Beschreibung des Oberamts Herrenberg/Kapitel B 27

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 26 Beschreibung des Oberamts Herrenberg [[Beschreibung des Oberamts Herrenberg/|]] »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Unter-Jettingen,
Gemeinde III. Klasse mit 909 Einw., bestehend aus: a. Unter-Jettingen, Pfarrd. mit 870 Einw., wor. 5 Kath. b. Sindlingen, Weiler, Königl. Hofdomäne, mit 39 Einw. – Ev. Pfarrei. Die Kathol. sind nach Hailfingen, O.A. Rottenburg eingepfarrt.

Auf der Grenze zwischen Schwarzwald und Gäu liegt zwei Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt und 5/4 Stunden nordöstlich von Nagold, das in die Länge gebaute Pfarrdorf, welches durch ein anmuthiges Wiesenthälchen von dem nur 1/4 Stunde entfernten Ober-Jettingen getrennt ist.

Der im Allgemeinen freundliche, hinter Obstbäumen versteckte Ort, von dem man eine ausgebreitete Aussicht an die Alp genießt, hat eine hohe, etwas unebene Lage; die Häuser sind meist ansehnlich und mit steinernen Unterstöcken versehen, dagegen geht den im Ganzen reinlich gehaltenen Ortsstraßen noch die Kandelung ab. Gutes Trinkwasser liefern 24 Pumpbrunnen, von denen zwar einzelne in besonders heißen Sommern ihren Dienst versagen, ohne daß jedoch Wassermangel entsteht, da nur etwa 100 Schritte nördlich vom Ort eine reichliche, immer fließende Quelle sich befindet. Eine Wette besteht im Ort und eine außerhalb (1/8 Stunde südlich) desselben.

Am nördlichen Ende des Dorfes liegt die im Jahre 1829 neu erbaute Pfarrkirche, welche ein gleichseitiges Viereck bildet und mehr einem Betsaale, als einer Kirche gleicht, indem ihr nicht nur aller architektonische Schmuck, sondern auch der Chor abgeht. Der viereckige Thurm ist alt, aber zu nieder, und ragt nur mit seinem einfachen Zeltdach über den First des Langhauses empor. Von den zwei auf ihm hängenden Glocken ist eine sehr alt und trägt die vier Evangelistennamen als Umschrift, die andere wurde 1848 gegossen. Die Kirche und den außerhalb des Orts gelegenen Begräbnißplatz, wie auch das Pfarrhaus hat der Staat unter Concurrenz der Gemeinden Ober- und Unter-Jettingen zu erhalten.

Das Pfarrhaus befindet sich in ganz gutem Zustande, ebenso das sehr ansehnliche Schulhaus, welches im Jahre 1846 am nördlichen Ende des Orts neu erbaut wurde und über alle übrigen| Gebäude namhaft hervorragt; es enthält zugleich Wohnung für den nebst einem Lehrgehülfen an der Volksschule angestellten Schulmeister. Seit 1850 besteht auch eine Industrieschule. Früher befand sich die Schule in dem schon ziemlich alten Rathhause.

Das Klima ist wie in Ober-Jettingen (siehe das.); der Boden besteht in der Nähe des Orts aus einem fruchtbaren, leichten Lehm, der im nördlichen Theile der Markung in einen schweren, lettigen Boden übergeht, während er im Westen kalkhaltig und sehr steinig ist, so daß die zahllos herumliegenden, den Feldbau hindernden Muschelkalkbruchstücke zusammengelesen und aufgehäuft werden müssen. Die ergiebigsten Felder sind Aischbach, Breiern, Aueräcker etc., die geringsten liegen in der Richtung gegen Nagold. Übrigens ist die Markung mit Ausnahme einiger kleinen Thälchen und Einteichungen ziemlich eben, bildet aber eine etwas unregelmäßige Figur, indem sie sich mit einem schmalen Streifen zwischen den Markungen Ober-Jettingen und Sindlingen hinzieht; die angrenzenden Markungen sind gegen Norden Ober-Jettingen und Herrenberg, gegen Osten Sindlingen und Öschelbronn, gegen Süden Mötzingen und Nagold und gegen Westen Nagold.

