Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart/III.

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III. Wohnliche Anlage.


1) Die Schreibart des Orts-Namens war in den ältesten Zeiten: 1229 Stutgarten, 1250 Stotgard, 1259 Stuchart, 1262 Stuckart, 1263 Stuecgartun, 1275 Stutgarta, 1286 Stuttgarten, 1294 Stuckgarten, 1300 Stogardun. Später kam man auf Stutgarten und Stuttgarten zurück, woraus Stuttgardt und endlich Stuttgart geworden ist. Von den Namen der Weiler sind diejenigen Bergs und Gablenbergs sich stets gleich geblieben; Heslach ward früher (1334) Haslach, dann Häslach und Häßlach geschrieben.

2) Lage. Die Stadt liegt unter 26° 50′ 27,82″ L. und 48° 46′ 36,49″ Breite (Stiftskirchenthurm) von Ferro, ziemlich in der Mitte des Landes und beinahe auch Schwabens, auf der Grenze zwischen dem Oberland, oder nach der älteren Bezeichnung – „dem Lande ob der Steig“ und dem Unterland, oder „dem Lande unter der Steig“.

Die das Unter- und Ober-Land verbindende, im Jahre 1821 u. f. in neuer Richtung angelegte und in zweifacher Wendung durch| Gärten und Weinberge führende Wilhelmssteige, auch neue Weinsteige genannt, ist namentlich geeignet, die reizende Lage Stuttgarts zu beobachten. Schon vor der zweiten Wendung derselben erblickt man die Stadt in ihrer ganzen Ausdehnung von Gärten und sanften Rebhügeln rings umschlossen; je höher man darauf fortwandelt, desto mehr öffnet sich die Aussicht in das weite Neckarthal mit den königlichen Schlössern, Villen und Ortschaften, desto mehr erheben sich auch im fernen Horizonte die Berge um Korb, die Murrhardter- und Löwensteiner Berge mit Lichtenberg und den isolirten Bergkuppen des Wunnensteins und des Lembergs, bis endlich auf höchster Höhe angekommen, noch über die nordwestliche Bergreihe der Feuerbacher Heide hinweg, der Asberg und der Stromberg in unseren Gesichtskreis tritt. Viele Standpunkte zu den mannichfaltigsten Ansichten der Stadt und der reichen Vegetation ihrer Umgebung gewähren auch die schon oben (S. 3.) genannten Hügelzüge, welche das von dem Nesenbach karg bewässerte Thal umgrenzen, auf dessen fruchtbarem, 1500 Schritte breiten Grunde, 3/4 Stunden vom Neckar entfernt, die Stadt sich ausbreitet. Der Anmuth seiner Lage wegen nannte man nach Ulrichs v. Hutten Zeugniß im 16. Jahrhundert Stuttgart das Paradies der Erde, indeß es vor 120 Jahren mit einem edlen Stein in kostbarem Ringe verglichen ward. Diese eingeschlossene Lage der Stadt erklärt es übrigens, daß dieselbe von den Land-Straßen her erst in einer Entfernung von 1/2 Stunde sichtbar wird und nur die Bewohner höher liegender Stadttheile die Bergreihen jenseits des Neckar-Thales erblicken; sie läßt aber auch keinen Zweifel übrig, daß bei Auswahl des dem belebenden Fluß entfernteren Platzes die Rücksichten auf den Verkehr nicht entschieden hatten, und der Ort kaum zu einem Landstädtchen erwachsen wäre, wenn er nicht frühe schon die Bestimmung eines Fürstensitzes erhalten hätte, dem er fast Alles, was er geworden, zu danken hat. Zu bedauern ist, daß in den Umgebungen der Stadt die den Reiz einer schönen Landschaft anderwärts noch mehr erhöhenden Landhäuser, wozu die Natur hier gleichsam einladet, noch selten sind. Von den wenigen vorhandenen Landhäusern sind es besonders der Rebenberg an der Galgensteig, die Felgersburg am Bopser, die Weissenburg und die Silberburg, welche das Bild der städtischen Umgebung verschönern. Mit den umgebenden Gärten in Verbindung sind die nach allen Seiten hin sich ausbreitenden neuen äußeren Stadttheile, Fabrik-Anlagen und Wohnungen der Mittel-Classen, auf diese folgen die näher um die Residenz gruppirten neueren Theile, wo meist die reicheren und höheren Classen wohnen, sowie die früheren Vorstädte, und hierauf die tiefer liegende alte| Stadt, mit den Wohnungen der meisten mittleren Industriellen; indeß die Weingärtner und Tagelöhner vorzugsweise in der Weberstraße und ihren Seitengassen, dem sogenannten Bohnenviertel, sich niedergelassen haben. – Von den zur Stadtgemeinde gehörigen Ortschaften liegt das freundlich-ländliche Heslach mit Böhmisreute malerisch zwischen Weinbergen, Obstgärten und Waldungen in einer Verengung des Thales am Nesenbach, südwestlich etwa 1/4 Stunde von Stuttgart. Gablenberg ebenfalls sehr malerisch von Wein- und Obst-Gärten umgeben, liegt östlich 1/2 Stunde von Stuttgart, in einer Einsenkung der Eßlinger-Berge, die sich nördlich gegen das Neckarthal öffnet; Berg endlich, mit seinem städtischen Äußern, liegt am Neckar, 1/2 Stunde nordöstlich von Stuttgart, und bietet von der Höhe, worauf die Kirche steht, eine höchst reizende Aussicht in das Neckarthal.

3. Stuttgart ist die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs; auch hat es das Prädicat einer guten Stadt. Es ist der Sitz der Landesrepräsentation und sämmtlicher Ministerien und Centralbehörden des Staats, auch aller Mittelstellen, mit Ausnahme der Kreisgerichtshöfe und Kreisregierungen. Seine Garnison unter einem Gouverneur besteht dermalen aus der K. Leibgarde zu Pferd, den Feldjägern, einer Abtheilung Artillerie, einem Reiter-Regiment und drei Infanterie-Regimentern. Außer den unten zu erwähnenden Bezirksbehörden des Stadtdirectionsbezirkes haben auch alle Bezirksbehörden des Amts-Oberamts Stuttgart hier ihren Sitz.

4. Beschaffenheit der Stadt. Einer Darstellung der Gegenwart mag ein kurzer Überblick der allmäligen Ausbildung einleitend vorangehen.

a. Ältere Baulichkeiten.
