Beschreibung des Oberamts Geislingen/Kapitel B 1

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B.


Ortsbeschreibung.


1. Gemeinde Geislingen,
mit Rorgensteig, Schimmelmühle, Steigmühle, Ziegelhütte. Gesammt-Einwohner 2345.

1. Geislingen, Oberamtsstadt mit 2268 ortsangehörigen und 2216 ortsanwesenden Einwohnern, worunter 2235 Protestanten, 33 erst in neuerer Zeit hereingezogene Katholiken, 16 Poststunden von Stuttgart, 8 Stunden von Ulm entfernt, unter 48° 36′ 48″ der Breite und 27° 30′ 48″ der Länge, 1619′ württemb., 1428′ paris. (auf der Erdfläche an der Kirche gemessen) über der Meeresfläche. Die Stadt liegt in einem engen und tiefen, obstreichen Thale an der Rohrach, ringsum von hohen und steilen Bergen umgeben, von welchen der Ödethurmberg und der Helfenstein sich unmittelbar vor der Stadt auf ihrer Ostseite erheben. Großartig streben in der Umgebung der Stadt die Felsen empor, vor allen, südlich, der durch Bohnerzthon braungefärbte Geiselstein durch Steilheit und durch Masse überraschend. Die obersten Kanten der Steilränder beider Thalseiten stehen nicht über 3200′ direkt von einander ab; hievon nimmt die Thalsohle über den 4ten Theil ein, die Tiefe des Thales beträgt 560′. Das Thal ist wasserreich.[1]

| Die Landstraße von Stuttgart nach Ulm führt mitten durch die Stadt, ebenso eine Vicinalstraße in das Wiesensteiger Thal; gleich an der Stadt beginnen auch die steilen Steigen nach Weiler und Türkheim.

Die Stadt ist der Sitz des Oberamtsgerichtes, Oberamtes, Kameralamtes, Oberamtsphysicats und einer Postverwaltung und gehört in das Forstamt Kirchheim.

Von andern Orten gleichen Namens wird sie durch den Beisatz „an der Steig“ unterschieden. In den ältern Urkunden heißt sie Giselingen, Gislingen, (J. 1289. Lang Reg. Boic. 4, 417), Gyselingen (z. B. J. 1284. 1289. Lang 4, 263. 4, 417), auch Gyslingen (z. B. J. 1355). Der Name kommt her vom Althochdeutschen Gisal, Gisalo, einem Mannsnamen, dessen entsprechender Frauenname Gisela bekannter ist. Öfters wurde behauptet, Geislingen führe von dem nahen Geiselstein seinen Namen; dieser hat aber wohl selbst den gleichen Namensursprung mit Geislingen.

Den großen und kleinen Zehenten bezieht der Staat (früher die Pfarrkirchenpflege Ulm), und ebenso Fruchtsteuer, Gülten und Frohngelder von den ehemaligen Altenstadter Hofgütern. Als Erblehen bestehen noch die s. g. Weiherwiesen, welche jährlich eine kleine Abgabe und im Veränderungsfall den zehnten Gulden Handlohn an die Herrschaft geben; doch wird diese Abgabe neuerer Zeit häufig abgelöst. Außer dem Kameralamt bezieht das Spital Geislingen Namens der vormaligen Kirchenpflege in Ulm grundherrliche Gefälle etc. (Vergl. die Gefälltabelle S. 87.) Die Mühlen haben Fruchtgülten an die Herrschaft zu liefern. Die Fischerei ist meist in den Händen von Privaten.

Die Stadt besteht aus der innern Stadt, welche ein länglichtes Viereck bildet, und aus der untern und obern | Vorstadt. Die Hauptstraße ist ziemlich breit und hat durch die Regulirung, welche in den Jahren 1839 und 1840 mit bedeutenden Kosten bewerkstelligt wurde, sehr gewonnen. Sonst stehen die Häuser enge an einander. Früher war die Stadt mit Mauern und von 3 Seiten mit Wassergräben umgeben; letztere sind ausgefüllt und in Gärten verwandelt, von denen der Sprößer’sche und der Zink’sche Garten in der Mitte der Stadt ihr ein freundliches Ansehen geben.

Die Mauern verschwinden immer mehr; die Thürme der Thore, deren letzterer die Stadt vier hatte, und die übrigen Befestigungsthürme, von denen eine ziemliche Anzahl – zu Crusius Zeit noch ungefähr 20 – vorhanden waren, sind abgebrochen.

Gebäude hat die Stadt 502, darunter 28 öffentliche. Die Gebäude sind größtentheils sehr alt, bekommen aber häufig einen modernen Anstrich. Einige sind von ziemlichem Umfang, welche in frühern Zeiten adelichen Geschlechtern gehört haben mögen. Manche Wohnungen leiden an Baufälligkeit. Zu den ansehnlichen Gebäuden gehören, außer der Kirche und dem Spital, das Rathhaus (an der Stelle der früheren, im Anfang des 15ten Jahrhunderts abgebrochenen Brodbänke erbaut) mit der Fruchtschranne, die 2 herrschaftlichen Fruchtkästen, die Oberamtei (früher Pfleghaus) und das Kameralgebäude (ehmals gräflich Helfensteinisches Schloß).

In den letzten 10 Jahren sind 998 Menschen geboren und 855 gestorben, demnach 143 mehr geboren, als gestorben. Die Bevölkerung hat aber in dieser Zeit um 182 Personen zugenommen.

Von Geislingern, welche sich einen Namen erwarben, sind aus diesem und dem vorigen Jahrhundert zu nennen:

Hepp, Sixt, geboren den 12. November 1732, Sohn eines Umgelders, Schüler Jomelli’s in Ludwigsburg, hierauf als Organist in Straßburg, zuerst seit 1756 als solcher bei der Thomaskirche, seit 1772 bei der Neuen Kirche angestellt, ein sehr geschätzter Musiker, verbesserte die noch jetzt in Straßburg gangbaren Choralmelodieen. † 7. April 1806. | (Weyermann Nachrichten 1798. S. 312. Lobstein Beiträge zur Geschichte der Musik im Elsaß. 1840. S. 45).

Bückle, Joh. Mart., geboren den 7. Februar 1742. † den 18. October 1811 in Durlach als großherzoglich badischer Hofmedailleur. Der Sohn eines armen Maurers, mußte er, aller Hilfsmittel beraubt, bis in sein 17tes Jahr den Mörtelkübel tragen, worauf ihn der Büchsenmacher Ernst Fidler in Ulm unentgeltlich in die Lehre nahm. Nachher widmete er sich in Augsburg der Büchsenmacherei, aber bald auch unter Direktor Nilson der Stempelschneidekunst, worin er sich für seine Zeit sehr hervorthat. Sein Ruf wuchs mit jedem Jahre und die Trefflichkeit seiner Werke bahnte ihm im Jahr 1786 den Weg zu dem Amte eines badischen Hofmedailleurs, welches er bis zu seinem Tode bekleidete. (Siehe über ihn Elben, Schwäb. Chronik. 1811. S. 432. Kunstblatt des Morgenblattes. 1832. Nr. 103.)

Sonst zeichnete sich überhaupt Geislingen zu allen Zeiten durch Künstler verschiedener Art aus, Maler (bei welchen besonders die Familie Schneider zu nennen), Musiker, Drechsler u. s. w. (vergl. unten.)

Zu den merkwürdigen Männern, welche zwar nicht durch Geburt, aber wegen ihres längeren Aufenthalts in Geislingen zu erwähnen sind, gehört der bekannte Dichter Schubart, welcher vom Jahr 1763–69 hier Präceptor und Organist war.

Die Markung beträgt 2393 Morgen, darunter 1026 Morgen Waldung, und gewährt daher der Einwohnerschaft bei weitem nicht den erforderlichen Unterhalt, indem bei 462 Morg. Äckern auf 1 Menschen nur etwa 1/5 Morg. Fruchtfeld kommt. Übrigens werden die Äcker gut gebaut, und es wird sogar den steilen Bergen noch ein Ertrag abgewonnen. Die Wiesen (446 M.) sind größeren Theils mit Obstbäumen besetzt und können meist bewässert werden.

Die Gewerbe sind übersetzt; einen Hauptverdienst machen die Drechsler, deren es 22 Meister sind. Die bekannten Geislinger Beinwaaren werden zum Theil versendet (neuerdings | wieder, wie früher, auch nach America, aber jetzt nur durch ein Haus in Biberach, nicht mehr unmittelbar von Geislingern, welche vormals in Amsterdam ein besonderes Waarenlager hatten, und vor dem nordamerikanischen Befreiungskriege Vieles in die neue Welt verkauften), ein anderer Theil wird mit größerem Nutzen an die Durchreisenden abgesetzt, welche von der Zudringlichkeit der Drechslerinnen zu erzählen wissen. Noch bedeutender ist die Ausfuhr an geringeren Holzwaaren, namentlich Federrohren und Ostereiern. Bekannt als Holz- und Beinschnitzer war in früherer Zeit:

Knoll, Wilh. Benoni, † 1764. Ihn machte besonders sein Elfenbeinkunstwerk bekannt, die Leidensgeschichte Jesu sammt Ölberg, welche in Deutschland, der Schweiz, Italien, Holland, England zur Schau getragen, endlich sehr theuer nach England verkauft wurde.

Ein Schüler von ihm, Miller, aus Geislingen gebürtig, welcher im Jahr 1748 bei ihm lernte, ließ sich in Potsdam nieder, wo er sich den Ruf eines ausgezeichneten Knochen- und Elfenbeindrechslers erwarb.

Knoll, Mich., ein Sohn des obigen Knoll, war gleichfalls ein trefflicher Elfenbeinarbeiter. Ein Hauptkunstwerk von ihm ist die Reihe der Kaiser aus dem Hause Österreich, halb erhaben in Elfenbein geschnitzt. Nicolai Reisen Bd. 9. Beil. S. 102–112 gibt ein von ihm mitgetheiltes Verzeichniß von Geislinger Beinwaaren.

Im Jahr 1781 waren in Geislingen 36 Meister, welche in Elfenbein, in Knochen und in Holz arbeiteten; sie hatten übrigens nicht Alle Gesellen und Lehrlinge. Die Knochen wurden ihnen z. B. von München, Lindau und von Straßburg geliefert. Von letzterem Orte waren im Jahr 1780 über 30.000 Stücke nach Geislingen gekommen. Die Zunftbücher der Beindrechsler fangen in der Mitte des 15ten Jahrhunderts an. (Nicolai 9, 154.)

