Beschreibung des Oberamts Waldsee/Kapitel BW4
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4. Gemeinde Eberhardszell,
- 1) Eberhardszell, ein kathol. Pfarrdorf mit 424 E., 3 St. nordöstlich von Waldsee, C. A. Waldsee, F. A. Ochsenhausen. Den kleinen und großen Zehenten bezieht Sternberg-Manderscheid. Die Grundlasten des Gemeindebezirks betragen 1862 fl. in Geld und 1410 fl. in Nat.-Abgaben, davon bezieht die Standesherrschaft 2681 fl., der Graf v. Sternberg 232 fl., die Kirchenpflegen von Essendorf 197 fl. und die von Eberhardszell 131 fl., sodann der Fürst von Salm-Dyck circa 30 fl.
Sämmtliche Parzellen der Gemeinde, mit Ausnahme von Dietenwengen, welches nach Mittelbuch, Oberamts Biberach, eingepfarrt ist, sind Filialen von Eberhardszell. Awengen wurde erst 1810 von Ummendorf, Oberamts Biberach, dahin eingepfarrt. Die Kirchengenossen, mit Ausnahme der von Hedelberg, welches mit Dietenwengen eine eigene Schule in letzterem Ort hat, besitzen auch nur eine Schule zu Eberhardszell. Das Patronatrecht ist Sternbergisch. Der Ort bildete mit den zur Gemeinde gehörigen Parzellen (mit Ausnahme eines zur Herrschaft Schwarzach gehörigen Hofs zu Märbottenweiler) und mit den Parzellen Linden und Scharben, Ergetweiler und einem Hof zu Zuben, G. Ober-Essendorf,| die allodiale Herrschaft Eberhardszell in der Grafschaft Waldsee. Eberhardszell, früher auch Eberzell, Zell, Mariazell genannt, liegt in einem angenehmen schmalen und fruchtbaren Thale, am Fuße von Heinrichsburg, an der Vicinalstraße nach Ochsenhausen. Es ist weitläufig gebaut und wird von der Umlach und der Osterhofer Aach, auch Fischenz genannt, bewässert. Es hat eine Kirche, ein Pfarr- und Caplaneihaus mit den erforderlichen Ökonomie-Gebäuden, sehr massiv und schön gebaut und in einem großen geschlossenen Hof vereinigt, und ein Schulhaus, eine Schildwirthschaft nebst Brauerei, eine Papierfabrik und eine Mahlmühle an der Umlach, hier Mühlbach genannt, eine Sägemühle an der Fischenz, eine Ziegelhütte, eine Bleiche. Die Baulast an Kirche und Pfarrgebäuden hat die Zehentherrschaft. An der Kirche stehen ein Pfarrer und ein Caplan. Der Kirchensatz wurde mit der Herrschaft Eberhardszell in dem bei Waldsee angeführten Kaufbrief 1331 von den Herren v. Waldsee an die Herzoge Albrecht und Otto v. Österreich verkauft. 1456 wurde er von dem Herzog Albrecht II. gegen Haltung eines ewigen Jahrtags dem Kloster Schussenried mit allen Zugehörungen, Zehenten, Widdum, Falllehen, Waldungen und sonstigen Gefällen geschenkt, worauf die Pfarrei 1457 dem Kloster einverleibt wurde, mit dem sie 1803 an Sternberg überging. Wann die Caplanei errichtet wurde, ist unbekannt, doch bestand sie schon im Jahr 1459, indem dieselbe in diesem Jahr zufolge eines Vertrags zwischen dem Abt Conrad von Schussenried und dem Besitzer von Eberhardszell, Berchtold von Stein, dem Kloster ebenfalls einverleibt und von da an gleichfalls mit Conventualen desselben besetzt wurde. E. und mit dem Pfarrdorf die ganze Herrschaft gehörte in frühester Zeit den Herren v. Waldsee, und wurde von denselben 1331 – wie vorhin bemerkt – an die Herzoge Albrecht und Otto v. Österreich mit ihren übrigen Besitzungen verkauft. Von diesen wurde sie – gleiches Schicksal mit den übrigen Besitzungen theilend – bald verpfändet und kam dadurch in verschiedene Hände. Zuerst scheint sie, wie Waldsee, an die Truchseßen von Waldburg verpfändet| gewesen zu seyn.