Der Kern des Ortes, dem dieser wenigstens seine Vergrößerung zu danken hatte, war die Burg (das alte Schloß), deren Lage zwischen der nördlich und südlich an sie anstoßenden Stadtmauer wirklich auch zu Deckung der (alten) Stadt sich eignete, da diese Seite es war, von welcher sie in älteren Zeiten angefochten wurde. Die Zeit der Erbauung läßt sich nicht genau ermitteln. Im Jahre 1286 stellte Graf Eberhard der Erlauchte in Stuttgart eine Urkunde aus, und als König Rudolph I. in demselben Jahre die Stadt belagerte, muß es die Burg, gegen welche der Sage nach der Angriff zunächst gerichtet war, gewesen sein, die den kräftigen Widerstand möglich gemacht hat. Die Colmar’schen Annalen sprechen| bei diesem unten näher darzustellenden Ereigniß ausdrücklich von dem castellum Stutgarten – von einer Vestung also, die ohne eine Burg nicht wohl denkbar ist. Seit dem 14. Jahrhundert begann die hiesige Burg allmälig Hauptaufenthaltsort der Grafen zu werden. Im Jahre 1417 werden erwähnt: der Burgvogt, des Grafen „altes (nach damaliger Sitte für die ganze Familie bestimmtes) Gemach oben im Haus mit fünf guten Bettstatten, … die Kammer mit dem Wurzgarten gegen den Hof hinaus, … der Erker mit drei Bettstatten, … die große Stube neben des Grafen Gemach, … die Ritterstube oben im Haus, … die untere große Türnitz,“ 1484 „die krumme Stube, darin der Graf (Eberhard d. ä.) seine gewohnlich Wohnung hat“, – Alles Angaben, die sich auf den noch stehenden südöstlichen Bau beziehen. Ein Berchfrit oder anderer Thurm, wo die Wächter gestanden sein mögen, welche nach dem Lagerbuche die Stadt im Schlosse zu unterhalten hatte, wird nicht mehr erwähnt. Dagegen ist (1417) die Rede von einem „Sommerhause“ vor der Burg; und 1480 wird des „neuen Hauses“, das Graf Ulrich der Vielgeliebte 1451 gebaut haben mag, gedacht. Ein Brunnen, den Graf Eberhard d. ä. 1490 von Kaltenthal hereinführen ließ, scheint später dem „Brunnenhaus“ den Namen gegeben zu haben, welches bis etwa 1561 im Hofe stand, und dessen Mittelstock 1560 die jungen Fräulein, d. h. die Prinzessinnen, und die Jungfrauen, d. h. die Hoffräulein, bewohnten. Die ebengenannten Gebäude waren jedoch mit dem Hauptbau nicht vereinigt, sondern standen, wenn auch vielleicht durch Gänge verbunden, abgesondert. Wo die Burgcapelle stand, in welche 1497 die Caplaneipfründe St. Johannis von der Capelle zu Gröningen verlegt ward, ist nicht bekannt. Die Metzig lag 1468 zunächst der Burg. Alle diese Gebäude, ausgenommen den südöstlichen Bau, ließ Herzog Christoph abbrechen und von 1553 an die drei steinernen, durch Säulengänge verbundenen, den Hof einschließenden Flügel aufführen und mit jenem verbinden[1]. Der Bau, welcher den Abbruch mehrerer Privatgebäude auf der Südseite nöthig machte, wurde von dem h. Baumeister Aberlen, (Albrecht) Tretsch geleitet und dauerte bis 1570. Von jetzt an, wo das Gebäude den neueren Zeitbedürfnissen angepaßt worden, nimmt es für immer die Benennung „Schloß“ an. – Was nun die einzelnen Theile desselben in ihrer jetzigen Gestalt betrifft, so kommt| zunächst der südöstliche Bau[2] in Betracht. Er hat schöne kühne Gewölbe, geschweifte Giebel, spitze Dächer, Erker und römisch-artige Thürme. Die Umfassungsmauern, im ersten Stockwerke 5′ dick, verjüngen sich nach Oben; die Quader an den Vorsprüngen reichen nirgends durch die ganze Mauerdicke, sondern haben ein Hintergemäuer von rauhen Mauersteinen. Der ganze untere Stock ist, mit Ausnahme des dem Hofe zugekehrten Kellerstübchens, wo der Kellermeister saß, ein 136′ langer, 51′ breiter, der Länge nach getheilter freier Raum mit einer Mittelmauer, die eine 22′ hohe Thorbogenöffnung hat, und mit Säulen aus hohen Spitzbogenfenstern. Es ist dies die sogenannte Türnitz; aus den frühesten Zeiten herstammend, da sie ohne Zweifel ursprünglich das Hauptgebäude, der Palas (palatium) war, der in keiner größeren Burg fehlte. Erst als Versammlungs- und Speise-Halle des Grafen und seiner Vasallen und Dienstleute dienend, dann nach einer schon 1575 bestandenen Sage zu Stechen und kleinen Turnieren benützt, hatte sie schon zu Christophs Zeiten die Bestimmung als Speisehalle der mittlern und niedern herzoglichen Beamten und Hofdiener, die Alle als des Fürsten Hausgenossen, vom Höchsten bis zum Niedersten, durch ihn nicht nur gekleidet, sondern auch gespeist und getränkt wurden[3]. In die Türnitz konnte man mit Roß und Wagen| fahren, um von da die Fässer des wohl 700 Jahre alten, schönen, 400 Fuder fassenden Kellers zu füllen. Er ist 84 Schritte lang und 35 breit und hatte 4 Zeilen Fässer, deren eines 47 Fuder und 4 Eimer faßte. Über der Türnitz sind zwei Stockwerke, in welche man durch die leichtgehaltene Reittreppe, deren 8′ breite Treppenarme auf Kreuzgewölben ruhen, selbst zu Pferde bis zu einer Altane mit Säulen unterm Dache gelangen konnte. Sie führte, wie 1575 gesagt wird[4], „zu den uralten Zimmern der Vorfahren“. Hier war der Estrich von Gyps und „gegossenem Stein“ in mancherlei Figuren, die Balken künstlich geschnitzt und ausgehauen, die Gemächer schön getäfelt, mit „Marmelstein“ und Schnitzwerk geziert. In diesem Mittelstocke befand sich die Wohnung des Fürsten, außer Anderm der noch im 16. Jahrhundert gewöhnlich „Ritterstube“ genannte Rittersaal, seit der Palas verlassen worden der wichtigste Raum des ganzen Schlosses, der auch zu Festlichkeiten aller Art diente. Er war (1560) der Länge nach durch ein eisernes Doppelgitter, das weggenommen werden konnte, getheilt. Hier erschien seit den ältesten Zeiten die Landschaft, um die Propositionen zu vernehmen; hier empfieng der Fürst ihre Deputationen und überreichte der fürstliche Bräutigam nach erfolgter Beschlagung der Decke der Braut die Morgengabe und empfing das Brautpaar die Geschenke der Hochzeitgäste; auch datirte „aus der Ritterstube“ Herzog Christoph die meisten seiner Resolutionen. Hier war auch die fürstliche und die Marschalls-Tafel, diese (1626) mit den höheren Beamten und Hofdienern, in der Regel 166 Personen, an mehreren Tischen. Neben der Ritterstube lag des Herrn Gemach und seine Schneiderei, wo der „Kammerschneider“ arbeitete. Der zweite Stock, „das Frauenzimmer“, diente schon vor 1480 zur Wohnung der fürstlichen Familie. „Stuben und Kammern“ – heißt es 1575 – „sind gar heimlich, still. Da pflegt man zu sticken, zu wirken und zu nähen.