen grenzt. Von dorther, der Quelle im Burgstall, erhält sie auch ihr Wasser, das ihr mittelst eines Pumpwerks in geschlossenen Teicheln zugeführt wird, s. S. 110. Die Anstalt ist in neuern Zeiten sehr erweitert und verschönert worden. Auch sie wird alljährlich sehr zahlreich besucht.

Das Bad zum Ochsen. Es liegt in der Neckar-Vorstadt bey der Brücke, und ist mit dem Gasthofe zum Ochsen verbunden. Gute Bedienung und gute Wirthschaft haben es immer sehr empfohlen. Der Gründer desselben, der vormalige Ochsenwirth Linkh, gieng darin den übrigen Anstalten mit der Hahnen-Einrichtung voran. Das Bad wurde 1816 eröffnet. Das Wasser dazu liefert die Quelle in dem zu dem Gasthofe gehörigen Garten.

Die Preise in diesen Anstalten sind ziemlich gleich:| für ein Zimmer wird täglich 24 bis 48 kr. für ein ganz geräumiges und vorzüglich schön eingerichtetes auch bis 1 fl. 12 kr. bezahlt; der Preis für ein Bad ist neuerlich überall von 24 auf 18 kr. und 3 kr. Trinkgeld herabgesetzt. Die Mittagstafel kostet 36 bis 40 kr. Außer den Badewirthschaften finden die Curgäste auch wohleingerichtete Wohnungen in der Stadt.

Das Sulzbad. Dieß ist eine in der obern Sulz vor dem Waiblinger Thor eingerichtete Anstalt zum kalten Mineralbade, die 1831 von Herrn Dr. Heine gegründet wurde. Sie ersetzt eine ähnliche Anstalt, die ehemals in den Badegärten bestanden hatte, hat aber den großen Vorzug, daß die Einrichtung zu schwimmenden Bädern gemacht ist. Am Ufer steht ein heizbares Häuschen zur Bequemlichkeit der Badenden. Ein Bad kostet 12 kr. Außerdem sind auch an dem Neckarufer Einrichtungen zum Gebrauch des Neckarbades vorhanden.

Das Badeleben ist sehr angenehm und unterhaltend in Canstatt, die schöne Natur, die Nähe von Stuttgart, und die große Auswahl von Ausflügen geben hinlänglichen Ersatz für Spiel und Theater. Übrigens ist zu bedauern, daß das Theater in Stuttgart gerade während der Curzeit geschloßen ist.

8) Ein orthopädisches Institut zur Heilung von Verkrümmungen des menschlichen Körpers wurde 1829 von Herrn Dr. Heine mit gnädigster Unterstützung S. M. des Königs gegründet, und seit dem mit dem glücklichsten Erfolge von dem geschickten Unternehmer betrieben. Die Anstalt befindet sich in einem schönen, mit einem Garten verbundenen, Gebäude neben dem Frösnerischen Bade, und ist immer sehr stark besucht. Sie zeichnet sich insbesondere auch dadurch vor andern sehr vortheilhaft aus, daß das allgemeine Befinden der Zöglinge in der Regel nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern sehr häufig gebessert wird, wozu die Örtlichkeit von Canstatt nicht wenig beyträgt. Die Behandlungs-Methode ist eine gemischte, theils mechanische,| theils dynamische. Mit der Anstalt steht die oben erwähnte Badeanstalt in der obern Sulz in Verbindung.

9) Begräbnißplätze. Die Stadt hat ihrer zwey, den bey der Uffkirche, den andern auf der Altenburger Höhe, hinter der Neckarvorstadt, beyde in ausnehmend schöner Lage. Der Erstere ist für die Einwohner auf dem rechten, der Andere für die Einwohner auf dem linken Neckar-Ufer bestimmt. Der Letztere war früher auch der Begräbnißplatz für Fremde, nicht Lutherische und Verunglückte, neuerlich ist aber diese besondere Bestimmung aufgehoben worden. In ältern Zeiten hatte Canstatt sogar 3 Kirchhöfe, so lang es noch 3 Pfarrkirchen hatte, der dritte befand sich in der Stadt um die Stadtkirche her. Er wurde 1506 mit dem der Uffkirche vereinigt, „weil die Leiblegin einen wasserhaften Grund hatte.“ Diese Kirchhöfe waren zugleich die Begräbnißplätze für die in die Canstatter Kirchen eingepfarrten Filial-Orte, wovon unten noch die Rede seyn wird. Der Kirchhof bey der Uffkirche wurde 1825 bedeutend vergrößert. Zu demselben führt von der Stadt aus neben der Landstraße ein schöner, geplatteter Weg, der Behufs der Leichenbegängnisse 1596 von einem Bürgermeister Speidel gestiftet worden ist.

Zu der Stadtgemeinde Canstatt gehören außerhalb Etters:

b. Berg. Dieser Ort ist zwischen den Gemeinden Stuttgart und Canstatt getheilt. Die Markungsgrenze beider Städte läuft durch den Ort, nachdem dieser schon in ältern Zeiten seine eigene Markung verloren hat. Wir behalten uns die nähere Beschreibung vor, da der Ort demnächst ganz zu der Stadt Stuttgart getheilt werden soll.

c. Der Rosenstein, ein Königliches Landhaus, wozu die Pavillons Berg und Bellevue gehören. Das Landhaus steht auf der Höhe eines freundlichen Hügels, Bellevue am Fuße desselben an der Landstraße nach Stuttgart, nur einige hundert Schritte von der Stadt. Der Hügel, ehemals Kahlenstein genannt, bildet die Zunge einer von| der Brag herüberziehenden Höhe, zwischen dem Stuttgarter Thalkessel und dem Neckarthal. Seine Höhe über der Meeresfläche beträgt bei dem Landhause 760 und über dem Neckar 91 P. Fuß; die gleiche Höhe hat der Marktplatz zu Stuttgart. In geringer Entfernung von dem Landhause steht ein Küchen- und Dienerschafts-Gebäude. An das Landhaus schließt sich ein großer Park von 3271/4 Morgen an, der sich auf der Höhe gegen die Brag hinauf zieht, und zum Theil noch in der Anlegung begriffen ist. Auf der Seite gegen Stuttgart steht der Rosenstein mit den Schloßgarten-Anlagen und durch diese mit dem Königlichen Residenzschloß in Verbindung. Eine Beschreibung dieses schönen Landsitzes, der eine Zierde der ganzen Gegend ist, seiner zauberischen Umgebung und Aussicht und seiner geschmackvollen innern Einrichtung findet sich mit Planen und Abbildungen in den Würtembergischen Jahrbüchern 1830. S. 307. und ff.

Der Pavillon Berg steht am südlichen Fuße des Rosensteins bei dem Weiler Berg, zu dem er gehört. Er ist mit Nebengebäuden und einem Garten verbunden, und war früher Eigenthum der Fabrikinhaber der Türkischrothfärberey und Maschinen-Spinnerey zu Berg, welche ihn vor 25 Jahren erbauten, im Jahr 1818 aber an Seine Majestät den König verkauften.

Bellevue ist ein einfaches, mit Nebengebäuden und einem schönen Lustgarten verbundenes Wohnhaus. Das Haus ist zu Anfang dieses Jahrhunderts von dem Kaufmann Zais erbaut worden. Neben demselben, näher gegen den Berg, baute zu gleicher Zeit die Wittwe Zais ein nun abgebrochenes Wirthschafts-Gebäude, von wo aus einige Jahre theils auf der gegenüberliegenden Insel, theils auf dem Kahlenstein eine Sommerwirthschaft betrieben wurde. Um ihrer reizenden Lage willen kaufte König Friedrich die Gebäude zu einem Absteigquartier an, und schöpfte ihnen den Namen Bellevue. Er überließ sie 1816 seinem Kronprinzen und dessen neu vermählter Gemahlin, der Großfürstin Catharina, und diese wählten sie nun zu ihrem| Sommeraufenthalt, eine Auszeichnung, die der Sitz auch nachher nach dem Regierungsantritt Sr. M. des Königs noch einige Sommer genoß. Durch die noch schönere Lage des Kahlensteins angezogen, hatte König Friedrich den Entschluß gefaßt, auf demselben ein Lustschloß zu bauen. Risse und Überschläge waren fertig, und der Platz bereits ausgesteckt, als der Ausbruch eines neuen Kriegs nach der Rückkehr Napoleons von Elba im Jahr 1815 das Unternehmen wieder rückgängig machte. Indessen ließ Friedrich an und auf dem Berge verschiedene Anlagen machen, wodurch der Genuß der schönen Aussicht auf demselben sehr gefördert wurde. Am 3. Mai 1815 genoß der König auch das seltene Vergnügen, sich dieser Aussicht mit zwei Kaisern und einer Kaiserin, dem Kaiser Franz von Östreich, dem Kaiser Alexander von Rußland und der verstorbenen Gemahlin des erstern, zu erfreuen. Zuletzt ließ Friedrich noch den auf der Höhe hinter Bellevue stehenden Pavillon erbauen, starb aber noch ehe er vollendet war.

Was König Friedrich auf dem Kahlenstein aufgegeben hatte, das führte sein Thronfolger, König Wilhelm, gleichwohl nach andern Planen, aus, indem er den jetzigen Landsitz schuf, dem er den Namen Rosenstein beylegte. Das Werk wurde nach den Planen und unter der Leitung des Königl. Hofbaumeisters Salucci und des Königl. Ober-Hofgärtners Bosch ausgeführt. Nachdem der König vom Jahre 1817 an sämmtliche Güterstücke auf dem Berge von mehr als 500 Eigenthümmern hatte zusammenkaufen lassen, wurde der Anfang 1822 mit den Grabarbeiten gemacht, um dem Berg diejenige Hügelform zu geben, die er jetzt hat. Das Landhaus wurde von 1824 bis 1829 erbaut, die Grabarbeiten aber dauerten bis 1831 fort.