Der jeden Samstag stattfindende Fruchtmarkt ist bedeutend, und es werden jährlich 20.000 Scheffel umgesetzt, | wovon etwa die Hälfte in Kernen besteht; außerdem hat die Stadt 3 Krämer- und 4 Vieh- und 1 Schaf-Markt, übrigens von keiner Bedeutung. In den benachbarten Tuffsteinbrüchen, welche viele Steine zu der Ulmer Brücke, und in alter Zeit zum Ulmer Münster lieferten, finden viele Maurer aus Altenstadt und Eybach Beschäftigung. Die äußerst frequente Landstraße gibt den Wirthen und andern Gewerben mancherlei Verdienst. Auch die Fruchtmühlen, deren es in und außer der Stadt 8 gibt, haben von den Alpbewohnern guten Verdienst; der Fruchtmarkt in Geislingen ist ihnen von großem Nutzen, weil die Früchte, welche man von auswärts her auf den Markt bringt, hier gewöhnlich gegerbt werden. Die theilweise als Kunstmühle eingerichtete Kapellmühle führt viel Mehl aus. Eine Bleiche, welche übrigens nur von den Ortsbewohnern benützt wird, befindet sich am Türkheimer Berg.

Nach der Aufnahme vom Jahr 1835 war der Gewerbestand der Stadt nebst den Zugehörungen, folgender:

Bäcker 19, Barbierer 2, Bandwirker 1, Bleicher 1, Blechner 1, Buchbinder 3, Büchsenmacher 1, Bürstenbinder 2, Beindreher 17, Holzdreher 7, Schwarzfärber 4, Frachtfahrer 1, Gärtner 1, Rothgerber 8, Weißgerber 3, Glaser 4, Goldarbeiter 2, Hafner 4, Hauderer 10, Hutmacher 1, Kaminfeger 2, Kammmacher 1, Kartenmacher 1, Kürschner 2, Kleemeister 1, Kornmesser 2, Kübler 3, Küfer 4, Kupferschmiede 4, Lakierer 3, Lumpensammler 1, Maurer 3, Messerschmiede 4, Metzger 13, Musiker 2, Näherinnen 1, Nagelschmiede 25, Säckler 6, Seifensieder 3, Seiler 7, Sattler 7, Schäfer 2, Schirmmacher 1, Schlosser 8, Grobschmiede 2, Hammerschmiede 1, Hufschmiede 3, Schmiede 7, Spindelmacher 1, Schreiner 9, Schuhmacher 21, Schuhflicker 1, Strumpfweber 1, Tuchmacher 8, Uhrmacher 3, Wagner 3, Wascherinnen 2, Weber 10, Zimmerleute 5, Ziegler 1, Zeugmacher 2, Zinngießer 1, Zirkelschmiede 1, Zuckerbäcker 2.

Kleinhändler sind: mit Beinwaaren 2, mit Leinsaamen 2, mit Mehl 2, mit Schreibmaterialien 1, mit Viktualien 6, Vorkäufer 3.

| Handlungen und Fabriken: Apotheker 1, Papiermühle 1, Spezereihandlungen 8, Tuch- und Eisenhandlungen 2, Spezerei- und Tuchhandlungen 3.

Wasserwerke: Mahlmühlen 8, Gypsmühlen 5, Ölmühlen 3, Sägemühlen 2, Schleifmühlen 1, Walkmühlen 1.

Wirthschaften und Getränkefabriken: Schildwirthschaften 18, Bierbrauereien 10, Branntweinbrennereien 14, Speisewirthschaften 3.

Der Zustand des Gemeindevermögens ist nicht günstig. Zwar besitzt die Stadt 464 Morgen Waldungen und bezieht den Ertrag des Pförchs und der Schafweide, aber die Erhaltung der Straßen, der Bronnen und anderer Anstalten verursacht ungewöhnliche Ausgaben. Die Stadt hat 2500 fl. Aktivkapitalien und 7500 fl. Schulden; es wird ein jährlicher Stadtschaden von 2000–2500 fl. umgelegt. Seit dem Jahr 1834 hat die Stadtgemeinde neben den bedeutenden laufenden Ausgaben insbesondere verwendet auf Verschönerung des Rathhauses 4000 fl., Legung von irdenen Deicheln 1800 fl., Verbesserung der Hauptstraße 11.000 fl. Bürgerliche Benefizien bestehen nicht.

Das Wappen der Stadt ist ein von Schwarz und Weiß quergetheilter Schild, wie das ulmische Stadtwappen, nur hat es noch außerdem eine rothe Rose in der Mitte. In früherer Zeit war das Stadtwappen der helfensteinische Elephant; Graf Ulrich von Helfenstein sagt in der Geislinger Stadtordnung von 1367 (Kerler Urkunden S. 7): „In dem Insiegel soll stehen unser Schild und unser Helm mit dem Unterschied, daß zwischen dem Helm und dem Kleinod soll stehen eine Krone, und in der Krone soll der Elephant stehen, und soll mit Buchstaben um das Insiegel stehen: Sigillum universitatis in Gyslingen.

In der Stadt ist blos noch Eine Kirche, in welcher Gottesdienst gehalten wird, indem die frühere Spitalkirche (s. unten) in ein Holzmagazin verwandelt ist. Die Stadtkirche zur Maria, der Mutter Jesu, groß- und münsterartig hat viele Epitaphien der ulmischen Geschlechter, deren | Glieder hier Obervögte waren, sowie auch des benachbarten Adels, z. B. Conrads von Degenfeld vom Jahr 1430. Der Chor zeichnet sich durch Stühle und durch einen alten Altar mit äußerst künstlichem Schnitzwerk aus; erstere wurden im Jahr 1512 von dem bekannten Meister Georg Sürlen gefertigt, der kunstreiche Altar aber soll von der Gräfin von Helfenstein, Maria, Herzogin von Bosnien, im Jahr 1400 gestiftet seyn. Auch die Kanzel ist mit künstlicher Holzarbeit im Renaissancestyl geziert. Der Grund zu der Kirche wurde nach der noch vorhandenen Inschrift im Jahr 1424 „durch Haissen einz ratz ze Ulme“ gelegt, und im Jahr 1426 wurde zu Gunsten des Kirchenbaus von Kardinal Jordanus ein Ablaß ertheilt, desgleichen im Jahr 1474 von Marcus, Kardinal und Patriarch zu Aquileja. (Diese Ablaßbriefe finden sich in den hinterlassenen Kollectaneen des Prof. Veesenmeyer in Ulm.) Von diesem Ablaß dürfte sich theilweise der Reichthum des Spitals, welchem das Eigenthum und die Baulast der Kirche zusteht, herschreiben. Renovirt wurde die Kirche im Jahr 1678.

Übrigens hatte Geislingen schon lange vor diesem Kirchenbau eine Pfarrei. Im Jahr 1293 erscheint Ludewicus plebanus (Leutpriester) de Giselingen als Zeuge in einer Urkunde Graf Ulrichs von Helfenstein für das Kloster Wettenhausen (Lang Reg. Boic. 4, 539). Im Jahr 1331 wird Johannes Schatzmann Dechan zu Gyßlingen genannt; im Jahr 1400 macht Frau Maria, geborene Herzogin von Bosnien eine bedeutende Stiftung zu Aufrichtung eines Altars und Besoldung eines Kaplans in der Pfarrkirche der Mutter Gottes zu Geislingen; im Jahr 1401, den 1. Februar, unterzeichnet eine Überkinger Urkunde „der erber Pfaff Johann Zänlen zu den ziten Dechan des Capitels ze Gyßlingen und Kirchherr daselbs.“

Die Spitalkirche zum heiligen Kreuz oder zu Sankt Leonhard wird im Jahr 1394 genannt, wo Pfaff Heinrich Küttenbain, Kirchherr zu Steinenkirch, eine ewige Messe dahin stiftet; in ihrer jetzigen Gestalt wurde sie erst im Jahr 1615 | erbaut. Sie hatte keinen eigenen Pfarrer, sondern der Helfer an der Hauptkirche hielt alle 14 Tage am Montag eine Predigt in derselben. Seit 40 Jahren wird sie nicht mehr zum Gottesdienst gebraucht, sondern ist in ein Holzmagazin verwandelt.

Von der Reformation im Ulmischen und namentlich in Geislingen war oben, S. 111, die Rede.

Der gegenwärtige Stand der Geistlichkeit in Geislingen ist folgender: für die Protestanten (die Katholiken sind nach Eybach eingepfarrt) ist angestellt ein Stadtpfarrer und ein Helfer, welcher zugleich die Pfarrei Weiler versieht, mit der Stadtpfarrei ist seit 1833 das Decanatamt, das seit 1810 in Altenstadt war, vereinigt. Die geistlichen Stellen besetzt die Krone, welche auch die Baulast der beiden Wohnungen hat. Eingepfarrt ist der Weiler Hofstett am Steig mit 23 Seelen, dagegen gehört die Ziegelhütte mit 4 Seelen in die Pfarrei Amstetten.

Der Begräbnißplatz befindet sich seit alten Zeiten auf einer Anhöhe, oberhalb Rorgensteig, 1/8 Stunde von der Stadt.

Von Schulanstalten sind in der Stadt: die im Jahr 1827 neu errichtete lateinische Schule (eine früher allda befindliche war längere Zeit eingegangen), zu welcher im Jahr 1838 eine Real- und eine Elementar- (Vorbereitungs) Schule kam; eine Knaben und eine Mädchen-Schule, je mit einem Schulmeister und einem Lehrgehülfen besetzt. Der Reallehrer gibt auch Sonntags Unterricht an der Gewerbs- und Zeichnungsschule; auch besteht eine Industrieschule für Mädchen. Als Antiquität aus dem Geislinger Schulwesen ist zu erwähnen, daß schon im Jahr 1392 ein Bertholt Schwarz, genannt der Schulmeister, Bürger zu Geislingen, erscheint; eine Urkunde von ihm bewahrt das Stuttgarter Staatsarchiv.

Ein Nonnenkloster, mit Franciskanerinnen oder Klausen Regelschwestern besetzt, befand sich im jetzigen Oberamtsgerichtsgebäude; es wurde im Jahr 1531 aufgehoben, den | Schwestern beim Abzuge von der Stadt Ulm 1000 fl. bewilligt, und das Gebäude von der Stadt Geislingen für seinen Spital gleichfalls um 1000 fl. der Stadt Ulm abgekauft. (Urkunden im Stuttg. Staats-Archiv). Die Nonnen begaben sich nach Gundelfingen. (Braun, Geschichte der Bisch. von Augsburg 3, 262). Nach dem schmalkaldischen Kriege im Jahr 1548 sind sie aber wieder zu ihrer Klause und Gütern gekommen und von der Stadt Ulm restituirt worden, doch schon im Jahr 1581 verkauften sie, mit Konsens ihres Provinzials, ihre Klause und alle ihre Häuser, Kapellen, Hofstätten, Gülten, Renten. Unterhändler hiebei war Graf Rudolf von Helfenstein, welcher in Wiesensteig (s. dieses) eine Klause zu errichten sich anschickte, nachdem der Ulmer Rath als Reichsstand das öffentliche Exercitium katholischer Religion kraft passauischen Vertrages und Religionsfriedens von 1552 und 55 genannten Klausenschwestern nicht gestatten wollte, sie aber ohne freie und öffentliche Übung römischer Religion länger in solchen Klausen sich aufzuhalten und darin abzusterben Bedenken getragen.

Von auswärtigen Klöstern war namentlich das Cisterzienserkloster Kaisersheim bei Donauwörth in Geislingen begütert; es hatte dort den s. g. Kaisersheimer Hof von einer Helfensteinischen Schenkung des Jahres 1289 her.