Die im Allgemeinen kräftig und wohlgewachsenen Einwohner sind fleißig und haben viel religiösen Sinn, der häufig in Pietismus übergeht; ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen und ihre Haupterwerbsmittel bestehen in Feldbau und in einer ausgedehnten Viehzucht, indessen hat der größte Güterbesitzer nicht über 70 Morgen Feld.

Der Ackerbau, bei dem man sich noch allgemein des deutschen Wendepflugs bedient, wird im Dreifeldersystem mit zu 3/4 angeblümter Brache gut betrieben; man baut hauptsächlich Dinkel, Hafer, Gerste, ziemlich viel Roggen, Linsen und Wicken. Der Hafer wird nie rein, sondern entweder mit Ackerbohnen oder mit Wicken vermischt angebaut; unter der Gerste zieht man häufig Linsen. Die Bracherzeugnisse sind Kartoffeln, Angersen, rother Klee und ziemlich viel Reps; Hanf, Kraut und Kohlraben baut man in eigenen Ländern.

Die bekannten Jettinger Rüben, im Orte selbst Vesperrüben, trockene Rübe genannt, werden hier noch häufiger als in Ober-Jettingen gezogen (siehe hierüber die Ortsbeschreibung von Ober-Jettingen).

An Getreide rechnet man durchschnittlich auf den Morgen Aussaat: 1 Scheffel Dinkel, 4 Simri Hafer, 3 Simri Gerste und 3 Simri Roggen; Ertrag: 4–12 Scheffel Dinkel, 4 Scheffel Hafer, 4 Scheffel Gerste und 21/2 Scheffel Roggen. Die Preise| eines Morgens Acker steigern sich von 60–500 fl., was einen Maßstab für die Verschiedenheit der Güter liefert. Von den Feldfrüchten wird hauptsächlich Dinkel in namhafter Menge nach Außen verkauft.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt, aber nicht sehr ergiebig, indem im Durchschnitt ein Morgen Wiese nur 16–18 Centner Heu und 6–8 Centner Öhmd liefert; in trockenen Jahren kann, da Wässerung fehlt, an vielen Stellen kein zweiter Schnitt genommen werden. Die Preise der Wiesen bewegen sich von 140 bis 500 fl. per Morgen.

An einem südlichen Abhange 1/4 Stunde nördlich vom Ort wurde früher in dem sogenannten Wingertberg Weinbau getrieben.

Die nur mit Mostsorten und Zwetschgen sich beschäftigende Obstzucht ist ziemlich ausgedehnt; der Ertrag derselben wird übrigens nicht selten durch schädliche Frühlingsfröste namhaft vermindert, so daß nur in ganz günstigen Jahrgängen ein Theil des Obstes nach Außen abgesetzt werden kann.

Von großer Erheblichkeit ist die Rindviehzucht, indem der Handel mit Kälbern, besonders aber mit Mastochsen, eine namhafte Erwerbsquelle der Einwohner bildet; das hier gezogene Mastvieh ist wohl das schönste im ganzen Bezirk und wird hauptsächlich nach Stuttgart und in das Großherzogthum Baden abgesetzt. Ein rothgelber, kräftiger Landschlag wird durch drei Gemeindefarren, die ein Ortsbürger für jährlich 150 fl. und die Nutznießung aus 11/2 Morgen Acker und Wiesen hält, nachgezüchtet.

Die Ortsbürger benützen für etwa 200 Stück deutsche und Bastardschafe die Brach- und Stoppelweide und entrichten hiefür von dem Schaf 56 kr. und von dem Lamm 28 kr. an die Gemeindekasse, was derselben nebst der Pferchnutzung eine jährliche Einnahme von 300 fl. sichert.