Von dem Umfange dieser Arbeiten kann sich nur derjenige eine Vorstellung machen, der den Berg in seiner früheren Gestalt gekannt hat. Der Berg fiel auf beiden Seiten, besonders aber gegen den Neckar in sehr schroffen, zum Theil kahlen und felsigen Wänden ab, woher er denn auch| vermuthlich seinen Namen Kahlenstein hatte. Von der Neckarseite war er fast ganz unzugänglich; es führte daher von der Gegend von Bellevue aus eine Treppe, von alten Zeiten her „die Stuttgarter Staffel“ genannt, auf seine Höhe, über welche der Fußweg nach Stuttgart gieng. Zu dieser Staffel hatte 1596 des alten Vetterlins Wittwe 100 fl. gestiftet, der König hatte sie, nachdem sie längst abgegangen war, 1816 wieder herstellen lassen. Am Fuße des Bergs zwischen Bellevue und Berg hatte ein neu erbauter doppelter Bierkeller gestanden, der nun in dem Berge versteckt ist; ein zweiter Keller ist von der Zaisischen Wirthschaft in dem Keller vergraben.

Während der Umwandlung des Berges wurde auch dem Neckar am Fuße desselben ein anderes Bett gegeben, wodurch derselbe weiter hinüber gerückt wurde, so daß der Fluß seinen Lauf, den er diesseits der Halbinsel nahe an Bellevue vorüber hatte, nun jenseits derselben erhielt. Ebenso wurde auch die Straße von Bellevue bis an die neue Brücke ganz verändert, und dem Flusse näher gebracht. Zu gleicher Zeit ließ der König auch die oben schon erwähnten Gebäude der Vorstadt ankaufen, um seiner Zeit größere Bauwerke an ihre Stelle zu setzen, und so allmählig ein geschloßenes Ganzes zu bilden.

d. Das Bragwirthshaus. Es steht auf der Höhe der Brag an der Ludwigsburger Straße, und wurde erst vor einigen Jahren erbaut, nachdem das Wirthshaus und ehemalige Chausseehaus, das weiter unten in der Ecke, wo die Stuttgarter und die Canstatter Straße zusammen laufen, gestanden hatte, von dem König gekauft, und zum Abbruch bestimmt worden war.

e. Die Fabrik in der Au, die obengenannte Türkischrothfärberey und Maschinen-Spinnerey, vorzugsweise „die Fabrik“ genannt. Sie liegt mit ihren schönen Gebäuden nur einige hundert Schritte unterhalb der Stadt auf dem linken Ufer des Neckars. In ihrer Nähe befindet sich eine reiche Quelle, welche ein Wasserrad der Spinnerey treibt| s. S. 111. Früher stand eine Lohmühle, später Gyps- und Hanfmühle bey der Quelle.

f. Die Ziegelhütte, 1/4 Stunde unterhalb Canstatt auf dem rechten Ufer des Neckars mit 1 Familie.

g. Die Bürklische Rothfärberey unfern Gaisburg an der Landstraße, wo sie vor wenigen Jahren erst erbaut worden ist.

Geschichte der Stadt.

Alter und Ursprung der Stadt. Canstatt ist sowohl in kirchlicher, als politischer Hinsicht einer der merkwürdigsten Orte des Landes; seine Geschichte verdient daher auch eine etwas ausführlichere Behandlung. Nach der Menge von römischen Denkmählern aller Art, welche, wie vorn S. 12 gezeigt worden ist, zu Canstatt gefunden werden, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß das Alter und der Ursprung des Orts in die Zeiten der Römer hinauf reiche, und daß sich dort eine sehr bedeutende Römische Niederlassung befunden habe. „Ich habe“, sagt Leichtlen in der unten angeführten Schrift, „immer die Meinung gehegt, daß Canstatt die Hauptstadt (der Römer) des mittlern Neckars gewesen sey“. Wie aber diese Römische Niederlassung geheißen habe, davon gibt weder ein Schriftsteller noch ein Denkmahl sichere Kunde. Leichtlen nennt sie etwas willkührlich Cana, s. u.; v. Raiser hält es für möglich, daß sie das Römische Clarenna gewesen sey.[7]

Der Hauptsitz der Römischen Niederlassung befand sich auf dem Altenburger Feld, an ihn schloßen sich als den Mittelpunkt andere kleine Ansiedlungen umher und wahrscheinlich selbst Zatzenhausen und Mühlhausen an, die| vielleicht alle unter Einem Namen begriffen wurden. Die Zeit der Römischen Niederlassung fällt allen Anzeigen nach, zwischen die Mitte des zweiten, und des vierten Jahrhunderts.

Mit der Herrschaft der Römer wurden gemeiniglich auch ihre Wohnsitze zerstört; aber auf den Trümmern derselben bauten sich die Deutschen wieder an. So geschah es auch zu Canstatt: es entstanden Burgen, Höfe, Weiler und Dörfer und aus diesen die Stadt. Der alte Hofbestand hat sich noch in späterer Zeit erhalten; die Weiler und Dörfer, aus welchen die Stadt zusammenfloß, waren hauptsächlich Altenburg, Brie, Uffkirchen und Canstatt selber, welche hier noch etwas näher berührt zu werden verdienen.

1) Altenburg. Es lag auf der oben bezeichneten Anhöhe hinter der Neckarvorstadt, und war, wie schon bemerkt worden, der Hauptpunkt der Römischen Ansiedlung. Schon der Name des Orts weist auf seinen Römischen Ursprung hin; denn ohne Zweifel kommt er nicht von dem deutschen Alt, sondern von Altus, hoch, her, wie denn auch die meisten Orte mit ähnlichen Namen und von Röm. Abkunft auf Höhen liegen, wiewol auch „Altstadt“ auf Röm. Alterthum hinweist. Die Niederlassung muß sehr ausgedehnt gewesen seyn: noch laufen an dem Rande der Anhöhe bis Münster hinab starke Mauern, gleich Stadtmauern und das ganze weite Feld steckt noch voll von Mauern, so viel ihrer auch schon ausgegraben worden sind. Von dem nachherigen Weiler oder Dorf Altenburg ist keine Spur mehr übrig; aber das Feld hat noch den Namen „Altenburger Feld“ und ein Begräbniß-Platz am Rande der Anhöhe, wo einst die Kirche gestanden hatte, heißt noch der Altenburger Kirchhof, s. S. 120. Bei der Kirche hatte nach allen Merkmalen auch die Burg Altenburg gestanden, von deren Bewohnern weiter unten noch die Rede seyn wird. Noch sieht man bey dem Kirchhofe ein Gut, dessen starke Mauer-Einfassung mit ihren vorspringenden Vierecken offenbar auf einen festen Wohnsitz hinweist. Bedeutendere Überreste müssen noch im 16ten| Jahrhundert zu sehen gewesen seyn; denn in einer Handschrift (von Jak. Frischlin 1580) heißt es: „der ander Theil der Stadt ist die Vorstadt, hat eine alte Burg auf der Höhe, heißt noch auf diesen Tag Altenburg.“[8] In einem alten Zinsbuche findet sich auch ein Eintrag von Äckern auf dem Altenburger Felde, welche Zinse aus abgegangenen Häusern gaben, und an einem andern Orte heißt es „dieß sind die Zins, die gehören zur Vogtey Altenburg“. 1307 verkaufte der Ritter Conrad der Fleyner von Altenburg an das Kloster Bebenhausen „das Halbtheil der Hofstatt der Kelter zu Altenburg bey den Kirchen.“ Von der Pfarrey Altenburg sind weiter unten noch besondere Nachrichten zu finden. Der Ort Altenburg scheint schon in den frühesten Zeiten zu Grunde gegangen zu seyn, und vermuthlich ist an seine Stelle die jetzige Vorstadt getreten, die in die Altenburger Kirche eingepfarrt war, übrigens theilweise wenigstens so alt als Altenburg selber seyn mag. Über die Kirche s. u.

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2) Brie, Brey. Sattler erzählt, daß noch 1473 Häuser und Scheuren von diesem Orte gestanden haben; es ist nicht zu bezweifeln; denn der Ort war kein anderer, als die jetzige Neckarvorstadt. In einem Lagerbuche von 1554 steht ein Verzeichniß von Heller-Zinsen „ußer Häusern in der Vorstadt zu Brey vor der Bruckenthor“, und die oben angeführte Handschrift sagt: „der ander tail (der Stadt) ist die Vorstatt, heißt Brey;“ so nennt sie auch noch Rebstock in seiner kurzen Beschreibung von Würtemberg 1699. Jezt heißen die daran stoßenden Wiesen noch die Breywiesen. Der Name Brie, Brey kommt auch noch in der weiteren Form Brige vor: 1282 verkaufen die beiden Brüder Heinrich von Ächterdingen Zehenten zu Brige und Altenburg, s. Roracker. Der Ort hatte,| wie aus mehreren Urkunden hervorgeht, seine eigene Markung und bildete auch eine eigene Gemeinde mit einem eigenen Gericht und mit einem Edelmann, der hier seine Burg hatte, s. u. Als Wolf von Bry 1336 Weinberge „in der undern huntklingen vor dem Siechenhaus“ verkaufte, waren unter Andern Zeugen: „Balmar und Heinrich die Söner bede richter zu Bri.“ Die Burg Brie stand ohne Zweifel auf der Stelle, oder in der Nähe des s. g. Schillingischen Hauses, wo man noch in vorigem Jahrhundert die kreisförmigen Mauren davon sehen konnte. Eine Handschrift aus dem 16ten Jahrhundert macht davon noch folgende Beschreibung: „darnach (nach dem Gasthaus zum Ochsen) steht eine alte Burg in der Vorstadt, uff welcher vor zeiten Edelleuth gewohnt haben, ist ein gar altfränkisch Haus, hat noch ein Wassergraben ringsherumb, und sieht einer nach dem Eingang der Bruckhen Vellder und den Lustgarten und schöne wisen darumb gelegen.“ Die Burg wurde 1287 von Kaiser Rudolph zerstört. Daß Stadt und Vorstadt zweierley Namen geführt haben, kann um so weniger befremden, als dieser Fall auch sonst, wo ein Fluß trennt, häufig vorkommt, z. B. Rottenburg und Ehingen, Regensburg und Hof.