Der Spital der Stadt gehört zu den reicheren Spitälern, und muß schon in früher Zeit sehr wohlhabend gewesen seyn. Nach dem Saalbuch thaten am Tage St. Katharinä im Jahr 1351, unter der Regierung Graf Ulrichs von Helfenstein, zuerst Sixt von Nellingen und seine Ehefrau Anna ihre milde Hand zu Errichtung eines Hospitals in Geislingen auf und übergaben dem ehrbaren Gericht zu Geislingen Zehnten, Höfe, Gefälle u. s. w. zu Oppingen, Überkingen, Bernstatt, Geislingen. Früher waren 4 Verwaltungen, welche jetzt verbunden sind, nämlich die Kirchen-, die Hospital-, die Almosen- und die Sondersiechen-Pflege. Das Sondersiechenhaus stand unterhalb der Altenstadter | Brücke und erhielt Stiftungen im Jahr 1398, 1420 u. s. f. Das Saalbuch desselben beginnt mit den Worten: Obwohl die ganze Welt nichts anders als ein Hospital ist u. s. w. Die Stiftung bezieht Gefälle aus 39 Ortschaften der Oberamtsbezirke Geislingen, Ulm, Heidenheim, Blaubeuren und besitzt 53/8 M. Länder und Gärten, 31 M. Wiesen, 144 M. Äcker, 808 M. Waldungen und 74000 fl. Kapitalien; die jährliche Einnahme beträgt 12–13000 fl. An Gebäuden besitzt sie die Stadtkirche, den Spital, das Seelhaus, das Pfründhaus, 2 Schulgebäude, die Pfarrhäuser in Bräunisheim und Unterböhringen und mehrere Zehntscheuern. Die Unterhaltung dieser Gebäude, die Besoldungen an Geistliche und Lehrer, die Verköstigung und Kleidung der Hospitaliten nehmen den größern Theil dieser Einkünfte weg, so daß für die Ortsarmen nicht zu viel übrig bleibt. Von Burgen um die Stadt war hochberühmt Schloß Helfenstein, auf schroffen Felsen nordöstlich oberhalb der Stadt erbaut, aber jetzt so zerstört, daß man nur noch an wenigem Mauerwerk seine Stelle erkennt. Helfenstein bestund eigentlich aus 2 Schlössern, zwischen welchen ein gepflasterter Hof, eine Cisterne, ein Backhaus, eine Schmiede, ein langes Wagenhaus und eine Kapelle standen. Der obere Theil, Darließ genannt, war die eigentliche Festung, der untere Theil gegen Geislingen hieß das neue Schloß und war der Burgvögte Wohnung. Starke Ringmauern mit Thürmen und Rondeln versehen umgaben das Ganze; auf der östlichen Seite gegen Weiler waren 3 Zugbrücken über tiefe Gräben und hohe Felsen gerichtet. Eine Abbildung von Helfenstein nebst der Stadt Geislingen gibt das Titelbild von Kerlers Geschichte der Grafen von Helfenstein. Zerstört wurde diese Burg von den Ulmern selbst im Jahr 1552 (S. 116), und was von Mauerwerk damals nicht abgetragen ward, wurde im 6ten Jahrzehend des vorigen Jahrhunderts auf obrigkeitlichen Befehl der Stadt Ulm vollends ganz gesprengt. Von Helfenstein handelt | Georg Veesenmeyers Ulmer Gymnasialprogramm von 1796: Versuch einer Geschichte des Schlosses Helfenstein, 4. Dort ist eine Schenkungsurkunde vom 15. Januar 1355 abgedruckt, worin Graf Ulrich der ältere und Graf Ulrich der jüngere von Helfenstein eine neugestiftete Kaplanei auf dem Schlosse mit Einkünften, welche unter anderem auf die Hofstätten des obern und untern Badhauses (aestuarium) in Geislingen angewiesen waren, ausstatten. Die Präsentation des Kaplans behielten sich die Grafen für sich und ihre Erben vor, und da die Burg Helfenstein damals nach Altenstadt eingepfarrt war, so gaben die Grafen dem Bischof von Constanz die Versicherung, daß ihre Stiftung der Pfarrei Altenstadt unschädlich seyn soll; weshalb auch der damalige Pfarrherr von Altenstadt, Beringius, zum Zeichen, daß er der Stiftung beistimme, die Urkunde mit besiegelte. Als Kaplane der Burg erscheinen in späterer, ulmischer, Zeit: Johannes genannt Häring; im Jahr 1403 Konrad Schwarz von Geislingen; im Jahr 1419 Johann Fridel von Geislingen; im Jahr 1424 Leonhard Fridel von Geislingen u. a. Der letzte Burgkaplan, Hans Gassenmayer, wurde im Jahr 1531 den 7. Juni nach Ulm gerufen, um sich über die Annahme der 18. Reformationsartikel zu erklären. Er blieb indeß fest bei der alten Lehre, namentlich in Hinsicht der Messe. Von dieser Zeit an kommt keine Spur mehr von einem Burgkaplan vor. (Rink Geislingen S. 25.) Der Ödethurm, auf einem kegelförmigen Bergvorsprung gelegen und durch eine Schlucht von Helfenstein geschieden, war ohne Zweifel ein Vorwerk der Burg Helfenstein. Er ist aus Tuffsteinquadern erbaut und geht aus dem Viereck durch Abschrägung in den Kreis über. Im Jahr 1555, ein Paar Jahre nach der Zerstörung von Helfenstein wurde, laut dem Ulmer Rathsprotocoll, dieser Thurm reparirt und den Geislingern auf ihr Ansuchen eine Glocke aus dem Zeughaus zu Ulm gegeben, um sie zum Schlagen der Stunden, und im Fall einer zu sehenden | Feuersgefahr zu gebrauchen. Seinem ursprünglichen Zweck als Wartthurm diente er noch bis auf die neuern Zeiten; es wohnte nämlich noch bis in dieses Jahrhundert auf dem Thurm ein Hochwächter, welcher bei Feuersbrünsten durch Losschießen eines Doppelhackens und mit einem Sprachrohr Lärm machte. In der bairischen Zeit hörte diß auf; Baiern hatte bereits den Thurm auf den Abbruch verkauft, die Stadt erkaufte ihn jedoch und erhielt dadurch der Gegend eine Zierde. Nach alten Gemälden hatte er ursprünglich ein spitziges Dach.

Auf einem hohen senkrechten Felsen am Türkheimer Berg, dem Geiselstein, 1/4 Stunde oberhalb der Stadt soll in alten Zeiten die Gyselburg gestanden haben; von ihrer Geschichte und ihren Bewohnern ist jedoch nichts mehr bekannt. Die Sage gibt an, daß die Wiesen, welche unten am Fuße des Berges gelegen, ehemals ein See gewesen, welchen die Herren des Schlosses deshalb trocken gelegt hätten, weil in demselben einige aus ihrer Familie ertrunken wären. Eine Romanze über diese Volkssage, von Gustav Hohbach, siehe in Schwabs Neckarseite der schwäbischen Alb. S. 183.


Zugehörungen von Geislingen.
2. Rorgensteig, eine Vorstadt, 1/8 Stunde entfernt, Ulm zu. Sein Name, wie der Name der Rohrach, erinnert an die weiter obengelegenen Rohr- jetzt Weiherwiesen; er kommt schon in den Jahren 1295 und 1297 als Rorigensteige, Rorgensteige, Rorgunsteige in Urkunden des Klosters Kaisersheim vor. (1295. 3 Mai. Ulricus comes de Helfenstein Heinrico abbati de Caesarea oppignorat tria molendina sua suprema circa principium fluvii Rore, prope descensum montis justa Rorigensteige. Lang Reg. Boic. 4, 591. vergl. ib. 4, 655.) Rorgensteig hat 13 Wohn-, 20 Nebengebäude und 60 Einwohner und ist gleichsam ein kleiner Fabrikort. Die Rohrach, welche ihn bespült, bildet, besonders wenn sie etwas angeschwollen ist, einen artigen Wasserfall und | ihre Wasserkraft wird vielfach benützt, sie treibt 2 Mahlmühlen, 1 Papiermühle mit abgesondertem Stampfwerk, 2 Schleifmühlen, 2 Ölmühlen, 3 Gipsmühlen, 2 Walkmühlen und 1 Eisenhammer, welcher auch ins Ausland gute Geschäfte macht.

Zu Rorgensteig gehört auch das Röthelbad, früher auch von Ulmern, jetzt nur noch von Geislingern besucht. (Siehe über dasselbe auch S. 18.) Von ihm handeln: Roth, Veit. Eberh., kurzer Bericht ob und wie weit ein Gesundbad von einem Sauerbrunnen einzurathen sey; wobei zugleich das Röthelbad zu Geislingen kürzlich beschrieben wird. Ulm 1723. 8.

Frauendiener, Joh. Matth., kurze Beschreibung des Röthelbades zu Geislingen, worin von dessen Ursprung, Beschaffenheit u. s. w. gehandelt wird. 66. S. Ulm 1729. 8.

Hößlin, Jerem., Beschreibung des Röthelbades nahe bei Geislingen unter Helfenstein. Tübingen 1749.

Rau, Wolf. Thom., Neue Abhandlung vom Röthelbad bei Geislingen. 63. S. Ulm 1750. 8.

Noch vor einem halben Jahrhundert bildete Rorgensteig eine besondere Gemeinde, für welche in Gemeinschaft mit Stötten ein eigener Ulmischer Amtmann bestand. Hier befand sich in früheren Zeiten eine, jetzt spurlos verschwundene Kirche; als dortiger Pfarrherr erscheint im Jahr 1281: Heinricus rector ecclesie in Rorgunsteige, Zeug in einer Verkaufs-Urkunde Siegfrieds von Weißenstein über die villa Winderutin bei Schnittlingen (Orig. im Stuttg. Staats-Archiv), desgleichen im Jahr 1382 Ulrich von Hermaringen, Kirchherr zu Rorgensteig (Akten die Helfensteinische Sache betreffend. Urk. Lit. B. S. 12).

Zu dieser Kirche gehörten mehrere längst abgebrochene Kapellen, so (im Jahr 1352) die heilige Kreuzkapelle zwischen der Pfarrkirche zu Rorgensteig und der Stadt; der heiligen Jungfrau Mariä Kapell zwischen dem Kaisersheimer Hof und dem Steinhaus; eine Kapelle mit dem unschuldigen Kindleins Altar auf dem Kirchhof.

| 3) Die Schimmelmühle 1/2 Stunde von der Stadt an der Rohrach, mit 1 Wohn- und 2 Nebengebäuden und 3 Einwohnern.

4) Die Obersteigmühle mit 1 Wohn- und 4 Nebengebäuden und 10 Einwohnern, 3/4 Stunde von der Stadt am Ursprung der Rohrach. Zwischen der Schimmel- und Steigmühle ist eine bedeutende Bergrutsch, der Miederstall.

