Beschreibung des Oberamts Herrenberg/Kapitel B 2

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Affstätt.
Gemeinde III. Klasse, Dorf mit 378 Einw., worunter 1 Kath. – Evangel. Pfarrfilial von Kuppingen; die Kathol. sind nach Altingen eingepfarrt.

Der kleine, freundliche, zum Gäu gehörige Ort, von dem man eine sehr anziehende Aussicht über das Gäu und an die Alp genießt, liegt 1/4 Stunde nordwestlich von der Oberamtsstadt und 1/4 Stunde südöstlich vom Mutterort an der Landstraße von Calw nach Herrenberg; außer welcher noch eine Vicinalstraße nach Nufringen führt. Die ländlichen Häuser sind meist ansehnlich und die Ortsstraßen, von denen nur die Hauptstraße gekandelt ist, ziemlich gut gehalten.

In der Mitte des Dorfs steht das einfache, styllos gehaltene Kirchlein zur heil. Catharina, dessen Chor mit einem halben Achteck schließt, auf dem ein aus Holz erbauter sogenannter Dachreiter sitzt.| Das Innere ist ziemlich hell; ein spitzer Triumphbogen führt in den Chor, welcher noch ein Spitzbogenfenster enthält. Nach einer in der Kirche hängenden Gedächtnißtafel war die Kirche lange Zeit unbenützt, im Jahr 1740 wurde sie renovirt und den 15. Mai für den evangelischen Gottesdienst eingeweiht. Von den beiden Glocken ist die eine im Jahr 1600 von Martin Miller zu Eßlingen, die andere 1767 gegossen worden. Die Kirche hat die Stiftungspflege zu unterhalten. Der Begräbnißplatz wurde im Jahr 1840 außerhalb des Orts gegen Nufringen angelegt; früher mußten die Todten nach Kuppingen gebracht werden.

Das zunächst der Kirche stehende Rathhaus wurde 1760 erbaut; es enthält zugleich die Schule, wurde 1814 auch zur Wohnung des an derselben angestellten Lehrers eingerichtet und 1835 namhaft vergrößert.

Ein Gemeindewaschhaus besteht seit 1767 und ein Gemeindebackhaus ist neuerdings errichtet worden; die 1745 erbaute Zehntscheuer ging 1851 von der Hofdomänenkammer in Privatbesitz über.

Der Ort hat keinen laufenden Brunnen, dagegen 12 Pump- und Ziehbrunnen, von denen mehrere im Jahr 1822 errichtet wurden, so daß seit dieser Zeit kein Mangel an Wasser mehr entsteht. Am nordöstlichen Ende des Orts sind zwei Wetten angelegt und in den Spitalwiesen befindet sich eine periodisch-fließende Quelle (Hungerbrunnen).

Die ziemlich kleine Feldmarkung grenzt nördlich an die Markungen Kuppingen und Nufringen, östlich an Nufringen und Herrenberg, südlich an Herrenberg und westlich an Kuppingen. Die der Gemeinde gehörigen Waldungen liegen mit Ausnahme des Walds Fichtenberg in zwei Parzellen getrennt von der Feldmarkung eine Stunde westlich vom Ort auf der Markung Kuppingen und sind theils von derselben umschlossen, theils grenzen sie an die Markungen Ober-Jesingen und Ober- und Unter-Sulz im Oberamt Calw.

Der Boden ist im Allgemeinen fruchtbar, besonders in der Richtung gegen Herrenberg, wo er aus einem leichten Lehm und Malm (Verwitterung des Muschelkalkdolomits) besteht. Östlich vom Ort am Röthelberg wird der Boden schwer, thonig und ist von Keupermergel unterlagert. Die besten Güter, deren Boden aus Diluviallehm besteht, liegen nördlich vom Ort. Die Luft ist rein und gesund, daher auch selten epidemische Krankheiten vorkommen, dagegen schaden Fröste häufig den Obstbäumen und zuweilen der Roggenblüthe. Hagelschlag kam in 50 Jahren 6 Mal| in größerer Ausdehnung vor, abgesehen von dem minder beträchtlichen Schaden, den derselbe zuweilen anrichtete.