3) Ufkirchen. Von diesem Weiler, der auf der östlichen Anhöhe der Stadt lag, ist jetzt noch die Kirche – Uffkirche genannt, mit dem Kirchhof übrig. Von ihr hat der Ort unstreitig auch seinen Namen „uf Kirchen, uff Kilchen“ erhalten. Die Kirche war eine uralte Pfarrkirche, s. u. Von dem Orte schrieb sich auch ein adeliges Geschlecht. Die Einwohner des Orts haben sich an die Stadt angeschlossen, und ein Theil von dieser war daher auch in die Ufkirche eingepfarrt. Im 16ten Jahrhundert wohnten noch einige Personen draußen; 1461 war ein Streit mit dem Stift Stuttgart dahin entschieden worden, daß das Stift nicht schuldig sey, zu Uffkirch das Vaselvieh zu halten.

Außer diesen Orten scheint auch noch ein Weiler Namens Stein bey Canstatt gestanden zu haben, der vermuthlich seinen Namen von dem alten Landgericht erhalten hatte.| Ein Herr von Stein zu Canstatt verkaufte 1300 sein Gut zu Stein, und in demselben Jahre sitzt Conrad von Gundelfingen zu Gericht ze Canstatt ze Staini.“ Nach Sattler (Top. S. 95.) hatte dieses Stein eine eigene Zehentmarkung, welche der Pfarrey Altenburg zugehörte. Auf die Lage des Orts werden wir unten bey dem Landgericht zurückkommen.

4) Canstatt. Vermuthlich standen auf der Stelle der jetzigen Stadt anfänglich nur einige Fähr- und Fischerhäuser, und der Hof, womit die Stadtkirche dotirt war. Noch heißt auch ein altes Gäßchen das Fischergäßchen. Der Fluß zog an, Altenburg und Uffkirchen verschwanden, Brie und Canstatt vergrößerten sich, es entstanden Stadt und Vorstadt und allmählig verschwand auch der Name Brie und es blieb nur noch der von Canstatt übrig, der vielleicht schon früher als Gesammtname für die einzelnen Theile gebraucht wurde.

Woher der Name Canstatt komme, darüber sind schon mancherley Vermuthungen und Behauptungen aufgestellt worden. Am häufigsten ist die Ableitung von einem Römischen Denkstein, der die Inschrift gehabt haben soll: C. Ant. Statt. (Caji Antonii Stativa). Aber es findet sich nirgends eine Spur von einem solchen Stein. Der Leichtlenschen Ableitung ist oben schon gedacht. Eine andere Ableitung ist die von Canbach, dem Namen eines Berges hinter der Stadt, jezt Känbach gesprochen, s. u.

Aber merkwürdig ist der Name Brey, Brie, Bria. Leichtlen in der angeführten Schrift sucht seinen Ursprung im Keltischen; er ist jedoch, wie L. selber zugibt, höchst wahrscheinlich lateinisch oder römisch und gleich mit Ripa, Ufer, Gestade, Anlände. Die Versetzung und Verwechslung der Buchstaben kann keinen Anstand machen, sie kommt ja auch sonst bey Namen häufig vor. Somit wären vielleicht die Namen Brie und Canstatt gleich bedeutend, nur daß der eine lateinisch der andere deutsch wäre, s. o. S. 87. Auch Wallenstadt in der Schweiz – das Gestade der Wallen – hieß vormals Ripa, Riva. Geschichten des Kantons St. Gallen durch J. v. Arx. St. Gallen 1830. B. 1. S. 10.

| Der Name Canstatt tritt zuerst erkundlich hervor i. J. 708. In diesen Jahren schenkt der Herzog Gottfried von Allemannien dem Kloster St. Gallen das Dorf Biberburg – Biberburgum vicum ad Neccarum. Actum Canstatt ad Neccarum.[9] Nicht lange nachher, 746, hält Karlmann, der Sohn Carl Martels, Gericht über die Herzoge von Allemannien und Bayern zu Canstatt, oder Condistatt, s. u. und 777 nimmt Karl der Große hier das Kloster Hersfeld in seinen Schutz, kraft Urkunde Datum Canstat. Wenks Hessische Landesgeschichte B. 2. Abtheil. 1. Urk. Buch Nr. 3.
Ältere kirchliche Einrichtung.

Übereinstimmend mit dem oben geschilderten ältern Zustande der Stadt war auch die kirchliche Einrichtung. Canstatt hatte ehemals drey Pfarrkirchen: die zu Altenburg, Canstatt und Ufkirche, welche die Pfarrkirchen der ganzen Gegend in weitem Umkreise, selbst Stuttgart mit eingeschloßen, waren, und ebendeßwegen ohne Zweifel zu den ältesten christlichen Kirchen des Landes gehören.

1) Die Pfarrkirche Altenburg, zum h. Martin, s. S. 89 u. 125. In dieselbe gehörten bis 1321 außer Altenburg, Brie, die jezige Vorstadt, Berg mit Gaisburg und Gablenberg; Wangen mit Roracker und Sillenbuch und Stuttgart, lauter Orte auf dem linken Neckarufer. Als aber der Graf Eberhard 1321 das Stift Beutelsbach nach Stuttgart verlegte, wurde nicht nur die neue Stiftskirche daselbst eine selbstständige Pfarrkirche, sondern es schenkte auch der Graf dem Stifte, zu dessen besserer Ausstattung, „die Kirche zu Altenburg, darzu Stuttgarden Berge und Wangen gehörent,“ mit dem Patronatrecht und allen Nutzen und Rechten. Sattler, Gesch. v. W. Gr.| I. Beil. Nr. 59. Im Jahr 1323 wurde die Kirche dem Stift mit päpstlicher Genehmigung förmlich einverleibt. Dieß geschah zwar „sine praejudicio matricis ecclesiae in Altenburk:“ allein von nun an hatte die Kirche statt eines wirklichen Pfarrers nur noch einen Pfarrverweser, den das Stift zu besolden hatte. Schon die Stiftungs-Urkunde von 1321 bestimmt: „der Probst soll auch besorgen und besetzen die Kirchen zu Altenburg und ze Berg und ze Wangen, die dazu gehörent, mit ewigen Vikarien, den man ir pfründt setze.“ Neben dem Pfarrer oder Pfarrverweser hatte die Kirche auch noch zwey Kaplane. Die jezige Cameralverwaltung war das Pfarrhaus, vermuthlich aber erst seitdem die Kirche von der Altenburger Höhe herabgesetzt worden war, s. o. Der lezte Pfarrer hieß Daniel Monschreck; entsetzt über die Reformation lief er davon.

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2) Die Pfarrkirche Ufkirche, zu U. L. Fr. Ob die jetzt noch vorhandene Kirche die alte sey, ist zweifelhaft. In einer Urkunde von 1495 ist von dem s. g. kleinen Ufkirchlein und 1512 von der Dotation einer neuen Capelle zu Ufkirch die Rede. Zum Sprengel der Pfarrey Ufkirch gehörten der Pfarrweiler Ufkirch mit einem Theil der Stadt, die Dörfer Schmiden, wahrscheinlich mit Oeffingen; Felbach und Ober-Türkheim mit Uhlbach, wie aus mehrern Urkunden erhellt. Noch in der Bittschrift der Canstatter von 1506 wegen Aufhebung der Pfarrey Ufkirch heißt es: „Schmidtheimb, Velbach und Ober-Türkheim, so bisher mit allen pfarrlichen Rechten gehn auffkürch gehört haben.“ Gleichwohl waren diese Dörfer um jene Zeit längst schon mit eigenen Geistlichen versehen. Das Patronatrecht der Ufkirche war an das Frauen-Kloster Steinheim gekommen, von wem? ist nicht bekannt. Graf Eberhard v. W. focht es an; die Klosterfrauen klagten deßwegen bey dem Kaiser Rudolph, als er sich zu Eßlingen befand, und der Kaiser ließ sich von dem Grafen, laut Urkunde vom 18. Cal. Septembr. 1284 das Versprechen geben, daß er die Frauen fortan in ihrem Rechte nicht stören wolle. Sattler Gr. 1. B. Nr. 9. Gleichwohl| befindet sich dieses Recht später wieder in Würtembergischem Besitze und Graf Ulrich verkaufte es 1446 für 1200 fl. an das Stift Stuttgart, dem die Kirche noch in demselben Jahre incorporirt wurde.

Nachdem schon 1490 die Auflösung der Pfarreyen Altenburg und Ufkirch beschlossen worden war, vereinigten sich endlich 1506 das Domstift Constanz und das Stift Stuttgart darüber, die Ufkirch als Pfarrey abzuthun; die Pfarrey Altenburg dauerte noch bis zur Reformation fort. Jene Vereinigung geschah auf besonderes Bitten der Stadt, und ihren Einwohnern so wie denen zu Schmiden, Felbach und Ober-Türkheim zu gut und Heil. In der Vorstellung der Canstatter heißt es: „als ein merklicher thayl ihrer Mitburger und Einwohner zur und in der Pfarrkürchen uff kürch genannt, die lebendt und gestorben dahin gehörig, und aber von Vern berierte Pfarr heimzusuchen, göttlichen Dienst und Ämpter darin zu vollbringen und zu hören, Inen unfüeglich und schwer fiel“ etc. Statt des Pfarrers wurde nun ein Kaplan angestellt, ein zweyter Kaplan war noch von früherer Zeit vorhanden, beyde blieben bis zur Reformation.