5) Ziegelhütte ob der Steig, auch Steighof genannt, mit 1 Wohn- und 2 Nebengebäuden und 4 Einwohnern, hat neben der Zieglerei auch eine stark besuchte Schenkwirthschaft. Sie ist nach Amstetten eingepfarrt, siehe dieses.


Geschichte.
Die Zeit der Gründung Geislingens ist nicht zu ermitteln, die erste gleichzeitige Aufzeichnung ihres Namens, welche sich erhalten hat, ist vom 18. Mai 1237, unter welchem Datum von Giselingen eine Urkunde K. Friedrichs II. datirt ist, worin er seinen Richtern befiehlt, das der Stadt und Geistlichkeit von Bamberg ertheilte Privilegium de non evocando zu respectiren (abgedruckt in Mon. Boic. 30, 260). Ein Paar Jahre früher, im Jahr 1230 erscheint oppidum Giselingen in dem Chronicon antiq. Ottenburanum (Ausg. von Raiser S. 21, vergl. Feyerabend Jahrbücher von Ottobeuren 2, 359), welches nicht viel jünger ist, als die erzählten Begebenheiten. Im genannten Jahre 1230 ertheilte K. Heinrich VII. in dem Hoflager zu Ulm dem ottobeurischen Abte Berthold 1229–1248 die Regalien und der Eichstädter Bischof Heinrich weihte den Abt zu Geislingen in Abwesenheit des Augsburger Kirchenhauptes. Ferner wird Geislingen (Geislingen) im Jahre 1251 in einer Urkunde K. Konrads IV. genannt, worin er den Schenken Walter von Limburg mit einem bis zu dieser Stadt reichenden Wildbann belehnt (s. [Wölkern] Hist. Norimb. dipl. S. 112). Die Stadt gehörte von frühester Zeit den Grafen von Helfenstein, unter deren Burg sie sich ausdehnte, und | diente ihnen oft längere Zeit zum Wohnsitze. Was die kürzeren Aufenthalte der mittelalterlichen Kaiser in diesem Orte betrifft, so ist außer dem ebenerwähnten K. Friedrich II. auch noch K. Rudolfs, der im August 1287 im Kampf gegen Graf Ulrich von Helfenstein hier weilte (Chron. Sindelfing. ed. Haug S. 22), und K. Karls IV. zu gedenken, welcher hier am 5. Februar 1348 an Kloster Herbrechtingen eine Schenkung machte (Besold Docum. S. 96). Im Jahr 1367 ertheilte Graf Ulrich der ältere von Helfenstein der Stadt eine Ordnung (abgedruckt bei Kerler Urkunden S. 14), deren Inhalt im Wesentlichen folgender ist: Das bisherige Gericht und die bisherigen 12 Richter sollen abgethan und neue Richter erwählt werden, welche Recht ertheilen, in jeglicher Sache, wie ihnen nach ihrem Eide recht dünkt, und nach den folgenden Bestimmungen, nicht aber nach dem früheren Stadtrecht, welches hiermit förmlich abgeschafft wird, und wegen dessen Richter und Bürger ihrer früheren Eide entbunden werden. Sollten die Richter sich über einen Fall nicht einigen können, so solle man Recht holen, wo man es von Alters geholt habe. Behufs der Ausgleichung der Steuer werden die Grafen oder ihr Amtmann in Geislingen 3 unbestechliche Bürger auswählen, welche niemand zu lieb noch zu leid nach dem Besitz eines jeden die Steuer ansetzen. Wer an diesen 3 Bürgern mit Worten oder Werken frevle, der soll, wenn er über 15 Jahre alt ist, den Grafen mit Leib und Gut verfallen seyn oder falls er diß „mit seinem Gut nicht gebessern“ möchte, so soll er bis auf des Grafen und seiner Erben Gnad aus der Herrschaft verbannt seyn; ist er jünger, so hat er 3 Pfd. Heller zu bezahlen, und für den Fall der Weigerung von seiner und seiner Verwandten Seite soll er verbannt seyn. Für Weiber ist die Buße verschieden bestimmt, je nachdem sie verheirathet oder unverheirathet sind. Welches Weib das andere schilt oder thätlich mißhandelt, oder einen biderben Mann an seiner Ehre angreift, und durch 2 ehrbare Zeugen dessen überwiesen wird, die | soll statt der 3 Hälbling, die früher für jeden Frauenfrevel ohne Unterschied bezahlt wurden, an einem Sontag zwischen Mittag und Vesper einen 30 Pfd. schweren Stein vom Stock aus um die Brodtische und Fleischbänke 3 Stunden lang am Halse tragen, oder dafür 30 Schilling Heller zur selben Zeit dem Büttel auf dem Stock erlegen. Thut sie diß nicht, so soll sie mit 5 Pfd. Heller verfallen sein oder die Stadt Geislingen selbst und eine Meile im Umkreis auf ein Jahr meiden. Pfandrechte können nur unter eidlicher Angabe der gesammten Vermögensgegenstände und vor Gericht bestellt werden. Was unter 10 Pfd. Heller werth ist, bedarf keiner Besieglung; was 10 Pfd. Heller und mehr beträgt, muß mit der Stadt Insiegel versehen werden, das zu diesem Ende der Stadt erst verliehen wird. Das Siegel darf nicht aus der Stadt kommen, wird einem Richter in Verwahrung gegeben, hat 3 verschiedene Schlösser, zu denen der Amtmann, der Richter, bei dem es verwahrt wird, und ein anderer Richter jeder seinen Schlüssel haben. Wer in das Pfand eingesetzt werden will, muß ebenfalls einen Eid vor Gefährde schwören. Beim Verkaufe der Pfandstücke hat er aus den Pfändern den höchst möglichen Preis zu erzielen, und dann zuerst sich selbst und hierauf andere Gläubiger zu befriedigen. Schuldenhalber müssen sowohl liegende als fahrende Güter, Lehen und Eigen veräußert werden. Nur das Gewand der Frauen, in dem sie am Sontag in die Kirche gehen, ist Kompetenzstück. Die Metzger sollen den Richtern das Unschlitt nicht wohlfeiler geben, als andere Leuten, der Nachred wegen. Bei Gericht dürfen nur Richter und Bürger von Geislingen die Parthie berathen. An Auswärtige dürfen Güter und Zinse nur vor Gericht und bei einem Werth von 10 Pfd. Heller und darüber nur mit Beifügung des Stadtsiegels verkauft werden. Diese Ordnung wurde in der ulmischen Zeit, im Jahr 1396 bestätigt, erneuert und dabei bestimmt: Wenn den 12 Richtern vielleicht zu schwer wäre, daß sie alle dem | Gericht allewege mit einander warten sollten, so ist unsere Meinung, daß sie sich selbst theilen sollen in 3 Theile, als daß allewege 4 Richter eine jegliche Woche unserem geschworenen Vogt warten sollen. Der Vogt solle alle Wochen zu dem mindesten Ein Gericht halten. Wenn über Erbe und Eigen und Lehen bei Gericht verhandelt wird, so sollen mindestens 7 Richter geboten werden. Der Artikel des Steuerverfahrens in der ältern Ordnung wird abgeschafft und dafür eine Eidsteuer eingeführt. (Kerler Urkunden S. 19.)

Unter den Benefizien, welche die Stadt von den Grafen von Helfenstein erhielt, gehört, daß sie von den Grafen Konrad und Friedrich im Jahr 1379 auf 16 Jahre von der Schatzung befreit wurde. (Original in Stuttgart.)

Im Jahre 1382 wurde die Stadt mit dem helfensteinischen Gebiete von den eben genannten Grafen an die Reichsstadt Ulm verpfändet, und im Jahr 1396 an dieselbe verkauft. (Siehe oben S. 104. Über der Geschichte von 1552 siehe S. 115.)

In der Ulmischen Zeit stunden alle Bürger Geislingens unter der leichten oder Lokalleibeigenschaft, so daß die Luft leibeigen machte, ein Verhältniß, welches blos dann fühlbar wurde, wenn man das Bürgerrecht aufgab. Schon im Jahr 1694 wurde, nach den Ulmer Rathsprotocollen, der Vorschlag gemacht, die Leibeigenschaft zu Geislingen gegen ein gewisses Stück Geld zu erlassen und sie zu verkaufen. – Wer nach Geislingen hereinziehen wollte, hatte immer freien Zug, wenn er sich nicht mit einer Bürgerin von Geislingen verheirathete. (Jäger Ulm 341.)

Im Jahr 1802 kam Geislingen von Ulm an Baiern, im Jahr 1810, den 6. Nov., nahm es Württemberg in Besitz.

In fast allen im Südwesten Deutschlands geführten Kriegen, besonders im letzten österreichisch-französischen, litt die Stadt durch starke Truppenmärsche, wie sie z. B. im Jahr 1809 allein 87.000 Mann ohne irgend einen Schadenersatz im Quartier hatte.

| Wichtig war Geislingen in alten Zeiten besonders wegen des dortigen Zolls. Er war ein Haupteinkommen der Grafen von Helfenstein, nachher der Stadt Ulm. Urkundlich erscheint er z. B. im Jahr 1298, wo Graf Ulrich von Helfenstein dem Kl. Bebenhausen die Zollfreiheit von allem Wein, den es diese Straße führen würde, ertheilte {remittimus teloneum quod in strata nostra Geysslingen de transvectura vini ipsorum nobis ex antiquo jure seu debito solvi vel dari deberetur. Besold Docum. S. 389); auf ähnliche Weise erhielt Kl. Kaisersheim im Jahr 1359 durch Graf Ulrich von Helfenstein Befreiung vom Weinzoll in Geislingen (Reg. Boica 8, 417). Als Transitwaaren werden im Jahr 1272 auch Ladungen von Häuten und Tuch erwähnt, welche Fuhrleute von Regensburg führten. (Gemeiner, Regensburgische Chronik. 1, 402.) K. Ruprecht verlieh den 19. August 1401 dem Grafen Johann von Helfenstein als einem Träger seiner Mutter, Gräfin Anna, unter andern Reichslehen, auf welchen sie, eine geborne von Oettingen, „bewidempt“ war, den Zoll zu Gyselingen und den Zoll zu Kuchen (Chmel Reg. Rupert. S. 47), dasselbe thut auch im Jahre 1446 K. Friedrich IV. den Grafen Ulrich und Konrad von Helfenstein. (Chmel Reg. Friderici IV. 1. S. 213.) Den 12. Sept. 1447 verlieh derselbe K. Friedrich dem Walther Ehinger und Konrad Ott, Rathsfreunden und Lehensträgern der Stadt Ulm, die von Konrad und Ulrich Grafen zu Helfenstein der Stadt verkauften Zölle und Geleite zu Gislingen, Kuchen u. s. w. (Chmel a. a. O. S. 237, vergl. den Verkaufsbrief über das halb tail deß gelaits und der Zölle zu Gißlingen, zu Kuchen, zu Sießen, zu Gosbach durch Ulrich und Cunrat, Grafen von Helfenstein, an die Stadt Ulm vom Jahr 1446. Species fact. S. 57.) Im Jahr 1371 war der Zoll eines Pferdes in Geislingen 1 Schilling Heller; vom Jahr 1439 hat man ein vollständiges Register über den Ulmer Zoll in Geislingen (bei Jäger Ulm S. 373), im 16. Jahrhundert wurde derselbe bedeutend erhöht und Geislingen erhielt 2 Zollstätten, welche | jedoch später wieder vereinigt wurden. Eine spätere Zollordnung ist von 1627.