Die Einwohner, ein kräftiger, wohlgewachsener Menschenschlag, sind im Allgemeinen sehr fleißig, sparsam, friedliebend und kirchlich gesinnt; die Vermögensumstände derselben gehören zu den besseren. Der begütertste Bürger besitzt etwa 50 Morgen Feld. Die Haupterwerbsquellen bestehen auch hier, wie in dem Mutterort Kuppingen, in Feldbau und Viehzucht.

Nach der Dreifelderwirthschaft wird der Ackerbau mit häufiger Anwendung des Brabanter Pflugs und der Walze gut betrieben und zur Besserung des Bodens, neben dem gewöhnlichen Stalldünger, der Pferch, auch Jauche, Gips und Hallerde angewendet. Die Felder werden mit den gleichen Fruchtgattungen und Brachgewächsen, wie in Kuppingen, angebaut; nur baut man in der zu 1/3 angeblümten Brache weniger Reps, als in dem Mutterort. Auf den Morgen rechnet man Aussaat 7 Simri Dinkel, 4 Simri Hafer, 3 Simri Gerste, 21/2 Simri Weizen, 4 Simri Einkorn und 2-3 Simri Roggen; der durchschnittliche Ertrag wird per Morgen zu 7 Scheffel Dinkel, 4-5 Scheffel Hafer, 4 Scheffel Gerste, 3 Scheffel Weizen, 6 Scheffel Einkorn und 3 Scheffel Roggen angegeben. Die höchsten Preise eines Morgens Acker sind 400 fl., die mittleren 280 fl. und die geringsten 80 fl. Dinkel, Gerste und Hafer wird sehr viel von auswärtigen Händlern und Bäckern im Ort aufgekauft. Die durchgängig zweimähdigen, nicht wässerbaren Wiesen ertragen per Morgen 25 Centner Heu und in günstigen, nicht zu trockenen Jahrgängen 12 Centner Öhmd. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 200-400 fl.

Weinbau wurde früher an den Abhängen des Röthelbergs und des Fichtenbergs betrieben und bis in die neueste Zeit hatte Affstätt Weingülten an die Stiftungspflege Kuppingen und an die Hofkammer zu entrichten. Die Obstzucht ist nicht unbedeutend, obwohl das Obst nicht gerne gedeiht; man pflanzt nur Mostsorten und etwas Zwetschgen, welche letztere übrigens einen geringen Ertrag geben. Das Obst bleibt im Ort, die jungen Stämme werden von Händlern und von Einsiedel bezogen.

Die Gemeinde-Waldungen, von denen 266 Morgen von der Markung getrennt, und 55 Morgen am Fichtenberg liegen, bestehen aus verschiedenen Laubhölzern mit Eichenoberholz und werden im 20jährigen Umtriebe bewirthschaftet; der Fichtenberg ist mit Forchen, die auf einen 70jährigen Umtrieb gesetzt sind, bestockt. Die jährliche Nutzung beträgt 20 Klafter und 2000 Stück Wellen, wovon jeder Bürger 1/4 Klafter und 20-25 Stück Wellen erhält.

| Die Brach- und Stoppelweide nebst 10 Morgen mit Obstbäumen angepflanzten Ödungen benützt die Gemeinde zur Schäferei, indem jeder Bürger nach Maßgabe seines Güterbesitzes Schafe einschlagen darf und von dem Stück 1 fl., von dem Lamm 30 kr. an die Gemeindekasse zu zahlen hat, was derselben nebst der Pferchnutzung jährlich etwa 200-260 fl. einträgt.

Was die Viehzucht betrifft, so werden nur wenige Pferde gehalten, dagegen ist die Rindviehzucht in einer guten Landrace bedeutend; zur Nachzucht des Viehstandes werden zwei Farren von einem Ortsbürger Namens der Gemeinde gehalten, wofür derselbe jährlich 120 fl. bezieht. Mit Vieh, besonders mit Mastvieh, wird einiger Handel getrieben und Butter kommt nach Herrenberg und Calw zum Verkauf.