“ (Noch 1569 wurde ein Webstuhl zu Hof gemacht.) Es werden 1565 der Herzogin Gemach, der Fräulein Gemach, die Jungfrauen-Stube, die Kinder- und Schul-Stube und der Herzogin Schneiderei genannt. – Der nördliche Flügel enthielt im oberen Stocke den schon 1569 ausgebrannten, sofort wiederhergestellten langen oder Tanz-Saal mit feinem, eingelegtem Tafelwerk, wo Prälaten und Landschaft nicht selten gespeist und bei fürstlichen Hochzeiten jene pompösen Bälle gehalten wurden, wobei dem Bräutigam wie der Braut mit Windlichtern je zwei| Fürsten vor- und zwei Adelige nachtanzten; unter demselben war, wie noch jetzt, die Küche, welche (1580) in die Herrn-, Herzogin- und Gesinde-Küche zerfiel, wo 14–15 Mund-, Ritter- und Salz-Köche und ebenso viele Küchenjungen handthierten, ein Brunnen plätscherte und die Bratspieße vom Wasser getrieben wurden. „Der Koch dem Keller brät ein’ Wurst, der Keller löscht dem Koch den Durst“ – hieß es 1575. Die 85′ hohen, unten 24′, oben 5′ breiten Küchen-Kamine (cheminées en pavillon) standen ganz außerhalb der Mauer und wurden erst in diesem Jahrhundert abgebrochen. Im Erdgeschosse war die mit Zinn vertäfelte fürstliche Badstube. Neben dem Thurme gegen Osten ward 1558 der niedrige Vorbau für das Archiv erbaut, über welchem ein kleiner Lustgarten mit seltenen Blumen, andern köstlichen Gewächsen und einem Brunnen sich befand. – Der westliche Flügel enthielt im Erdgeschosse die (erste) Hofapotheke, die Trabantenstube, das sog. Gewölbe mit den Kleiderstoffen etc. – Im südlichen Flügel befand sich von 1562–1810 die Hofcapelle, die seit 1820 zur Hofapotheke eingerichtet ist, mit achteckigem Chor, trefflicher Stuccaturarbeit am Gewölbe, einem Altar von schöner gehauener Arbeit, hohen Spitzbogenfenstern und einem Thürmchen mit Kuppeldache. Hinter der Capelle liegt die Kirchenstube, unter jener das sogenannte Todten-Gewölbe. An weiteren Zimmern dieser drei Flügel werden 1565 genannt: das Gemach des Kammermeisters, des Truchsessen, des Haushofmeisters, des Burgvogtes, der Edelknaben und ihres Präceptors, das Nürtinger Stüblen, des Grafen Friedrich Gemach, Vorgemach und innere Kammer, die Hausschneiderei etc. Neben jeder Stube lag eine Kammer. Herzog Christoph ließ 1564 den „Dappicierer und Patronenmaler“ Jacob von Carmis, Bürger zu Cöln, mit seinen Leuten kommen, damit er hier, auf dem Herrschaftshause, zu Ausschmückung des Schlosses Bildwerke (eine Art Gobelins) aus Seide und Wolle webe und male. Bis 1570 wurden 22 Gemächer im obern und untern Gange mit solchen Tapeten versehen, welche die Schöpfung, den Sündenfall, die Geschichte Davids und Absolons, Goliaths, Bathsebas und andere biblische Geschichten darstellten, zusammen 4630 und die Patronen 32763/4 Brabanter Ellen maßen und 13.621 fl. 34 kr. kosteten. Als Maler war dabei ein Nicolaus von Orlay beschäftigt. Bald darauf, wie es scheint mit dem langen Saale, verbrannte ein Theil der „Tapesserei“, für dessen Wiederherstellung Moritz de Carmes, des Obigen Sohn, 1574 die Summe von 5997 fl. empfing. Noch 1664 wurden mehrere ähnliche Tapeten mit lebensgroßen Bildern in den spanischen Niederlanden bestellt. – Das Gebäude schließt| einen 159′ langen und 90′ breiten Hof ein, mit einem Röhrbrunnen. An Wasser fehlte es, wie schon bemerkt, überhaupt nicht. Die 1599 erbaute dorische Säule an der Ecke der gegenüberliegenden Canzlei enthielt ein Kunstwerk, welches dasselbe in alle Theile des Schlosses trieb und vertheilte. Die drei neuen Flügel sind gegen die Hofseite durch alle drei Stockwerke mit Säulengängen (wovon der dritte 1560 noch nicht stand) versehen, in deren obern und untern Ecke eine steinerne Wendeltreppe sich befindet. Die in zwölffüßigen Entfernungen stehenden, verschiedenartig gezierten Säulen, keiner Ordnung angehörig, jedoch der korinthischen ähnlich, sind cannelirt, 12′ hoch und 13/4′ dick, haben Piedestalgesimse und geben den Gängen ein kühnes Ansehen. Der erste Stock der neuen Flügel ist gewölbt; sie und der alte Bau haben steinerne Attiken, der letztere über denselben noch unförmlich geschweifte Bogenmauern. Die an der Kirche befindlichen Fensteröffnungen ausgenommen, sind an den neuen Flügeln blos Rundbogen. Der südöstliche Bau und der nördliche Flügel sind schadhaft und mußten durch Schlaudern befestigt werden. Das Schloß hat drei runde Seitenthürme. Derjenige an der Ecke gegen Norden und Osten, 1578 erbaut, hat 471/2′ im Durchmesser, unten einen Saal, dessen Kreuzgewölbe in der Mitte auf einer freistehenden Säule ruhen, und darüber einen zweiten ähnlichen Saal. Der Thurm an der Ecke gegen Osten und Süden (den Dorotheenplatz) wurde 1686 erbaut und hat 56′ 4″ im Durchmesser, der gegen Westen und Süden, 1572 erbaut, hat 34′ 5″ Durchmesser. Warum die vierte Ecke keinen Thurm hat, ist unbekannt. – Das Schloß, als eine Wasserburg, war rings mit einem 25–30′ tiefen, und bis 25 Schritte breiten Graben, der 1777 aufgefüllt wurde, umgeben, welcher gegen Westen und Süden durch einen Canal des Nesenbaches mit Wasser versehen, und mit Fischen und Wasservögeln zum Hofbrauch besetzt, gegen Norden und Osten aber schon im 16. Jahrhundert ganz trocken war. Hier scheinen die Löwen des Herzogs Ulrich, deren 1509–1540 neben einem Löwenmeister Erwähnung geschieht, verwahrt worden zu sein. Später fanden sich in dem trockenen Graben zum Verhetzen bestimmte aufrecht einhergehende Bären, denen die Vorderfüße auf den Rücken gebunden waren; auch Hirsche, die da zur Erfrischung einen kleinen See hatten; 1736 drei Aur-Ochsen, ein Geschenk des Königs von Preußen, 5 Steinböcke, Seidenböcke etc. An der Ostseite über dem Graben stand ein steinernes Pferd, das die nahe Reitbahn in der Tiefe ankündigte. Auf der Südseite des Grabens standen etwa zwanzig von der Herrschaft vermiethete Krambuden. – Das Schloß hatte (die noch jetzt bestehenden) zwei| Haupteingänge: der am nördlichen Flügel wurde 1599 von Herzog Friedrich I. mit 24′ hohen Pfeilern und americanischen Figuren geschmückt, der andere am westlichen Flügel, wo die Überreste des Hof-Essens an Arme vertheilt wurden, ist mit einem Balkon versehen. Zu beiden führten über steinerne Pfeiler hölzerne Brücken, die im innersten Felde mit Fallbrücken versehen waren; unter der gegen Norden stand ein Vogelhaus. Hier hielten die Trabanten mit Hellebarden Wache: 12 Mann unter einem Hauptmann (1560). Ein dritter Eingang lief auf der anstoßenden Stadtmauer von dem nahen Harnischhaus in’s Schloß; der vierte war ein bedeckter Gang, der von der Canzlei über den Graben führte. Außerdem hatten die Fischer auf der Westseite einen Einlaß. – Den zwischen der Canzlei und der Stiftskirche liegenden Schloßplatz ließ Herzog Friederich I. durch Abbruch von 15 Privathäusern erweitern und einen sog. Galgen-Brunnen darauf setzen.

Längst ist das fröhliche Leben und Treiben hier verschwunden, wie viele Änderungen aber auch im Bau vorgegangen: das Aussehen ist noch immer imposant und zeigt überall seine altehrwürdige erste Bestimmung. Jetzt ist das alte Schloß der Sitz des Obersthofmeisteramtes und der meisten der demselben untergebenen Hofämter, auch der Oberhof-Kasse und der Hofküche; einzelne Räume sind Hofbeamten und Dienern zur Wohnung überlassen.