Vielen Nutzen warfen den jeweiligen Herrschaften auch die Mühlen ab; aus den Alterthümern dieses Gewerbes ist eine Geislinger Mühlordnung vom Jahr 1442 (Jäger Ulm S. 626) zu erwähnen. Graf Ulrich von Helfenstein, Landvogt in Oberschwaben, errichtete im Jahr 1363 eine Kaplanei in der St. Georgen-Kapelle des Kl. Blaubeuren aus den Erträgnissen der 2 Mühlen in der untern Vorstadt zu Geislingen. (Regesta Boic. 9, 86.)

Aus der allgemeinen, besonders aber aus der Sittengeschichte Geislingens geben wir noch folgende, größtentheils den Ulmer Rathsprotokollen entnommene Einzelheiten:

1406 wurde in Geislingen eine Schießhütte errichtet, und verordnet, daß Niemand auf derselben eine selbstzündende Büchse tragen dürfe.

1558 wurde verordnet, keine ledigen Gesellen sollen in die Kunkelstube kommen; welche nach 9 Uhr auf den Gassen ohne ein Licht betreten werden, sollen ins Thurm- oder Narrenhäusle gelegt werden.

1565 erhält Geislingen eine Bäckerordnung, 1566 und 1573 neue Müllerordnungen.

1634 7. Sept. ließ sich der König von Ungarn in der Kirche zu Geislingen eine Messe lesen.

1647 4. Aug. ist dem letzten katholischen Bürger (Andr. Zimmermann, Hafner), wenn er sterben sollte, eine Leichenpredigt zu halten abgeschlagen worden. Kurz vor seinem Tode nahm er das evangelische Bekenntniß an, und als er im Jahr 1655 starb, hielt man ihm eine Leichenpredigt.

1661 erhalten die Barbierer zu Geislingen die Artikel und Ordnung der Ulmer Barbierer.

1666. Nachdem geklagt worden, daß die Hoffahrt zu Geislingen immer steige, sonderlich bei den Mägden, so zu Ulm gedient, welche bessern Zeug und Borten tragen, als ihnen gebührt, so solle der Junker Vogt dieselben | beschicken, ihnen solches fürhalten, das Übermaß abschaffen, und diejenigen, welche nicht pariren, mit gebührender Straf versehen.

1677. Der Spital, welcher in verwichenem Jahr 10.000 fl. an Schulden bezahlt, erhält von Ulm die Erlaubniß, zu seiner unentbehrlichen Nothdurft 600 fl. zu entlehnen.

1679 wird den Schulkindern zu Geislingen ihren jährlichen Tanz auf den Steingruben (noch an Jacobi gefeiertes Fest) anzustellen erlaubt.

1679 wird die Abschaffung der Strohdächer befohlen, und verordnet, daß alle Gebäude mit Ziegelplatten belegt werden sollen.

1758 fand bei Geislingen auf den Feldern unterhalb der Straße nach Stötten und Eybach die große Exekution der württembergischen Soldaten statt, welche Meuterei anfiengen, als der Herzog zu Felde zog. (Lezteres nach Haid Ulm S. 650.)


Die Grafen von Helfenstein.
Diese Familie, von deren Burg S. 130 die Rede ist, zieht unser ganz besonderes Interesse auf sich, indem sie in unserm Oberamt den größten Grundbesitz hatte, mit ihrer Grafschaft beinahe den ganzen Bezirk umschlang, aber nicht blos diesen, sondern auch, durch das Glück bei ihrer Vergrößerungslust unterstützt, einen großen Theil der jetzigen Oberämter Heidenheim, Blaubeuren etc.; sie hatte schon in der Hohenstaufenzeit ausgezeichneten Glanz und nach Art der Grafen ihren besondern Staat von Ministerialen, z. B. Truchsessen (als solcher dapifer de Gruibingen, Urkunde von 1267), und wenn sie gleich im Jahre 1627 ausstarb, so ist diß doch im Vergleich mit vielen andern, unter den Hohenstaufen berühmten Geschlechtern eine verhältnißmäßig lange Dauer. Im Allgemeinen gibt dieses Geschlecht ein lebendiges Bild von üppigem Wachsthum, aber auch von reißend schnellem Verfalle mächtiger Familien. Von ihm handeln: Oswald Gabelkover; er schrieb aus Auftrag des | am 17. Januar 1570 verstorbenen Grafen Ulrich von Helfenstein, der zu Wiesensteig wohnte; sein Werk blieb übrigens eine Zeit lang unvollendet liegen, bis ihn Rudolf † 1601, des vorigen Sohn, aufs neue ermunterte und mit mehreren Hilfsmitteln versah, worauf diese treffliche Arbeit vollendet wurde. Sie ist zwar nie gedruckt worden, aber in mehreren Abschriften vorhanden, z. B. auf der K. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart (Cod. hist. fol. Nr. 393). – Dr. H. F. Kerler, Geschichte der Grafen von Helfenstein nach den Quellen dargestellt. Mit einem Stahlstich. Ulm, Stettin 1840. 8. Derselbe, Urkunden zur Geschichte der Grafen von Helfenstein. Ulm, Stettin. 1840. 8.

Wenn wir uns wegen Rudolf, dem Stifter von Wiesensteig, auf das früher, S. 102 Gesagte beziehen, und von mancherlei Ahnherrn, worunter Herzog Burkhard II. von Alemannien (vergl. Stälin, Wirtemb. Gesch. 1, 453), absehen, womit die Genealogen späterer Jahrhunderte auch diese Familie reichlich beschenkt haben, und wenn wir unter andern namentlich die verfälschte Augsburger Urkunde von 1031 (Mon. Boic. 22, 4 seqq.) wissentlich nicht benützen, auch bei dem Salzburger Erzbischof Gebhard 1060–1088, von welchem nur das gewiß ist, daß er ein Schwabe war und einen gewissen Chadold zum Vater hatte (Hansiz Germ. sacr. 2, 173), seinen helfensteinischen Ursprung dahin gestellt seyn lassen, – so stehen nur folgende urkundlich fest als die ersten bekannten Sprossen dieses berühmten Hauses: Eberhardus de Helffenstein, Zeuge in dem Auszug einer Urkunde aus dem Anfang des 12ten Jahrhunderts Cod. trad. Hirsaug. auf dem Königl. Staatsarchiv Bl. 31b, dessen Sohn Eberhard (Eberhardus Eberhardi filius de Helffenstein) in einer Urk. zw. 1120–1156 ebendaselbst 41b.

Aus der folgenden Hohenstaufenzeit sind überhaupt blos die nachgenannten Glieder[2] bis jetzt urkundlich gesichert: |
Ludwig,
Graf v. Helfenstein,
1171–1200.
Gottfried,
Kanzler K. Friedrichs I.
 
 
 
Eberhard,
Graf v. Helfenstein,
1207–1228.
 
 
Ulrich (I.),
Graf v. Helfenstein,
1215, † um 1258.
Gem. a. Willibirgis,
Gräfin v. Dillingen.
(Spitzenberger Linie.) b. Agnes.
Agnes,
Gem. Graf
v. Aichelberg.
 
 
  Ludwig
v. Spitzenberg
zieht 1241 gegen
die Tartaren. 1267.
1270. Im Kloster
Adelberg begraben.
Gem. eine Freiin
von Neuffen.
I
  Ulrich (II.),
Graf v. Helfenstein,
† gegen 1290,
Gem. Gräfin
v. Tübingen.
I
I
I
I
  Ludwig,
Domprobst
in Augsburg,
† 1288.
 
Eberhard,
1270–1296.
Ulrich (III.),
† 1315.
Gem. a. Adelheid
v. Graisbach.
b. Margaretha
v. Toggenburg.

In einer Urkunde des Bischofs Walther von Augsburg erscheint im Jahr 1147 Rudolf von Spizenberg (nobilis quidam uir Ruodolfus de Spizenberch) mit seinen Kindern Ulrich, Ludwig und Gottfried, welcher der Kirche in Reimlingen (im Rieß, bair., wo noch im Jahr 1275 die Helfenstein-Spitzenberge begütert erscheinen, Lang Reg. 4, 769) einige Zehnten erstattet, die er und seine Voreltern, die Stifter genannter Kirche, bisher zu eigen gehabt hatten (Urk. in Mon. Boic. 33. A. S. 27). Ohne Zweifel ist dieses Spitzenberg, wornach sich Rudolf nennt, unser Geislingisches, und es scheint angenommen werden zu dürfen, daß die Kinder Rudolfs, Ludwig und Gottfried dieselben Personen waren mit den, in obiger helfensteinischer Geschlechtstafel oben anstehenden, da die Zeit gut paßt, und da, wie wir sehen werden, späterhin ein helfensteinischer Zweig sich von Spitzenberg schrieb. Sonach dürften wir füglich diesen Rudolf von Spitzenberg als Stammvater in obiger Tabelle vornehin stellen und Ulrich als Bruder neben Ludwig und Gottfried hinzufügen. (Vergleiche auch Kuchen und dort Ludwig und Richenza von Spitzenberg, welche vielleicht Eltern Rudolfs waren.)