Schweine werden von Außen als Ferkel aufgekauft und meist zum eigenen Verbrauch gemästet.

Außer der am südlichen Ende des Orts stehenden Ziegelhütte, zwei Schildwirthschaften und einer Spezerei- und Ellenhandlung, beschränken sich die Gewerbe auf die nöthigsten Handwerker. Erwähnenswerth sind die Bildschnitzwerke, welche Gottlob Haag, Bauer zu Unter-Jettingen, aus Liebhaberei verfertigt; sie stellen meist Scenen aus der biblischen Geschichte dar, und zeugen sowohl von dem frommen, einfachen Sinn, wie von dem Talent des Verfertigers, der sich, ohne je eine Anleitung weder im Zeichnen noch in der Bildschnitzkunst erhalten zu haben, aus eigenem innerem Drang zum Künstler heranbildete.

| Ein Gemeindewaschhaus besteht schon längst.

Durch gut angelegte Vicinalstraßen nach Ober-Jettingen, Sindlingen, Öschelbronn, Mötzingen und Nagold ist der Ort mit der Nachbarschaft in Verbindung gesetzt.

Die Gemeinde besitzt 280 Morgen Waldungen, welche zur einen Hälfte mit Nadelholz, zur andern mit Laubhölzern bestockt sind. In den Nadelwaldungen, welche im 100jährigen Umtriebe bewirthschaftet werden, herrscht die Roth- und Weißtanne vor, während die Forche untergeordnet ist; die in einem Umtrieb von 15–20 Jahren bewirthschafteten Laubwaldungen bestehen meist aus Birken, Aspen und verschiedenen Straucharten mit Eichen als Oberholz. Von dem Ertrag erhält jeder Bürger jährlich 20 Stück Wellen, woneben zum Nachtheil der Waldungen noch gegen 50.000 Stück Ernteweiden jährlich abgegeben werden. Das Eichenoberholz wirft im Durchschnitt einen jährlichen Erlös von 300–350 fl. ab. Einzelne Bürger besitzen auch je einige Morgen Privatwaldungen.

Übrigens siehe über die Gemeindeverwaltung und den Stiftungshaushalt Tab. III.

Außer dem Vermögen der Stiftungspflege sind noch 673 fl. Stiftungs-Capitalen vorhanden, deren jährliche Zinse zur Unterstützung der Ortsarmen verwendet werden.

Die Pfarrei, welche von der Krone besetzt wird, scheint im Jahre 1603 gestiftet worden zu sein, indem in diesem Jahre die Reihe der Geistlichen mit Jacob Beza beginnt (siehe Binder 1, 570); von 1645–1665 war Unter-Jettingen Filial von Ober-Jettingen.

Bis zur Ablösung hatte der Staat die Grundgefälle und auch den großen Zehenten zu beziehen; kleine Zehenten hatte die Gemeinde nie zu entrichten.

An der westlichen Markungsgrenze zieht eine Römerstraße (Hochsträß) hin (siehe den allgemeinen Theil). Etwa 1/8 Stunde südwestlich vom Ort wird eine Flur „Wolfenkirch“ oder „beim Bildstock“ genannt; man stößt daselbst noch auf Grundmauern. Nordöstlich (1/4 Stunde) vom Ort kommt der Flurname „Ober-Fischingen“ vor, welcher einen abgegangenen Wohnort vermuthen läßt.

Die frühesten bekannten Besitzer Unter-Jettingens sind die Grafen von Hohenberg; es steht dahin, ob diese als Rechtsnachfolger der Pfalzgrafen von Tübingen oder von altem Stammgut her ihre hiesigen Rechte und Güter inne hatten (vergl. auch Ober-Jettingen). Bei der Theilung im gräflichen Hause Hohenberg zwischen den Grafen Burkhard und Konrad, vom 2. Sept. 1355, wurde das Dorf dem Grafen Konrad zugewiesen (Mon. Zoller,| Nr. 328), von dessen Sohn Graf Rudolf es Irmengard von Werdenberg, Gemahlin Graf Otto’s von Hohenberg, im Jahre 1371 erkaufte, doch so, daß sie dem Verkäufer das Recht der Wiederlosung einräumte (Ibid. Nr. 359).

