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Beschreibung des Oberamts Geislingen/Kapitel B 37

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37. Wiesensteig,
mit Eckhof, Reußenstein, Ziegelhütte, Papiermühle, Schafhäusle und Sägmühle. Gesammt-Einwohner 1512.

a) Wiesensteig, sonst auch Wisensteig, als Wisontesteiga im Jahre 861 vorkommend (Wisentesteiga geschrieben im 10. Jahrhundert, Gerhardi Vita S. Udalrici bei Pertz Mon. 6, 393), so genannt von Wisont, einer in unserer Gegend längst der Kultur gewichenen Thiergattung, ist eine katholische Stadt mit 1478 Einwohnern (worunter 35 Evangelische) im obern Filsthale an der Fils, 3/4 Stunden unterhalb ihres Ursprungs, in einem engen, vom Seltelberg (südlich), vom Schäfberg (östlich) und Sommerberg (nördlich) eingeschlossenen Thale, 5 Stunden südwestlich von Geislingen. Die geographische Lage der Stadt ist 48° 33′ 41″ Breite, 27" 17′ 21″ Länge. Das Thal, worin Wiesensteig liegt, ist ein stilles, zum Theil unheimisch beschattetes, durch einzelne graue Felsengruppen unterbrochenes Wiesenthal, welches bis zum Filsursprung trocken, erst durch den raschen Lauf dieses Flüßchens belebter wird.

Wiesensteig gehört zum Dekanat Eybach (bis 1828 war Wiesensteig selbst Dekanatsitz), Kameralamt Wiesensteig, Forstamt Kirchheim. Außer den städtischen Beamten haben hier ihren Sitz ein Kameralverwalter, Amtsnotar, Revierförster, Unteramtsarzt und prakticirender Arzt.

Den großen und kleinen Zehnten, zu welch letzterem Heu- und Öhmd gerechnet ist, bezieht der Staat; beide sind an die Gemeinde mehrjährig verpachtet. Über die Grundgefälle siehe S. 92. Die sogenannte neunte Garbe, welche die Bewohner an den Spital abzugeben hatten, wurde von der Stadt um 10.000 fl. abgelöst.[1]

Die Stadt, ehemals Hauptort der Herrschaft Wiesensteig, ist theilweise eben, theilweise am Berge gelegen, ihre Figur | ist bogenförmig, sie dehnt sich in einem Halbmond um den Kirchberg herum und theilt sich in die Altstadt und die Vorstadt ab. Südlich und nördlich hat die Altstadt noch Mauern, zum Theil in ihrer ursprünglichen Höhe; die übrigen Mauern und frühern 3 Thürme und 3 Thore sind abgebrochen und die Gräben zum Theil ausgefüllt und in Wiesen und Gärten umgeschaffen. Die Stadt ist ziemlich enge gebaut und nicht gepflastert. Sie zählt 243 Gebäude, worunter 3 Kirchen, 1 Kapelle, 3 Spital-, Armen- und Krankenhäuser. Die Wohnhäuser sind meist zweistockig und von Holz gebaut. Öffentliche Plätze hat die Stadt 2, den schönen Platz um die Kirche, zum Theil gepflastert, und den alten Schloßhof bei dem Kameralfruchtkasten, jetzt Zimmerplatz. Der Marktbrunnen ist mit Bildhauerarbeit geziert, dem helfensteinischen Elephanten, welcher das helfensteinische und fürstenbergische Wappen hält, welche also aus der Zeit zwischen 1627–1752 stammt. Die Einwohner, unter welchen 37 Evangelische, sind lebensfroh, jedoch fleißig und arbeitsam; Musik, Bürger-Militär, Faschings-Belustigungen u. drgl. finden vielen Anklang. Der Nahrungsstand ist seit Auflösung des Oberamts, des Kollegiatstifts und des Klosters gesunken, und daher durchschnittlich beschränkt. Die Einwohner nähren sich theilweise vom Feldbau, welcher jedoch an den Bergen und auf der Alp kostspielig und beschwerlich ist. Die Markung befaßt 74254/8 Morgen, worunter 3032 Morgen Waldung, 1129 Morgen Weide, 1271 Morgen Wiesen, 1282 Morgen Wechselfelder und nur 372 Morgen Äcker. Der Bau ist auf den Höhen die Dreifelderwirthschaft, im Thale willkührlich. Die Baumschule, welche auf Kosten der Stiftung angelegt wurde, gedeiht unter der Aufsicht des Stadtpfarrers Brander sehr gut. Die Viehzucht, darunter 180 Gaisen, ist bedeutend. Die kräftigen Alpkräuter sind neben dem Rindvieh besonders den Schafen zuträglich, daher die städtischen Weiden von den Schafhaltern des Unterlandes sehr gesucht sind und gut bezahlt werden. Zum Überwintern | einer beträchtlichen Anzahl Schafe hat die Stadt vor einigen Jahren ein ziemlich geräumiges Schafhaus auf der Höhe gegen Westerheim erbauen lassen. Die Gewerbe sind übersetzt, namentlich gibt es viele Bäcker. Chirurgische Instrumente, besonders Aderlaßeiselchen, ferner Bohrer, Spindeln und Peitschenstecken werden ins In- und Ausland abgesetzt; manche Bürger holten sonst Blutegel in Ungarn und trieben damit Handel, doch hat dies in neuerer Zeit nachgelassen. Viele Einwohner ernähren sich von Holzmachen; Brauereien gibt es mehrere, welche ziemlich gutes Bier liefern. Die Mühlen, 4 Mahl-, 2 Öl-, 2 Walk-, 1 Säg-, 1 Loh- und 2 Schleif-Mühlen machen guten Verdienst. Außerdem befindet sich im Orte 1 Apotheke, 1 Papiermühle, eine mit Buchhandel verbundene Druckerei – die einzige des Oberamtes – in welcher das Amtsblatt für das Oberamt Geislingen gedruckt wird. Der Gasthof zum Hirsch ist eine gute Wirthschaft; die sogenannten Wiesensteiger Ipser führen ihren Namen nicht von der Stadt Wiesensteig, in welcher sie nicht vorkommen, sondern von der Herrschaft.