| Unsere Nachrichten über die Grafen von Helfenstein leiten wir durch eine kurze Nachricht über ihr Wappen ein. Solches ist ein s. g. sprechendes, nach der etymologischen Deutung des Namens von Helfant, d. i. Elephant. Es stellt dar einen auf 4 (oder auch 3) Bergspitzen rechts schreitenden silbernen Elephanten im rothen Felde. Auch die spätere spitzenbergische Linie führte noch das Stammwappen. Graf Ludwig von Spitzenberg nennt sich auf dem Sigill, welches dieses Wappen enthält, Comes Ludwicus de Helfenstein, während er in der Urkunde selbst Ludewicus comes de Spitzenberg heißt (Urkunde für Kl. Adelberg von 1267. Origin. im Stuttg. Staats-Archiv). Graf Ludwig von Helfenstein erscheint öfters im hohenstaufischen Hoflager unter den Zeugen, namentlich bei K. Friedrich I. Rothbart den 1. Mai 1171 in Gingen (Ludewicus comes de Helfenstein, Urk. K. Friedrichs I. für K. Herbrechtingen. Besold Docum. S. 954), den 25. Mai 1181 auf Hohenstaufen (L. c. d. H., Urk. K. Friedrichs I. für Kl. Adelberg. Besold S. 4), den 25. Juni 1183 in Constanz als Mitunterzeichner des berühmten Constanzer Friedens (Ludowicus frater cancellarii de Helfenstein. Pertz Mon. 4, 179). Den großen Kaiser Friedrich I. begleitet Ludwig auf seinem Kreuzzug im Jahr 1189. Bei dem Vertrauen der Pilger auf die weiße Schaar, von welcher man glaubte, daß sie – ein Wunder Gottes und des h. Georg, aus dem Himmel gesandt – unter den Türken Verheerung anrichte, stärkte er einmal ihren wankenden Muth durch die Versicherung, diese Schaar gesehen zu haben, eine Versicherung, welche bei seinem Ruf von Glaubwürdigkeit viel galt; er erbot sich übrigens noch dazu, die Wahrheit seiner Aussage nicht nur bei seinem Pilgergelübde und bei dem heil. Grabe, sondern auch durch das Gottesurtheil des glühenden Eisens zu bekräftigen. (Siehe den, von einem unbekannten Kreuzfahrer an Pabst Clemens III. geschriebenen Brief bei Urstis. Germ. hist. T. 1, 1585. S. 561 und Expeditio asiat. Friderici I. Imp. bei Canis. Thes. Mon. ed. Bas. T. 3. pars 2. | S. 522; er heißt hier vir bonae opinionis et vita commendabilis, bonorum hominum probatus testimonio.) Auch bei K. Friedrichs I. Söhnen und Nachfolgern, Heinrich VI. und Philipp, war Ludwig in Gunsten; bei jenem erscheint er im Jahr 1193 in Gmünd (Urk. für Kl. Lorch Besold S. 727), bei letzterem im Jahr 1197 (nicht 1207) in Rotweil (Urk. für Kl. Marchthal, Orig. in Stuttgart), im Jahr 1198 in Speier (Urkunde für die St. Speier. Lünig 14 b. S. 465) im Jahr 1200 in Nürnberg (Urk. für Bischof Theoderich von Utrecht. Heda Episc. Ultraj. ed. 1643. S. 187), gleichfalls im Jahr 1200 in Ulm. (Urk. für Heiligkreuz in Augsburg. Mon. Boic. 29, 500.)[3]

Gottfried, Ludwigs Bruder, tritt als kaiserlicher Kanzler auf in einer Menge von Urkunden K. Friedrichs I. aus den Jahren 1172–1189 (s. Chron. Gottwic. 1, 384), namentlich ist der oben erwähnte Constanzer Friede mit seinen Rekognitionszeichen versehen (ego Godefridus imperialis aulae cancellarius... recognovi. Pertz Mon. 4, 180). Gottfried war seit 1184 Bischof von Würzburg;[4] wenn er in Würzburger Chroniken Gottfried a Pisemberg genannt wird (Ussermann Episc. Wirceb. S. 72), so ist diß wohl nicht anderes, als eine Korruption von Spizenberg. Gottfried starb im Jahr 1190 in Palästina auf dem Kreuzzuge, wohin er seinen Kaiser Friedrich I. begleitet hatte (Ussermann a. a. O. Wilken Kreuzzüge 4, 16. 68). Er hinterließ den Ruhm eines sehr wackern, kenntnißreichen, beredten Staatsmanns; beim Kreuzzuge war er gleichsam die Seele der Unternehmung.[5]

| Auf obigen Ludwig folgten in der Grafschaft die Brüder Eberhard und Ulrich, welche ohne Zweifel seine Söhne waren und gemeinschaftlich die Grafschaft verwalteten. Eberhard kommt häufig im kaiserlichen Hoflager als Zeuge vor, bei K. Philipp den 18. Juni 1207 in Straßburg (Urk. für den Markgrafen von Este. Muratori Ant. Est. 1, 383, dort ist geschrieben comes Evverardus de Helfrebstein), ferner bei K. Friedrich II. den 29. Dez. 1217 und den 30. Oct. 1218 in Nürnberg (Mon. Boic. 30, 62. 30, 75), im Jahr 1219 in Hagenau (Schreiber Urk. Buch der St. Freiburg 1, 45 und noch in einer andern Urkunde bei Lünig cod. dipl. Ital. 2, 714), den 2. u. 3. Nov. 1219 in Nürnberg (Hanselmann Landeshoheit 1, 373. Boehmer cod. dipl. Francof. S. 30). Den K. Friedrich II. begleitete er auf seiner Kaiserkrönung nach Italien; er tritt als Zeuge auf den 17. Sept. 1220 im Lager vor Mantua (Murat. Antiq. Est. 1, 415), den 5. Oct. 1220 in Bologna (Hier. Rubei Hist. Rav. bei Graev. Thes. antiq. Ital. T. 7 a. 368), im Dez. desselben Jahres im Lager bei Narni (Hist. patr. mon. Aug. Taur. Chart. T. 1. col. 1263), im Jahr 1221 den 3. März in Trani (Eichhorn Ep. Cur cod. prob. S. 82), den 9. März in Bari (Hanselmann Landeshoheit 1, 392), den 10. April in Tarent (Boehmer c. d. Francof. S. 32; vergl. auch Duell. Hist. ord. teut. app. S. 15). Die letzte bekannte Urkunde, worin sich dieser Eberhard unterzeichnet, ist ein Lehensanerkenntniß Pfalzgraf Ludwigs, Herzogs von Baiern, im Jahr 1228 in Eßlingen ausgestellt (Ulricus et Eberhardus comites de Helffenstain. Mon. Boic. 11, 200).

Graf Ulrich (I.) ist Zeuge in Urkunden K. Friedrichs II. den 20. Jan. 1215 in Ulm (Urk. für Kl. Lorch. Orig. in Stuttg.), den 2. Nov. 1219 in Nürnberg (Urk. für Kl. Schäftersheim. Hanselmann Landeshoheit 1,373). Dem K. Friedrich II. scheint er nicht nach Italien gefolgt zu seyn,

| sondern indeß die Angelegenheiten zu Haus besorgt zu haben; er erscheint erst wieder in Urkunden K. Heinrichs VII. den 26. Sept. 1226 in Eßlingen (Urk. für Denkendorf. Im Stuttgarter Staatsarchiv), den 22. Nov. 1231 in Ulm (Urk. für Bischof Siboto von Augsburg. Mon. Boic. 30, 151), den 25. Sept. 1232 in Wimpfen (Urk. für Kl. Neresheim. Neresheimer Deduction gegen Oettingen 1759 fol. S. 441), den 3. Oct. 1266 in Augsburg (Urk. für Bischof Hartmann von Augsburg Mon. Boic. 30, 347). Auch kommt er in mehreren herzoglichen, gräflichen und andern Urkunden vor, namentlich in der oben angeführten Urk. Pfalzgraf Ludwigs von Baiern von 1228, ferner im Jahr 1231 in einer Urk. Markgraf Hermanns von Baden (Schoepflin Hist. Zar. Bad. 5, 179), im Jahr 1241 in einem Diplom Graf Hartmanns von Dillingen für Kl. Heiligkreuzthal, ausgestellt in Eßlingen (Orig. in Stuttg.), im Jahr 1257 als Mitsiegler einer Urkunde Bischof Hartmanns von Augsburg und Graf Hartmanns III. von Dillingen, seines Schwiegervaters (Mon. Boic. 33. A. S. 84), im Jahr 1258 in einer Urkunde des Kl. Medingen (Lang Reg. 3, 119). Ulrichs erste Gemahlin war Willibirgis, geb. Gräfin von Dillingen (Graf Hartmann III. von Dillingen spricht in einer Söflinger Urk. vom 13. Jan. 1258, Orig. in Stuttgart, von seiner Tochter Willibirgis comitissa de Helfinstein), seine zweite hieß Agnes. Durch seine erste Heirath fiel ihm ein Theil der Dillingischen Güter zu, welche jedoch später wieder veräußert wurden. Dauernder brachte er an sein Haus die Stadt Blaubeuren mit Umgebung und die Vogtei über die Besitzungen des Kl. Blaubeuren außerhalb seiner Ringmauern. Er war Schirmherr des Kl. Herbrechtingen, als solcher übrigens sehr gewaltthätig (Besold S. 968). Kinder des oben genannten Eberhard und Neffe und Nichte des vorhergehenden Ulrich waren Graf Ludwig von Spitzenberg, welcher mit seines Vaters Brudersöhnen[6] | abgetheilt zu haben scheint, und Agnes, verehlichte Gräfin von Aichelberg. (Urkunde von 1270 bei Sattler Grafen 1te Forts. Beil. Nr. 36). Ludwig zog im Jahr 1241 gegen die Tartaren, welche in Deutschland vielen Schrecken verbreiteten (Gabelkhover gibt den Auszug einer Urkunde von 1241, worin er vor Antritt seines Zuges dem Kl. Ursperg den Hof Witterstall vermacht. Ludwig nennt in dieser Urkunde seinen Ahnherrn Graf Ludwig von Helfenstein). Im Jahr 1246 erscheint er als Comes Ludewicus de Spizenberch in einem Lehenbrief Gottfrieds von Hohenlohe (Hanselmann Landeshoheit 1, 408). Sonst ist er noch bekannt durch seine Vergabung des Kirchensatzes zu Süßen an Kl. Adelberg, im Jahr 1267 (Orig. in Stuttgart, mit dem oben, S. 143 erwähnten Siegel). In diesem Kloster liegt er begraben. (Im Jahr 1290 erhält, nach einer Urkunde, Kuno von Beringen von seinem Herrn, Graf Eberhard von Spitzenberg, die Erlaubniß zu einer Schenkung an Kl. Adelberg, weil seine, des Grafen, Eltern daselbst begraben seyen, und er auch sein Begräbniß dahin legen wolle.) Verheirathet war er an eine Freiin von Neuffen (laut der Grabinschrift seines Sohnes, welche Gabelkhover irgendwo in Elsaß abschrieb).

Ludwigs Sohn war, nach Urkunden von 1267. 1270. 1275 (letztere in Lang Reg. 4, 769), Graf Eberhard von Spitzenberg, welcher in manchen Urkunden erscheint. Derselbe widersetzte sich dem Kaiser Rudolph I. mit andern Grafen dieser Gegend und verlor vielleicht darüber seine Burg Spitzenberg, welche an das Reich fiel, später (1304) von K. Albrecht an Graf Eberhard von Württemberg verpfändet (Urk. bei Sattler Grafen. 1te Forts. Beil. Nr. 35), aber im Jahr 1315 den Grafen von Helfenstein übrigens unter Lehensherrlichkeit des Reiches wieder zugestellt wurde. Eberhard starb entweder im Jahr 1292, wenn die Sindelfinger Chronik (1292 obiit Comes de Spizenberch, qui in militia occisus fuit S. 26, ed. Haug) recht berichtet und auf unsern Grafen zu deuten ist, oder im Jahr 1296, wofern Gabelkhover die oben erwähnte Grabinschrift richtig abschrieb.

| Kehren wir nun zur helfensteinischen Linie zurück. Obigen Graf Ulrichs (I.) Sohn war der gleichnamige Graf Ulrich (II.) welcher im Jahr 1263 als Tochtermann Graf Rudolfs von Tübingen, genannt der Scheerer (Urk. bei Haug Chron. Sindelf. S. 33), im Jahr 1266 in einer Urkunde Conradins (den 3. Oct. in Augsburg. Mon. Boic. 30, 347) und im Jahr 1267 in einer Urkunde Rudolfs II., Pfalzgrafen von Tübingen (Besold Docum. S. 917) vorkommt. Auch er widerstrebte, wie sein Verwandter, der ebengenannte Graf Eberhard von Spitzenberg, mit Macht den, am Ende doch siegreichen Waffen Kaiser Rudolfs. Wegen der Schulden, in welchen ihn seine immerwährenden Händel stürzten, mußte er im Jahr 1277 die oberdillingischen Güter seines Hauses um 500 Pfund Heller wieder an das Hochstift Augsburg verkaufen (Mon. Boic. 33, 141).