Auf der Nordseite lag der Lustgarten, von dem Schlosse nur durch eine schmale Straße getrennt, die oben bei dem jetzigen Prinzenbau durch das Falkenthörlen und unten bei dem jetzigen Waisenhause durch das Pfisterthörlen abgeschlossen war. Das durch H. Schickhardt erbaute, von Thürmen flankirte, obere Gartenthor war ein herrliches Portal, mit dem fürstlichen Wappen und den Bildern der Justitia und der Pallas geziert. Links, dem Eingange zunächst, an der „Pfudel“ stand die schon 1451 genannte von Stein erbaute Hofmahlmühle mit drei Rädern, die, einem „Mühlmeister“ anvertraut, durch den in einen Mühlgraben gefaßten Nesenbach getrieben wurde, jedoch schon 1695 in eine Schleif- und Gyps-Mühle verwandelt war. Bei dem Pfisterthörlen stand die auch bereits 1451 genannte Pfisterei, wo der „Pfistermeister“ das Brod für den Hof bereitete. – Der Lustgarten[5], ein längliches, durch einen gepflasterten Weg getheiltes Viereck, reichte hinab| bis zu der Stelle des jetzigen oberen Schloßgartens, wo das obere Rasen-Rondel durch den Fahrweg und eine Platanen-Allee begrenzt ist. Er kommt als „Thiergarten“, wie er auch noch später lange Zeit genannt wird, schon 1451 mit einem „Thiergärtner“ vor. Herzog Christoph, der auf seinen Reisen in Italien und Frankreich den Nutzen und die Annehmlichkeiten des höheren Gartenbaues kennen gelernt, verpflanzte ihn in sein Vaterland und ließ bei seinem Regierungsantritte den Thiergarten in einen schönen, von Herzog Ludwig um 13 Morgen erweiterten Lustgarten umwandeln. Schon vor 300 Jahren wurde er für einen der schönsten Gärten Deutschlands gehalten und „das Paradies“ genannt, so daß sich Churfürst August von Sachsen wegen Anlegung seiner Lustgärten vornehmlich an Christoph wandte, der denn auch 1560 ihm 120 Gattungen seltener Pflanzen übersandte. Beim Eintritt in den Garten stand links das 95′ lange, 33′ breite Ballhaus, dem der „Ballmeister“ vorstand; rechts, an den schönen, mit einem Lusthaus und Springbrunnen gezierten Garten der Herzogin sich anschließend, das 1553 erbaute Armbrust- oder Schieß-Haus, in dessen zweitem Stocke ein Saal mit der fürstlichen Rüstkammer voll Armbrüsten etc. war, hierauf in der Mitte das von Christoph erbaute alte Lusthaus mit wälschen Kaminen, vier runden Erkerthürmen, einem metallenen Wasserwerke und einem Saale mit vielen Gemälden von Schlachten und seltsamen Geschichten, von Herzog Friedrich I. zu einem Laboratorium für die Hofalchymisten eingerichtet, und später in die Kunstkammer verwandelt; vor demselben die alte mit Kies und Sand beschüttete Rennbahn, 384′ lang, 157′ breit, am Ein- und Ausgang ein 35′ hohes, 16′ breites Portal mit Säulen, worauf die vergoldeten Steinbilder der Tapferkeit und der Mäßigkeit einer-, und die der Gerechtigkeit und des Sieges andererseits, in der Mitte bei den inneren Schranken Venus und Cupido, außerhalb derselben die Glücksgöttin, einen Korb am Arme, durch welchen ein Mann fiel[6]. Vor den von Epheu umrankten äußern Schranken stand ein Schauhaus mit vielen Fenstern. Etwas weiter unten, links, lag der Irrgarten oder das Labyrinth, wo das württembergische Wappen in mancherlei Blumen gepflanzt war und in seinen Farben blühte und wuchs; hier waren springende Brunnen, gewölbte Rebengänge, welsche Bäume, ein Vogelhaus, umhergehende Kraniche, ein Sommerhaus, unter dessen Saal ein gewölbter Gang mit einer langen Tafel, um darauf mit| Steinen zu schießen (1560); unter demselben das neue Lusthaus und vor diesem die neue Rennbahn, 390′ lang, 151′ breit, oben und unten mit zwei 44′ hohen Pyramiden und schöner Bildhauerarbeit geziert, in der Mitte auf gewundenen Säulen die Statuen der Venus und des Merkur; dann kam der große Ballonen-Platz; hierauf der mit den schönsten in- und ausländischen Pflanzen besetzte Blumengarten; sodann der Pomeranzengarten; rechts davon das 83′ lange, 42′ breite Reigerhaus, und an der Stelle der Schloßnebengebäude die Reigerwiese mit den auf Bäumen nistenden Reihern; in dessen Nähe der Fasanengarten; endlich, am untern Gartenthore, die Grotte. – Um auf die merkwürdigeren von diesen Gegenständen des Nähern zurückzukommen, so wurde das weitberühmte neue Lusthaus[7] 1580–1593 von Herzog Ludwig durch seinen Baumeister Georg Beer, welchem der junge Heinrich Schickhardt beistand, aus lauter weißen Quadersteinen erbaut. Es war 270′ lang und 120′ breit und soll 300.000 fl. gekostet haben. Der Rost dazu erforderte 1700 Eichen- und Buchen-Stämme, deren Beifuhr allein 1402 fl. kostete. Von den beiden Stockwerken ruhte das untere mit 10′ dickem Gemäuer auf 48 corinthischen Säulen, die einen Gang um einen schön gewölbten, mit dreimal 9 Säulen unterbauten Saal bildeten, in welchem drei Bassins mit kühlem Wasser Sommers frische Luft und Erquickung verbreiteten. Am Gewölbe befanden sich die in Stein gehauenen Wappen der Städte, Ämter und Klöster des Landes, an den Seiten Bilder von Kaiser und Königen, Historien und Stammbäume, und unter diesen die bis 1583 im Lande aufgefundenen römischen Alterthümer. An den Außenwänden waren des Bauherrn und seiner Gemahlinnen und 62 Ahnen in Stein gehauene lebensgroße Brustbilder mit ihren Wappen angebracht. Zum zweiten Stocke führten an den östlichen und westlichen mit je sechs hohen Fenstern versehenen Langseiten doppelte, mit je vier lebensgroßen Statuen gezierte Freitreppen, von welchen man beiderseits zunächst in eine Vorhalle und dann auf eine um das Haus führende Galerie gelangte. Die beiden Thüren in den Vorhallen waren außen mit Steinbildern, Hercules und seine Thaten darstellend, innen mit Alabasterbildern und Wappen geziert. Der 51′ hohe Saal, in welchen sie| führten, faßte einige tausend Menschen; denn er war 201′ lang, 71′ breit. Von jenen 51′ kamen 20′ auf das Tonnen-Gewölbe, welches – von keiner Säule getragen – ein kunstreiches Hängewerk und vortreffliche Gemälde von den ersten Künstlern Deutschlands hatte: die Erschaffung Himmels und der Erde, den Sündenfall, das Reich Christi und das jüngste Gericht mit Himmel und Hölle darstellend, 200′ lang und 30′ breit[8]. Unterhalb des Gewölbes, bis zur Mauer herab, waren zwölf württembergische Landstädte, mehrere lustige Landschaften und Jagden mit wohlgetroffenen Personen abgebildet, worauf 26 Porträts fürstlicher Räthe und Diener kamen[9]. An den Wänden hiengen 20 Tafeln der Forstbezirke des Landes, wie sie Dr. Georg Gadner von 1582–1599 gezeichnet und gemalt; sodann oben und unten die von J. B. Braun von Ulm gemalten lebensgroßen Bilder des Bauherrn und seiner beiden Gemahlinnen und die in Wachs poussirten Bilder Herzog Friedrichs I. und dessen Gemahlin. Über den Thüren waren zwei verborgene Gemächer, in welchen Musik gemacht wurde, wenn sie nicht gesehen werden sollte, worin Orgeln, deren eine von selbst spielte. Dieser schöne Saal, der an Größe seines Gleichen in Deutschland nicht fand, war auch in akustischer Hinsicht so tadellos, daß, wer sein Ohr in die eine Ecke hielt, alle Worte deutlich hören konnte, die ein Anderer in der schräg gegenüberliegenden