Im Jahre 1835 war folgendes der Gewerbestand der Stadt:

Handwerker: Bäcker 15, Barbierer 3, Buchbinder 1, Büchsenmacher 1, Bürstenbinder 1, Holzdreher 5, Schwarzfärber 1, Frachtfahrer 4, Rothgerber 2, Weißgerber 2, Glaser 3, Hafner 3, Hufschmiede 3, Hutmacher 1, Kaminfeger 2, Kürschner 2, Kleemeister 1, Küfer 4, Leineweber 6, Leistschneider 1, Maler 1, Maurer 15, Metzger 9, Musiker 1, Näherinnen 4, Nagelschmiede 2, Papierer 1, Säckler 4, Seifensieder 2, Sailer 4, Sattler 3, Schäfer 4, Schlosser 8, Schneider 8, Schuhmacher 11, Schreiner 8, Schwertfeger 2, Tuchmacher 1, Uhrmacher 1, Wagner 3, Winterschuhmacher 1, Ziegler 1, Zimmerleute 6.

Kleinhändler: Blutegelhändler 7, Fruchthändler 2, Maserholzhändler 1, Schmalzhändler 1, Schnellerhändler 1, Spezereihändler 1, Seifehändler 1.

| Handlungen und Fabriken: Apotheke 1, Buchhandlung 1, Papiermühle 1, Spezerei- und Baumwollen-Ellenwaarenhandlung 1, Spezerei-, Baumwollen- und Ellenwaaren- und Leinegarnhandlungen 2.

Mühlen: Mahlmühlen 4, Ölmühlen 3, Sägmühlen 1, Walkmühlen 1.

Wirthschaften: Schildwirthschaften 4, Bier- u. Branntweinschenken 6, Branntweinschenke 1.

Getränkefabriken: Bierbrauer 4, Branntweinbrenner 8.

Zu den merkwürdigeren Männern, welche die Stadt Wiesensteig hervorgebracht, gehören: Joh. Straub, geb. 1704, eines Bildhauers Sohn. Anfänglich von seinem Vater in dessen Kunst unterwiesen, bildete er sich hierauf in München und Wien weiter aus, und wurde zuletzt Hofbildhauer in München, als welcher er für Kirchen, Paläste und Gärten schöne Arbeiten lieferte. [handschriftliche Anmerkung: † 1782 z. München]

Franz Xaver Messerschmid, geb. 1736, ein nicht unbekannter Bildhauer. Die 7 ersten Bildungsjahre stand er unter der Leitung des eben erwähnten Straub, seines Oheims, hierauf besuchte er die Akademie der Künste in Wien, von wo aus ihn die Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1765 nach Italien sandte, wo er unter anderem antike Statuen in Holz nachbildete. Aus Italien zurückgekehrt erhielt er den Titel eines akademischen Professors, sammelte sich aber wenig Freunde, wegen seines, bei aller Ehrlichkeit, sehr derben Charakters. Nach dem Tode seines Gönners Meytens ging er nach Presburg, wo er vom Jahre 1776 bis zu seinem im Jahre 1783 erfolgten Tode in selbst gewählter Einsamkeit seiner Kunst lebte.

Johann Liborius Schieber, geb. 1764, † 1829 als k. baierischer Ober-Appellations-Präsident in Landshut. [handschriftliche Streichung von Ober-]

Aus der Kulturgeschichte des Ortes ist die große Rolle zu erwähnen, welche noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Hexenprozesse, durch Graf Ulrich, † 1570, in den Gang gebracht, allda spielten. Graf Ulrich ließ selbst 70 Hexen verbrennen. Im Druck erschien: „Warhafftige und | erschreckliche Thaten und Handlungen der LXIII Hexen und Unholden, so zu Wiesenstaig mit dem Brandt gericht worden seindt. Anno MDLXIII Jar.“ 4°, in welcher Schrift eine Reihe der abenteuerlichsten Verbrechen diesen Hexen Schuld gegeben wird. – Der St. Hubertusschlüssel, welcher in den gräflichen Zeiten bei den Kindern der Hexen angewendet wurde, ist noch heut zu Tage in Wiesensteig aufbewahrt. – Noch gegenwärtig ist der Glaube an Hexen groß. Zum Aberglauben gehört auch die Sage vom Breithut (von seinem breitrandigen Lederhut so genannt), welcher zur Weihnachtzeit aus der Blaubeurer Herrschaft durch Hohenstadt auf einem, von 4 schnaubenden schwarzen Rossen bespannten Wagen unter furchtbarem Peitschengeknall daherzieht.

Die Gemeinde besitzt, nach Abtrag früherer Schulden, 2132 fl. Kapitalien, 1003 Morgen Weide und 1694 Morgen Waldung. Die Einnahmen der Gemeindepflege betragen etwas über 5000 fl. Jeder Bürger erhält jährlich 2 Klafter Holz sammt Reisach und 2–3 Ackertheile. In der Herrschaft Wiesensteig setzte eine alte Stiftung einer Gräfin von Helfenstein jeder armen Kindbetterin Wein aus, und zwar 2 Maß alten Wein in der Stadt, 1 Maß im Gebiet. Diese Stiftung wird nun in Geld ausgetheilt, und zwar 40 kr. in der Stadt. Eine Brodstiftung, gleichfalls von einer Gräfin von Helfenstein herrührend, wurde früher unter dem Portale des Schlosses gereicht, später in Geld verwandelt. Das königl. Kameralamt zahlt beide Stiftungen aus.

Der Spital hat ein Vermögen von 114.000 fl. und etwa 6000 fl. jährliche Einkünfte; neben Unterstützung der Armen in der Stadt und in der Umgegend an Geld und Medizin liegen auf ihm die Besoldung der Verwalter, der Lehrer und der Ärzte und die Erhaltung des Spitalgebäudes und des Schulhauses. Urkundlich kennt man seit dem Jahre 1364 Stiftungen an diesen Spital. Zum Spitale gehört das Armenhaus, worin gänzlich unbemittelte Personen Wohnung finden; ferner das Siechen- (früher Leprosen) Haus vor der Stadt, an der Straße nach Geislingen.

| Die St. Leonhards-Stiftung besitzt 6300 fl. Vermögen, und es liegt ihr die Erhaltung des Gottesackers und der Kapelle ob. Die Armenkasse hat 3000 fl. Vermögen. Die Stiftung des im Jahre 1829 allhier verstorbenen verdienten Geistlichen Rathes und Dekans Göttler für die erstmals Kommunicirenden, für Studirende, Arme, Schulkandidaten und für Musik hat 4280 fl. Kapitalien.

Vielen Aufwand verursachen der Stadt die beschwerlichen Vicinalwege, namentlich die 2 bedeutenden Steigen nach Neidlingen, 1/2 Stunde hinauf und beinahe eben so weit hinunter, da nach einem in früherer Zeit abgeschlossenen Vertrag mit Neidlingen diese neue Steige (die alte ging an dem Reußensteiner Hof und an der Ziegelhütte vorüber) größtentheils von Wiesensteig unterhalten werden muß. Eine andere, fast eben so beschwerliche Steige ist die Straße nach Blaubeuren, welche über den Kirchberg führt; auch diese wurde in den letzten 10 Jahren von der Stadt mit großen Kosten neu angelegt, und mußte öfters durch Felsen gesprengt werden. Landstraßen ziehen keine durchs Thal, und alle Verbindungen müssen von den betreffenden Gemeinden unterhalten werden.