3) Die Stadtpfarrkirche. Auch sie ist sehr alt. Ihr Sprengel bestand, so weit er noch zu erkennen ist, in der Stadt und den Dörfern Hofen und Unter-Türkheim vermuthlich mit Rotenberg. Hofen blieb in dem Filialverbande bis 1522; Unter-Türkheim scheint sich früher schon losgemacht zu haben, s. Hofen und Unter-Türkheim. Das Patronatrecht der Kirche hatten ehemals die Grafen von Grüningen-Landau. Von Graf Hartmann von Grüningen her haftete ein Pfandrecht der Herren von Felbach darauf, und auch der Graf Albrecht von Hohenberg scheint sich Ansprüche darauf erworben zu haben. Der letztere war auch von Kaiser Rudolph, kraft richterlichen Erkenntnisses desselben, datum Heilbrunne 4. April 1288, in den Besitz der Kirche eingesetzt worden. Gleichwohl verkauften sie, oder, wie es in der Urkunde heißt, den vom Vater ererbten Hof mit dem daran hängenden Patronatrecht der| Kirche in Canstatt[10] die Söhne Hartmanns, die Grafen Ludwig, Conrad und Eberhard von Landau Schulden halber 1289, 20. Jan. für die bedeutende Summe von 300 M. S. an das Domcapitel in Constanz. Am 20. Okt. 1289 verzichten die Brüder Berthold und Heinrich von Velbach auf die Pfandschaft und das Domcapitel belehnt sie mit dem Hof, vorbehaltlich des Patronatrechts; 1296 verzichtet auch Graf Albrecht von Hohenberg auf seine Ansprüche.

Von den drey obengenannten Brüdern war Graf Ludwig selber Pfarrherr der Kirche und Canonicus in Augsburg. Als solcher erscheint er in einer Urkunde vom 22. Nov. 1288, wo er Kilchherre von Kannestat heißt, und wieder 27. Aug. 1289 wo er Rector ecclesie in Canstat sich nennt, so wie in mehreren andern Urkunden. Nach seinem Tode ernannte sein Bruder Graf Eberhard seinen Neffen, den Grafen Ulrich von Montfort, Canonicus in Cur, zu der Stelle, erkannte jedoch bald, daß er kein Recht dazu hatte, und ließ sich von dem Domcapitel, laut Urkunde vom 14. Okt. 1315, mit 30 M. S. abfertigen, die ihm jenes als Aufbesserung des Kaufschillings aus Gnaden bezahlte. Auch Würtemberg glaubte ein Recht an die Kirche zu haben; es verzichteten jedoch die Grafen Eberhard und Ulrich sein Sohn und der Graf Ulrich seines Sohnes Sohn am 9. Nov. 1317 auf alle Ansprüche, die sie „ze dem Hove und Kilchunsatze ze Canstat“ haben möchten.[11] Von nun an war das Domcapitel in ungestörtem Besitze der Kirche bis ins Jahr 1802, s. o. S. 98.

| Wie Canstatt ehemals auch der Sitz eines bedeutenden Capitelstuhls war, ist schon S. 4 u. f. gezeigt.
Adel und Gutsherren.

Man findet eine große Zahl von adeligen Geschlechtern, die zu Canstatt angesessen oder wenigstens begütert waren. Unter den Begüterten befanden sich die von Echterdingen, von Neuhausen, v. Gundelfingen, v. Sachsenheim, v. Stetten und von Urbach etc. Außer ihnen hatten mehrere Klöster und Stifte Theil an dem Grundeigenthum. Das Kloster Adelberg tauschte schon 1187 zwey Güter zu Canstatt und Schlichtenweiler von dem Pfarrer zu Echterdingen durch die Hand des Herzogs Welf als Kirchenvogts zu Echterdingen gegen die Kirche zu Wälden ein. Das Domstift Constanz kam durch die Erwerbung der Stadtkirche zu ansehnlichen Gütern und Rechten. Auf gleiche Weise war auch das Stift Stuttgart durch die Kirchen von Altenburg und Ufkirche zu Gütern und Gefällen gelangt. Bedeutende Erwerbungen hatten vornämlich auch das Spital Eßlingen und die Klöster daselbst, deren Vermögen bey der Reformation ihm zugetheilt worden ist, in dem Zeitraum von 1280 bis 1332 gemacht. Die eigentlichen Grundherren aber waren die in Canstatt angesessenen Edelleute, die von Canstatt und von Ufkirchen, von Brie, von Altenburg und von Stein, die wir hier noch etwas näher kennen lernen wollen.

Die von Canstatt waren sowohl in Canstatt selber, als auch anderwärts begütert:

1121 schenkt Albertus de Canstat dem Kloster Zwiefalten Güter zu Türkheim und einen Wald bey Immerott; desgleichen Otto de Canstat demselben Kloster „eine halbe Hube, d. i. 15 Jauchert“ daselbst, und Gozoldus de Canstat mit seiner Gattin Bertha 4 Jauchert Weinberge auf dem Kesselberg ebendaselbst Sulger Anal. Zwif. 1. p. 67. Zwischen 1147 und 1165 schenkte Diemo de Canstat dem Kloster Hirschau einen Hof zu (Korn-) Westheim. Cod. Hirs.; 1275 stellt H. (einricus) Canonicus in Sindolvingen und Rector ecclesie in Westheim eine Urkunde über die Güter zu Thalheim aus, welche| Adelheid, die Tochter seines Bruders Renhardi dicti Gnamme dem Frauenkloster Itzingen schenkte; an der Urkunde hängt das Sigel des Canonicus – eine Kanne mit der Umschrift: Sig. H. de Chanestat, Can. in Sindilvingen, und Zeuge ist unter andern Baldemar de Brige. Ebenderselbe Heinrich stellt am 21 Nov. 1277 eine Urkunde mit seinem Sigel aus über die Güter zu Velbach und zu Cannestat, in monte, qui dicitur Canbach etc., die Elisabeth, eine zweyte Tochter Reinhards, mit sich in dasselbe Kloster Itzingen nimmt. 1299 vergleicht sich Marquardus de Canstat, canon. in Sindelfingen mit den Klosterfrauen zu Laufen wegen des Patronatrechts der Kirche zu Itzingen und wegen Güter zu Canstatt. Auch er führt die Kanne im Sigel; ebenso 1344 ein Rugger von C. 1362 verkauft Heerbrand v. C., ein Edelknecht, wie es scheint, der letzte seines Geschlechts, das Dorf Ruith für 324 fl. an Eberhard von Sonnenfels.

Das Geschlecht der von Canstatt scheint sich in mehrere Zweige getheilt zu haben, die nach ihren Sitzen zugenannt wurden: 1286 erlaubt Graf Eberhard v. W. seinem Ministerial Reinhardus de Canstat, dictus de Uffkirchen 2 Morgen Weinberge zu Hedelfingen den Herzogen von Teck zu Lehen aufzutragen, dat. ap. Wirtenberc; 1296 12 Kal. Mart. verkauft Adelheid, Wittwe Ruggers von Canstatt dicti de Ufkirch Güter an das Spital Eßlingen; 1299 empfängt Sifridus de Canstat dictus an der Sulz Weinberge im Kembach zu Lehen von einem von Hohenheim, genannt Bombast.

Die von Brie. Sie kommen mit dem Titel „Advocatus, Vogt“ vor, und waren in dieser Eigenschaft vermuthlich ehemals Herzogliche oder Kaiserliche Beamte. Wie anderwärts so wurde das Amt mit den Amtsgütern und Einkünften erblich, und sie erscheinen daher als Herren von Brie, standen jedoch ohne Zweifel unter der Grafschaft und somit unter Würtemberg. Ihre Güter kamen zum größten Theil an das Spital Eßlingen.

1269 stehen Reinhardus et Conradus de Brie, milites, als Zeugen in einer Urkunde (Besold M. v. p. 381.), ebenso 1275 Baldemar de Brige und 1277 Albertus de Brie in den oben angeführten Urkunden; 1280 überläßt Albertus Advocatus de Brue dem Spital Eßlingen für 60 Pfund Heller das Vogtrecht über 151/2 J. Weinberge und ein Haus zu Bry, und gestattet ihm zugleich, eine eigene Kelter in Brye zu bauen. Ludwig von Teckh sigelt die Urkunde; 1296 verzichtet „Albrecht, der Vogt von| Brüe“, auf alle Ansprüche an die von ihm an das Eßlinger Spital verkauften Güter; ebenso 1307 Johannes, Albrechts des Vogts von Brüe Sohn, mit Vorbehalt der Kelter; 1336 verkauft Wolf der Vogt, genannt von Brye, Güter an die Heiligenpflege zu Berg, und 1362 wieder ein Wolf v. Brye einen Hof zu Geisingen; 1434 versichert Wernher von Bry seine Gattin Frau Anna Tachenhäuserin wegen ihres Heirathsguts, Wittum etc. auf alle seine Zins, Güter, Äcker, Wiesen und all sein Gut, das er hat zu Canstatt und Bry; 1437 verkauft Junker Wernher v. Bry Wiesen zu Kempach, und 1344 erscheint noch ein „Wolf von Prie“ als Zeuge. Von dieser Zeit an verschwindet die Familie.

Die von Altenburg. Sie führten den Beynamen Fleyner, und kamen vielleicht auf dieselbe Weise zu ihren Gütern, wie die von Brie; denn es ist oben schon bemerkt worden, daß auch eine Vogtey Altenburg vorkommt; doch könnten auch beyde Vogteyen eine und ebendieselbe gewesen seyn.