weit entfernten Ecke mit gewöhnlicher Stimme sprach. In demselben sind die unten zu erwähnenden prachtvollen Ballette und ersten Singspiele gehalten worden; sowie auch (noch 1609) die „dem ersten Handstreich“ oder der Verlobung nachgefolgte, der feierlichen Vermählung aber vorangegangene Beschlagung der Decke (ein Rechts-Symbol der altdeutschen Probezeit) bei fürstlichen Hochzeiten hier geschah[10]. Auf dem Gipfel des Daches waren die Wappen des Bauherrn und seiner Gemahlinnen angebracht, über jedem ein Engel schwebend, von da abwärts auf Giebelstufen steinerne Hirsche. An jeder Ecke| des Hauses stand ein runder Thurm, wovon der vordere, gegen Westen gelegene, einen tiefen Brunnen enthielt, dessen Wasser durch ein Kunstwerk bis unter das Dach getrieben werden konnte. Seit Herzogs Carl Eugen Regierung ist das Haus bleibend für das Theater eingerichtet. Unterhalb desselben lag ein kleiner See mit springenden Wassern, welcher befahren wurde, und zu welchem (1618) ein „venetianischer Gondolier“ bestellt war. – Die Rennbahnen, welche von den Lusthäusern aus überschaut werden konnten, dienten zu den Ritterspielen, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts an die Stelle der um 1490 in Abgang gekommenen scharfen Turniere getreten waren und namentlich von den Herzogen Ludwig, Friederich I. und Johann Friederich sowohl in der Fastnacht, als bei feierlichen Veranlassungen gehalten wurden, obgleich bei einem der ersten (im Jahre 1575) Graf Albrecht von Hohenlohe durch den Fürsten Joachim Ernst von Anhalt mit einer Lanze getödtet worden war. Da gab es Rennen (Turniere) zu Roß, Paar und Paar und in Geschwadern, Fußturniere, Paar und Paar und in Haufen, Ringel-, Baille- und Quintain-Rennen, und im Schönbart (Maske), auch später Carroussels, dies Alles mit phantastischen Aufzügen und mythologischen „Inventionen“ von merkwürdiger Pracht, und mit Grießwärteln, Platzmeistern, Turnier-Richtern und Richterinnen, welche Preis- und Treff-Dänke und Lust- oder Frauen-Dänke austheilten[11]. Den Beschluß machten, durch die Diener ausgeführt, entweder Fechtschulen mit Fechtmeistern und Freifechtern, oder Kübelturniere. Auf der alten Rennbahn wurden später auch große Feuerwerke abgebrannt. – In dem der Aufsicht eines „Armbrusters“ übergebenen Schießhause mit den Schießbergen wurden vielbesuchte fürstliche Armbrust- und Büchsen-Schießen gehalten, wovon das merkwürdigste wohl jenes Armbrustschießen war, das Herzog Christoph am 23. September 1560 veranstaltete und| wobei 505 Schützen aus allen Gegenden Deutschlands und der Eidgenossenschaft, Fürsten und Bürger, Edelleute und Bauern erschienen[12]. Außerhalb der Gartenmauer stand die 1579 errichtete Vogelstange, wo namentlich Herzog Ludwig Armbrustschießen hielt. – Für den Blumen- und den Pomeranzen-Garten hielt Herzog Christoph 1560 den Gärtner Coßmann von Metz mit 6–7 Gehilfen; 1626 finden sich 9 Gartenmeister, worunter Franzosen und Italiener. Christoph legte hier 1552 die erste Orangerie in Deutschland mit einem heizbaren Wintergebäude an, wovon noch jetzt einige Bäume vorhanden sind; er ließ Pomeranzen und Adamsäpfelbäume aus Mailand, Citronen und Limonienbäume aus Lucca, indianische Feigenbäume aus Genua, Rohrzucker- und Pflaumenbäume aus Sicilien kommen und erhielt 1560 von Landgraf Philipp von Hessen gelbe Rosen, 1561 von der verwittweten Pfalzgräfin bei Rhein edle Zwetschgenbäume. (S. auch unten Obstbau.) Von hier kamen 1577 die ersten Pomeranzenbäume in den Münchner Hofgarten und 1601 in den Hofgarten zu Carlsburg (Durlach). Herzog Ludwig verschrieb 1586 aus Florenz 34 exotische Blumen-Gattungen. Das Pomeranzen- und Feigen-Haus, welches noch bis 1690 Sommers abgebrochen wurde, war um 1580 176′ lang und 63′ breit. Im J. 1596 fanden sich Citronat- und Granat-Äpfel, Feigenbäume, Spindelbäume, Lorbeer- und Buchs-Bäume, Myrthen. Auch war seit 1595 hier für die Zwecke des Seidenbaues eine größere Maulbeer-Plantage unter einem eigenen Maulbeergärtner. Merkwürdig ist die im neuen Lusthaus abgebildet gewesene aloë americana, welche in dem Blumengarten im Sommer 1658 blühte; der Stengel war 301/2′ hoch, die 112 Blätter hatten 321/2′ im Umkreise und waren 9′ lang und 1′ breit, an 40 Nebenästen saßen gegen 12.000 Blumen. Im Jahre 1689 blühten hier mehrere Aloen und 1660 eine 6′ 4″ große Jucca nova gloriosa. Noch 1736 konnten 20.000 Pomeranzen und Citronen etc. nach Hof geliefert werden; und der Pisang, der Kaffeebaum und die Ananas trugen köstliche Früchte. – In dem Blumengarten befand sich früher unter Herzog Ludwig ein Ölberg und ein Wasserwerk, das die Lustwandelnden unversehens netzte und eine Jagd aus Erz, tanzende| Bauern etc. in Bewegung setzte. An die Stelle desselben ließ Herzog Johann Friederich 1613 durch den Ingenieur Gerhard Philippi und Esaias von Hulsen und auf des Erstern Tod 1621 durch Letztern allein die berühmte, den Brüsseler Werken nachgebildete Lustgrotte erbauen, wovon der Überschlag 33.054 fl. betrug, da blos für die „movirenden Sachen“ 7000 fl. berechnet waren. Es war ein 101′ langes, 97′ breites Gebäude in toscanischem Styl, aus geschliffenen Quadern, die von Urach hergeführt worden, mit zwei Pavillons und einer Altane. Außer andern Sehenswürdigkeiten waren da in Nischen allerlei künstliche Vögel, die durch den Druck des Wassers wie natürliche sangen, Männer, die aus Waldhörnern bliesen, Enten, welche vorgehaltenes Wasser verschluckten, eine Wasser-Orgel, ein Jäger, der unter starkem Knalle nach einem Adler Wasser und Feuer zugleich schoß. Ausgeworfene Wasser bildeten überall wunderbare Figuren, Blumen, Regen, Regenbögen, Nebel und dienten zum „Abkühlen“ uneingeweihter Spaziergänger. Für die Maschinerie sorgte ein Grottier. Herzog Ludwig ließ den ganzen Lustgarten mit einer schönen hohen Mauer und vier Thürmen umfassen, wovon der Jerusalemsthurm, an der südöstlichen Ecke, eine Wasserorgel hatte und mittelst optischer Vorrichtungen in seinem Innern die heilige Stadt, als sie in ihrer größten Herrlichkeit war, darstellte. Auf der Morgenseite lief der Mauer entlang der Nesenbach, bis zur Grotte, wo er zu dieser sich bog und dann wieder geradeaus floß. Während des dreißigjährigen Krieges wurden durch die fremden Völker Schloß und Lustgarten arg verderbt, und die Pracht des Letztern war von da an für immer dahin. Unmittelbar bei dem nachmals „Franzenthörle“ genannten untern Gartenthore, dem zur Linken ein zweiter Garten der Herzogin, und unter diesem der Küchengarten mit einem Gartenhause lag, begann, dem Nesenbach entlang, der 1572 angelegte, fast eine halbe Stunde lange, bis zum Zollhause bei Berg führende Rennweg oder Kiesweg, welchem zur rechten Seite die schnurgerade, mit Bäumen besetzte, 1126 Schritte lange Pallmaille, der Spaziergang der Stuttgarter, sich hinzog. Am Ende derselben, auf der Hälfte des Rennweges, bei dem Hirschbade, baute Herzog Ludwig 1579 den ganz massiven, erst 1739 abgebrochenen Wasserthurm, mit einem Kunstwerke, das die Brunnen des Lustgartens mit Wasser versah.