Eine besondere Zierde der Stadt ist die Stadtpfarr- ehemalige Stiftskirche. Ihre Länge beträgt 195′, ihre Breite 52′, das Schiff bis unter die Dachspitze ist 80′ hoch. Sie ist sehr hell, hat 2 viereckige Thürme, welche 138′ hoch und 21′ auf allen Seiten breit sind, und ein herrliches Geläute. Der südliche Thurm enthält die Jahrzahl 1466. Mit Ausnahme der Thürme sank die Kirche im Jahre 1648 beim Brande der ganzen Stadt in Asche, aus der sie nur allmählig wieder erstand. Eine Hauptreparatur erhielt die neue Kirche in den Jahren 1780–85. Der Altäre sind 7. Unter dem Choraltar befindet sich im doppelten Schilde das werdenbergische und das Stiftswappen; ein Altarblatt, den sterbenden Joseph vorstellend, ist von dem Hofmaler Chstn. Winkler in München, aus dem Jahre 1780, auch die Bildhauer-Arbeiten (die Evangelisten, mehrere Heilige, von dem churfürstlich | bairischen Hofbildhauer Straub, einem gebornen Wiesensteiger, siehe oben, und Jos. Streiter von Schwatz im Tyrol), die Plafondsgemälde und die Vergoldung, besonders der Kanzel, sind sehenswerth. Die Fresken des Plafonds, die Thaten des h. Cyriacus vorstellend, sind von Maler Huber aus Weißenhorn im Jahre 1775 gemalt. Die Darstellungen sind: Kaiser Diocletianus, auf einem Triumphwagen einherfahrend, vor ihm der h. Cyriacus, mit Stricken gebunden zur Steinigung geführt. – Kaiser Diocletian mit seiner Tochter, welche gerade von einer heftigen Krankheit durch jenen Heiligen geheilt wird – Cyriacus treibt Teufel aus – Cyriacus als Almosenpfleger. In der Vertiefung des Fußes des Hochaltars liegt das Skelett der h. Sabina, von dem hiesigen secularisirten Frauenkloster herrührend. In dieser Stiftskirche ist zu vielen seiner Ahnen der am 20. Sept. 1627 gestorbene Graf Rudolf von Helfenstein mit Schild und Helm begraben. Seine Grablege befindet sich unmittelbar unter dem St. Barbara-Altar, neben dem, gegenüber dem ehemaligen Frauenkloster befindlichen Thore. Die Baulast der Stiftskirche hat der Staat, als Rechtsnachfolger des Stifts.

Auf dem Kirchhofe, ausserhalb der Stadt, steht das sehr alte Gottesacker-Kirchlein zu St. Leonhard, mit gräßlichen Abbildungen des Fegfeuers an den Wandungen des Chors. In dieser Kirche werden die Leichenpredigten gehalten. Die Baulast hat die St. Leonhardspflege. – Die Kreuzkapelle auf einem Felsen über der Stadt dient den Thalbewohnern zur Wallfahrt.

An der Stiftskirche sind angestellt 1 Stadtpfarrer und 1 Kaplan (zugleich Präzeptor an der lateinischen Schule). In früherer Zeit besorgte den Gottesdienst ein Kanoniker des Stiftes, die Kaplane des Stiftes hatten bei den betreffenden Altären Messe zu lesen. Das Patronat hatte ehemals das Kollegiatstift, jetzt die Krone, die Baulast des Pfarrhauses hat der Staat, der Kaplanei-Wohnung theilweise die Stadt und der Staat.

Für die Evangelischen wird seit dem Jahre 1808 zuerst | in einem Zimmer des Kameralgebäudes, nachher seit 1821 im Klosterkirchlein, Gottesdienst von dem Pfarrer in Gruibingen gehalten. Das dem Staat gehörige Klosterkirchlein ist seit dem Jahr 1838 zu einem evangelischen Betsaal eingerichtet. Die Baulast desselben liegt künftig auf dem Aerar.

Als Lehr-Anstalten sind im Orte 1 lateinische, 2 Elementar-, 1 Zeichnungs- und 1 Industrie-Schule. Das alte Klostergebäude wurde im Jahre 1838 von der Herrschaft an den Spital verkauft, hierauf abgebrochen und an seine Stelle das geräumige Schulhaus erbaut. In früherer Zeit, noch bis zum Jahre 1830, war der Mädchen-Unterricht durch 2 Frauen besorgt worden.

Ein altes, jetzt spurlos verschwundenes helfensteinisches Schloß soll in der Nähe der Kirche, ein noch früheres oben auf dem Kirchberge gestanden haben. Das im Jahre 1551 bis 1555 von Graf Ulrich von Helfenstein nach der Zerstörung von Hiltenburg erbaute neue Schloß (vrgl. Kerler Gesch. S. 141) bestand aus 4, ein Quadrat bildenden massiven Flügeln, und muß für jene Zeiten sehr fest gewesen seyn. Im vorigen Jahrhunderte diente es dem bairischen Vogt zur Wohnung. Im Jahre 1812 wurden 3 Flügel abgebrochen; gegenwärtig steht nur noch der sogenannte fürstenbergische Flügel, jetzt zu einem Fruchtkasten verwendet. Der untere Stock diente ehemals zu Stallungen, im zweiten Stock war der Rittersaal. An der Vorderseite, über dem Eingangsthor, ist eingemauert das helfenstein-gundelfingische Wappen, desgleichen das staufische (drei Kelche, Stauf bedeutet Kelch im Altdeutschen) und die Jahrszahl 1600, von Graf Rudolph von Helfenstein, † 1601, und dessen Gemahlin Anna Maria von Staufen (im Breisgau), † 1600. Die blos durch Anfangsbuchstaben angedeutete Inschrift über den Wappen ist zu lesen: Rudolph Graf zu Helfenstein, Freiherr zu Gundelfingen. Anna Maria Graefin zu Helfenstein, geborne Freiin zu Staufen. 1600.

Hinter dem Schlosse bestunden schöne Garten-Anlagen | mit Springwerken. Die Gräben und Wälle, welche das Schloß umgaben, wurden beim Abbruch der drei Schloßflügel geebnet.