Wahrscheinlich um’s Jahr 1400 mit Altensteig ist das Dorf an Baden gekommen (Reyscher Statutarrechte 68). In diesem Hause erscheint „Unterüttingen“ den 11. April 1453 im Testament Markgraf Jakobs von Baden (Schöpflin Hist. Zar. Bad. 6, 280). An Württemberg kam es den 20. Dec. 1603 mit Altensteig und Liebenzell durch den Herzog Friedrich von Württemberg, dem Markgrafen Ernst Friedrich von Baden abgetauscht.

Begütert war hier das Kloster Kniebis; es erkaufte im Jahre 1291 von Konrad, genannt Böcklin, seinen hiesigen Hof und im Jahre 1294 von Volkmar, Wernher und Helfrich von Waldeck gleichfalls einen Hof (curiam in Nidern-Utingen) mit Zugehörung, welchen ihm Graf Burkhard von Hohenberg als Lehensoberherr eignete (St.-A.).

In den Jahren 1349 und 1363 wurde Cunz Volmar von „Nieder-Uetingen“ von Volkart und Benz von Owe mit dem Flaischelinshof in Kuppingen belehnt (Schmid 473).

In welchem der beiden Jettingen sich das Kloster der Franziskanerinnen dritter Regel befand (Crusius Paral. 56), steht dahin.

Statt früher zu Ober-Jettingen gehört neuerlich zu der Gemeinde Unter-Jettingen in politischer Beziehung der sehr ansehnliche Weiler


Sindlingen,


K. Hofdomäne, aus einem ehemaligen Schloß, Kirche, mehreren Wohn- und Öconomie-Gebäuden bestehend, mit einer Erhebung von 1960,4 württemb. Fuß über das Mittelmeer, 11/2 Stunde südwestlich von der Oberamtsstadt und 1/2 Stunde östlich von Unter-Jettingen gelegen.

Am südlichen Ende des Orts steht auf der Stelle einer ehemaligen Burg, das in einem einfachen Styl erbaute Schloß, welches früher der Sitz adeliger Familien war. Mit dem ehemaligen Burggraben umgeben, bestand dasselbe noch vor kurzer Zeit aus dem mit der Front gegen Nordosten gekehrten Hauptbau, an dessen Rückseite Flügel angebaut waren, welche durch eine parallel mit dem Hauptbau laufenden Querbau verbunden wurden, so daß das Ganze ein Viereck bildete, das einen kleinen Hofraum einschloß,| bis im Jahre 1848, der zuletzt von der Fürstin Colloredo bewohnte Querbau und der westliche Flügel abgebrochen, und an die Stelle des letzteren ein Öconomiegebäude errichtet wurde. Nördlich vom Schloß, jenseits des ehemaligen Burggrabens, befinden sich großartige Öconomiegebäude, das ehemalige Maiereihaus und die Kirche, welche Gebäude theilweise einen namhaften Raum, den vordern Hof, einschließen; auch die Stelle des abgebrochenen sogenannten Winterbaues (eine Winterwohnung der Herzogin Franziska) (siehe unten), ist zu Erweiterung des Hofraums benützt. Die früheren, sehr ausgedehnten Gartenanlagen, welche sich bis in die nahe gelegenen Waldungen erstreckten, sind bis auf weniges Gebüsch hinter dem Schloß und dem Gemüse- und Blumengarten abgegangen; an letzteren stößt das ehemalige Gärtnerhaus, in welchem ein Gewächshaus eingerichtet ist. Nur eine Pappelallee verräth noch auf weite Entfernung den ehemaligen fürstlichen Wohnsitz, dessen äußerer Glanz einer zweckmäßigen landwirthschaftlichen Benützung Platz machte.