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Von weiteren, um das Schloß, den Kern des großen Haushaltes, gruppirten Zugehörungen sind zu nennen: das östlich gelegene Harnischhaus, zu dessen Waffen die Burgbewohner durch den oben erwähnten Gang schnell gelangen konnten, und wo ein „Rüstmeister“ einige hundert Rüstungen aller Art, zu Schimpf und| Ernst, verwahrte. Auf der Südseite lag, neben dem alten, schon 1394 genannten Bauhofe, der alte Marstall, dem der „Marstaller“ vorgesetzt war. An der Stelle dieser drei Gebäude, des Gasthauses zum Kreuz und einiger Privathäuser, baute Herzog Christoph 1560 mit etwa 15.000 fl. den neueren Marstall, das jetzige Stadtdirektions-Gebäude. Die Strecke des Grabens von hier bis zu dem auf dem Turnieracker gelegenen Zeughof, wo „der Hirschbrunnen“ stand, hieß der „Hirschgraben“. Das Zeughaus war mit einer Mauer umgeben, innerhalb welcher auch das Bindhaus und die Küferei lag und wurde 1566 neu gebaut. Es stand unter dem „Zeugmeister“ mit seinen „Büchsenmeistern“[13]. An die Stelle dieser Gebäude kam 1834 der Bazar, ein massives Privatgebäude mit 15′ hohen Arcaden und 19 Gewölben. Hinter dem Marstall war die kleine herrschaftliche Kelter, die nachmals zur Botenmeisterei (für den Canzleidienst) eingerichtet wurde; ein noch stehendes Haus mit weithin sichtbarem hohem Giebel (Enge Straße Nr. 8). Gegenüber vom Schlosse, auf der Westseite, lag die Canzlei, noch jetzt die alte Canzlei genannt. Ursprünglich stand sie hinter der Stiftskirche, an der Stadtmauer. An die Stelle der jetzigen kam 1446 ein hölzernes, 1543 aber ein massives Gebäude, wozu die Steine der abgebrochenen Heslacher Wallfahrtskirche verwendet und einige nebenstehende Gebäude, worunter die Stiftspredigerswohnung, abgebrochen wurden. Das Gebäude, wie es jetzt steht, baute Herzog Christoph 1566, wobei gleichfalls einige Privathäuser, namentlich auch das des Schloßkaplans, niedergerissen werden mußten. In diesem Gebäude, das am 30. December 1684 durch Feuer sehr beschädigt wurde und jetzt der Bau- und Garten-Direction und der Nationalindustrie-Anstalt etc. eingeräumt ist, fanden sämmtliche Regierungsbehörden des Landes bis 1776 Raum. Der 1560 abgebrochene Bauhof wurde sofort auf den Turnieracker verlegt. Er enthielt Wohnungen und Werkstätten für die fürstlichen Baumeister, den Hofschreiner und andere Handwerksleute und| große Stallungen. Jetzt ist es Kaserne der K. Leibgarde zu Pferd. Dabei stand die Hofmetzig mit dem Schweinstall unter einem eigenen „Schweinmeister“. Südlich vom Schlosse lag der Klepperstall oder sogenannte Neue Bau, ein nach italienischen Mustern von Heinrich Schickhardt 1599–1609 an der Stelle des sogenannten unteren Bades und einiger Privathäuser aus Quadern errichtetes Gebäude von den schönsten Verhältnissen, mit vier Stockwerken und Thürmchen, mit durchbrochener Wendeltreppe auf den Ecken und Kupferdach. Der untere Raum diente zu Stallungen, den zweiten Stock nahm ein 124′ langer, 74′ breiter und 68′ hoher Saal mit einer auf 12 Säulen ruhenden Galerie und historischen Gemälden ein; in den übrigen Stockwerken befand sich unter der Aufsicht des „Plattners“, die Rüst- und Kunst-Kammer mit seltenen Kunst- und Naturgegenständen, Rüstungen, eroberten türkischen Waffen etc. Als Merkwürdigkeit wurde hier 1697 ein Schwert aufgehängt, womit vier Stuttgarter Scharfrichter, alle Namens Bickel, in 114 Jahren 800 Menschen hingerichtet hatten, abgesehen von 898 Enthauptungen mit andern Schwertern durch eben diese Männer in demselben Zeitraum! Dieses schöne Gebäude wurde 22. December 1757 im Innern durch Brand zerstört und 1779 und 1782 mit vieler Mühe vollends niedergerissen[14]. Nahe dabei, auf der Stelle des jetzigen 1710 zu bauen begonnenen Waisenhauses, wo die gegen Norden sich hinabziehende 1393 genannte Tanzwiese lag, war der Holzgarten, nächst diesem und den Schloßnebengebäuden das unten zu erwähnende kleine Theater, und zwischen dem Holzgarten und dem Schlosse ein noch 1700 genannter herrschaftlicher Weingarten. Bei dem Falkenthörlen lagen die Hofwäsche und schon 1480 die von dem Falknermeister und den Falknern bewohnte Falkenmeisterei[15], und nördlich von dieser, am Tunzhofer Thore, das erst 1819 abgebrochene Jägerhaus, wo der Jägermeister und der Meisterjäger mit den Wind- und Jäger-Knechten, und daneben die einige tausend Stücke fassenden Hundeställe, wo auch der Rüdenmeister wohnte. Neben dem Jägerhause stand das herrschaftliche Viehhaus, sowohl mit Melk- als mit Schlacht-Vieh, und diesem gegenüber das noch 1560 als „große| Kelter“ bekannte, 1599 umgebaute Futterhaus, 1813 von Thonret zu einem Theater und Redoutengebäude mit einem einfachen aber schönen, zuletzt zu Concerten und Ausstellungen dienenden Saal eingerichtet[16], hinter welchem sich der erste botanische Garten befand. Weiter aufwärts stand die Wohnung des Hofmarschalls und nicht weit davon das sogenannte Thumb’sche oder Marschallen-Haus, durch Herzog Ulrich 1505 von Hans Gaisberger erkauft und seinem Hofmarschall Conrad Thumb geschenkt. Es kam 1748 bleibend an Württemberg zurück und diente zur Aufnahme fürstlicher Personen. An der Stelle dieses „Fürstenhauses“ mit anstoßender Gewölbsverwaltung etc. wurde 1846 das Kronprinzliche Palais erbaut. Gegenüber, nächst dem Tunzhofer Thor, lag die Wohnung des Landhofmeisters, welche 1403 der Gräfin Antonia, Gemahlin Graf Eberhards des Milden, gehörte. Zunächst derselben wurde von 1605 bis 1677 das sogenannte Commishaus erbaut und zur Beherbergung fremder Gesandten benützt. Herzog Eberhard Ludwig ließ es 1710 mit Pilastern und Gesimsen in italienischem Style verzieren und bestimmte es zur Wohnung seines Erbprinzen. Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts befanden sich die Canzleien des hiesigen Kirchenrathes in diesem Gebäude. Der nun sogenannte Prinzenbau dient gegenwärtig dem Prinzen Friederich zur Wohnung. Der 250′ lange und 70′ breite Keller enthielt 1736 ein Faß von 150 Eimern mit Bildhauer-Arbeit, und ein Ovalfaß ohne Reife, worin viererlei Weine lagen. – Das oben erwähnte Brunnenhaus im Schlosse ließ Herzog Christoph 1560 auf den großen Graben auf dem Turnieracker, gegenüber der Stockwette (einer Pferdeschwemme), versetzen und zur Wohnung für seinen Erb-Prinzen einrichten. Später diente dieses „Stock“ genannte Gebäude zur Wohnung verschiedener Beamten. In dem daneben gelegenen Garten wurde 1578 der steinerne Fruchtkasten der Stiftungs-Verwaltung, nebst Bindhaus und Kelter und einem 150′ langen und 60′ breiten Keller erbaut. Beide Häuser, nebst dem zwischen ihnen auf der Ecke gelegenen Gebäude der Stiftungsverwaltung wurden 1806 einigen Staatsbehörden eingeräumt und von 1834 bis 1838 zu dem jetzigen Canzleigebäude umgebaut. – Alle diese Gebäude, nebst dem Lustgarten, lagen innerhalb des Burgfriedens, dessen Bruch mit besondern Strafen bedroht war. Über dessen Umfang vergl. Regierungsblatt 1807 S. 82 und 1818 S. 349.