Von kleineren helfensteinischen Denkmalen ist noch anzuführen die jetzt am Gasthof zum Hirsch eingerahmte, von dem abgebrochenen Theil des Schlosses dorthin versetzte, Glasmalerei mit dem helfenstein-gundelfingischen Wappen und der Inschrift: Rudolph Grav von Helfenstein Baron zu Gundelfingen MDCIIII.

Von den öffentlichen Gebäuden verdienen auch Erwähnung:

Das Rathhaus, ein hohes, zum Theil hölzernes Gebäude mitten in der Stadt, nach dem Brande aufgeführt. In der großen Rathsstube befindet sich eine Tafel, worauf die früheren Hexen-Exekutionen mit namentlicher Angabe der verbrannten Hexen gemalt sind; auch heißt eine andere Stube in demselben noch jetzt die Hexenstube.

Die Stiftsprobstei (jetziges Kameralamts-Gebäude) im Jahre 1681 erbaut.

In der Stadt stund früher ein Nonnenkloster vom Orden des h. Franciscus, welches im Jahre 1808 von Württemberg aufgehoben und 1838 abgebrochen wurde. Die Nonnen befanden sich früher in Geislingen, und da sie von dort aus nur unter Erlegung eines Gulden in die Armenkasse den katholischen Gottesdienst in Eybach besuchen durften, wurde ihnen unter Graf Rudolph von Helfenstein und dem Bischof Sitticus zu Constanz in den Jahren 1580–88 ein Klösterlein zu Wiesensteig erbaut. Der Fundationsbrief dieser erneuerten Stiftung ist ausgestellt von Graf Rudolph im Jahr 1590 (abgedruckt bei Kerler Urk. S. 39). Im Jahre 1648 brannte dieses Kloster mit dem größten Theile der Stadt ab (s. unten), und wurde nachher wieder neu aufgebaut. Sein unbedeutendes reines Einkommen mochte sich auf ungefähr 1000 fl. belaufen, weshalb auch die Zahl der Schwestern nur klein war und sich meist nur auf 10 belief. Die letzten zwei Nonnen zogen, hochbejahrt, im Jahre 1838 in ihr Geburtsland Baiern.

| Auf der Alp, nordwestlich von Wiesensteig, auf dem sogenannten Anger, war, der Volkssage nach, in früherer Zeit ein Tempelherrnkloster. Man erzählt sich, daß diese Tempelherrn den Gottesdienst in Neidlingen versehen haben; sie sollen in einer Nacht ermordet und das Kloster zugleich zerstört worden seyn. Auf der Stelle selbst finden sich nur noch Steingerölle, als Reste eines viereckigen Gebäudes, und ein Gewölbe. Auch ist dieser abgelegene Ort der Fundplatz von vielen Hellern (Händlinspfenningen).

Wiesensteig war seit der Zerstörung von Hiltenburg der Hauptsitz der ältern helfensteinischen Linie, welche hier auch ihre Kanzlei hatte. Diese Stadt theilte die Schicksale der Herrschaft Wiesensteig überhaupt, welche oben S. 102 u. f. erzählt sind, und kam mit ihr im Jahr 1806 von Baiern an Württemberg.

Von den Naturmerkwürdigkeiten in der Umgebung Wiesensteigs ist anzuführen das steinerne Weib (vergl. S. 4), ein wunderbar gestalteter Fels, 22′ hoch, auf der sogenannten Schäfhalde (einer steil absinkenden Kante der südöstlichen Gebirgswand), aus dem Walde hervorragend, von auffallender Ähnlichkeit mit einer kolossalen weiblichen Statue in weitem Faltengewande, mit vorgesetztem rechten Fuße und auf der Brust angelegtem rechtem Arme. Am schönsten nimmt sich der Fels vom Thal, in dem Garten des Hirschwirths gesehen aus.

Auf der nördlichen Seite des Seltelberges ist eine Höhle, deren Tiefe das öftere Aufspringen hineingeworfener Steine beweist. Unten in der Wolfsklinge ist eine Quelle, in welcher manchmal 1–2 Pfund schwere schwarze Forellen vorkommen.


Zugehörungen.

b) Der Eckhof, in den 20ger Jahren durch den Hauptmann von Schweizer erbaut, 3/4 Stunden von der Stadt mit 7 Einwohnern.

c) Der Reußensteiner Hof, mit 5 zum Theil ganz neu | aufgeführten Gebäuden, 1 Stunde von der Stadt mit 4 Einwohnern, ein neu steuerbares Gut von 355 Morgen, welches ganz arrondirt ist und eine eigene Markung bildet. Er gehört, im Jahre 1835 zwei Hofbauern abgekauft, dem k. württembergischen Generalmajor und dermaligen Gesandten zu Paris, von Fleischmann, und ist durch diesen neuen Besitzer in einen sehr guten Stand gebracht worden; er nährt namentlich auch eine ansehnliche Heerde feiner Schafe.

Vom großen und kleinen Zehnten ist der Staat Eigenthümer (früher das Kollegiatstift Wiesensteig, mit Ausnahme von 59 Jauchert 3 Ruthen, welche zur Armenkastenpflege Weilheim zehntbar waren, übrigens schon im Jahre 1769 mittelst eines Tausches dem übrigen Zehntdistrikt des Kollegiatstiftes einverleibt wurden). Beide Zehnten sind an den Besitzer des Hofs auf 18 Jahre verpachtet.

Die Burg Reußenstein, in alten Urkunden Russenstein, jetzt Ruine, ragt kühn auf der schroffen Bergkante in schwindelnde Höhe empor und gewährt dem aus dem reizenden Alpthale Emporsteigenden einen schönen Anblick. Erbaut ist sie auf einem, von drei Seiten mit furchtbaren Abgründen umgebenen senkrechten Felsen, und auf der vierten Seite ist die Verbindung mit der Alp durch tiefe Gräben abgeschnitten. Der viereckige Thurm steht auf der östlichen Ecke der Burg. Das Wohngebäude scheint dreistockig gewesen zu seyn. Mauerwerk von großem Umfang, 6′ dick, zeugt von der ehemaligen Festigkeit des Schlosses; in das Innere der Ruinen gelangt man durch eine, nicht ursprünglich vorhandene Öffnung, welche man etwa 25′ lang mühsam durchkriechen muß. Außer diesem beschwerlichen Eingang findet sich unten an der Burg sonst keiner, dagegen ist oben in der Mauer, in einer Höhe von etwa 40′, ein Thor, welches in die Burg führt. Es geht keine Treppe hinauf und an der Mauer sieht man nicht die geringsten Spuren, welche vermuthen ließen, daß je eine hinaufgeführt habe. Wie man zu obigem Haupteingang in die Burg früher gelangt ist, läßt sich nicht anders erklären, als daß von den Gebäuden, die über dem nächsten Graben | an der Burg standen, in gleicher Höhe mit dem Thore eine Zugbrücke angebracht war, und also die eigentliche Burg durch das Zurückziehen derselben ganz unzugänglich gemacht werden konnte. Die Vorgebäude über dem ersten Graben sind wahrscheinlich zum größten Theil Stallungen gewesen, da es nicht wohl möglich war, Rosse und Vieh in das Innere der Burg zu bringen. Oben an der Decke dieses ebenerwähnten Thores ist eine weibliche Figur gemalt, die aber, besonders am Kopf, größtentheils verwischt ist. Von der Ruine genießt man eine herrliche Aussicht in das Neidlinger Thal und ins Unterland. Die Ruine ist gleichfalls Eigenthum des Herrn von Fleischmann, welchem sie, mit der Verbindlichkeit der Unterhaltung, vom Staate überlassen worden ist.