1269 stehen in einer Urkunde Graf Ulrichs von Würtemberg Reinhardus Flinarius et frater ejus Conradus; 1280 kauft das Spital Eßlingen Weinberge neben den Weinbergen Reinhardi et Conradi militum de Altenburk[12]; 1302 und 1307 verkaufen Renhardus, Albertus et Marquardus etc. fratres de Hohenschaidt, liberi quondam Alberti dicti Flyneri de Altenburg Güter zu Brie an das Kloster Bebenhausen, welche dieses 1316 an Würtemberg verkauft; der Brief ist gesiegelt mit dem „S. Renhardi de Hohenschaid,“ das Wappen ist gleich dem Altenburger. „Frau Anna von Ditzingen, Herrn Reinhardts von Altenburg seel. eheliche Württene“ und ihr Sohn Albrecht der Fleiner verkaufen an das Spital zu Eßlingen 1324 anderhalb Morgen Weingarts zu Brüge gelegen für 23 Pfd. Heller; ferner 1331 um 66 Pfd. 5 Morgen Wiesen zu Briege im Teich und 45 M. Holz zu Hunklingen, so wie verschiedene Gülten, worunter auch ein Surrogat für diejenigen war, „die mir jährlich gingen ußer der Hofstatt, darauf jetzo stant die Bachmühle zu Brüge;“ sodann wieder 1332 41/2 M. Weinberge und 11/2 M. Wiesen, beyde gelegen in Brüger Markung um 37 Pfd., endlich noch weitere| Wiesen und Äcker um 70 Pfd. Ihre Tochtermänner waren Dietrich von Hemmingen, des Undurffts Sohn, und Heerbrand von Canstatt. Der Sohn war Geistlicher und das Geschlecht verschwindet mit ihm.

Die von Stein. Dieses Geschlecht erscheint von der Mitte des 13ten bis in die des 14ten Jahrhunderts mit denen von Brye, Altenburg und andern in einer Menge von Urkunden, und zwar so, daß es kein Zweifel ist, daß es Canstatt angehört habe. „Von diesem Stein (s. S. 127) sagt Sattler in seiner Top. Beschr. S. 95 „hat das Geschlecht derer von Stein, als alter Dienstleute der Grafschaft Würtemberg den Ursprung und Namen.“ Am häufigsten kommt ums Jahr 1280 und später der Ritter Wolfram von Stein, von Stain, von dem Staine, dictus de Lapide, vor. Sie führen gemeiniglich den Beysatz „von Canstatt, oder zu Canstatt gesessen.“ So heißt Wolf von Stein in seinem Heirathsvertrage mit Adela von Echtertingen 1318: „Wolf von Stain, den man spricht von Canstatt,“ und noch 1366 erklärt „Hain von Stain gesessen zu Canstat mit Wolf und Peter von Frowenberg, daß das Patronat der Kaplaney U. L. Fr. dem Domcapitel Constanz gehöre. Wolf der Lange und Heinrich von Stein verkauften 1341, 1343 und 1344 viele Güter an das Prediger-Kloster zu Eßlingen.

Die Canli, Canlen, Känlen. Sie gehörten ebenfalls unter die Edlen von Canstatt und kommen als solche in mehreren Urkunden vor. So erscheint z. B. in den oben angeführten Urkunden von 1275 Dyamudi (Demuth) relicta Alberti Chenlini und von 1277 Albertus Canli als Zeuge mitten unter Edelleuten.

Die von Schilling. Obgleich sie zu Herrn von Canstatt gemacht worden sind, so schweigt doch die Geschichte von Canstatt gänzlich von ihnen. Indeß nennen sie sich „Schilling von Canstatt“, führen die Kanne im Wappen und ein Haus in der Neckar-Vorstadt wird, wie oben schon bemerkt worden, das Schillingische Haus geheissen; auch| findet sich der Name Schilling noch jetzt unter dem Bürgerstande in der Stadt. Es ist also so viel wenigstens anzunehmen, daß das Geschlecht von Canstatt abstamme und dort einst begütert war.

Unter den vier zuerst genannten Geschlechtern scheinen die Höfe vertheilt gewesen zu seyn, aus welchen Canstatt ursprünglich bestanden hat. Durch Verkäufe und Schenkungen kamen sie im 13ten und 14ten Jahrhundert in andere Hände. Das Meiste erwarb nach und nach das Spital Eßlingen theils unmittelbar, theils mittelbar durch die Klöster und Patricier daselbst. Noch unter der Regierung des Grafen und Herzogs Eberhard d. j. stellen die Canstatter vor, daß das Spital und die von Eßlingen an 1700 M. steuerfreye Güter auf Canstatter Markung besitzen. Durch Kauf kam allmählig Vieles davon an die Einwohner. Noch in neuerer Zeit 1807 und 1810 nahm die Spitalverwaltung Eßlingen bedeutende Verkäufe vor. Der nicht lehnbare Grundbesitz der Einwohner mag sich übrigens hauptsächlich durch den Anbau des außerhalb der alten Hofbezirke gelegenen Grund und Bodens gebildet haben. Die Zehnten waren unter das Domcapitel Constanz, die Stifte zu Stuttgart und Sindelfingen, das Kloster Lorch, die Kastkellerey Stuttgart vertheilt; Hauptzehntherr war Constanz.

Was die Sitze der genannten Edelleute betrifft, so findet man außer den schon genannten Burgen Altenburg und Brie noch die Spuren von mehreren andern und zwar eine am Sulzerain, der wir S. 22 von der vorüberziehenden Straße, die Seegasse, Säugasse genannt, den Namen Seeburg gegeben haben. Die Güter unter dem Sulzerain heißen noch „im Burgstall“ und die Äcker oben „die Burgäcker.“ Ferner eine an der obern Sulz: laut Lagerbuchs zahlte Jak. Sutor aus seinem Garten „hinterm Sulzhus bey dem Thor gegen Eßlingen vulgariter in der Spilburg“ 4 Pfd. Heller – wahrscheinlich der Sitz Sifrids von Canstatt an der Sulz, s. o.; sodann eine in dem Bezirke des Rosensteins auf der Brag und deßwegen S. 22 die| Bragburg genannt: 1510 wurde ein Stein gesetzt „unter dem Burgstall ob dem Störzenbach am Weg;“ 1825 wurde in der Nähe ein Brunnen und später ein gepflasterter Weg entdeckt; endlich eine am Burgholz; von der ohne Zweifel das kleine Gehölze auf der Höhe gegen Zatzenhausen noch den Namen Burgholz hat; vielleicht saßen hier die v. Stein. Von der Burg Berg wird später die Rede seyn.
Landesherren und Landgericht.

Allen Umständen nach ist Canstatt nach den Zeiten der Römer in den Besitz und unter die Herrschaft der allemannischen Herzoge gekommen. Es ist oben schon gezeigt worden, daß Herzog Gottfried von Allemannien i. J. 708 eine Urkunde zu Canstatt ausgestellt hat; der Inhalt der Urkunde läßt auf ein längeres Verweilen des Herzogs daselbst schließen, denn er sagt darin, es sey der Presbyter und Pastor Magulf von St. Gallen zu ihm gekommen, und habe ihm zugeredet, eine Stiftung zu der Kirche des heil. Gallus zu machen etc. Dieses Verweilen hat ohne Zweifel seinen Grund theils in dem Landgerichte, theils aber zugleich in dem Besitzthum gehabt. Das letztere muß man aus der Schenkung des Herzogs schließen; denn mag das geschenkte Gut Biberburg die Vorstadt Brie oder das Dorf Mühlhausen gewesen seyn, so beweist es immerhin den Besitzstand des Herzogs in der Gegend. Wirklich berichtet auch Stumpf in dem 5ten Buch seiner Schweizer Geschichte, daß Canstatt, in dessen Lage er übrigens irrt, Eigenthum des Herzogs Gottfried gewesen sey und beyläufig mag hier bemerkt werden, daß auch ein Berg zwischen C. und Unter-Türkheim noch der Herzogenberg heißt.

Nach der Unterdrückung der allemannischen Herzoge durch die fränkischen Hausbeamte scheint C. eingezogen und königliches Eigenthum geworden zu seyn; Kaiser Karl der Große verweilte hier, als er die oben angeführte Urkunde in C. ausstellte, ohne Zweifel auf seiner K. Villa. Später findet man Spuren, wonach Canstatt in dem Besitz der| Grafen von Calw gewesen und durch diese in Welfischen Besitz gekommen zu seyn scheint. Nach Crusius (I. 484) und der Sindelfinger Chronik erhielt Itha oder Utha, Tochter des Pfalzgrafen Gottfried von Calw, als sie ums Jahr 1126 den Herzog Welf von Spoleto heirathete, unter Anderem auch „Kannistat, Bliningen, Moringen etc.“ zum Heirathsgut. Daß die Besitzungen der Grafen von Calw sich bis in die Gegend von Canstatt erstreckt haben, ist oben S. 9 schon gezeigt. Aber es ist nicht wahrscheinlich, daß sie und ihre Erben, die Welfen, im vollen Besitze von C. waren, vielmehr ist anzunehmen, daß ihnen nur ein Theil, vielleicht einer der Höfe gehört habe. Was aber die Hohenstaufen betrifft, welche in das Welfische Erbe eintraten, so findet man nirgends einen Beweis dafür, daß sie im Besitze von Canstatt gewesen seyen. Dagegen findet man die Stadt schon unter den ältesten Besitzungen des Würt. Hauses, und wahrscheinlich ist es an dieses mit der Gaugrafschaft und dem Landgerichte, dessen Sitz Canstatt war, gekommen. Als ein Bestandtheil der alten Grafschaft Würtemberg wird die Stadt denn auch in dem Lehensverzeichnisse v. J. 1420 aufgeführt, welches Graf Rudolph von Sulz im Namen der Grafen Ludwig und Ulrich von Würtemberg dem Kaiser Sigismund übergab, Steinhofer II. 704 etc. Übrigens besaßen die Grafen von Würtemberg außer dem Landgericht und den alten Grafenrechten wenig oder gar nichts zu Canstatt. Dieß war ohne Zweifel auch Ursache, daß Canstatt nicht zur Residenz- und Hauptstadt gemacht wurde, obgleich alle Bedingungen zu letzterer vorhanden waren.[13] Graf Eberhard verlegte 1320 die Residenz von dem Stammschloß Würtemberg nach Stuttgart, weil er dort ein Schlößchen und Domänen hatte und zugleich der Grundherr war, während er dagegen Canstatt noch nicht so recht als eine Würt. Stadt betrachtet haben mochte.

