Beschreibung des Oberamts Urach/Kapitel A 4
« Kapitel A 3 | Beschreibung des Oberamts Urach | Kapitel A 5 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Am 1. Novbr. 1822 zählte das Oberamt 26681 Einwohner, am 1. Novbr. 1830 war die Zahl 28792. Nach dem letzten Stande kommen auf 1 Quadratmeile 5235 Menschen, somit 960 mehr, als die Durchschnitts-Bevölkerung vom ganzen Königreiche auf 1 Quadratmeile ausmacht. Diese Bevölkerung erscheint um so stärker, wenn man erwägt, daß fast 3/5 des Oberamts der Alp angehören. Ohne die Alp kommen auf 1 Quadratmeile 8795 Menschen; die Bevölkerung des Alpbezirks auf 1 Quadratmeile macht 2526 Menschen. Übrigens sind in der Regel ungefähr 500 Oberamts-Angehörige mehr abwesend, als dagegen Auswärtige im Oberamts-Bezirk sich aufhalten. Es betrug namentlich im Jahr 1822 die Zahl der abwesenden Angehörigen 1067, dagegen die Zahl der anwesenden Fremden nur 553.
Das Geschlechts-Verhältniß (1822) ist folgendes:
Männlich 13.196. Weiblich 13.485,
demnach mehr weiblichen Geschlechts 289.| Überwiegend ist das weibliche Geschlecht (nach den Bevölkerungs-Listen, s. u.) am meisten zu Urach (um 140), Ehningen (139), Zainingen (83); dagegen ist das männliche vorherrschend in den Orten Böhringen, Sondelfingen, Reicheneck, Riederich, um 46, 20, 18, 17.Religions-Verhältniß. | ||
Christen: | ||
a) evangelische | 26.658 | |
b) katholische | 23 | |
Juden | 0 | |
Standesverhältniß | ||
Adeliche | 8 | |
Bürgerliche | 26.673 | |
Gewerbs- und Nahrungs-Verhältnisse | ||
Bauern und Weingärtner | 1588 | |
Taglöhner | 765 | |
Gewerbsleute | 2429 | |
ohne Gewerbe | 71 | |
In Allmosen stehend | 294 | |
Eheliches Verhältniß | ||
Zahl der Ehen 4584, wonach auf 1 Ehe 58/10 Menschen kommen. |
Am 1. Nvbr. 1812 bestand die Volkszahl des Oberamts in 25034 Seelen; sie hat also in den 10 Jahren bis 1822 zugenommen um 1647, oder jährlich um 2/3 Proc. Bedeutende Verschiedenheiten kommen nicht vor.
Geboren wurden im Durchschnitt jährlich 1215, und zwar männlich 627, weiblich 588. Das Verhältniß der Gebornen zu der Bevölkerung ist also 1 : 21.
Die meisten Kinder werden verhältnißmäßig in den Alporten Böhringen, Bleichstetten, Riedheim, Sirchingen, Lonsingen geboren, wo das Verhällniß bis auf 1 : 16 geht.
Unter den Gebornen waren Unehliche | 107, |
und zwar in der ersten Hälfte des Jahrzehends | 85, |
in der zweyten | 124. |
Es ist also das Verhältniß im Ganzen wie | 1 : 113/10, |
und zwar in dem ersten Zeitraum wie | 1 : 137/10, |
in dem zweiten Zeitraum wie | 1 : 104/10. |
Die meisten unehelichen Geburten haben verhältnißmäßig Pliezhausen und Sondelfingen, sodann Urach. Donnstetten, Trailfingen und Upfingen, wo das siebente bis neunte Kind ein uneheliches ist, die wenigsten Böhringen, Neuhausen, Bleichstetten, Ohnastetten, wo es das achtzehnte bis zwanzigste ist.
Unter den Gebornen sind jährlich Todtgeborne 58, also unter 21 eines. Zu Seeburg und Bleichstetten ist das neunte, zu Lonsingen, Würtingen das eilfte, zu Rietheim, Hülben, Sirchingen und Gächingen das zwölfte bis dreyzehnte, dagegen zu Upfingen das 36ste, zu Ehningen das 41ste, zu Glems das 49ste Kind ein todtgebornes.