[1] 1417 erscheint Walter v. Stein vom Rychenstein als Inhaber der Pfandherrschaft Eberhardszell; 1420 finden wir sie im Besitze der v. Freyberg, und 1436 im Berchtolds v. Stein, welchem sie von Herzog Albrecht von Österreich 1461 mit Schweinhausen auch zu Lehen gegeben wurde; 1475 wurde der Erbhofmeister von Tyrol, Jakob Trapp, und 1478 Sigmund von Neideck damit belehnt; in demselben Jahre hatte der Kaiser Maximilian dem Erzherzog Sigmund v. Österreich auch den Blutbann zu E. ertheilt. Nach dem Tode Victors von Neideck verkauften dessen 4 Töchter und ihre Gatten: Georg v. Rot zu Orsenhausen, Ludwig von Nippenburg, Marquart von Embs und Albrecht von Stump mit K. Bewilligung vom 14. December 1520 die Herrschaft mit Schweinhausen an den Truchseßen Georg v. Waldburg, der alsdann 1529 von dem Erzherzog Ferdinand mit beiden Herrschaften belehnt wurde. Zur Belohnung der Dienste, welche dieser Truchseß, damals Statthalter von Würtemberg, dem Erzhause geleistet hatte, wurde von K. Ferdinand 5 Dec. 1530 der Lehensverband beider Herrschaften aufgehoben und von dieser Zeit an blieben die Truchseßen von Waldburg im freien und eigenthümlichen Besitze der Herrschaften als Reichsherrschaften, die zum Reich und schwäb. Kreis steuerbar waren. Ehedem befand sich auch eine Burg zu E., welche auf dem jetzt noch „Burghof“ genannten Platz St. Pulcheria Nro. 41 bei der Kirche und dem Pfarrhof gestanden und zum Wohnsitz der österreichischen Burgvögte und der pfandherrlichen Beamten gedient zu haben scheint. Die von Neideck bauten ein besonderes Schloß – der Neidecker genannt – an einem Abhange des Berges, auf welcher Heinrichsburg liegt, an der nordwestlichen Seite von| E., von der aber nur noch einige Mauerreste übrig sind. Victor v. Neideck liegt in dem Chor der Pfarrkirche daselbst, wo sein Bildniß von Stein in die Wand eingemauert ist, begraben. Auf der Markung von Eberhardszell liegen noch Klotzenhof, die Papiermühle, Simons, einzelne darunter begriffene Häuser. Die Bleiche liegt auf der Markung von Heinrichsburg.
- 2) Awengen, ein k. W. mit 21 Einw. und bergiger Lage, bestehend aus einem Bauernhof und einer Mahlmühle, zu welcher ein kleines Bauerngut gehört. Den Zehenten bezieht theils der Staat als Nachfolger des Klosters Ochsenhausen, theils die Standesherrschaft Sternberg-Manderscheid; ein kleiner Theil ist zehentfrei.
- 3) Boflitz, ein k. aus zwei zehentfreien Bauernhöfen bestehender Weiler mit 18 Einw., ebenfalls bergig. Nach der Tradition soll Kaiser Friedrich I. Barbarossa, vom Feinde verfolgt und geschlagen, hier eine sichere Zuflucht gefunden, und zur Belohnung die Bewohner von allen Abgaben befreit haben.[2]
- 4) Braunenmoos, ein zehentfreier Hof mit 4 k. E., erst 1797 entstanden, am Saum des Waldes Braunenmoos, von welchem einige Stücke zur Cultur gegeben wurden.
- 5) Dietenwengen, ein Weiler mit 106 Einw., Filial von Mittelbuch, Oberamts Biberach, mit einer Schule und| einem 1832 neu erbauten Schulhaus. Von zwei Schupflehengütern bezieht der Fürst v. Salm-Reiferscheid-Dyck, und vom übrigen der Staat (von Ochsenhausen her) den Zehenten.
- 6) Gigelberg, ein mit Eberhardszell zusammenhängender Weiler mit 24 Einw., auf einer Anhöhe und 1727 neu entstanden, auch Zell im Gigelberg genannt. Den Zehenten bezieht Sternberg-Manderscheid.