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| Des Landgerichts und alten Gaugerichts ist schon vorn erwähnt worden. Der Platz, wo dasselbe gehalten wurde, (es geschah dieß bekanntlich unter freyem Himmel) hieß zum Stein. So wurde auch die Mahlstätte der Grafen Dillingen zu Ringingenapud lapidem“ genannt. S. Beschreibung des Oberamts Blaubeuren S. 120. Der Stein bezeichnete wohl den Sitz des Landrichters. Wo der Stein gestanden habe, ist nicht genau mehr bekannt, gemeiniglich wird er auf das Altenburger Feld gesetzt; nach Sattler (Älteste Gesch. S. 438) lag er an der alten Heerstraße, die über jenes Feld führte, zwischen Canstatt und Kornwestheim. Wäre der benachbarte Freyberg, wovon bey Münster nähere Nachrichten gegeben sind, nicht zu entfernt, so müßte man geneigt seyn, ihn dorthin zu setzen. Der merkwürdigste Landgerichtstag war derjenige, welchen Karlmann 746 zu Canstatt hielt. Nachdem er die der Fränkischen Herrschaft widerstrebenden Herzoge Theutbald von Allemannien und Odilo von Bayern in offener Feldschlacht besiegt hatte, hielt er in einer feyerlichen Versammlung der Großen von Franken und Allemannien zu Canstatt Gericht über sie. Theutbald wurde mit vielen allemannischen Großen zum Tode verurtheilt, andere wurden um ihre Güter gestraft. Die herzogliche Gewalt hatte von dieser Zeit an auf anderthalb Jahrhunderte ein Ende[14].

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Die Canstatter Landgerichte dauerten bis ins 14te Jahrhundert. Das letzte scheint 1331 gehalten worden zu seyn; damals war Albrecht von Greiffenstein Landrichter, dessen Siegel man noch hat. An die Stelle des Landrichters und Landgerichts traten Landhofmeister und Räthe, und nachher das Hofgericht; 1366 erscheint Johann Nothhaft als Würtembergischer Landhofmeister, Sattler Top. S. 96. Dieser Wechsel beweist zugleich, daß die Gerichtsbarkeit des| Canstatter Landgerichts sehr umfassend, und daß es das Landesgericht für die verschiedenen Theile des alten Würtembergs geworden war.

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Weitere Geschichte der Stadt: Ummaurung, Stadtrecht, Freiheiten.

Vom Jahre 777 an schweigt die Geschichte von Canstatt Jahrhunderte lang. Wenn man alten Chroniken glauben könnte, so wäre Canstatt im eilften Jahrhundert, zwischen 1020 und 1048 mit Mauern versehen worden, und zwar von Bertha, Freyfrau von Beutelsbach, welche eine Tochter eines Grafen Emerich von Würtemberg gewesen seyn soll. Es soll dieß mit Hülfe des Kaisers Conrad geschehen seyn, und der Kaiser soll der Stadt auch Marktgerechtigkeit verliehen haben.

Ihre jetzige Gestalt erhielt die Stadt von Herzog Ulrich, der nach der Rückkehr aus seiner Verbannung sie neuerdings befestigen ließ. Sattler Hz. III. S. 88. Was die Stadtgerechtigkeit betrifft, so läßt sich die Verleihung derselben so wenig, als bey andern älteren Städten, nachweisen. Durch den Freyheitsbrief des Kaisers Ludwig IV., der in meinem Canstatt und bey Sattler Gr. I. Beyl. Nr. 29 abgedruckt ist, erhält „die Statt ze Chanelstatt alle die Recht, Ere, u. gut Gewohnheit als unser u. dez Richs Stadt ze Esselingen.“ Daß Canstatt dadurch erst Stadt geworden sey und städtische Rechte und Freyheiten erhalten habe, wie neuerlich behauptet worden ist, wird durch die Urkunde selbst widerlegt, indem es in dieser schon wiederholt Stadt genannt wird. An wiederholten Verleihungen von Stadtgerechtigkeiten aber fehlt es auch sonst nicht. So erhielt das neue Oppidum Saulgau 1288 von K. Rudolph die Stadtgerechtigkeit von Lindau, und 1300 von K. Albrecht die der Stadt Ulm[15]. Die hier und da vorkommende Benennung Villa kann darum nicht stören, weil sie| auch nach 1350 gebraucht, und bekanntlich bey manchen andern Orten zu einer Zeit noch gefunden wird, wo sie erweislich schon längst Städte waren.

Unter den besondern Freyheiten, welche der Stadt von K. Ludwig ertheilt worden sind, ist auch die, „daz si den Landtag, den sie habent vor der Stadt, in der Stat haben sullen und mügen von unsern vollen Gewalt uf den tag, als er her von alter vor der Stat gewesen ist.“ Dieser Landtag ist nicht zu verwechseln mit dem Landgericht bey Canstatt, das auch später noch gehalten wurde. Die Stadt erhielt dadurch Befreyung von dem adeligen Landgerichte und für sich und ihre Angehörigen ohne Zweifel dasselbe Recht, das K. Maximilian 1504 der Stadt Herrenberg, wo sich vormals ein pfalzgr. Tübingisches Landgericht befand, ertheilt hat: in peinlichen Händeln und über das Blut zu richten, auf dem Rathhaus, und nicht wie bishero unter freyem Himmel. Heß Chronik von Herrenberg, Mscr.

Im Übrigen erhielt nun Canstatt allmählig die Verfassung, welche man bey allen Würt. Landstädten findet: im 14ten Jahrhundert stand noch ein Schultheiß, wahrscheinlich aber neben dem gräflichen Vogt, der zugleich Renntbeamter war, an ihrer Spitze. Von der Marktgerechtigkeit war oben schon die Rede. Zu den Freyheiten der Stadt gehört auch die Freyheit von Jagddiensten, welche die Stadt von undenklichen Zeiten her besizt, unter der vorigen Regierung zwar verloren, aber auf eine Vorstellung im Jahr 1815 zurück erhalten hat. Von der Errichtung einer Zollstätte i. J. 1463 und der vormaligen Postanstalt war oben schon die Rede. Aber zu erwähnen ist hier noch, daß die Stadt eine zeitlang einen Bestandtheil der Haupt- und Residenz-Stadt Stuttgart ausmachte. Sie wurde nämlich durch das V. Edikt vom 18. Nov. 1817 in regimineller und polizeylicher Beziehung mit lezterer verbunden, und durch Erweiterung beyder Städte und mittelst des dazwischen gelegenen Weilers Berg hoffte man auch eine äußere Verbindung herzustellen. Die Vereinigung dauerte| jedoch nur kurze Zeit. Zu bedauern ist, daß Canstatt bei seiner Lage nicht gleich anfänglich statt Stuttgart zur Residenz- und Hauptstadt gewählt worden ist. Noch i. J. 1682 machte ein gewisser Ganiarre de St. Paul dem Herzog Eberhard Ludwig und dessen Räthen den Vorschlag, zum Besten des Landes Canstatt zur Haupt- und Residenz-Stadt zu machen, weil sich dort Alles vereinige, was zu einer blühenden Hauptstadt gehöre. Der Vorschlag ist ausgeführt in der Druckschrift: Proposition fai’te à Monseigneur le Duc de Wirtemberg et à son conseil, pour l avantage de ses états. Amsterdam 1682.
Weitere Geschichte der kirchlichen Einrichtung; Klöster, Reformation und französ. reformirte Gemeinde.

Obgleich Canstatt vor der Reformation drey Pfarrkirchen hatte, so war doch jede derselben mit mehreren Geistlichen besetzt. Sowohl die Altenburger, als die Uffkirche hatten jede neben dem Pfarrer zwey Kaplane; besonders zahlreich aber war die Geistlichkeit an der Stadtkirche; sie hatte neben dem Pfarrer acht, wenn nicht noch mehr Kaplane. Die Kaplaneyen waren:

1) U. L. Fr. Kaplaney, gestiftet 1338 (in der Leutkirch der Stadt) von Wolf von Stein dem Langen; das Kaplaneyhaus war im Fischergäßlein;

2) die Kaplaney St. Johannis des Ev., gestiftet 1346 von dem Priester Egno, Viceplebanus in Uf-Kilche;

3) die St. Nicolai-Kaplaney, gestiftet 1358, und von dem Domcapitel Constanz mit drey andern erneuert 1494;

4) die Zwölfboten-Kaplaney, gestiftet 1394 von Diebold Schultheiß zu C. und seiner Frau und Tochter;

5) die Heiligkreuz-Kaplaney, später mit Nr. 2 vereinigt. 1406 verkauft sie 4 Mg. Äcker, 1458 ist Hug Diem Kaplan, 1563 wird das Kaplaneyhaus verkauft;

6) St. Wendels- und Ottilien-Kaplaney, gestiftet 1452 von Vogt, Gericht und Gemeinde zu C.

7) St. Johannis d. T. Kaplaney, gestiftet 1496 von dem Priester Joh. Stigelin; sodann noch

| 8) die Kaplaney St. Johannis d. T. in der Kapelle des Hospitals. Joh. Bräcklin, Senior der Augustiner zu Eßlingen, präsentirt 14. Jun. 1390 Kraft seines Nominationsrechts einen Kaplan in Capella in Hospitali pauperum.

Diese und vielleicht noch andere Kaplaneyen oder Pfründen waren zwar zum Theil schon vor der Reformation vereinigt worden, doch bestanden zur Zeit der Reformation selbst noch 4 oder 5 derselben, so daß Canstatt um diese Zeit mit den beyden andern Kirchen noch 10 bis 12 Geistliche hatte.