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| Der übrige Theil der alten Stadt war nicht größer, als der Burgfrieden. Die Häuser in den engen krummen Gassen standen ganz nahe beisammen, besonders dicht, theilweise noch bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts, um das Schloß und die Stifts-Kirche her. Zu den ältesten Gebäuden sind die bei der unten zu beschreibenden Stiftskirche gelegenen beiden „Steinhäuser“ zu zählen. Das alte Steinhaus, hinter der Kirche, an der Stadtmauer, soll das ursprüngliche Stutenhaus gewesen sein und gehörte bis 1453 der Herrschaft. Das neue Steinhaus, der Kirche gegenüber, diente seit 1467 als Wohnung des Propstes. Die alte Propstei lag hinter der Kirche, neben dem herrschaftlich-steinernen Fruchtkasten und Kelter, in dessen Nähe auch die Wohnungen der Stiftsherren gestanden haben mögen, war mit der Kirche durch einen Gang verbunden und als Besitzthum der Edelleute von Kaltenthal von dem Propste Marquard aus dieser Familie 1321 dem Stifte geschenkt worden. Die ersterwähnte neue Propstei wurde 1688 zur Wohnung von höheren und fürstlichen Personen bestimmt, weßwegen es „das Schlößlein“ hieß, und 1761 an Privaten verkauft. Zwischen den Pfeilern des Chors der Stiftskirche stand vor der Reformation der Palmesel. Später, bis 1788 befanden sich daselbst einige vom Armenkasten verliehene Buden und Werkstätten und, der Canzlei gegenüber, die erst 1794 abgebrochene Schloßwache. Aus den ältesten Zeiten stammen auch das Gasthaus zum Adler (1335 abgebrannt) und die beiden Eckhäuser mit Erkern unten an der Schulstraße, in welcher die erste Schule und (1452) die Vogtei lagen. In dieser stand auch das 1439 an einen Privaten verkaufte herrschaftliche Haus des Küchenmeisters. Die Münze lag ursprünglich hinter dem Marstall, nicht ferne von dem städtischen Harnischhause, wurde aber um 1450 in die nun sog. Münzgasse oder finstere Münze verlegt und kam später in das in neuester Zeit abgebrochene Bergraths-Gebäude auf dem Dorotheen-Platze, welches 1737 dem Juden Süß Oppenheimer gehörte. Neben diesem ward 1787 die Oberamtei, jetzt Sitz des Ministeriums des Innern, erbaut. Auf demselben Platze stand das Gasthaus zum Bären. Beinahe mitten auf dem bereits 1304 erwähnten Marktplatze (Forum), dem Rathhause gegenüber, bei dem schon 1447 genannten Marktbrunnen, stand das Herrenhaus, 1431/2′ lang und 58′ breit, von Graf Ludwig auf der Stelle eines älteren städtischen Kaufhauses 1435 zu bauen angefangen und von Ulrich dem Vielgeliebten, dessen Steinbild mit der Reichssturmfahne einen Erker zierte, vollendet. Zur ebenen Erde waren die Fruchtschranne und die Fleisch- und Brod-Lauben; im zweiten Stocke, zu welchem eine Freitreppe führte, boten zu| Marktzeiten Handels- und Gewerbs-Leute ihre Waaren feil; im dritten Stocke wurden die peinlichen Sachen des Stadtgerichts verhandelt, wozu das auf dem Dach angebrachte Malefizglöckchen geläutet wurde. Vor dem Hause standen der Schnapp-Galgen, der Pranger und das Narrenhäuslein, in welches Übertreter von Polizei-Gesetzen gesperrt wurden. Das Haus wurde 1775 zur ebenen Erde in eine „Masken-Promenade“, und im Übrigen zur öffentlichen Bibliothek und Kunstkammer eingerichtet, 1820 aber abgebrochen und dadurch der Markt-Platz namhaft vergrößert. Nicht ferne lag der Adelberger Hof: eines jener mit Speicher, Keller und Kelter versehenen, von einem Conventualen bewohnten Gebäude der hier begüterten Klöster, das 1459 von einem Bürger erkauft und 1491 mit einer Mariencapelle versehen ward, deren Caplan ein gegenüber gelegenes Haus erhielt. Herzog Christoph schenkte den Hof 1556 seinem Vice-Canzler Hier. Gerhard. Den Bebenhäuser Hof, der 1350 als der v. Gültlingen Hof vorkommt, an der Stadtmauer gegen den großen Graben gelegen, kaufte 1457 das Kloster von der Herrschaft, erweiterte ihn und baute hieher gleichfalls eine Capelle, die 1699 zur französisch-lutherischen Kirche eingerichtet wurde. Er war mit einer Mauer, die einige Thore hatte, umgeben. Auf einem Theile des Klosterhofes, in dessen großem Keller der Sage nach ein Geist an die Fässer klopfte, wenn ein guter Herbst zu erwarten war, wurde 1838 das Criminal- und Stadtgerichts-Gebäude errichtet. Der Lorcher Hof mit Kelter, hinter dem Schlößlein, wurde 1483 erkauft. Auch die Klöster Heiligkreuzthal, Herrenalb, Lichtenstern und Maulbronn hatten Höfe hier, die jedoch schon vor der Reformation verkauft wurden und nicht näher bezeichnet werden können. Das letztere ist auch der Fall mit dem 1350 genannten alten, mittlern und neuen Hause der von Gültlingen. Die von Breidenbach besaßen das Eckhaus gegen das Schloß und die Stiftskirche, die v. Nippenburg (1509) eines am Markt, die v. Sachsenheim (1446–1576) die nachmalige Wagenmeisterei unter der Mauer und eines in der Kirchgasse, die Welling den jetzigen Gasthof zum Hirsch, die von Thalheim (1522) eines bei der Stiftskirche. In der Gaisgasse lagen (1411. 1472) zwei nach der Reformation aufgehobene öffentliche Frauenhäuser. In dem hinter dem Rathhause befindlichen, mit einem Thor versehenen Bürgerhöflein, bei der Aich, lag die Stadtschreiberei, welche nach der Reformation in den Hospital, der in das Prediger-Kloster verlegt ward, übersiedelte. Dieser lag ursprünglich beim obern Thore und hatte eine erst 1761 abgebrannte Capelle zum hl. Geist. Zwischen dem obern und untern Thore lag ein Beguinen-Haus, das nach| der Reformation zu einer Schule eingerichtet wurde. In dem der Eßlinger Vorstadt zugekehrten Stadtgraben lag das städtische Armbrusterhaus mit dem Armbrust-Zwinger oder Schieß-Platz, das erst bei dem Bau des neuen Schul-Gebäudes abgebrochen worden ist, nachdem es lange als Schul-Haus („Krähen-Schule“) gedient hatte, und eine vom Nesenbach getriebene herrschaftliche Mühle, die noch 1455 verliehen wurde.

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Die Stadt war mit Mauern, die noch 1575 bedeckte Umgänge für die Vertheidiger hatten, bald darauf aber mit Häusern besetzt wurden, mit Thürmen und Gräben mindestens seit 1286 wohl verwahrt und befestigt; wie sie denn auch in Urkunden von 1321 und 1361 ausdrücklich Vestung genannt wird. Die Kosten trug theils die Herrschaft, theils diese und die Stadt allein oder (wie beim Bau der Mauern) in Gemeinschaft mit dem Amte. Thore waren ursprünglich nur drei: das schon 1350 genannte (innere) Eßlinger Thor, 1566 von Stein wieder erbaut, in der jetzigen Markt-Straße, an dem 1631 theilweise auf der Stadtmauer gestandenen Gasthaus zum Becher; sodann das 1393 erstmals erwähnte, 1575 letztmals umgebaute Canzlei-Thor, da, wo jetzt der Durchgang durch den Prinzenbau ist; und das gleichfalls 1393 erstmals genannte, 1565 umgebaute, obere Thor, oben in der jetzigen breiten Straße. Neuer sind: das 1464 in der Nähe des jetzigen Waisenhauses erbaute Ledergerber-Thörlen, hauptsächlich als Einlaß für die Gerber bestimmt und wahrscheinlich gleichbedeutend mit dem Waisenhaus-Thörlen; das 1476 zur Verbindung mit dem Prediger-Kloster erbaute kleine oder Schul-Thörlen oben in der Schulgasse, das seit seiner Vergrößerung im Jahr 1535 das neue Thor hieß. Auf seinem Thurme wohnte bis 1496 der Thurmbläser, welcher die Ein- und Aus-Reitenden mit gewissen Signalen verkündigen mußte; auch brachten hier die zum Tode verurtheilten Missethäter ihre letzten Tage zu. Das untere Thor, oben in der Stifts-Straße, wurde 1582 erbaut und anfänglich nur eine hölzerne bedeckte Brücke, „die Kirchenbrücke“ über den Graben geschlagen, die erst 1605 durch eine steinerne ersetzt ward. Das kleine Thor am Ilgen-Platz wurde 1600 bei einer ausgebrochenen Seuche angelegt und die steinerne Brücke über den Graben, unter der noch vor 25 Jahren Schlosser und Nagelschmiede ihre Werkstätten hatten, 1762 erbaut. Das Thor hieß auch Hammel-Thörlen und der Stadtgraben hier „im Hammel“, weiter oben aber der Schuhgraben. Die Neben-Thore: das Falken- und Pfister-Thörlen sind S. 117 erwähnt. Jedes Thor theilte sich ab in ein inneres und ein jenseits des Grabens gelegenes äußeres Thor, und war| mit einem Thurme, der seit 1564 Glocken hatte, versehen. Außer den Thor-Thürmen werden noch die drei Gefängniß-Thürme zwischen dem oberen und neuen Thor in der Nähe der Vogtei genannt; der eine hatte einen Kerker ohne Licht und Luft, in welchen man nur mit Hilfe eines Haspels gelangte, der zweite enthielt die sogenannte „Katze“ und der dritte, nur für Weiber bestimmte, das „Frauenkätzlen“. Die Zwinger und Gräben waren, die Gegend um das Schloß ausgenommen, Eigenthum der Stadt und dienten schon im 16. Jahrhundert zu Gärten, Fischbehältern und verschiedenen öconomischen Zwecken. Der sogenannte große oder Linden-Graben, d. h. der obere Theil der Königs-Straße, war 50′ breit; von geringerer Breite war der kleine Graben oder die jetzige Eberhards-Straße. Außer den genannten Thorbrücken bestanden in früheren Zeiten keine Verbindungen mit den Vorstädten, mit Ausnahme der sogenannten neuen Brücke vom Lindengraben in die Hirsch-Straße, welche 1747 angelegt ward.