Gestorben sind im Durchschnitt jährlich 950, und zwar männlich 479, weiblich 471. Das Verhältniß der Gestorbenen zu den Lebenden ist 1 : 27. Am größten ist die Sterblichkeit in Böhringen und Bleichstetten, wo der achtzehnte bis 21ste Mensch stirbt; am geringsten in Zainingen, Strohweiler, Pliezhausen und Riederich, wo der 33ste bis 39ste stirbt. In Urach ist das Verhältniß wie 1 : 25. S. u. Im ersten Lebensjahre sind, einschließlich der Todtgebornen, gestorben 453, also von 100 Kindern 35 bis 36, in Ehningen und Ohnastetten aber die Hälfte, dagegen zu Dettingen nur 7. Von den Gestorbenen hatten ein Alter von mehr als 60 Jahren erreicht 149, von 100 also nicht ganz 16. Vergleicht man die Zahl der Gestorbenen mit der Zahl der Geborenen in den zehn Jahren, so ergibt sich fast die ganz gleiche Vermehrung, wie sie oben angezeigt wurde – 1650. Die Veränderungen durch Ein- und Auswanderung heben sich also gegenseitig auf. Die männliche Bevölkerung hat sich, wie fast überall, stärker und zwar um 210 Köpfe mehr vermehrt als die weibliche.
Ehen wurden im Durchschnitte jährlich geschlossen 189, aufgelöst wurden dagegen a) durch den Tod 175, b) durch Scheidung je in zwey Jahren drey. Auf 136 Menschen kommt | eine Heirath. Im Jahr 1817 wanderten 70 Ehepaare aus. Von 1812 bis 1822 hat sich die Zahl der Ehen um 53 vermehrt.
Die körperliche Beschaffenheit ist die gleiche, wie sie bey Reutlingen und Münsingen schon geschildert worden. Der Alpbewohner ist von mittlerer Statur und etwas mager; größer und von frischerem Aussehen ist der Thalbewohner von Urach an abwärts, besonders der Dettinger, Mittelstatter, Sondelfinger und Ehninger. Es ist also hier der umgekehrte Fall von dem Oberamts-Bezirk Blaubeuren. S. dessen Beschreibung, S. 48. Im Ganzen haben die Leute eine gute Gesundheit, aber die Lebensdauer ist auch hier im Durchschnitt kürzer und die Sterblichkeit größer, als sie es sonst in der Regel ist, und die geringste Sterblichkeit ist, wie wir oben gezeigt haben, immer noch so groß, als die mittlere des Landes. Vorherrschende Gebrechen und Krankheiten kennt man nicht in dem Oberamte; nur in Donnstetten sollen nach einer Bemerkung eines vormaligen Pfarrers daselbst die Epilepsie und Rachitis vorherrschend seyn. Im Übrigen ist der herrschende Krankheits-Charakter auf der Alp auch hier entzündlicher Art.
Leben und Sitten, Kleidung und Charakter sind ebenfalls im Allgemeinen ebenso, wie sie bey andern benachbarten Oberämtern schon geschildert worden sind. Sie unterscheiden sich nach der Verschiedenheit der Bezirke: der Alpbewohner ist sich von Jugend auf sehr hart, und in seiner Lebensweise höchst einfach (s. Münsingen, S. 60), dabey redlich, gutmüthig, arbeitsam und genügsam, höflich und gefällig. Sein Charakter ist nichts weniger als roh. Seine Hauptnahrung ist Milch, Habermuß und Kartoffeln, und er unterscheidet sich hierin also wesentlich von dem Blaubeurer Älpler. S. Blaubeuren, S. 49. Bey den Thalbewohnern findet man auch außerhalb der Oberamtsstadt eine gewisse Mischung von städtischen und ländlichen Sitten, insbesondere in den größern Orten Dettingen, Metzingen und Ehingen, wo neben | dem Landbau auch Handel und Gewerbe Platz gegriffen haben. Am auffallendsten unterscheidet sich in Leben, Sitten und Charakter der Ehninger, der sich schon durch Schärfe des Tons und der Sprache auszeichnet; seine wandernde Lebensweise hat in seinem eigenthümlichen, dem Reutlinger sich nähernden Charakter und seinen Sitten eine sonderbare Mischung von Gutem und Schlimmem hervorgebracht. Öffentliche Vergnügungen finden, die Hochzeit- und Kirchweih-Tänze abgerechnet, nicht statt. Auf der Alp findet die eigene Gewohnheit statt, daß am Morgen des Charfreytags das Weib dem Mann ein gesottenes Gänseey über das Bett bringt, und an demselben Abend ihm einen Eyerkuchen bereitet.Die Religion der Einwohner ist durchaus die evangelische. Im Allgemeinen sind die Einwohner religiös, und in vielen Orten, besonders aber auf der Alp, herrscht sogar eine große Hinneigung zum Pietismus.
« [[Beschreibung des Oberamts Urach/|]] | Beschreibung des Oberamts Urach | Kapitel A 5 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|