- 7) Göriz, Geraz, auch Marienburg, ein aus 2 Gebäuden bestehender Hof, mit 10 k. Einw., auf einem hohen Berge. Die Zehnten bezieht die Standesherrschaft.
- 8) Guntarz, auch Gundharz, ein aus zwei großen Bauernhöfen bestehender Weiler mit 13 k. Einw., auf einer Anhöhe zwischen Wäldern liegend und fruchtbar. Den Zehenten bezieht Sternberg.
- 9) Hedelberg, ein k. W. mit 107 Einw., an einem Berge, naß und bergig gelegen und mit geringem Güterertrag. Der Zehente ist Sternbergisch. Es befinden sich daselbst 3 vormals österreichische Lehengüter, welche die fürstl. Standesherrschaft 1787 durch Austausch erworben hat, ferner ein Lehengut der Kirchenpflege Eberhardszell und eine Lehensölde der Herrschaft Sternberg. Die österreichischen Lehen gingen durch verschiedene Hände.
- 10) Heinrichsburg, eine fürstl. Domäne mit 6 kath. Einw., sehr fruchtbar, auf einem hohen Berge mit einer weiten Aussicht. H. hatte früher den Namen Herlisberg oder Herlinsberg und bestand ehedem aus zwei großen Schupflehengütern. Die schöne Lage veranlaßte den Grafen Heinrich von W.-Waldsee, 1620 daselbst ein Cameralgut anzulegen; er ließ ein Schloßgebäude, ein Brauhaus und eine Capelle daselbst erbauen und sämmtliche Gebäude mit einer hohen Mauer, an welcher 3 Thore angebracht sind, umgeben, und gab dem Platze den Namen Heinrichsburg. Schon 1602 hatte Graf Heinrich es auch von dem Zehenten frei gemacht, indem er dafür dem Kloster Schussenried, zu dessen Pfarrei Eberhardszell es gehörte, den Laienzehenten zu Michelwinnenden abtrat. Während der Pest 1628 diente Heinrichsburg dem Grafen| zum Zufluchtsort, und war überhaupt ein Lieblings-Aufenthalt für ihn. Das Gut kann zu den schönsten und besteingerichteten gerechnet werden. Es wird musterhaft bewirthschaftet und hat einen schönen Viehstand, mit Käserei und Mastung, s. S. 40 u. f. Vor ungefähr 10 Jahren hat der verstorbene Revierjäger Lutz zu H., in Verbindung mit dem Bleicher Singer zu Eberhardszell, an dem Torfmoore Wettensee einen Torfkohlofen betrieben, und das Kohlenerzeugniß an die benachbarten Feuerarbeiter, besonders die Nagelschmiede in Biberach, verkauft; diese Kohlerei wurde aber wieder aufgegeben, weil die Unternehmer ihre Rechnung nicht dabei fanden. Auf der Markung von H. liegt die Bleiche, s. o.
- 11) Kappel, ein k. W. mit 89 Einw., eben und fruchtbar, aus 7 Lehengütern bestehend. Den großen und kleinen Zehenten bezieht Sternberg. Ziegelhütte heißt ein einzelnes, unter K. begriffenes Haus.
- 12) Krummen, ein k. W. mit 82 Einw.; der Zehente ist Sternbergisch. Der Weiler ist gegen Ende des vorigen Jahrhunderts durch Errichtung einiger Söldenhäuser auf einem an die Markung Ritzenweiler anstoßenden Platze entstanden. Der Ort hat daher auch wenige Güter.
- 13) Längenmoos, ein aus zwei fürstl. Lehengütern bestehender Weiler mit 8 kath. Einw., in einer kalten wenig fruchtbaren Gegend zwischen Wäldern liegend. Den Zehenten bezieht Sternberg.
- 14) Märbottenweiler, ein aus zwei Gütern bestehender Weiler mit 15 k. Einw. Von dem einen Gute bezieht Sternberg, von dem andern die Universität Freyburg den Zehenten. Eines der Güter ist als ein vormals österreichisches Lehen eine Zugehörde der fürstl. Herrschaft Schwarzach, über welches dem Staat das Obereigenthum zusteht, das andere kleinere Gut ist fürstl. Lehen. Vergl. Hummertsried und Schwarzach.