Ungefähr 100 Schritte von der Ruine, jedoch bereits außerhalb der Grenzen des Oberamts, entspringt in der Mitte des Berges, die Pfanne genannt, der Neidlinger Bach, welcher hier einen etwa 45′ hohen Wasserfall bildet.

Die Veste Reußenstein war in alten Zeiten das Stammschloß der Familie Reuß von Reußenstein, deren ältester bekannter Stammvater Conradus dictus Ruzze im J. 1284 und folg. als Zeuge vorkommt, und nach Gabelkhover im J. 1305 starb. Dieses Geschlecht, worüber auch die Oberamtsbeschreibung von Kirchheim S. 148 nachzusehen, trug auch württembergische Lehen, namentlich Binswangen im 15. Jahrhundert; ein später Sprosse desselben, Hans Michel, hat sich durch unrühmliche Übergabe der Burg Hohenstaufen im Bauernkrieg (1525) bekannt gemacht. (Schwab, Alb S. 217.)

Das Wappen der Herren von Reußenstein ist ein aufrechtstehender links sehender weißer Bär in rothem Felde.

Im Jahr 1394 war Reußenstein schon einige Zeit im württembergischen Besitze gewesen, denn damals überließ diese Burg Graf Eberhard von Württemberg bereits dem Ritter Hans von Lichtenstein, doch mit Vorbehalt des Öffnungsrechts. Genannter Ritter übergab sie an Fritz von Sachsenheim und an Heinrich von Mansperg, von da kam | sie an Hans von Wernau, welcher sie im Jahr 1438 an Dietrich Späth von Ehestetten verkaufte. Aber die Grafen von Württemberg hatten ein Öffnungsrecht auf die Burg beibehalten, und als Dietrich nach kurzem Besitze im J. 1441 an Graf Johann von Helfenstein, Protonotar des apostolischen Stuhls und Domdechant des Domstiftes zu Straßburg, die Veste um 1900 fl. wieder verwerthen wollte, so holte er deßhalb Erlaubniß von Graf Ludwig von Württemberg, welcher sich damals zu Waiblingen im dasigen Schlosse aufhielt. Der Graf von Württemberg gab seine Einwilligung unter der Bedingung, daß der Käufer ihm gleichmäßige Verschreibung wegen der Öffnung gebe, und verspreche, daß er die Veste nicht um eine niedrigere Summe, als die darauf stund, zu lösen geben wolle. Von Graf Johann von Helfenstein ging der Besitz von Reußenstein auf dessen Verwandte über. Im Jahre 1461 ließ Graf Ulrich von Württemberg dem Grafen Friedrich von Helfenstein das Schloß Reußenstein, welches letztgenannter Graf ihm um 1000 fl. versetzt hatte, ledig und los für die Dienste, die Friedrich ihm gegen den Pfalzgrafen Friedrich und gegen Herzog Ludwig von Baiern geleistet hatte, dagegen sich Friedrich gegen Graf Ulrich von Württemberg verschrieb, daß er und seine Nachkommen solches Schloß gegen die Herrschaft Württemberg nicht gebrauchen wollen, es wäre denn, daß vorher 1000 fl. bezahlt wären (Sattler Graven. 3te Forts. S. 3). Sofort blieb Reußenstein im Besitz der Grafen von Helfenstein, im Jahre 1485 schenkte Graf Ludwig d. ä. von Helfenstein, † 1492, dieses Schloß, welches ihm heimgefallen, seinem Neffen Graf Ludwig d. j., † 1494 (Kerler Gesch. S. 124).

Im 16. Jahrhundert ließen die Grafen von Helfenstein 20 Hexen, welche nachher in Wiesensteig verbrannt wurden, in Reußenstein einsperren.

Im Jahre 1628 erscheint Reußenstein im helfensteinischen Theilungslibell, samt dem von allen öffentlichen Lasten freien Meierhof daselbst (Kerler S. 154). In den folgenden Zeiten hatte Reußenstein das gleiche Schicksal mit der | Herrschaft Wiesensteig. Die württembergische Kommission, welche im Jahre 1704 diese Herrschaft übernahm, berichtete, daß der Meierhof Reußenstein dermalen der Herrschaft 150 fl. Zins trage, anstatt der vorherigen Fruchtgült, und zu einer kleinen Schäferei die Gerechtigkeit habe. Im J. 1753 wurde dieser Meierhof von Baiern an Privaten verkauft.

d) Ziegelhütte 3/4 Stunden von der Stadt mit 6 Einwohnern.

e) Papiermühle, 1/2 Stunde von der Stadt mit 8 Einwohnern.

f) Schafhäusle, 1/2 Stunde mit 2 Einwohnern.

g) Sägmühle, 1/4 Stunde mit 7 Einwohnern.


