Beschreibung des Oberamts Waldsee/Kapitel A 3

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III. Einwohner.


1. Bevölkerung.
A. Stand der Bevölkerung.[1]
a. Zahl. Am 1sten November 1832 zählte das Oberamt 19.139 Einwohner; es kommen demnach auf 1 Quadratmeile| 2150 Einwohner. In Vergleichung mit andern Oberämtern gehört Waldsee zu den am dünnsten bevölkerten Oberämtern des Donaukreises sowohl als des ganzen Landes. Im Jahre 1812 zählte das Oberamt 17.918 und im Jahr 1822 18.501 Einwohner.

b. Geschlechts-Verhältniß. Unter den 19.139 Einwohnern sind männliche 9131, weibliche 10.008, mithin mehr weiblich als männlich 877.

c. Altersstufen. Von der Bevölkerung standen am 1sten November 1832 in einem Alter von:

1) unter 6 Jahren   2456 oder auf je 1000 E. 128,3/10.
2) von vollendetem 6–14 Jahre   2936 153,5/10.  
3)   "         "       14–20 Jahre   2015 105,2/10.
4)   "         "       20–25 Jahre   1864 97,3/10.
5)   "         "       25–40 Jahre   3943 206,0.    
6)   "         "       40–60 Jahre   4246 221,9/10.
7)   "         "       60–70 Jahre   1134 59,2/10.
8)   "         "       70–80 Jahre     469 24,5/10.
9)   "         "       80–90 Jahre       72 3,8/10.
10)   "         "       90–100 Jahre         4                         0,25/100.
    19.139 1000.
d. Familienstand:
Verehelichte 5108 oder 2554 Ehen.
Wittwer 364
Wittwen 625
Geschiedene 7
Unverehelichte 13.035
19.139
Auf eine Familie kommen 52/5 Personen, auf eine Ehe 71/2, im ganzen Königreiche auf 1 Familie 47/10 Personen, auf 1 Ehe 63/10.
 
e. Kirchliches Verhältniß:
Christen a) lutherische       55
b) reformirte         2
c) katholische 19.082
19.139
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f. Standes-Verhältniß (nach dem Stand von 1822).
Adelige       20
Bürgerliche 18.481
18.501.
g. Gewerbs- und Nahrungs-Verhältnisse (nach dem Stand von 1822).
Bauern   1220.
Taglöhner     493.
Gewerbsleute   1008.
ohne Gewerbe     172.


B. Gang der Bevölkerung.

a) Geborene. Von 1812 bis 1822 kamen im Durchschnitte an Geburten auf ein Jahr 660, und zwar männliche 341, weibliche 319. Ehelich waren 587, unehelich 73, todtgeboren wurden 16. – Von 1822 bis 1832 wurden im Durchschnitt jährlich geboren 599, worunter männliche 311, weibliche 288; ehelich 516, unehelich 83.

b. Gestorben sind von 1812 bis 1822 jährlich im Durchschnitt 599, darunter 302 männliche, 297 weibliche. Unter den Gestorbenen waren Kinder unter 1 Jahr 230, Personen über 60 Jahre 139. Von 1822 bis 1832 starben jährlich 508, oder 249 männliche und 259 weibliche.

c. Wanderung. Die Ein- und Auswanderung ist unbedeutend und gleicht sich gegenseitig aus. Es wanderten ein von 1812–22 jährlich 46/10, aus 45/10, von 1822–33 ein 6,0 aus 409/10.

d. Veränderungen im Stande der Ehen. Im Jahre 1812 betrug die Zahl der Ehen 2732, 1822 dagegen 2633 und 1832 noch 2554; es zeigt sich demnach eine Abnahme der Ehen im ersten Jahrzehend um 99, im zweiten um 79; eine ähnliche Abnahme hat auch in dem benachbarten Oberamte Saulgau statt gefunden. Von 1812–22 wurden im Durchschnitt jährlich 131 neue Ehen geschlossen, 151 durch den Tod und 12/10 durch Scheidung getrennt. –| Im Durchschnitt kamen jährlich auf 138 Menschen eine Heirath. e. Vergleichung der obigen Ergebnisse. Die Bevölkerung ist in den zwei Jahrzehenden von 1812–22 um 583, oder jährlich um 3/10 Proc, von 1822–32 um 638, oder jährlich um 4/10 Proc. gestiegen. Auffallend ist das stärkere Wachsthum auf Seiten des männlichen Geschlechts im letzten Jahrzehend; es hat nämlich die männliche Bevölkerung um 425, die weibliche dagegen nur um 213 zugenommen. Übrigens nimmt die männliche Bevölkerung, wie schon früher bemerkt worden ist, auch in andern Oberämtern stärker zu, als die weibliche. Gleichwohl ist die weibliche Bevölkerung in dem diesseitigen Oberamte, gleich andern, dermalen noch stärker, als die männliche, auf 100 Einwohner kommen 477/10 männliche und 523/10 weibliche. Die Geborenen verhalten sich zu den Lebenden von 1812–22 wie 1:281/8, von 1822–32 wie 1:31,6, in der Oberamtsstadt wie 1:242/10 und 1:298/10; die unehelich Geborenen zu den Geborenen 1812–22, wie 1:91/7, 1822–32 wie 1:72/10 in der Oberamtsstadt wie 1:92/10 und 1:83/10; die Todtgeborenen zu den Geborenen von 1812–22 wie 1:401/2. Die Gestorbenen verhalten sich zu den Lebenden von 1812–22 wie 1:301/4, von 1822–32 wie 1:372/10; das Verhältniß des ganzen Landes im letzteren Zeitraume ist wie 1:342/10, und es gehört Waldsee zu den Oberämtern, wo die Sterblichkeit am geringsten ist. Es ist namentlich auch in dem ersten Lebensjahr die Sterblichkeit nicht so groß, wie in andern benachbarten Oberämtern, das Verhältniß ist = 1:38. Auch in Beziehung auf höheres Alter zeichnet sich das Oberamt vortheilhaft aus, wie die oben angegebenen Verhältnisse zeigen. In Aulendorf starb vor einigen Jahren ein Kupferschmied, Namens Lieb, in einem Alter von 109 Jahren. Die größte Sterblichkeit findet sich in der Oberamtsstadt Waldsee, wo sie wie 1:263/10 sich verhält, während in dem übrigen Oberamt nur ein Todesfall auf 397/10 kommt. Der Grund der größeren| Sterblichkeit in der Oberamtsstadt dürfte theils in dem engern Zusammenleben, theils in dem Klima liegen; auch in Steinach, das ungefähr die gleiche Lage hat, ist die Sterblichkeit größer als anderwärts.