In der einfachen Kirche oder vielmehr Kapelle, mit geradlinigen, gepaarten Fenstern und einem kleinen Thürmchen, befindet sich die Büste der ehemaligen Schloßbewohnerin auf einem Postament, die folgende Inschriften trägt. Auf der Vorderseite: „Franziska Durchlauchtigste Herzogin von Württemberg, geb. den 10. Januar 1748, vermählt mit Herzog Karl 1783, Wittwe den 23. Oct. 1793, gestorben den 1. Jan. 1811. Auf der nördlichen Seite: „Ihr Herz schlug warm für Gott und Menschen“, auf der südlichen: „Durch Frömmigkeit und Wohlthätigkeit zeichnete Sie sich aus.“

Ein Grabmal des Freiherrn Adolph Wilhelm von Welz, † 1702, steht an der nördlichen Innenwand der Kapelle.

Die Unterhaltung der Kapelle hat die K. Hofdomänenkammer zu bestreiten. Der Begräbnißplatz war früher nur für die adeligen Besitzer des Schloßgutes bestimmt und gegenwärtig dürfen nur auf besondere Erlaubniß Verstorbene dahin bestattet werden, wie denn auch Johann Michael Hahn (Stifter der Michelianer), in Altdorf, O.A. Böblingen, geboren, der sich meist in Sindlingen aufhielt und am 20. Januar 1819 allda starb, hier begraben ist.

Früher bestand im Ort eine eigene Schule, gegenwärtig besuchen die Kinder die Schule des Mutterorts.

Gesundes Trinkwasser liefern sieben Pumpbrunnen, von denen einzelne ihren Dienst in trockenen Jahrgängen versagen, dagegen ist etwa 400 Schritte außerhalb des Orts ein das ganze Jahr hindurch laufender Brunnen vorhanden; in dem ehemaligen Schloßgarten befindet sich ein eirundes Bassin, und einige 100 Schritte östlich vom Ort ist eine Wette angelegt.

| Die hochgelegene, schön arrondirte Markung[1], von der man nach allen Orten eine sehr freundliche, ausgedehnte Aussicht genießt, umfaßt das 700 Morgen große Wirthschaftsgut nebst zwei Bauerngütern von je etwa 40 Morgen; sie ist mit Ausnahme von einigen nicht tief eingeschnittenen Thälchen ziemlich eben und hat im Allgemeinen einen mittelguten bis guten, meist kalkreichen, nicht tiefgründigen Boden, der zuweilen mit einem fruchtbaren, milden Lehm wechselt. Der geringen Tiefgründigkeit ungeachtet, ist der Boden wegen des günstigen Mischungsverhältnisses von Kalk und Lehm dennoch ergiebiger, als man bei oberflächlicher Untersuchung glauben sollte. Die Unterlage besteht aus Hauptmuschelkalk, Muschelkalkdolomit und Thon. Der Boden wird im Durchschnitt auf 5 Zoll Tiefe bearbeitet.

Vermöge der hohen, freien Lage ist das Klima etwas rauher, als in Herrenberg, demungeachtet schaden Frühlingsfröste nur selten und feineres Obst gedeiht noch, wiewohl solches nur wenig gepflanzt wird; um so ausgedehnter pflegt man mit vieler Sachkenntniß und Sorgfalt die verschiedenen Mostsorten, welche z. B. im Jahre 1847 einen Ertrag von 16.000 Simri lieferten.

Das von der Hofdomänenkammer in Pacht gegebene Schloßgut wird von den dermaligen Beständern (Gebrüder Breuninger) in zehn Schlägen mit vieler Umsicht bewirthschaftet.