Klöster scheint dagegen Canstatt nicht gehabt zu haben, wenigstens keine Mannsklöster. Zwar führen noch dreyerley Gebäude den Namen Klösterlein. Eines davon aber, das in der Schmidener Gasse steht, scheint blos eine Kaplaneywohnung gewesen zu seyn, und die beyden andern waren s. g. Beguinenhäuser. Das eine von diesen, das „Nonnenklösterlein“ genannt, und auch in seinem Aussehen noch seine ehemals klösterliche Bestimmung verrathend, steht in dem Hofe unweit der Brücke, das andere in dem Fischergäßlein. Das Kaplaneyhaus daselbst stieß an die „Domos, fororum IIIae reg. S. Francisci“. Tertianerinn aber oder Sammelschwestern von der 3ten Regel des h. Franciscus, wurden die Beguinen ober Frauenvereine genannt, die ohne klösterlichen Zwang ein gemeinschaftliches Leben führten, und sich von ihrer Hände Arbeit nährten, häufig auch den Unterricht der Jugend oder die Pflege der Kranken besorgten. Sie nahmen mit der Reformation ein Ende. In mehreren alten Chroniken ist auch von einem „Gotteshaus St. Amandi“ zu Canstatt die Rede, das die oben erwähnte Frau Berta von Beutelsbach erbaut haben soll: aber wenn man dieser Angabe auch einigen Glauben beymessen will, so scheint doch eher damit eine Kirche, als ein Kloster gemeint zu seyn.

Die Reformation, die in Canstatt des Constanzischen Kirchenpatronats ungeachtet zu gleicher Zeit, wie in dem übrigen Herzogthum eingeführt wurde, änderte, wie überall, den kirchlichen Zustand völlig. Das Landcapitel| wurde, wie vorn schon gezeigt worden, in ein evang. Dekanat verwandelt, die beyden Kirchen, die Altenburger Kirche und die Ufkirche, wurden gänzlich aufgehoben und mit der Stadtkirche vereinigt, und die große Zahl der Geistlichen wurde auf einen Stadtpfarrer und einen Helfer herabgesezt. Ein Erlaß vom Jahr 1540 befiehlt, mit dem Verkauf der Pfründ- oder Kaplaney-Häuser fortzufahren. Der erste evangelische Stadtpfarrer war Kaspar Gräter von Hall. Er wurde als solcher durch den bekannten Reformator Schnepf 1536 bestellt.

Zu Anfang des 18ten Jahrhunderts erhielt die Stadt auch eine reformirte Gemeinde. Sie entstand durch die Niederlassung französischer Flüchtlinge (Refugiés), Hugonotten, die wegen ihrer Religion in ihrem Vaterlande verfolgt, daraus flohen und in Canstatt eine Zuflucht fanden. Sie hatten zu dem Ende von der Schweiz aus mit der Regierung unterhandelt, und endlich unter dem 30. Jan. 1700 in 16 Artikeln diejenigen Zugeständnisse erhalten, welche sie zur Bedingung ihrer Einwanderung gemacht hatten. Die Artikel sind gedruckt in Sattlers Gesch. v. W. Hz. XII. Beyl. 41. Es war dieß die zweyte Einwanderung französischer Flüchtlinge; ein Paar Jahre vorher hatte sich ein Theil der aus Piemont vertriebenen Waldenser im Oberamte Maulbronn etc. niedergelassen. Nach den erwähnten Artikeln war zu erwarten, daß die Canstatter Refugiés in einer eigenen Colonie bey der Stadt sich ansiedeln werden. Dieß unterblieb jedoch, sie ließen sich in der Stadt nieder, und bildeten nur eine eigene kirchliche Gemeinde mit einem eigenen Geistlichen. Ihre Anzahl belief sich anfänglich auf mehrere Hundert, sie verminderten sich aber allmählig immer mehr, theils durch Vermischung mit den lutherischen Einwohnern, theils durch eine starke Auswanderung von ungefähr 40 Familien, welche 1733 erfolgte, als man sie in ihren Rechten und Freyheiten beschränken wollte, um dem neuen katholischen Fürsten, dem Herzog Karl Alexander, gegenüber desto mehr auch die Katholiken beschränken zu können.

| Der Pfarrer wurde gemeiniglich der wälsche Pfarrer genannt, weil er in französischer Sprache zu predigen hatte, und bis in die letzten Zeiten wenigstens bey der Abendmahlsfeyer noch in solcher predigte. Er war zugleich der Pfarrer der reformirten Gemeinden in Stuttgart und Ludwigsburg, wovon erstere 1744, letztere 1785 ihm zugetheilt worden ist. Im Jahr 1809 war ihm auch das neu errichtete Dekanatamt über sämmtliche reformirte Gemeinden des Landes übertragen worden. Der letzte reformirte Pfarrer war Johannes Anhäuser; nach seinem Tode wurde die Pfarrey noch eine Zeit lang durch Verweser versehen, bis sie endlich in Folge der allgemeinen Vereinigung 1827 ganz aufgehoben wurde. Die Zahl der reformirten Einwohner war damals schon bis auf 20 herabgesunken.
Schicksale und Merkwürdigkeiten der Stadt.
Im Mittelpunkte aller Hauptstraßen gelegen und als wichtiger militairischer Paß, wofür den Platz auch Erzherzog Karl in seinem strategischen Werk erklärt hat, war Canstatt von jeher allem Kriegsungemach ausgesezt. Im Jahr 450 soll es von Attila zerstört worden seyn, gleiches Schicksal soll es 725 in den Kämpfen zwischen den Franken und Allemannen gehabt haben. Nach den Chroniken wäre es 910 wieder aufgebaut und also auch vorher zerstört worden. Im Jahre 1286, oder wahrscheinlicher 1287 wurde es von Kaiser Rudolph erobert und die Burg Brie wurde zerstört.[16] Im Schmalkhaldischen Kriege rückten die Spanischen Truppen des Herzogs von Alba ein, zu großem Verdruß des Herzogs Ulrich, der seinem Sohne Christoph deßwegen Vorwürfe machte, und meinte, „hätte man die| Spanier aufgehalten, sie würden über die Mauren zu Canstatt nit geritten seyn.“

Welches Schicksal der 30jährige Krieg und nach ihm die französischen Einfälle 1688, 1693 und 1707 über die Stadt gebracht haben, ist S. 11 schon berührt. Man kann sich einen Begriff von den Erpressungen machen, wenn man weiß, daß, als am 12. Febr. 1643 die Bayern von den französischen und weimarischen Völkern aus der Stadt vertrieben wurden, 11 Tage später aber zurückkehrten, sie Ersatz für diese 11 Tage verlangten, obgleich die Stadt von den erstern rein ausgeleert worden war.

Am schwersten drückten die lezten französischen Kriege, wie auf den Oberamtsbezirk überhaupt, so auch insbesondere auf die Stadt. Gleich anfänglich, 1796, waren die Stadt und Umgegend der Kriegsschauplatz selbst geworden. Nachdem Moreau über den Rhein gegangen war und das östreichische Heer zurückgedrängt hatte, suchten beyde Theile Canstatt zu gewinnen. Am 16. Juli kam der Vortrab des östreichischen Heeres daselbst an, und besezte den Kahlenstein, am 18. drangen die Franzosen unter St. Cyr fechtend in Stuttgart ein, an demselben und dem folgenden Tage ging das östreichische Hauptheer 80.000 Mann stark über den Neckar und nahm seine Stellung auf dem Felbacher Felde (im 30jährigen Kriege vom 19. bis 25. Jan. 1643 hatte daselbst auch das weimarische Heer gestanden). Der Erzherzog schlug sein Hauptquartier in Felbach auf. Am 20. kam Moreau in Stuttgart an, am 21. machte er den allgemeinen Angriff von Mühlhausen bis nach Eßlingen und auf die Filder hinauf. Um 8 Uhr Morgens eilte noch der Erzherzog Karl mit seinem Adjutanten von den westlichen Höhen herab durch die Stadt. Die lezten Östreicher gingen über den Neckar, und ein Theil der Brücke wurde von ihnen abgebrochen. Die Franzosen, welche Berg genommen, und den von den Sachsen verlassenen Kahlenstein besetzt hatten, rückten nun in die Vorstadt ein; die Östreicher hielten dagegen die Stadt besetzt. Eine fürchterliche Canonade, die| schon am frühen Morgen begonnen hatte, wurde nun besonders stark von Seiten der Östreicher fortgesezt, die ihr Geschütz längs den Anhöhen am Sulzerain, Seelberg etc. aufgestellt hatten. Der Donner rollte unausgesezt bis an den Abend. Die Kugeln flogen pfeifend über die Stadt weg, einige Haubizen schlugen ein, eine Kelter hinter der Vorstadt ging mit dem damit verbundenen östreichischen Magazin und einigen Häusern zu Berg im Rauch auf. Selbst in der Stadt an den Ufern des Neckars hin, und sogar in den Häusern an demselben waren Canonen aufgepflanzt. Die Angst und die Noth der Einwohner war gräßlich; mitten im Feuer plünderten die Franzosen in der Vorstadt, die Östreicher hatten Tags zuvor schon in einigen Häusern der Stadt geplündert. In dem Gasthofe zum Ochsen fielen zwey Franzosen den Wirth, G. Wagner, an, um die Entdeckung seiner noch übrigen Habseligkeiten zu erzwingen. Sie warfen ihn mitten im Zimmer zu Boden, indem sie ihn aber so mißhandelten, schlug eine Kanonenkugel durch die Wand, und zerschmetterte beyde Franzosen, während der Wirth zwischen ihnen unversehrt auf dem Boden liegen blieb. Mehrere Häuser in der Vorstadt standen am Abend dieses Tages ganz durchlöchert da. Eine bange Stille folgte auf diesen Tag; in der Nacht vom 22. auf den 23. brach der Erzherzog mit seinem Lager auf und setzte seinen Rückzug weiter fort. Zu gleicher Zeit zog die österreichische Besatzung von Canstatt ab, nachdem sie vorher noch das Neckarthor verrammelt hatte. Am folgenden Morgen wurde die Stadt den Franzosen von den Behörden übergeben.

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Es ist oben schon gezeigt worden, welche unermeßliche Opfer der Amtsbezirk von dieser Zeit an zu bringen hatte; die Stadt hatte immer die Hälfte, und noch mehr daran zu leiden. Mancher vermögliche Bürger hatte jährlich 1200 bis 1600 Mann im Quartier. Nicht nur Gesunde, sondern auch Kranke und Verwundete mußten von den Bürgern aufgenommen und verpflegt werden, bis endlich die| Bretterspitäler auf der Altenburger Höhe, und vor dem Waiblinger Thor erbaut wurden.

