Beschreibung des Oberamts Waldsee/Kapitel BS2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel BS1 Beschreibung des Oberamts Waldsee Kapitel BS3 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
2. Gemeinde Michelwinnenden,
483 Einw.
  • 1) Michelwinnenden, auch Winnaden, Groß-Winnaden genannt, ein k. Pfarrdorf 13/8 St. nördlich von Waldsee mit 271 Einw., C. A. Waldsee, F. A. Ochsenhausen. Den großen Zehenten bezieht von 516 Morgen der Staat, von 222 M. die Standesherrschaft und von 32 M. die Stiftungspflege; den kleinen von 706 M. die Standesherrschaft, und von 33 M. die Stiftungspflege des Orts. Die Grundlasten des Gemeindebezirks betragen 2910 fl. in Geld und 153 fl. in Naturalgefällen, wovon die Standesherrschaft 2895 fl., der Fürst von Thurn und Taxis 97 fl. und die Gemeindepflegen Winterstettendorf und Michelwinnenden 55 fl. und 16 fl. zu beziehen haben. Das Patronatrecht hat der Standesherr.

    M. hat eine freie Lage, an der Vicinalstraße von Waldsee nach Biberach und Schussenried, und ist ziemlich weitläufig| gebaut. Die Gebäude sind größtentheils noch mit Stroh bedeckt. Es hat eine Kirche, ein Pfarrhaus, eine Schule, eine Schildwirthschaft und eine Mahlmühle, letztere an dem ungefähr 4 M. großen Weiher vor dem Ort. Die Kirche, welche 1589 von der Land-Commende Altshausen neu gebaut wurde, steht in der höchsten Lage des Orts. Von der Commende wurde 1725 auch das Pfarrhaus neu gebaut. Die Baulast von beiden hat jetzt die Standesherrschaft. Eine halbe Viertelstunde nördlich steht noch eine Capelle, in der aber nie öffentlicher Gottesdienst gehalten wird. Filiale der Kirche und der Schule sind: Lenatsweiler, Lippertsweiler und Michelberg. Bis zum Jahr 1812 gehörten dahin auch Steinenberg und 4 Häuser von Haslanden, welche der Stadtpfarrei Waldsee zugetheilt wurden.

    Der Gemeinde steht ein nicht unbedeutendes Triebrecht in die benachbarten Wälder von der Grundherrschaft zu; wird dieses ausgelöst, was zu hoffen ist, so ist in der Feld- und Wiesencultur eine große Veränderung zu erwarten. Das Gemeinde-Vermögen ist im Besitz der Real-Gemeinde-Berechtigten, der s. g. Gemeinder.