Geschichtliches.
Im Jahr 861 den 6. Dezember unter der Regierung K. Ludwigs des Deutschen † 876, zu den Zeiten Pabst Nikolaus I. und Bischof Salomos I. von Constanz (839 bis 871) stiftete Rudolf, welchen man in späterer Zeit für den Stammvater der Grafen von Helfenstein erklärte S. 102, mit seinem Sohne Erich im Filsthale ein Benediktinerkloster dem heil. Cyriacus zu Ehren – der Sage nach auf dem s. g. Kessel, einer Anhöhe südlich oberhalb der Stadt. Nach dem Stiftungsbrief, der in einer Abschrift auf Pergament, – welche etwa im 16ten Jahrhundert gemacht wurde, aber augenscheinlich ein sehr altes, jetzt verschwundenes, Original zur Grundlage hatte, – auf dem K. Staats-Archiv in Stuttgart aufbewahrt wird (abgedruckt bei Sattler Gesch. bis 1260 S. 669–72), übergibt der Stifter zur Ausstattung seiner Schöpfung einige Orte nebst mehr als 100 dort angesiedelten Leibeigenen, nämlich im Gau Pleonungethal und in der Gruibinger Mark den Ort Wiesensteig selbst, einen weitern, abgegangenen Ort beim Filsursprung, einen Ort Tiefenthal (wohl in dem noch so genannten Tiefenthal auf der Mühlhauser Markung, welches vom Schönbach bewässert sich von Nordosten her gegen die Exenmühle zieht), ferner im Gau Flina den Ort Hohenstadt und was zur | Markung gehört mit Ausnahme von Weichstetten (s. 212), die halbe Kirche zu Westerheim und seine andern dortigen Besitzungen, seine Güter im Orte Donnstetten (OA. Urach), in den Neckargauorten Nabern, Bissingen und Neidlingen, im Filsgauorte Eislingen (OA. Göppingen), ferner im entlegenen Lobdengau die Kirche in Weinheim an der Bergstraße, endlich Zehntbezüge in Mühlhausen, Ditzenbach, Aufhausen (sämmtlich OA. Geislingen) und Merklingen (OA. Blaubeuren).

Nach der Zeit der Stiftung geschieht des Klosters erst wieder in dem Leben Bischof Ulrichs des Heiligen von Augsburg († 973) Erwähnung (Gerhardi Vita S. Udalrici bei Pertz Mon. 6, 393) unter den Klöstern, welche dieser Bischof unter der genauesten Aufsicht hielt, auch niemals an Weltliche als Lehen übergehen ließ. Damals gehörte also Wiesensteig, wenn es gleich im Constanzer Sprengel lag und ein Constanzer Bischof bei seiner Gründung mitwirkte, bereits dem Bischof von Augsburg, unter welchem diese Expositur, auch wie sie von einem Kloster in ein Stift verwandelt wurde, beständig blieb, so daß ihm das Recht zustund, einen Probst dahin zu setzen. Seit des h. Ulrichs Zeiten verstummen auf lange Zeit alle Nachrichten über die Geschichte des Klosters, ja man weiß nicht einmal sicher, wann dasselbe aus einem Kloster in ein weltliches Chorherrnstift umgewandelt wurde, was übrigens bei dem benachbarten Stift Faurndau ebenso unbekannt ist. Im Jahr 984 scheint es noch ein Kloster gewesen zu seyn, der Abt Salemann auf der Gingener Inschrift von jenem Jahre (s. Gingen) wird mit Wahrscheinlichkeit nach Wiesensteig gesetzt, dagegen kommt der erste bekannte Probst vor

im Jahr 1130: Helmbrecht praepositus de Wise[nsteig] Zeuge in einer Schenkung des Bischofs Hermann von Augsburg. Khamm. Hierarch. Aug. 2. p. 104.

Von seinen Nachfolgern ist bekannt:

im Jahr 1150 Eberhardus prepositus Sancti Cyriaci. Zeuge in einer Urk. des Bischofs Walther von Augsburg. Mon. Boic. 33, 32. | im Jahr 1223: Magister Purkardus de Wisenstaige prepositus et archidiaconus. Zeuge bei der Einpfarrung von Beurbach an das Kl. Benedictbeuren durch den Bischof Seyfried von Augsburg. Mon. Boic. 7, 115;

im Jahr 1232: Volkmar, Probst zu Wiesensteig, Zeuge in Bischof Siboto’s von Augsburg Urkunde, betreffend Einverleibung der Pfarrei Mindelzell an das Kl. Ursberg. Braun Gesch. der Bisch. von Augsb. 2, 248;

im Jahr 1296: Wolfrad von Rodt (alte stiftische Aufzeichnung);

im Jahr 1323: Friedrich von Snait, Probst zu Wiesenstaig. Reg. Boic. 6, 120;

im Jahr 1363. 1364: Eberhard von Randeck. Reg. Boic. 9, 86. 9, 94;

im Jahr 1406: Heinrich von Hailfingen;

im Jahr 1407: Heinrich Neidhard;

im Jahr 1444. 1447: Reginald von Geroldseck;

im Jahr 1461: Johann Graf von Werdenberg;

im Jahr 1500: Bernard Waldkirch;

im Jahr 1513: Konrad Fröhlich;

im Jahr 1523: Hieronymus Lochner, resignirt 1523;

im Jahr 1525: Jakob von Rechberg;

im Jahr 1527–35: Kaspar von Kaltenthal;

im Jahr 1552: Jakob Heinrichmann;

im Jahr 1559: Ulrich von Gundelfingen;

im Jahr 1561: Ulrich Freiherr von Königsegg-Aulendorf;

im Jahr 1569: Christoph Kellner;

im Jahr 1576: Ludwig Freiherr von Grafenegg;

im Jahr 1626: Johann Heinrich von Neineck;

im Jahr 1650: Eberhard Lorenz Schliderer von Lachen;

im Jahr 1655: Joh. Cp. Freiherr von Freiberg;

im Jahr 1664: Franz Graf von Montfort;

im Jahr 1673: Johann Froben Ignatz Graf von Zeil;

im Jahr 1692: Franz Friedrich Graf von Wolkenstein;

im Jahr 1718–1746: Jos. Jul. Ernst Benno Graf von Spaur. | im Jahr 1747: Freiherr von Bettendorf.

im Jahr 1766–1803: Clemens Graf von Lodron [2].

Den Probst zu ernennen, hatte, wie bereits bemerkt, der Bischof von Augsburg das Recht, doch war er verbunden, ihn aus der Mitte der Augsburger Stiftsherrn zu wählen. Wegen Einsetzung des Probstes wurden von Seiten Augsburgs und der Grafen von Helfenstein mehrere Verträge geschlossen; z. B. im Jahr 1495 bestimmt, daß dem Bischof das hergebrachte Recht blieb, einen augsburgischen Domkapitular zur Probstei zu ernennen, doch mußte derselbe von den Grafen die Bestätigung einholen, und dies so lange die Compactata principum dauern. So bald aber dieser Bund aufgelöset werde, so soll dieser Vergleich dem Bischof an seiner Lehenschaft unpräjudicirlich seyn (Neug. Cod. dipl. Nr. 1175). Den 15. Januar 1573 kam abermals ein Vergleich zwischen dem Bischof von Augsburg und den Grafen von Helfenstein zu Stande: Der Bischof soll, so oft die Probstei erledigt wird, ein taugliches Subject aus seinen Domkapitularen dem Grafen nominiren, dieser es dem Kapitel in Wiesensteig präsentiren, welches es sofort als Probst anzuerkennen hat. (Rink S. 78.) Bisthum Constanz, welches mit Augsburg über das Recht der Einsetzung des Probstes lange Zeit Streit führte, mußte sich mit den Episcopal-Rechten, welche ihm zugestanden wurden, begnügen. Der Dechant des Stiftes wurde unter dem Vorsitz des Probstes vom Kapitel erwählt, von dem Probst bestätigt und hatte in Abwesenheit des Probstes die Jurisdiction des Klerus. Er investirte alle Stiftsherrn und Vikarien des gesammten Kapitels, besetzte aber alternativ mit der Probstei die vacirenden Kanonical-Pfründen, außer zweien, worüber das Präsentationsrecht nach dem Vertrag von 1567 den Grafen von Helfenstein, später der Herrschaft Baiern zustund.