2. Eigenschaften und Gesundheits-Zustand der Einwohner.

a. physische. Die Einwohner des Oberamtes haben ein gutes Aussehen, wenn gleich die Bildung nicht gerade schön genannt werden kann; frisch ist die Gesichtsfarbe bei beiden Geschlechtern nur in der ersten Jugend, die Veraltung tritt ziemlich frühe ein. Verwachsungen und Mißstaltungen sind nicht selten, und die Zahl der für den Militärdienst Untüchtigen ist bedeutend. Im Übrigen ist der Gesundheitszustand gut und die Sterblichkeit gering. Die am häufigsten vorkommenden Krankheiten sind nach den Beobachtungen des Herrn Oberamtsarztes Dr. Ruef dieselben, wie in den Oberämtern Saulgau, Riedlingen und Ehingen. Die Steinbeschwerden jedoch, welche in den beiden letzten Oberämtern häufig vorkommen, sind in dem Oberamt Waldsee eine seltene Erscheinung; auswärtige Kranke, die daran litten, fanden sogar bei ihrem Aufenthalt in dem Bezirke Erleichterung. Sehr häufig aber ist auch hier der Magenschluß (Cardialgia scirrhosa); die sonst so häufigen Ruhrkrankheiten sind seit 30 Jahren verschwunden.

b. Die moralischen Eigenschaften, Charakter, Leben und Sitten sind im Ganzen dieselben, wie sie bei dem Oberamte Saulgau geschildert worden sind, im Einzelnen schattiren sie sich nach den verschiedenen vormaligen Herrschaften, aus welchen das Oberamt zusammengesetzt ist, ab, wie dies häufig auch noch in Altwürtemberg nach Jahrhunderten zu bemerken ist. Der Luxus in Kleidung und der Hang zum Wohlleben ist noch stärker, als im Oberamte Saulgau. In Beziehung auf Bildung gibt sich noch der Mangel an guten Schulanstalten und gebildetern Geistlichen in voriger Zeit zu erkennen. Wie anderwärts, so herrscht auch hier noch finsterer| Aberglaube, daß Kuhheerden benedicirt, Waschwasser und Trinkwasser für Kälber geweiht, bei einer bevorstehenden Sonnenfinsterniß Betstunden veranstaltet werden, davon liefert selbst die neueste Geschichte nicht bloß des Oberamtsbezirks Waldsee, sondern auch anderer oberschwäbischer Bezirke noch Beispiele. Erst vor ganz kurzer Zeit trieb ein im Stillen reisender Exorcist noch Teufel aus. – Eine auffallende Theilnahmlosigkeit an allen öffentlichen Angelegenheiten, selbst in den nächsten bürgerlichen Beziehungen, ist ohne Zweifel Folge theils von dem Vereinödungssystem, theils von dem frühern Hintersassen-Verhältnisse.

Bemerkenswerth ist, daß ehedem in vielen Orten Liebhaber-Theater bestanden, wie zu Heidgau, Unter-Schwarzach, Gaisbeuren, Hummertsried, Osterhofen, an welchen das Landvolk lebhaften Antheil nahm. Jetzt bestehen sie nur noch in den beiden ersten Orten. Die Acteurs sind Bauern; die Stücke, welche gegeben werden, meist Trauerspiele aus dem Leben der Märtyrer. Da aber Ausschweifungen und Zügellosigkeiten aller Art gemeiniglich den Schluß machten, so sah man sich von Polizei wegen veranlaßt, die Zahl der Theater zu beschränken. Eine Art von Volksfest findet jährlich zu Wolfartsweiler Statt, s. h.

In dem ehelichen Verhältnisse hat sich bis jetzt die Gütergemeinschaft erhalten; vertrauensvoll theilen die Gatten Vermögen und Schicksal, und ein Vorbehalt des einen Theils auf sein Vermögen scheint ihnen unvereinbar mit diesem Vertrauen.


  1. In Hinsicht auf eine Vergleichung der nachfolgenden Verhältnisse mit den Durchschnittsverhältnissen im ganzen Königreiche, verweisen wir auf die Würt. Jahrbücher 1824. H. I. und 1833. H. I.