Sein Bruder Ludwig war Domprobst zu Augsburg (in der eben angeführten Urk. Mon. Boic. 33, 142 handelt Ulrich assensu domini L. summi prepositi fratris nostri, und in einer andern Urk., von 1278, spricht er von fratre suo Ludewico. Lang Reg. 4, 55), früher, im Jahr 1256, war er Probst von St. Gertrud. Er starb als augsburgischer Domprobst und zugleich (nach Mon. Boic. 33, 143) Pfarrherr zu Oberdillingen im Jahr 1288. (Siehe über ihn Khamm Hier. Aug. Pars 1 cathedr. besonders 1, 527. 2, 85 und Braun Gesch. der Bisch. von Augsburg öfters.)

Ulrichs (II.) gleichnamiger Sohn Graf Ulrich (III.) von Helfenstein kommt zuerst im Jahr 1276 urkundlich vor (Urk. betreffend einen Streit des Kl. Herbrechtingen über einen Hof in Setzingen, geschlichtet mediante nobili viro VI. seniore comite de Helfenstein. Zeuge: Junior comes de Helfenstein), nachher im Jahr 1277, wo sein Vater unter Zustimmung dieses seines Sohnes und dessen Gattin Adelheid, einer Tochter des Grafen Berchtolds von Graispach, seine oberdillingischen Güter an das Hochstift Augsburg verkauft (Mon. Boic. 33, 142). So nennen auch Urkunden der Jahre 1278. 1280. 1284. 1286 (Lang Reg. Boic. 4, 55. | 4, 119. 4, 263. 4, 303) die Grafen Ulrich Vater und Sohn neben einander. Die ebengenannte Gemahlin des Sohnes war im Jahr 1291 schon todt. (In diesem Jahre vermachte Ulrich III. pro remedio Adelheidis quondam conjugis suae eine Schenkung an Kl. Kaisersheim. Lang Reg. 4, 493.) Er vermählte sich hierauf mit Margaretha von Toggenburg, wie aus ihres Enkels, Graf Ulrichs, Grabstein erhellt, auf welchem oben das helfensteinische und württembergische, und unten das hohenbergische und toggenburgische Wappen seine Ahnen anzeigen. Der Name Margaretha steht in einer Urkunde vom 3. Mai 1295, da ihr Gemahl, um seine Schulden abzutragen, mit Bewilligung seiner Gemahlin Margaretha und seiner Töchter Agnes und Adelheid (Gemahlin des im Jahr 1316 gestorbenen Herzogs Simon von Teck) Güter in Schalkstetten und Stubersheim an Kl. Kaisersheim verkaufte (Lang Reg. 4, 591). Unsern Grafen brachten überhaupt die Üppigkeit und die beständigen Fehden, in welchen er lebte, zur Veräußerung beträchtlicher Erbgüter und Rechte; im Jahr 1295 verkaufte er an K. Adolf die Burg Helfenstein nebst andern Burgen und Ortschaften (Kerler Urkunden S. 8), welche er jedoch bald hierauf, man weiß nicht in welchem Jahre, wieder zurückerhielt; dagegen veräußerte er bleibend im Jahr 1302 Schloß Herwartstein (bei Königsbronn) nebst mehreren Dörfern und Gerechtigkeiten (Besold Doc. S. 635). Vermehrt hat er übrigens seinen Hausbesitz im Jahr 1309 durch Ankauf von Schloß Egelsee und Dorf Westerheim. (Crusius Ann. pars 3. c. 3. p. 10. Lünig XII. 259.) Bei König Albrecht stund er in Gunsten; dieser ernannte ihn im Jahr 1305 zum Vogt in Augsburg und auf dem Lande daselbst, wogegen er ihm und den österreichischen Herzogen mit allen seinen Burgen und Vesten zu jedem Angriff behülflich zu seyn versprach. Dabei erhielt er die Erlaubniß, einen Untervogt zu setzen, wozu er im Jahr 1306 Heinrich von Hattenberg machte (Datt de pace imperii S. 8). Ulrich erscheint im schwäbischen Landfrieden desselben Königs vom Jahr 1307, | zu dessen Aufrechthaltung er einen Ritter zu geben hatte (Pertz Mon. 4, 488). In dem Streit Friedrichs von Österreichs und Ludwigs von Baiern um die deutsche Krone ergriff Ulrich die Partei des ersten: er ist mit andern im Jahr 1315 von K. Friedrich dem Grafen Eberhard von Württemberg für eine Geldsumme zum Bürgen eingesetzt (Sattler Graven 1te Forts. Beil. Nr. 53). K. Friedrich verglich sich hierauf mit Graf Eberhard von Württemberg, daß er die ihm verpfändete Burg Spitzenberg und St. Kuchen an den Grafen Ulrich von Helfenstein abtreten sollte, wogegen ihm der Kaiser und seine Brüder Leopold und Heinrich von Österreich 3000 Pfd. Heller schuldig zu seyn versprachen (Sattler Graven. 1te Forts. 1767. S. 82). Im Jahr 1315 starb Graf Ulrich (III.) von Helfenstein.

Ulrichs (III.) Söhne und Enkelssöhne gibt folgende Tabelle:

Ulrich (III.), † 1315.
Johann, † 1340.
Gem. Adelheid
v. Hohenlohe.
I
Ulrich, † 1326.
Gem. Agnes
v. Württemberg.
I
Ulrich,[7] † 1372,   Ulrich, † 1361,
gemeinschaftlich Landvögte in Oberschwaben.
Gem. Maria
von Bosnien.
Stifter der Wiesensteiger Linie.
Gem. Beatrix
von Schlüsselburg.
Stifter der Blaubeurer Linie.
Bei Ableben ihres Vaters waren die Grafen Johann und Ulrich vermuthlich noch minderjährig; sie erscheinen zuerst in einem Vergleich mit dem Kloster Adelberg vom Jahr 1323, betreffend den Kirchensatz in Süßen, welchen Graf Ludwig von Spitzenberg und dessen Sohn Eberhard diesem Kloster geschenkt hatten; sie leisteten förmlich Verzicht auf diesen Kirchensatz (Orig. im Stuttg. Staatsarchiv). Johann vermählte sich mit Adelheid, Tochter Krafts von Hohenlohe und Adelheidens von Württemberg, Ulrich mit Agnes, Tochter des Grafen Ulrich von Württemberg und der Gräfin Irmengard von Hohenberg. Die gemeinschaftliche | Regierung dieser 2 Grafen fällt in die Zeit der fortdauernden Kämpfe Ludwigs von Baiern und Friedrichs von Österreich um die deutsche Königskrone. Die Grafen von Helfenstein traten auf Ludwigs Seite.

Nach Johanns († 1340) und Ulrichs († 1326) Tod setzten die gleichnamigen Söhne beider, die Grafen Ulriche, anfangs die gemeinschaftliche Regierung der ungetheilten Herrschaft fort. Besonders der Sohn Johanns stund bei Kaiser Karl IV. in großer Gnade und erscheint oft in Prag am kaiserlichen Hofe; er streckte dem Kaiser bedeutende Geldsummen vor, wofür er ansehnliche Reichsgüter zum Unterpfand erhielt. Im Jahr 1351 bekamen beide Grafen von dem Kaiser die Burgen und Städte Gingen, Hellenstein und Heidenheim als edles Erblehen, wie sie ihnen vorher vom Reich um 24.000 florentinische Gulden versetzt gewesen.

Verhängnißvoll war das Jahr 1356 für das Haus Helfenstein, das jetzt eben die höchste Blüte erreicht hatte, durch die vorgenommene Theilung der ausgedehnten, damals jährlich 7000 Pfd. Heller eintragenden Herrschaft unter die zwei Vetter. Ulrich der ältere war mit Maria, Tochter des Herzogs Stephan von Bosnien, verheirathet; der Kaiser selbst war Ehestifter gewesen. Diese Prinzessin, welche ein Heirathgut von 10.000 ungarischen Ducaten und eine kostbare Aussteuer (verzeichnet bei Kerler Gesch. S. 53) mitbrachte, hielt es für vornehmer, wenn ihr Gemahl Herr eines kleinen Landstrichs, als Mitregent der ganzen Herrschaft wäre, und gab so zur Theilung Veranlassung, wobei ihr Gemahl von den zwei gleichen Theilen durchs Loos den folgenden erhielt: Helfenstein, Geislingen, Hiltenburg, Wiesensteig, Spitzenberg, Westerheim, Hofstett-Emerbuch, Rorgensteig, Altenstadt, Deggingen, Türkheim, Sontbergen, Stubersheim, Schalkstetten etc., nebst der Vogtei des Klosters Elchingen, während der jüngere Vetter († 1361) dagegen den südöstlichen Landestheil bekam, namentlich Giengen, Heidenheim, Blaubeuren. (Der Theilungsbrief steht bei Kerler Urkunden S. 11.) Ulrich d. ä. machte sich als | Gesetzgeber verdient durch die Ordnung, welche er im Jahr 1367 der Stadt Geislingen gab (s. S. 135). Viele Kämpfe hatte er für seinen Kaiser, wie sehr auch dieser seine Dienste belohnte, fortwährend zu bestehen; es galt den Bündnissen des Adels. Im Jahr 1372 wurde Ulrich von einigen Edelleuten im Zabergau gefangen genommen, und auf Ramstein, einer Burg Eberhards von Falkenstein, auf eine unwürdige Art ermordet.

Nach geschehener Theilung gehen uns für die Geschichte unseres Bezirkes die Schicksale der jüngeren oder Blaubeurer Linie, welche in unserem Oberamt nur wenig, darunter Egelsee bei Westerheim und Rechte an Böhmenkirch besaß, kaum mehr an. Diese Linie, deren Schicksale bei Kerler S. 94–105 nachzusehen, erlosch im Jahr 1517 mit Graf Georg von Helfenstein, dessen unruhiger, verschwenderischer Vater Konrad bereits im Jahr 1447 Blaubeuren nebst Zugehör und dessen tief verschuldeter Oheim im Jahr 1448 die Herrschaft Heidenheim, beide an Württemberg verkauft hatten. Die wenigen Besitzungen, welche dem letzten Sprossen dieser Familie verblieben waren, fielen der älteren Linie zu.

Von dieser älteren oder Wiesensteiger Linie kennt die Geschichte bis zu ihrem Absterben im Jahr 1627 folgenden Mannsstamm (wobei wir die in frühster Kindheit verstorbenen Söhne nicht aufführen):

Ulrich, † 1372.
Ludwig,
Erzbischof zu
Colocza.
Conrad,
† 1402.
 
Friedrich,
† 1438.
I
Ulrich,
† nach 1375.
 