| Nur der Probst durfte außerhalb Wiesensteig wohnen, – die letzten Pröbste kamen des Jahres nur ein einziges oder ein Paar Male dahin und wohnten sonst in Augsburg, – dagegen mußten alle Kanoniker in dieser Stadt sich aufhalten, und die Freiheit, 1/2 Jahr anderwärts zu seyn, wurde bei der Restitution des Stifts im Jahr 1567 aufgehoben. Mit einem Kanonikate war die Parochie in Wiesensteig, mit einem andern die Prädikatur verbunden. Der Parochus hatte zu seiner Mithülfe 2 Stadtcaplane, welche zugleich Chorvikare waren. Die Chorvikare hatten auch die lateinische Schule zu versehen.

Der Kanonikat-Pfründen waren im 15ten Jahrhundert sechszehn, welche jedoch im Jahr 1495 P. Alexander VI. auf fünfzehn reducirte. Auch später traten noch Reduktionen ein. Als Graf Rudolph das Frauenkloster in Wiesensteig gründete, erhielt er vom Bischof Erlaubniß, 6 Präbenden einzuziehen, um sie auf seine neue Stiftung zu verwenden. Bei der Aufhebung des Stiftes waren 9 Kanonikate, einschließlich des Dekanats.

Stiftische Patronate waren: Wiesensteig, Bernstadt (jetzt OA. Ulm, protestantischer Ort, wo das Stift Wiesensteig bis zum Jahr 1803 abwechselnd mit Ulm die Pfarrei besetzte), Ditzenbach, Hohenstadt, Merklingen, (prot. Ort. Graf Johannes von Helfenstein übergibt den 27. Oct. 1331 den Kirchensatz zu Merklingen dem Stift Wiesensteig und einverleibt die Kirche zu Merklingen der Stiftskirche zu Wiesensteig. Urkunde), Mühlhausen, Öllingen (prot. Ort. K. Ludwig IV. verleiht den 11. Mai 1330 den Kirchensatz zu Öllingen dem Stift Wiesensteig. Urk.), Westerheim.

Das jährliche Einkommen des Stiftes gab Graf Ulrich von Helfenstein im Jahr 1567 zu 6000–7000 fl. an (Veesenmeyer Sammlung S. 25); zur Zeit seiner Aufhebung mochte diese Summe nur um weniges höher seyn. Die Geldverrechnung besorgte der Schaffner des Stifts, für die Früchte war ein Kastner aufgestellt. In einer auf dem K. Staatsarchiv aufbewahrten Specifikation | aus dem 17ten Jahrhundert ist der kapitalisirte Betrag des Stiftseinkommens zu 232.624 fl. 6 kr. angeschlagen. Er wird folgender Maßen angegeben: Eigengüter 2471 fl. 56 kr. Aus der Zehntscheuer zu Hohenstadt 140 fl. Ewige Fruchtgülten 5356 fl. 10 kr. Zehnten zu Reichenbach 2800 fl. Desgleichen zu Ditzenbach 3920 fl. Desgleichen zu Mühlhausen 3920 fl. Desgleichen zu Hohenstadt 12.600 fl. Desgleichen zu Westerheim 14.560 fl. Desgleichen zu Wiesensteig 7000 fl. Ablösige Zinsen 10.000 fl. Behausungen 12.000 fl. Die Fallgüter 4656 fl. Hühner, Eier, Gänse, Kapaunen, Käse, Novalzehnten, Kleinzehnten, Flachs, Obst, Blutzehnten etc. 18.000 fl. Kapitalien außerhalb der Herrschaft verliehen 20.000 fl. Verschiedene Stiftspfründen 75.600 fl. Verschiedene Stiftspfarreien 30.800 fl. Organistendienst, Cantorei, Meßner, Stiftsschafnerei etc. 9800 fl.

Die Kanoniker wohnten in ihren Stiftsgebäuden, in der Nähe der Probstei (jetzigen Kameralamtsgebäudes), je einer in einem Hause, bisweilen 2 beisammen. Mit Ausnahme der Stadtpfarrei und der Revierförsterswohnung wurden im Jahr 1812 die stiftischen Häuser mit ihrer darauf ruhenden Holzgerechtigkeit an Bürger der Stadt verkauft.

Das Stift wurde von Churbaiern in Folge des Reichsdeputationshauptschlusses vom Jahr 1803 aufgehoben; die Pension des Probstes und jedes Kapitularen betrug 700 fl., die des Dekans 1200 fl.