Am 4. Okt. 1805 erschien zum erstenmal Napoleon in den Mauern der Stadt, um von da auf die Felbacher Höhe zu fahren, am folgenden Tag reiste er zur Armee durch, und am 24. und 25. kamen schon 24.000 östreichische Gefangene von Ulm an; am Neujahrstage trafen die gefangenen Russen von Austerliz ein, und brachten das verheerende russische Nervenfieber mit, das so manchen Einwohner wegraffte. Am 16. April 1809 reiste Napoleon abermals durch Canstatt, er hielt auf der Brücke an und ertheilte hier im Wagen schreibend seine Befehle. Am 17. Dec. 1813 rückte das russische Heer als Sieger in und um Canstatt unter dem Obergeneral Barklay de Tolly ein, der sein Hauptquartier mit 19 Generalen, 72 Obersten und Stabs-Offizieren und an 300 Offizieren mit einem unermeßlichen Troß in Canstatt nahm. Erst nach fünf Tagen ging es weiter, aber ein Rest blieb noch lange zurück.

Am 3. Mai 1815, nach der Rückkehr Napoleons von Elba, nahm der Erzherzog Ferdinand hier sein Hauptquartier und verweilte damit bis den 19. Juni. Am 4. Mai hielt seine Schwester, die Kaiserin von Östreich, mit ihm Mittag in dem Frösnerischen Bade. Am 17. Mai nahm auch der Erzherzog Ludwig mit mehreren Generalen in Canstatt bis zum 16. Juni sein Quartier und am 26. Mai kam der Erzherzog Maximilian noch auf einige Tage dazu. Nach dem Abmarsche des Ferdinandischen militairischen Hauptquartiers rückte das schreibende Hauptquartier, oder das K. K. Österreichische ausmarschirende, schreibende Haupt-Armee-General-Commando, mit 11 Branchen in der Stadt ein. Und so war Canstatt bis zum Ende des Kriegs der Schauplatz der mannigfaltigsten Begebenheiten und Erfahrungen.

Canstatt ist auch häufigen Überschwemmungen durch den Neckar ausgesetzt und zwar in dem Grade, daß nicht selten die ganze Stadt unter Wasser gesetzt wird, die Keller| aber fast immer, wenn nicht von oben herab, doch durch das Eindringen des Wassers von unten und den Seitenwänden, gefüllt werden. Als die größten Überschwemmungen findet man aufgezeichnet die von den Jahren 1529, 1561, 1569, 1570, 1597, 1663, 1744, 1778, 1814 den 19. July, 1817 den 27. und 28. May, 1824 Ende Octobers. In dem 16ten Jahrhundert wurde die Brücke 4 mal weggerissen. Den höchsten Stand haben die Gewässer von 1778, 1817 und vor allen 1824 erreicht. Die Häuser an der Straße in der Vorstadt standen bis zur Hälfte, und die Stadt selber, 1824, 3 bis 12′ unter Wasser, vergl. S. 30; im Jahr 1817 ertranken 3 Menschen. Die Höhe des Wasserstandes in den verschiedenen Jahren war an den steinernen Pfeiler des abgebrochenen Brückenthors eingehauen.

Das schreckliche Erdbeben, das am 1. Nov. 1755 Lissabon zerstörte, äußerte merkwürdiger Weise einige Tage später seine Wirkungen auch in Canstatt. In der Nacht vom 9 Nov. erfolgten 2 Erdstöße, die beyden an der Sulzquelle in der Stadt stehenden Häuser, das vormalige Schulhaus und das Rathhaus sanken, jenes auf seiner ganzen Gibelseite, dieses auf der anstoßenden Ecke, mit entsetzlichem Krachen über dritthalb Fuß in den Kessel hinein, und sind seitdem mit Pfählen gestützt.

Die Merkwürdigkeiten von Canstatt – die Mineralquellen, die fossilen Thierreste, die Alterthümer, der Rosenstein und die vielen schönen Punkte in der herrlichen Umgebung der Stadt – sind oben schon in ihrem Zusammenhange genannt und beschrieben worden[17].


  1. Zu ihrem Grundeigenthum ist die Stadt zum Theil erst durch Kauf gekommen. So erkaufte sie 1465 von Graf Ulrich 24 Tagwerk Wiesen bey Gaisburg für 593 Pf. 15 Sch., 1488 von Graf Eberhard den herrschaftlichen Hof zu Berg mit Häusern, Äckern, Wiesen etc. für 1000 Pf. H. Die Keltern wurden von Herzog Ulrich gekauft.
  2. Die Baulast der Kirchen haben in der Regel die Stiftungspflegen, die der Pfarrhäuser der Staat, das Patronatrecht ist in der Regel landesfürstlich; nur die Ausnahmen sind in der Beschreibung der Orte besonders bemerkt.
  3. Der Vertrag der früher auf 12 Jahre geschlossen war, wurde 1775 auf 30 Jahre erneuert. Zugleich wurden die 4 Landkutschen, die Frankfurter, Strasburger, Schaffhauser und Ulmer, die bis dahin neben den Taxischen „Geschwindkutschen“ bestanden hatten, in Pacht gegeben. S. Spittlers Urkunden-Sammlung II. S. 132.
  4. Ein artesischer Brunnen ist im vorigen Jahr von der K. Hofbaudirektion mit dem glücklichsten Erfolg gebohrt worden.
  5. Eine weitere sehr ergiebige Mineral-Quelle ist kürzlich in dem Heyne’schen Garten erbohrt worden.
  6. Eine neuere Untersuchung der Sulzerain-Brunnen-Quelle von Wilhelm Romerio ist in einer Inaugural-Dissertation, Tübingen 1829, zu finden.
  7. Schwaben unter den Römern, von Jul. Leichtlen. Freyburg 1825. S. 159. und ff. – Der Ober-Donaukreis des Königreichs Baiern unter den Römern, von Dr. v. Raiser, K. B. Regierungs-Direktor etc. IIte Abtheilung. Augsburg 1831. S. 64. Leichtlen gründet seine Ableitung auf eine Römische Inschrift, die zu Oetlingen an der Kels gefunden worden ist und also lautet: D. M. I. Occaneolo Maximilio Mirio Civi Canae (Bürger zu Cana).
  8. Die Haupt-Straße nach der Altenburger-Höhe scheint von dem Thale aus unterhalb der jezigen Steige bey der vormaligen Monbacher Kelter hinaufgeführt zu haben. In einem Lagerbuche von 1582 heißt es: „61/4 Morgen Weinberg in den Halden, zwischen der Altenburger-Staig und der Allweg abgangnen Landstraße gelegen, stoßen unten auf die Monbacher Kelter.“
  9. Neugart Cod. Diplom. Nr. 6. Neugart erklärt dieses Biberburg durch Brieburg und hält es somit für unser Brie; es ist jedoch wahrscheinlicher, daß es an der Mündung des Biberbachs, jezt Feuerbach genannt lag, und das jezige Mühlhausen war. S. Mühlhausen.
  10. Curiam nostram sitam in villa cannestat prope Wirtemberch nobis ex successione paterna jure proprietatis pertinente, cui jus patronatus ecclesie in C. est annexum etc. Zeugen des Kaufs waren unter Andern: Graf Heinrich von Veringen, Anshelm von Justingen, Ulrich von Kunigesegge. Curia bedeutet gemeiniglich eine aus mehreren Häusern u. Gütern bestehende grundherrl. Besitzung. Diese Curia war vermuthlich der älteste Hof von Canstatt, ursprünglich das ganze alte Canstatt. In der Urkunde Kaiser Rudolphs v. J. 1288 heißt es: villa in Kannstat cum jure patronatus.
  11. Diese Verzichtleistung ist irriger Weise für eine Schenkung gehalten worden. Als Zeuge steht in der Urkunde „Meister Heinrich, Kilchherre ze uf Kilche.“
  12. Die gleichen Namen mit den zu gleicher Zeit vorkommenden Brüdern v. Brie könnten leicht der Vermuthung Raum geben, daß es die gleichen Personen, und Altenburg und Brie ein Geschlecht seyen, wenn nicht das eine Mal durch den Beysatz „Flinarius“, das andere Mal durch die Benennung „de Altenburk“ unterschieden würde, doch bleibt die Sache zweifelhaft.
  13. Diese Ansicht wird mit guten Gründen von Hrn. Professor Übelen in einem Programm auf die Feyer des Königl. Geburtstages im Gymnasium zu Stuttgart 1822 S. 25 unterstüzt.
  14. Annal metens. ad a. 746. Fredeg, contin. c. 115 Eckhard. comment. de Francia orient. T. I. p. 473. Sodann auch Sattlers älteste Geschichte v. W. S. 473, und Pfisters Gesch. v. Schwaben I. S. 150.
  15. Beschreibung des Oberamts Saulgau S. 115. Würtemb. Jahrbücher 1829.
  16. Ob Canstatt selbst auch von dem Kaiser zerstört worden, wie gemeiniglich angenommen wird, ist zweifelhaft. Die Sindelfinger Chronik, welche hier die Quelle ist, sagt: Rudolphus rex expugnavit Cannistat, Brihe et Berge, septem castra atque igne castra destruxit. Diese Worte lassen verschiedene Deutungen zu, die wahrscheinlichste ist: der König eroberte die Orte Canstatt, Brie und Berg und mit ihnen 7 Burgen, die er zerstörte.
  17. Die Schriften über Canstatt sind in meinem, gleichwohl vergriffenen, „Canstatt und seine Umgebung.“ Stuttgart 1812, S. 277 u. ff. verzeichnet. Von neuen, die seit jener Zeit erschienen sind, verdienen hauptsächlich die schon angeführte Schrift von Dr. Tritschler, sodann „die Gesundbrunnen und Heilbäder in Canstatt von Dr. J. Dangelmaier.“ Gmünd 1820; mit einem Nachtrag von 1822, bemerkt zu werden.
Anmerkungen Wikisource
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