Der Fruchtwechsel auf 537 Morgen, wonach ein Schlag nahezu 54 Morgen beträgt, findet in folgendem Reihengang Statt: 1) 3/5 Hackfrüchte, auch Ackerbohnen gedüngt; 2/5 reine, gedüngte Brache; 2) 3/5 Mohn, Erbsen und Wicken nach Hackfrüchten; 2/5 Reps nach Brache, 3) Dinkel, 4) Gerste gedüngt, 5) Klee und Gras, 6) Weide, 7) Dinkel, 8) Stoppel-Reps, theilweise Schotenfrüchte (Erbsen, Bohnen), auch reine Brache, 9) Dinkel gedüngt und 10) Hafer.

Die Lucerne-Rotation erstreckt sich auf 65 Morgen mit folgendem Umlauf: 1) Umbruch, gepfercht, 2) Kohlreps, 3) Dinkel, 4) Kartoffeln, gedüngt, 5) Gerste mit Luzerne, 6–10) Luzerne.

Die Weide-Rotation hat ungefähr 48 Morgen und zwar: 1) Hafer, 2) Brache, gedüngt und gepfercht, 3) Reps, 4) Dinkel, 5) Hafer mit untergesäetem Klee und Gras, 6–9) Schafweide.

Zu dem eigentlichen Weidschlag gesellen sich noch 20–30 Morgen künstlich angelegte Stoppelweiden, wozu Felder gewählt werden, die im darauffolgenden Jahr theils Hafer-Anblum| kommen, theils reine Brache behalten und daher den Aufbruch über den Winter entbehren können.

An Rindvieh (theils reine Simmenthaler, theils Kreuzung von Simmenthaler und Rigirace) sind gewöhnlich 80–90 Stücke aufgestellt und von Schafen (Bastarde) werden etwa 700 Stücke über Sommer und Winter gehalten. Der Grund dieser verstärkten Schafhaltung liegt in dem Umstande, daß die Milch sich nicht gut verwerten läßt. Pferde werden 12–15 Stück gehalten. Die Bienenzucht wird eifrig und mit gutem Erfolg getrieben. Besonders hervorzuheben ist, daß hier mehrere 100 Ruthen nasses Ackerfeld von thonigem Grund durch Unter-Drains, nach der älteren Methode mit Steinfüllung und förmlichem Durchlaß, mit dem besten Erfolg trocken gelegt worden sind. Was die Dünger-Production betrifft, so ist zu bemerken, daß unter Benützung von Grabenausschlag, Hofabraum, Scheunen-Rückständen etc. jährlich einige hundert Wagen Compost bereitet werden, der vorzugsweise den Luzernefeldern und Wiesen zu gut kommt.

Auf dem Gut befand sich eine für zwölf Knaben berechnete Armen-Ackerbauschule, die im Jahre 1855 nach Einsiedel verlegt wurde.

Aus zwei vorhandenen Baumschulen werden Jungstämme auch in die Umgegend abgesetzt.

Bei Anlegung einer dieser Baumschulen stieß man im Jahre 1841 an der westlichen Seite des Weilers auf Gebäudeschutt, menschliche Gebeine und Schädel, alte, dünne Silbermünzen und viele Bruchstücke von Gefäßen aus einer sehr frühen Periode.

Der Ort Sindlingen, ursprünglich pfalzgräflich tübingisch, wird um 1100 als Sindelingun erstmals genannt; damals beschenkte Adelheid, Wittwe Graf Heinrichs von Tübingen, das Kloster Reichenbach mit drei Huben in Sindlingen (Cod. Reichenb. 10a). Auf Bitte derselben Gräfin Adelheid bedachte Graf Hugo von Tübingen, ihr Schwager, zum Seelgeräthe seines Bruders, Graf Heinrichs, dasselbe Kloster mit seinem hiesigen Gute (ib. 18a). Später kam es, wie Ober-Jettingen (siehe daselbst), an den Grafen Burkhard von Hohenberg. Von einem jüngern Grafen Burkhard von Hohenberg erkaufte es, wahrscheinlich im Jahre 1364 mit Bulach, der rheinische Pfalzgraf Ruprecht; im Jahre 1385 besaßen es Conz von Herbolzheim und seine Hausfrau Christine von Bachenrieth als pfälzisches Lehen (Burgermeister Thes. jur equestr. 1 , 396. 2, 623).