Was die Schicksale der Stadt Wiesensteig betrifft, so verweisen wir hier auf die Geschichte der Herrschaft im allgemeinen Theile. Bei der Theilung unter den Grafen Ulrich d. ä. und Ulrich d. j. von Helfenstein im Jahr 1356 fiel der wiesensteigische Theil dem erstern zu, und als hierauf seine Söhne Konrad und Friedrich im Jahr 1396 die halbe Grafschaft an die Stadt Ulm verkauften, wurde Wiesensteig der Hauptort der noch übrigen helfensteinischen Besitzungen. Es war Sitz eines Vogts, des helfensteinischen, | und in bairischer und fürstenbergischer Zeit, des bairischen und fürstenbergischen. Von Wiesensteig schrieb sich ein ritterliches Geschlecht; Ritter Gebhard von Wiesensteig kommt im Jahr 1291 in einer Urkunde Graf Ulrichs von Helfenstein für das Kl. Kaisersheim vor. Zu erwähnen ist noch, daß schon im 15ten Jahrhundert die Grafschaft Württemberg einen Theil von Wiesensteig wenigstens im pfandschaftlichen Besitze hatte. Im Jahr 1446 streckte Graf Ulrich von Württemberg dem Grafen Ludwig von Helfenstein 6000 fl. vor, wofür ihm dieser seinen Theil an der Herrschaft Wiesensteig, am Schloß Hiltenburg, der Stadt Wiesensteig, an dem Stabsamt Buchau und das Dorf Merklingen verpfändete. Hierüber gönnte der Graf von Württemberg dem Helfensteiner ewige Lösung, wies dem Besitzlosen das Schloß Aichelberg zum Wohnsitz an, und nahm ihn gegen 100 fl. jährliches Dienstgeld zu seinem Diener an (Sattler Graven 2ter Thl. 2te Aufl. 2, 154). Aber im folgenden Jahr 1447 schlug Graf Ludwig noch beinahe 2000 fl. auf die Pfandschaft Hiltenburg und Wiesensteig, die er zum Theil an Geld, zum Theil an Korn und Wein von den württembergischen Amtleuten erhielt (Kerler Geschichte S. 113). Sein Bruder Friedrich verkaufte gleichfalls seinen Antheil an Wiesensteig etc. für 9000 fl. pfandweise an Ulm auf 6 Jahre, versprach aber denselben, wenn er wirklich verkauft würde, an Württemberg zu überlassen. Allein der ältere Bruder Ulrich vereitelte alles und so kam die Vereinigung mit Württemberg nicht zu Stande (Rink S. 79). Ulrich fiel, ungeachtet er württembergischer Diener war, in der Charwoche 1450 in der Stadt Wiesensteig mit einen reisigen Zuge unversehens ein, und eignete sich nicht blos den württembergischen, sondern auch die ulmischen Theile zu. Da gütliche Vorstellungen bei ihm nichts fruchteten, so rückte Graf Ulrich von Württemberg mit aller seiner Macht im Anfang November gegen Wiesensteig, bemächtigte sich der Stadt, und gab den Ulmern die 2 Drittheile wieder, welche | er jedoch nach einiger Zeit an sich lösete. Der Graf von Helfenstein stund aber in großer Gunst bei dem Kaiser und dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg; bei diesem klagte er, wandte sich auch an das kaiserliche Kammergericht, und wirkte nach langen Unterhandlungen und etlichen gehaltenen Reichstagen den 14. März 1455 ein Urtheil gegen Graf Ulrich von Württemberg aus, wonach dieser den Grafen Ulrich von Helfenstein wieder in die 2 Drittheile, welche die Reichsstadt Ulm innegehabt, einsetzen, und die Losung des übrigen Drittheils demselben gestatten sollte. Zwar war dieses Urtheil ohne Vollziehung, doch wurde endlich den 9. Oct. 1457 die Sache durch den Markgrafen Albrecht von Brandenburg dahin verglichen, daß Württemberg sein Drittheil ohne Wiederlegung des Geldes herausgab, und die ulmischen 2 Drittheile für 20.000 fl. an Graf Ulrich von Helfenstein überließ (Sattler 2, 171). Dies geschah aber erst im Jahr 1482 den 5. August, wo Graf Eberhard der Jüngere von Württemberg mit Ulrichs Brudersöhnen, den Grafen Ludwig und Friedrich von Helfenstein übereinkam, und gegen obige 20.000 fl. die ganze Herrschaft ihnen übergab, auch auf die 6000 fl., welche er für die Verbesserungskosten, die er auf die Schlösser verwendet habe, ansprach, Verzicht leistete. Dagegen verpflichteten sich die Grafen von Helfenstein für sich und ihre Erben, die Stadt Wiesensteig und das Schloß Hiltenburg nie wieder zu veräußern, noch auch je wider einen Grafen von Württemberg zu gebrauchen, auch nicht aus ihnen die württembergischen Lande und Leute zu beschädigen. Sie versprachen auch, keinen Burgvogt gen Hiltenburg anzunehmen, er schwöre denn, dieser Verschreibung nachzukommen, wie auch die Stadt Wiesensteig dieselbe zu halten schwören mußte. Den Grafen von Württemberg solle frei gestellt seyn, so oft es nöthig wäre, jemand zu schicken, welcher den Burgvogt und die Stadt auf obige Punkte beeidige (Sattler 3, 158). Aus den besondern Ereignissen der Stadt ist noch das Jammergeschick anzuführen, welches sie im 30jährigen Kriege | am Markustage 1648 erlitt, als sie von den Schweden und zwar von dem durazenschen Regiment ganz niedergebrannt wurde mit Ausnahme des Schlosses, der Kirchthürme und 9 Häuser, worunter ein Stiftsherrnhaus. Das Königl. Staatsarchiv bewahrt ein äußerst klägliches Schreiben des damaligen ältesten Kanonikers und Pfarrers J. Christoph Herb über den jammervollen Zustand Wiesensteigs. Auch viele wichtige Dokumente giengen damals zu Grunde.

Besser ergieng es Wiesensteig im Jahr 1702 bei dem Einfall von 600 palfyschen Husaren. Das Honorar (zu 200 Dukaten) wurde von dem General Palfy nicht angenommen, die Stadt mit keiner Brandschatzung belegt, den Kanonikern, in Abwesenheit des Dekans und der Beamten sehr gnädig begegnet und Sicherheit versprochen.

Die weitere Geschichte der Stadt, namentlich im Jahr 1704–14, wo sie württembergisch war, und ihr Übergang von Baiern an Württemberg im Jahr 1806 ist oben S. 107 erzählt.



Zu den S. 266 aufgeführten merkwürdigeren Männern Wiesensteigs fügen wir hier noch nachträglich bei: Felix Jos. Lipowsky, geb. den 25. Jan. 1764, gest. zu München den 21. März 1842, k. b. Centralrath und quiescirter Archivar der Stände des Reichs, vorher seit 1788 Professor an der Militäracademie, dann Hofkriegsrathsassessor, Hofkriegsrath, Landesdirectionsrath u. s. w., Verfasser zahlreicher, die Geschichte Baierns etc. betreffender Schriften.


  1. Schon im Jahr 1432 kommen Ablösungen vor, damals wurden vermöge besonderen Vertrags zwischen dem Kollegiatstift und der Stadt Wiesensteig einige Wiesen von der Leistung des Naturalheuzehntens gegen ein Surrogatgeld unter dem Titel „Minut für den Heuzehnten“ (von jedem Tagwerk Wiesenmads jährlich 8 Heller) befreit.
  2. Obiges ist combinirt aus einem gabelkhoverschen Auszug e libro anniversariorum in Wiesensteig und aus späteren stiftischen Aufzeichnungen.
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