Beschreibung des Oberamts Canstatt/Kapitel B 18

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18. Wangen,


ein evang. Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit im Neckarthale, an der Landstraße nach Eßlingen 5/4 St. oberhalb Canstatt mit 1255 Einw., C. A. Canstatt, Forstamt Leonberg. Der Groß- und der Weinzehnte gehört dem Staat, der kleine, der Obst- und Heuzehnte der Pfarrstelle. Die Grundgefälle betragen 139 fl. 15 kr. in Geld, 7 Schfl. 2 S. D., 13 Schfl. 4 S. H., 11 Schfl. 5 S. glatte Früchte und 27 E. 15 I. 21/4 Ms. Wein. Davon erhebt der Staat den größten Theil, die Gemeindepflege W. 41 fl. 53 kr., die Stiftungspflege 26 fl. 44 kr., 1 Schfl. H. und 5 E. 31/2 Ms. Wein, die v. Göllnitz, nun Laroche, 4 E. 1 I. 71/2 Ms. Wein, und etwas Weniges auch die Kirchen- und Schulpflege Eßlingen, das Spital Canstatt und die Pfarrey Heumaden. Von jedem Haus wird mit wenigen Ausnahmen eine Rauchhenne gegeben, auch findet noch ein Frohn-Surrogat-Geld nebst kleinen, vogteylichen Gefällen statt.

Wangen liegt fast auf der linken Seite des Neckars, 1/4 St. von diesem entfernt am Fuße der Thalwand. Der Ort hat ein gutes Aussehen. Er hat ein Rathhaus, und ein Schulhaus und 5 Schildwirthschaften. Kirche und Pfarrhaus stehen außerhalb des Dorfs auf steiler Anhöhe in den Weinbergen. Die Einwohner leben hauptsächlich von Weinbau und Obstzucht, und ihrem Viehstande; Äcker sind wenige vorhanden, sie werden daher auch nicht zelglich gebaut, aber desto besser benutzt. Die Markung ist, wie fast überall im Oberamt, im Verhältnisse zu der Einwohnerzahl klein, nichts desto weniger bringen sich die Einwohner durch Fleiß, Sparsamkeit und Betriebsamkeit gut fort. Als fleißige Arbeiter werden sie auch auswärts bey Handarbeiten gerne gebraucht. Die Einwohner erwerben sich auch durch Handel| mit Milch, Obst und andern Lebensmitteln, gebrannten Wassern, Weiden etc. manchen Verdienst. Die Weinberge sind sehr ergiebig, liefern freylich, theils wegen des Saamens, theils wegen der größtentheils nördlichen Lage, nicht den vorzüglichsten Wein. In ältern Zeiten aber stand der Wangener Wein, wie vorn S. 63 gezeigt ist, in großem Rufe. Der Gemeindezustand ist gut, die Gemeinde besitzt auch einiges Grundeigenthum, hauptsächlich Waldungen; die Stiftungspflege gehört zu den vermöglicheren. Seit 1828 hat der Ort Marktgerechtigkeit.

Wangen ist ein alter Würtemb. Ort; es gehörte ehemals mit Roracker zu dem Pfarrsprengel der Altenburger Kirche zu Canstatt, hatte jedoch schon 1321 und wer weiß, wie lange vorher? seine eigene Kirche und seinen Pfarrgeistlichen, wovon Roracker bis 1447 Unter-Filial war, s. Canstatt. Zur Zeit der Reformation kommt sogar neben dem Pfarrer noch ein Kaplan oder Frühmesser vor.

An den Gütern und Gefällen hatten ehemals auch Rechberg und A. Theil, (s. Hedelfingen).[1] Das Kloster Bebenhausen kommt schon 1229 mit Gütern zu W. vor, (Besold 374) an dasselbe Kloster verkaufen 1282 Heinrich und Friedrich von Ächterdingen alle ihre Rechte und 1290 Marquart von Ächterdingen die Laienzehnten zu W. cum consensu Dominorum suorum Gottfridi de| Boeblingen et Eberhardi Scherer de Tubingen, comitum palatinorum, für 20 Pfund.

Die von Gölnitzischen Gefälle der Frau v. Laroche, einer Gölnitzischen Enkelinn, bestehend in den oben bemerkten Weingülten, und in Hellerzinsen und 1 Schfl. Haber von der Kameralverwaltung, sind K. Lehen und waren vormals mit einem Hause zu Stuttgart verbunden. Es trug nämlich Benjamin v. Bouwinghausen dem Herzog Johann Friedrich sein Haus zu Stuttgart auf, das ihm der Herzog Friedrich I. geschenkt hatte, weil die Stadt es in die Steuer legen wollte. Der Herzog J. Friedrich gab ihm dazu die Gülten und Hellerzinse, welche Bern von Rechberg durch Vergleich an ihn abgetreten hatte, wogegen Bouwinghausen als Lehensmann sich zum Dienst mit einem Pferde verpflichtete. 1787 kamen die Wangener Gefälle durch Kauf an die Gölnitzische Familie.

Am Tage der Schlacht am Neckar, 21. Juli 1796, wurde in Wangen, besonders in dem einzeln stehenden Pfarrhause, von den Franzosen stark geplündert. Auf der Höhe über dem Dorfe ragt ein kleiner Hügel hervor, das Leheneichlein genannt, 1183 P. F. über der Meeresfläche. Er war noch zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts mit beschattenden Eichen besetzt, jetzt sind Weinberge daran angelegt. Seinen Namen soll der Punkt daher haben, daß die alten Grafen von Würtemberg auf demselben ihre Lehengerichte gehalten haben.


  1. Die von Rechberg hatten außer verschiedenen Gülten und andern Gefällen auch einen eigenthümlichen Hof zu W., wozu Haus und Scheuer, 2 M. Baumgarten, 17 M. Äcker, 4 Tagwerk Wiesen, 11/2 M. Weinberge nebst 1/3 des Fruchtzehnten gehörten. 1420 verliehen sie den Hof als Erblehen an einen Bürger von Wangen, Namens Wenzelhauser (oder Wernshauser). Nach dem Tode des Lehensmann entstand Streit mit dessen Sohne, der endlich dahin führte, daß das Gut dem letzteren 1477 gegen Bezahlung einer Summe von 25 fl. an den Lehensherrn als Eigenthum zugesprochen wurde, jedoch mit der Verpflichtung zur Entrichtung der jährlichen Gülten. Nicht viel glücklicher war Rechberg mit andern Rechten und Gefällen zu W. Durch nachläßige Verwaltung war es so weit gekommen, daß, als man eine Renovation der Gefälle vornahm, man bey vielen weder Güter noch Zinspflichtige mehr ausfindig machen konnte.
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