    An dem oben erwähnten Weiher steht auch noch eine in baulichem Zustande befindliche Burg und eine cameralamtliche Zehentscheuer. Die Burg ist mit einem Graben und Walle umgeben, über welchen eine Brücke führt. Sie ist Eigenthum der Grundherrschaft, die sie zu einer Miethwohnung und zur Aufbewahrung ihrer Zehent- und Gültfrüchte verwendet. Eine halbe Stunde südlich vom Ort im Walde sind die Ruinen einer größeren Burg noch vorhanden, die sehr fest gewesen seyn muß, die aber die ältesten Schriften nur als Ruine kennen. In M. selbst fand man vor einigen Jahren noch Spuren von äußerst massiven Gebäuden. Auch ist hier eine s. g. „Badstube“, welche so gebaut ist, daß man sie für römisches Werk halten möchte. Nach allen Umständen ist M. ein sehr alter Ort; ein Hermann v. Hirsegg schenkt dem Kloster Petershausen 1050 zwei Güter zu Alminishus und| Winiden[1] und schon unter den Vergabungen des Gr. Bertold, gest. 973, an das Kloster Reichenau kommt Winedenhusin vor. Leichtlen, die Zähringer, 1831. Die erwähnte Burg war ohne Zweifel die Stammburg der Herren von Winnenden, eines sehr alten und längst vergangenen Geschlechts. Ein Heinrich v. Wineden steht als Zeuge in einer Weissenauer Urkunde vom J. 1189. Ein Cunradus de Winedin kommt mit Fried. de Alidorf in einer Urkunde von 1222 als Zeuge vor. Gerbert Cod. Dipl. S. N. T. III. Noch im J. 1311 erscheint ein Hans v. W. auf einem Turnier zu Ravensburg. Nach ihnen waren theils die Winterstetten, theils die von Königsegg im Besitze von M. Schon 1290 übergab Heinrich, Schenk zu Schmalenegg, dem deutschen Orden zu Altshausen die Kirche und Ehehafte zu M. 1385 verkaufte Ulrich von Königsegg (Künsegg), Ritter und Bürger zu Ravensburg, an Herrmann Wielin seine „Burg und Veste“ Michelwinnenden sammt Weiher, Häuser u. s. w., um 1350 Pfd. Hllr. Wielin und seine Nachkommen schrieben sich Wielen v. Winnenden. Hildbrand Wielin verkaufte 1425 die Besitzung an die Land-Commende Altshausen, diese aber 1451, jedoch unter Vorbehalt des oben berührten großen Zehentens aus 516 M. und des Patronatrechts sammt Widdumhof, an Georg I., Truchseßen von Waldburg, für 8000 fl. rheinisch in Gold. Von Georg II., Truchseß von W., kam sie 1479 um 9500 fl. an das Kloster Schussenried. An ebendasselbe verkaufte 1754 Altshausen auch das Patronatrecht nebst Widdum, behielt sich aber dabei den gedachten Zehenten vor, der erst im J. 1817 von der K. Hof-Domänenkammer an den Staat kam. Außer der schon erwähnten Burg im sogenannten Bronnenholz stand 3/8 St. nördlich von M. in dem Walde Wildenburg eine dritte Burg, von der man noch einige Spuren sieht. Der Hafen mit silbernen Bracteaten, von dem oben s. 79 die Rede war, wurde innerhalb Etters von M. gefunden. Mehrere Brunnenquellen und der Abfluß aus kleinen Weihern, welche in den| im Ort befindlichen Weihern zusammenfließen, bilden am Ausflusse aus dem Orte einen kleinen Bach, „die alte Riß“ genannt, s. S. 11. In M. wurde 1734 der geschätzte und geliebte Schussenried’sche Abt Joseph (Mathias Krapf, Sohn des Gerichts-Ammanns und Kastenvogts Joseph Krapf) geboren. Von dem Gefechte bei M. 1796 war S. 77 schon die Rede.
  • 2) Gensenweiler, früher auch Gysenweiler, ein k. W. mit 25 Einw., Filial von Winterstettendorf, Schule in Wattenweiler. Den großen und kleinen Zehenten bezieht die Standesherrschaft. Rauhes Klima, viele kalte Nebel, die Wiesengründe meist Moorgrund. Der Ort besteht aus 3 Lehenhöfen, wovon das Kl. Schussenried den einen 1382 und die beiden andern von Agnes v. Leimbach, Ulrichs v. Essendorf Wittwe, 1404 kaufte.
  • 3) Hagnaufurt, früher auch Hangen genannt, ein k. W. mit 45 Einw. Der Weiler besteht aus 5 Höfen, wovon 2 der Standesherrschaft, einer dem Fürsten von Thurn und Taxis, vorm. Stift Buchau, einer der Stiftungspflege Winterstettenstadt und einer der Stiftungspflege Winterstettendorf lehenbar sind. Die übrigen Verhältnisse wie bei 2. Die beiden standesh. Höfe kaufte das Kloster Schussenried 1479 von Georg, Truchseß v. Waldburg, und den 27. April 1571 von Anastasia von Sirgenstein, Friedrichen Hundbis v. Waldrambs zu Schomburg hinterlassener Wittwe.
  • 4) Hervetsweiler, früher auch Hervenswiler, Herbenswiler etc., ein k. W. mit 51 Einw., aus 5 Lehenhöfen bestehend, wovon jetzt zwei vertheilt sind. Sonstige Verhältnisse wie bei 2. Einen Hof vergabte Herrmann, Schenk v. Schmalnegg, 1283, einen andern Anna von Kürnbach 1352 mit Consens ihrer 2 Tochtermänner, H. und T. von Neuenegg, dem Gotteshaus Sch., einen dritten kaufte dasselbe 1396 von Agnes v. Reichenbach, einen vierten 1404 von Agnes von Leimbach, s. u.
  • 5) Lenatweiler, früher Lienhardsweiler etc., ein k. W. mit 14 Einw., Filial von Michelwinnenden, aus zwei| lehenbaren Höfen bestehend. Den großen Zehenten bezieht der Staat, den kleinen sowie die sonstigen Gefälle die Standesherrschaft. Das Kloster Sch. kaufte den einen Hof mit Michelwinnenden, den andern 1542 von dem Kloster Weingarten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser letztere Hof aus denjenigen Gütern bestand, welche am 7. August 839 der Sohn des Grafen Richwin von Turgau dem Kloster St. Gallen in Leontii villa geschenkt hat, und später an das Kloster Weingarten gekommen sind. Neugart, C. D. nr. 293.
  • 6) Wattenweiler, ein k. W. mit 77 Einw., Filial von Winterstettendorf. Den großen und kleinen Zehenten bezieht die Standesherrschaft bis auf 32 Morgen, welche der Kirchenfabrik Winterstettendorf zehentbar sind. Die übrigen Verhältnisse sind wie bei Gensenweiler. Der Ort hat eine eigene Capelle und eine Schule. Er besteht aus 10 Lehengütern, welche nach und nach theils durch Stiftung, theils durch Kauf an das Kloster Sch. gekommen sind.
    In vorigen Zeiten war W. der Sitz des Pfarrers an der Pfarrkirche zu Winterstettendorf und die Pfarrei hieß die Pfarrei Wattenweiler, siehe Winterstettendorf. Zu der Gemeinde M. gehört seit 1831 der Weiler Michelberg, siehe oben bei Reute.


  1. Ussermann Chr. Peterh. Prodr. S. 332 u. f.