Mit Bulach mag im Jahre 1440 die Lehensoberherrlichkeit in Sindlingen von den Grafen Ludwig und Ulrich von| Württemberg dem rheinischen Pfalzgrafen Otto abgekauft worden sein. Im Jahre 1452 verkaufte der Träger des Lehens, Heinrich Grückler, mit seiner Frau Christine von Bachenrieth, deren zweiter Gatte er vermuthlich war, solches für 1800 fl. an Hans von Gültlingen zu Entringen, welcher am 24. Oct. 1452 von dem Grafen Ulrich von Württemberg damit belehnt wurde. In der Familie Gültlingen blieb das Gut unter württembergischer Oberlehensherrlichkeit, bis Balthasar von Gültlingen († 1635) durch viele auf dem Gut haftende Schulden veranlaßt, solches mit Genehmigung des württembergischen Lehenshofes den 11. Juni 1618 an seinen Tochtermann Heinrich Teuffel von Birkensee zu Schwarzenfeld mit Unter-Öschelbronn zusammen für 17.035 fl. veräußerte (Lünig 12a, 336). Nach Heinrich Teuffels Tod († 1629), wurde das heimgefallene Lehen an Heinrich von Trauschwitz († 1635) verliehen, nach dessen Ableben es abermals an den Lehenhof zurückfiel. Darauf verkaufte Herzog Eberhard III. von Württemberg den 20. August 1640 das Schloßgut als Mannlehen an Andreas von Bernerdin, Freiherrn zum Pernthurn auf Pregrat, welcher als Protestant wegen der Religion im Jahre 1629 von Kärnthen, dem Stammsitz dieser adeligen Familie, vertrieben worden war, königlich schwedischer Obristlieutenant wurde und am 18. December 1657 starb. Fortan blieb es bei diesem Geschlecht, bis letzteres am 22. October 1782 mit Sigfried Ehrenreich von Bernerdin erlosch (Geschlechtsbeschreibung derer von Schilling 338). Darauf erhielt es dessen Nichte, Franziska Theresia, Tochter des Freiherrn Ludwig Wilhelm von Bernerdin, Herrn zu Sindlingen und Adelmannsfelden († 1774), und der Johanna Dorothea Charlotte von Vohenstein zu Adelmannsfelden († 1793), seit 1783 Gemahlin Herzog Karls von Württemberg. Unter dieser Besitzerin wurde das Gut sehr verschönert und mehrere Gebäude wurden neu aufgeführt; sie verlebte hier in ihrem langen Wittwenstande meist die Sommermonate und kam auch sonst öfters von ihrem Wittwensitz Kirchheim u. T. hieher. Vor ihrem, den 1. Jan. 1811 zu Kirchheim erfolgten Tode vermachte sie das Gut (nebst Bächingen) an den Geheimen Rath Freiherrn von Böhnen, welcher es im Jahre 1812 an die Fürstin Philippine Caroline von Colloredo-Mansfeld, Gemahlin des Fürsten Rudolf Joseph (geb. Fürstin von Öttingen), für 113.000 fl. veräußerte. Von dieser erkaufte es die königl. Hofdomänenkammer unterm 27. Febr. 1840 für 220.000 fl.



  1. Die Markung grenzt nördlich an die Markung Haslach, östlich an Nebringen, südlich an Öschelbronn, und westlich an Unter-Jettingen.


« Kapitel B 26 Beschreibung des Oberamts Herrenberg [[Beschreibung des Oberamts Herrenberg/{{{3}}}|{{{3}}}]] »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).