Hans,
† nach 1381.
 
Wilhelm,
Domherr in
Augsburg.
Ulrich,
† 1462.
 
 
Johannes,
Domdechant
in Straßburg.
† gegen 1455.
Friedrich,
† 1483.
I
I
Ludwig,
† 1492.
 
 
Wilhelm,
Domherr zu
Straßburg.
† um 1458.
 
Ludwig, † 1494. Friedrich, † um 1502.
Ulrich, † 1548. Ludwig Helfrich, † 1525.
Rudolf,
† 1532.
Georg, † 1573,
erheirathet Gundelfingen.
Sebastian,
† 1564.
Ulrich,
† 1570.
Schweickhart.
 
Georg, † 1603.     Froben.
G. u. F. kaufen Möskirch.
Ulrich,
† 1581.
Rudolf,
† 1601.
I
Georg Wilhelm,
† 1626.
 
Ulrich,
† 1593.
 
Rudolf,
† 1627.
I
Heinrich, † 1626.
| Nach Ulrichs († 1372) Tode übernahmen, da sein Sohn Ludwig auf den erzbischöflichen Stuhl von Colocza in Ungarn erhoben wurde, Graf Konrad († 1402), und späterhin gemeinschaftlich Graf Friedrich die Verwaltung der väterlichen Herrschaft. Die Familie war aber zahlreich geworden, der Aufwand hatte zugenommen und zum Theil vom Vater vererbte Schulden hatten sich bedeutend gemehrt, besonders die Gräfin Mutter, Herzogin von Bosnien, war gewöhnt, auf einem kostspieligen Fuße zu leben. Ihre Üppigkeit und Verschwendung legte mit den Grund zum Ruin des Hauses. Sie sah dieses am Ende auch wohl ein, und nannte scherzend die Ulmer ihre Kinder, welche ihre Herrschaft einst erben würden. Der wuchernde Handelsstaat Ulm streckte seit dem Jahr 1382 je mehr und mehr Geld vor, im Jahr 1396 belief sich die Gesammtsumme des von den Grafen von Helfenstein nach und nach bei Ulm aufgenommenen Geldes auf 86.439 Goldgulden und wenn die 12 Procent Jahreszinse, welche zu bezahlen waren, noch hinzugerechnet werden, auf mehr als 120.000 Goldgulden. Nun schritten die beiden Grafen im genannten Jahre 1396 an den S. 104 erzählten Verkauf eines großen Theils ihrer verpfändeten Herrschaft an die Stadt Ulm, um sich den andern Theil (die nachherige Herrschaft Wiesensteig) best möglich zu retten. So schnell sank der Glanz des ehedem so mächtigen und reichen Hauses, unter dessen Einkünften die Zölle keine der unerheblichsten Quellen gewesen waren; noch zu Graf Friedrich soll, als er Geislingen hingab, ein alter Bauer gesagt haben: o Herr, wo gedenkt Ew. Gnaden hin, und wäret Ihr ein ganzes Jahr auf Helfenstein gesessen und hättet einen Batzen um den andern zum Fenster hinausgeworfen, so hättet Ihr allein vom Zoll Gelds genug gehabt. Nach Friedrichs Tode († 1438) bekam dessen Sohn Ulrich die Herrschaft Wiesensteig und gab seinen Brüdern den 2 geistlichen, Johannes und Wilhelm eine kleinere, den 2 weltlichen, Friedrich und Ludwig, eine größere, | jährlich aus 250 fl. bestehende Abfindung. Die Nutzung der Lehen sollte den 2 weltlichen Brüdern, ohne deren Beistimmung nichts versetzt noch verkauft werden durfte, mit Ulrich gemein seyn. Im Jahr 1440 errichteten die 3 Brüder eine Erbeinigung, 1441 theilten sie gar ihr kleines Gebiet unter sich. Es war aber schon die Zeit gekommen, daß die Grafen von Helfenstein fremde Dienste suchen mußten, bereits Graf Ulrich trat im Jahr 1449 in Sold des Grafen Ulrich von Württemberg, welcher mit den Reichsstädten in Fehde lag und den Helfensteiner als einen beherzten Krieger mit 30 Pferden um jährliche 1500 fl. bestellte. Am Ende gelang es diesem Ulrich noch die 2 Theile seiner Brüder zu seiner Herrschaft zu ziehen. Er fiel jedoch schon im Jahr 1462 im Treffen bei Seckenheim, kämpfend für den Markgrafen von Baden gegen den Pfalzgrafen Friedrich.

Die späteren Schicksale des helfensteinischen Hauses, worüber Kerler Geschichte S. 112–156 nachzulesen, bis zu seinem Erlöschen im Jahr 1627 enthalten nichts, als die reizlose Geschichte von ewigen Theilungen und geschehenen Wiedervereinigungen der Ländchen, Verpfändungen und von Diensten, welche bei mächtigeren Herren genommen wurden, namentlich bei den Grafen von Württemberg, den Herzogen von Baiern, den Erzherzogen von Österreich, dem Könige von Spanien, zumal auch bei der Stadt Ulm, bei welcher z. B. Graf Friedrich von Helfenstein seit dem Jahr 1446 diente, um 600 fl. Jahressold, welche er jedesmal voraus einnahm. Graf Ludwig Helferich ist durch sein tragisches Ende bekannt, indem er, als Amtmann bei der herzoglichen Regierung zu Weinsberg, im Bauernkrieg am Ostermontag 1525 mit mehreren Adelichen von den Bauern unter Trommelschlag und Pfeifenklang vor die Stadt geschleppt und durch die Spieße gejagt wurde, trotz der gebotenen Lösungssumme von 30.000 fl. und der Bitte, welche seine Gemahlin mit ihrem unmündigen Söhnlein auf den Armen fußfällig für ihn einlegte (Heyd, Herzog Ulrich. 2, 224).

| Graf Georg von Helfenstein († 1573) brachte durch Heirath die Herrschaft Gundelfingen an seine Familie. Zur Erinnerung an diesen Erwerb erscheint von nun an das althelfensteinische Wappen mit den gundelfingischen Schrägbalken quadrirt. Georgs Söhne, Georg († 1603) und Froben, kauften nach Absterben ihres Mutterbruders, Graf Wilhelm von Zimmern, des letzten dieses Geschlechts, die Herrschaft Möskirch um 400.000 fl. Diese Brüder sind, wenn wir von den einseitigen mit den Elephanten bezeichneten Hohlpfenningen der Grafen von Helfenstein absehen, deren Prägezeit nicht genau angegeben werden kann (Leitzmann Numismatische Zeitung. 1838. Nr. 22), die ersten des Hauses, welche Geld prägen ließen, von beiden hat man namentlich auch Goldgulden. Mit Frobens Sohn Georg Wilhelm († 1626) erlosch die Möskircher Linie; von der Wiesensteiger Linie und von dem Namen Helfenstein überhaupt war im Jahr 1627 Graf Rudolf, dessen Sohn Heinrich in Rom den 12. December 1626 gestorben war, der einzige noch vorhandene männliche Sprosse. Um seinem Haushalt aufzuhelfen, benützte dieser die Kipperzeit im Jahr 1622 zur Ausprägung der s. g. Wiesensteiger Sechsbätzner, welche durch ein Patent des schwäbischen Kreises, wegen ihres schlechten Gehaltes schon im Juni desselben Jahres verrufen wurden. Bei seinem Tode († den 20. September 1627) bestanden laut des Anschlags- und Theilungslibells von 1628 (Kerler Gesch. S. 154) seine Besitzungen aus folgenden Stücken: 1. Stadt und Schloß Wiesensteig. 2. Schloß und Burgstall Reußenstein, sammt dem von allen öffentlichen Lasten freien Meierhof daselbst. 3. Der große Flecken Welchheim (heut zu Tage bairisch, im Hrschtg. Eichstädt). 4. Mühlhausen. 5. Gosbach. 6. Der große Marktflecken Deggingen, nebst der Ziegelhütte und dem dahin gehörigen Hofgut Berneck. 7. Ditzenbach, nebst Hiltenburg. 8. Reichenbach. 9. Ober- und Unter-Drackenstein. 10. Hohenstadt. 11. Gruibingen. 12. Ganslosen (die 3 letztgenannten Orte gemeinschaftlich mit Württemberg). | 13. Ursenwang, ein Hof bei Schlath. Von der Theilung dieser Reste der alten Grafschaft Helfenstein unter die Erbinnen des letztverstorbenen Grafen und von ihren spätern Schicksalen war oben S. 106 die Rede.
  1. Ein artesischer Brunnen, welcher im Jahr 1834 zu bohren versucht worden, mißglückte auf eine, aus der Porosität des Jura sehr erklärliche Weise. Die Bohrstelle war am Abhang der Berghöhe östlich von der Stadt gewählt, in der Eisenrogensteinformation, zwischen zwei steilen Bergschluchten, wo zwei natürliche Süßwasserquellen sich befinden, 100′ vom Rohrachbache entfernt. Das Bohrloch wurde auf 140′ getrieben, größtentheils durch Gerölle und mißglückte gänzlich, indem das im Bohrloch stehende Wasser mit dem Regenwetter stieg und und sich bei trockener Witterung verlor.
  2. Bei unserer Zählung der Ulriche ist zu bemerken, daß wir mehrere nicht bestimmt erweisbare Grafen dieses Namens weggelassen haben, und daß unser Ulrich I. dem 6ten Ulrich der gewöhnlichen Zählung entspricht.
  3. In einer Urkunde Kaiser Friedrichs I. für Kloster Admont von 1184, Mainz, erscheint unter den Zeugen ein Ludovicus comes de Spitzimberch (Pez Thesaurus III. c. Sp. 681). Ist diß Graf Ludwig von Helfenstein nur unter einem andern Namen, oder ein, sonst unbekannter, Bruder desselben?
  4. Godefridus Imperialis aulae cancellarius, homo discretus et vividus, qui postea episcopatum Erbipolensem habuit. Chronica Gisleberti ed. Duchasteler S. 127.
  5. Incitabat et cooperabatur eo tempore ferventissimo studio ad idem propositum venerabilis Herbipolensis episcopus Gotfridus, vir et nobilitate generis et scientia literarum facetus atque facundia tunc temporis scientissimus et utriusque juris peritus. – Gotfridus, cujus industria totus exercitus domini regebatur. Ansberti Hist. de exped. Friderici Imp. S. 17. 105. Vergl. auch Anon. exped. Asiatic. Frider. Barb. bei Canis. Thes. ed. Basn. T. 2. pars 2. S. 503 und Arnold. Lubec. 3, 34.
  6. Wenn Ludwig den Grafen Ulrich (II.) patruum nennt (Urk. v. 1267), so bedeutet das Wort hier patruelis, Vaterbruderssohn.
  7. Eine Schwester dieses Ulrichs, Catharina, † 1370, war an Graf Ulrich IV. von Württemberg verheirathet; sie hat im Jahr 1350 in Stuttgart das alte Spital (Catharinenhospital, nachherige Stadtschreiberei in der breiten Straße) gestiftet.
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