- 15) Ober-Hornstolz, ein k. W. mit 31 Einw., kalt und hochliegend, doch fruchtbar. Die Zehenten sind Sternbergisch, der Ort bestand früher aus 6 Bauerngütern, jetzt nur| noch aus 5, welche, mit Ausnahme eines Roßbaues, der Sternbergisches Lehen ist, und eines andern, der Lehen der Kirchenfabrik Eberhardszell ist, der Standesherrschaft gehören. Ein großes Gut nebst Sölde, das 1640 dem gräfl. Oberamtmann Pettenbecker und seiner Gattin Ottilie v. Pflummern von dem Erbtruchseßen Grafen Max. Willibald wegen seiner Verdienste als freieigen geschenkt worden, kam später an das Nonnenkloster Waldsee durch Vermächtniß, und nach der Auflösung desselben wieder in den Besitz der fürstl. Standesherrschaft. Zu Hornstolz stand eine Burg, worauf die von Hostliz gehaust haben sollen. Noch jetzt sagt man „Hostliz“ statt Hornstolz.
- 16) Riedhäuser, ein k. W. mit 31 Einw., am nördlichen Ende des Pfarrdorfs E., im Ried gelegen, „auch Zell im Ried“ genannt, ganz gleiche Verhältnisse mit Eberhardszell theilend.
- 17) Ritzenweiler, ein k. W. mit 118 Einw., eben und fruchtbar, mit 7 der Standesherrschaft lehenbaren Gütern und einer Mahlmühle. Den Zehenten bezieht Sternberg. Auf der Markung von R. steht ein einzelnes, dazu gehöriges Haus, das den Namen Rolles führt.
- 18) Schweizerland, ein 1713 entstandener an E. gelegener Weiler mit 50 k. Einw., auch Zell im Schweizerland genannt, die Verhältnisse von Eberhardszell theilend.
- 19) Unter-Hornstolz, ein großer fürstl. Lehenhof mit 14 k. Einw., der Herrschaft Sternberg zehentbar. Es wird auch „Siggen“ genannt, weil es schon seit unfürdenklicher Zeit im Besitz der Familie Sigg ist.
- 20) Voggen, ein Wohnhaus mit 4 k. Einw. und einer zehentfreien, früher nicht besteuerten Sölde, welche durch Cultivirung eines am Saum des Waldes Voggen gelegenen Feldes entstanden ist.
- 21) Weiler, ein k. W. mit 56 Einw. Die Zehenten bezieht Sternberg, welcher auch einige Lehengüter hier besitzt. Straub und Wächter sind 2 einzelne Wohnsitze auf der Markung von W.
- ↑ Nach dem Pfandbrief gegen Eberhard v. Freyberg zu Achstetten, d. d. Donnerstag vor U. L. Fr. Tag 1420, hat Herr Eberhard von Freyberg zu Achstetten unser Vest in Eberhardszell mit unserm Willen und Gunsten an sich gelöst und zu seinen Händen gebracht von Hrn. Jacoben, Truchseßen, Ritter, des Pfand sy gewesen ist etc.
- ↑ Der Herr Domkapitular Dr. Vannotti macht hiezu folgende Bemerkung: Diese Sage scheint nicht ganz ungegründet zu seyn, da die Inwohner dieses, ursprünglich nur einen Hofes (1686 wurde der zweite gebaut) nicht nur zehentfrei, sondern auch keiner Herrschaft unterworfen waren. Im J. 1686 wollte die Herrschaft Wolfegg diese 2 Höfe, als in Territorio gelegen, ihrer Herrschaft unterwerfen, allein die Bauern wurden von dem Reichshofrath als frei erklärt, und Wolfegg mußte die Sägemühle, welche die Bauern für sich erbaut, Wolfegg aber mit Gewalt abgebrochen hatte, wieder aufbauen; eben so wurde (1687) von der Nunziatur in Luzern gegen das Kloster Ochsenhausen gesprochen, welches als Pfarrer zu Ummendorf die Zehnten von diesen beiden Höfen beziehen wollte, weßhalb die beiden Bauren sich von der Pfarrei Ummendorf lossagten und nach Eberhardszell gingen. Das Diplom K. Friedrichs I., auf welches sich diese Freiheiten gründeten, soll von 1182 seyn.