Schafe werden, etwa 200 Stück Bastarde, gehalten und im Ort überwintert; die Wolle bleibt im Ort. Auch die Zucht der Schweine, wie die des Geflügels, wird nur für den eigenen Bedarf betrieben.

Außer den nöthigsten Handwerkern befinden sich im Ort ein Schildwirth und ein Krämer.

Die Gemeindepflege ist im Besitz von 1600 fl. Capitalvermögen und einigen Grundstücken, die ihr jährlich etwa 30 fl. eintragen. Über das Vermögen der Stiftungspflege s. die Ortsbeschreibung von dem Mutterort Kuppingen.

Im Wald Fichtenberg befindet sich ein verlassener Keuperwerksteinbruch und östlich vom Ort auf der sogenannten Sandegart ist in den obern kalkreichen, dolomitischen Schichten der Lettenkohlengruppe ein Bruch angelegt, der Straßenmaterial liefert, überdies besteht noch ein Muschelkalksteinbruch in den eine Stunde westlich vom Ort gelegenen Gemeindewaldungen.

Die grundherrlichen und Zehntverhältnisse waren die gleichen wie in Kuppingen.

Etwa 1/8 Stunde nordöstlich vom Ort auf den sogenannten Schloßäckern fand man auf dem Acker des Gemeinderaths Eberhard Ludwig Kopp namhafte Grundmauern von einem römischen Gebäude nebst sehr vielen Fragmenten von römischen Ziegeln, Heizröhren, Gefässen etc. (s. den allgemeinen Theil).

Südlich vom Ort kommt die Flurbenennung „Hasenhof“ vor, was auf einen abgegangenen Wohnort hindeutet.

Die erstmalige Nennung des Orts steht in der Sindelfinger Chronik z. J. 1287, wo er Affsteten geschrieben ist. „Diether, Vogt von Affstetten,“ siegelt am 8. März 1342 eine Urkunde| Heinrichs und Renharts von Gärtringen (St.-A.; vergl. auch Schmid Urk. 168).

An Württemberg gelangte Affstätt mit Herrenberg im Jahr 1382; in der Herrenberger Erneuerung von 1383 steht: „Afstetten da ist dü vogtey mins herren halb“ (Schmid 503).

„Drei Menschen und deren Kinder gesessen zu Afstetten“ verkaufte den 22. Februar 1314 Werner, Ritter von Kuppingen, genannt der Hameling, an den Grafen Rudolf von Tübingen den Scheerer (Schmid Urk. 92), und Erpf Truchseß von Höfingen vertauschte Leibeigene im Jahr 1377 an den Pfalzgrafen Konrad von Tübingen. Auch die von Ow und die von Gültlingen waren hier begütert; Hans und Konrad, Gebrüder, Markwards selig Söhne, zu Wurmlingen gesessen, veräußerten 1426 an Ludwig Herwig den alten Keller zu Herrenberg, eine Gilt von 10 Malter Roggen aus einem Hof zu Affstätt, von dem ihr Vetter Hans von Gültlingen zu Entringen gesessen ebensoviel bezog (Schmid 474). Ihren halben Hof im „Affsteter Bann“ verkaufen den 16. April 1336 Dietrich der Lupe, Bürger zu Herrenberg, und dessen Sohn Dietrich an den Pfaffen Liupen den Tiegan (Decan) von Herrenberg und den Pfaffen Burkart den Kirchherrn von Altingen etc. (Reg. Boic. 7, 146).

Einige hiesige Zehnten und Widemsgüter gehörten der Kuppinger Kirche (Urk. von 1334, bei Schmid Urk. 166).

Auf dem Afstätter Feld wurde den 15. Oct. 1693 Herzog Johann Friedrich von Württemberg, Sohn Herzog Eberhards III., Obrister über ein schwäbisches Dragonerregiment, im Duell mit dem österreichischen General Palfy, erst 23jährig, erschossen.



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