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Von den Vorstädten schloß sich südlich die 1350 erstmals erwähnte Eßlinger- oder St. Leonhards-Vorstadt an. Obgleich die Capelle zu St. Leonhard (die unten zu beschreibende nachmalige St. Leonhardskirche mit ihrem erst 1805 geschlossenen Gottesacker) derselben den Namen gegeben, so war die Capelle doch noch 1384 von Gärten, Äckern und Wiesen umgeben, indeß schon 1350 die Judengasse und Judenschule erwähnt werden. Die Bevölkerung dieser Vorstadt nahm hauptsächlich durch den Krieg mit den Reichsstädten zu, der die umwohnenden Landleute einen besseren Schutz aufsuchen hieß, und wuchs seit Mitte des 15. Jahrhunderts immer mehr an. Hier stand das der Gerberzunft gemeinschaftliche Ledergerberhaus und das schon 1480 erwähnte Schlachthaus. In der nachmaligen Schönfarbe, wo zuvor die v. Sperberseck saßen, befand sich noch 1520 die herrschaftliche Mange. Zunächst vor dem inneren Eßlinger Thor, an dem Nesenbach, war der Gießhübel angebracht: ein Kasten, durch dessen Fallthüre man Felddiebe etc. ins Wasser sprengte, um sie nach einiger Zeit wieder hervorzuziehen. Vor einem der Thore, das hievon den Namen erhielt, lag die „Hauptstatt“, d. h. der Platz zum Enthaupten, wo noch in diesem Jahrhundert das runde ummauerte Schaffot, der sogenannte „Käs“, zu sehen war. Bei dem Hauptstätter Thore stand das städtische Ordonnanzhaus und vor demselben das 1572 erbaute, nun zum Armenhaus eingerichtete Lazareth, neben welchem der schon 1564 angelegte, 1833 geschlossene Lazareth-Kirchhof lag. Die Strafen des Hängens, Räderns und Verbrennens wurden anfänglich auf dem Scheielberg in den Eßlinger Bergen vollzogen,| und es ist bei dem Eingang in die untere Heusteige noch jetzt ein 1518 von Hans Hack gestiftetes, den Weg auf Golgatha darstellendes Steinbild zu sehen, wo der arme Sünder die erste Andacht auf seinem letzten Wege zu verrichten pflegte. – Die andere Vorstadt, „der Turnieracker“, oder obere, auch reiche Vorstadt genannt, schloß sich nördlich an die alte Stadt an. Noch ehe sie angelegt worden, stand hier eine schon 1391 erwähnte Liebfrauen-Capelle; und auf dem Ackerfelde, welches sich um sie ausbreitete, wurden berühmte Turniere gehalten: namentlich im December 1361 von Graf Eberhard dem Greiner, im October 1436 von Graf Ludwig I. mit 29 Grafen und 316 Freiherrn und Adeligen, und im Januar 1484 von Graf Eberhard im Bart mit mehreren Fürsten, 22 Grafen und Freiherren, und 250 Adeligen. Aus welcher Zeit das am nördlichen Ende gelegene „Bollwerk“ stammt und von welcher Beschaffenheit es war, läßt sich nicht mehr ermitteln. Häuser und einige Straßen auf dem Turnier-Platz werden 1451 erstmals erwähnt; den Bau-Plan aber, nach welchem die Vorstadt der Schnur nach angelegt und in 12 Schritte breite und 500 Schritte lange Quer- und Kreuz-Gassen eingetheilt wurde, hat Graf Eberhard im Bart gegeben; er ist also nicht älter als vom Jahr 1483. Wie in der Eßlinger Vorstadt, so wohnten auch hier lange Zeit fast nur Leute niederen Standes (1563 „arme Tropfen“); schon um 1615 aber fand man in der Turnier-Ackervorstadt „die lustigsten Straßen, schönsten Häuser und reichsten Leute“, und sie hieß nun auch „die reiche Vorstadt“. Gleichwohl lag in der jetzigen Calwer-Straße noch bis 1717 die städtische Ziegelhütte, und waren noch viele Straßen mit Gärten begrenzt. Von namhafteren Gebäuden sind zu erwähnen: das von dem Amte zu Aufbewahrung seiner Wehr und Waffen 1492 erbaute Landhaus, welches 1527 an die Stadt, 1545 an den Hospital gelangte und 1728 an die reformirte Gemeinde verkauft wurde, die im Erdgeschoß ihre Kirche einrichtete und 1805 das Haus, unter Vorbehalt der letzteren, an einen Privaten veräußerte. In demselben soll sich der Reformator J. Brenz eine Zeit lang vor seinen Feinden verborgen und sich durch ein ab- und zugehendes Huhn, das täglich ein Ei legte, vor dem Hungertode geschützt haben. Nicht ferne davon lag der 1604 angelegte, erst 1804 eingegangene mittlere Kirchhof. Das 1569 erbaute städtische Schützenhaus am Büchsenthore wurde 1748 in eine Husaren-Kaserne für 130 Pferde eingerichtet, diente später den Zwecken der Tabaksregie und ist jetzt Sitz des K. statistisch-topographischen Büreau und der K. lithographischen Anstalt; wogegen das Schießhaus in den Zwinger oberhalb des| Büchsenthors verlegt ward. Das in derselben Straße stehende Hofkrankenhaus wurde 1611 erbaut, und ist jetzt im Besitze der Diaconissen-Anstalt. Vor der 1802 aufgefüllten Schellenwette auf dem Post-Platze stand die Reichs-Post, in deren 1833 neu aufgeführtem Gebäude nunmehr das K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens sich befindet. Da, wo die unten zu beschreibende neue Infanterie-Kaserne steht, am Rothenbild-Thor, war schon 1749–51 eine Kaserne errichtet worden, deren linker Flügel 3. Mai 1791 abbrannte. Vor dem genannten Thore lag ein herzoglicher Lustgarten, der nachmals sogenannte Küchen-Garten, in welchem sich 1736 außer einer Lust-Grotte eine schöne Orangerie, Ananas, zweierlei Pisang, flos cereus americanus, angulosus, serpentis major und andere seltene Pflanzen fanden. Zwischen dem großen und kleinen Graben, an der jetzigen Königs-Straße, gegenüber dem ehemaligen Gasthof zum römischen Kaiser, an der Stelle des städtischen Waghauses und des Gasthauses zur Bretzel wurde 1753 die Legions-Kaserne erbaut: ein Viereck, gegen die Königs-Straße 238′, gegen die Leimengrube, jetzige Marien-Straße, 241′ lang und 46′ tief, jetzt der Sitz der K. Centralstellen für Landwirthschaft und für Gewerbe und Handel u. dergl. Neuer ist das nahe gelegene, 1781 erbaute ehemalige Calwer Haus. Ebenda, in der Nähe des Gasthofes zum Rothen Haus, gegenüber der 1761 von der Stadt erbauten Hauptwache, ließ Herzog Eberhard Ludwig um 1720 für seinen Hofmarschall, Grafen v. Grävenitz, ein Haus aufführen, das von Herzog Carl Eugen seiner nachmaligen Gemahlin, der Gräfin Franciska von Hohenheim, übergeben wurde, und später bis 1816 zum Sitze der jeweiligen Erb- und Kron-Prinzen diente; das bedeutend erweiterte Gebäude ist jetzt dem K. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eingeräumt, und im Nebengebäude der K. Hofbank untergebracht. Der große Graben war bis 1761 mit Linden und Akazien besetzt; dasselbe geschah 1782 mit dem kleinen Graben von der Legions-Caserne an, die nun die kleine oder Juden-Planie hieß. Die Gegend, wo das 1685 erbaute Gymnasium steht, hieß noch 1535 „zur hohen Krähen“; hier stand ein zweites Beguinenhaus, wo nach der Reformation die lateinische und einige Zeit lang auch die deutsche Schule untergebracht ward, daneben die Wohnung des herzoglichen Capellmeisters. Das weiter unten stehende Landschafts-Gebäude wurde erst 1565 angelegt und zunächst für die Steuer-Kasse bestimmt, welche bis dahin auf dem Rathhaus war, wo auch, gegen 16 fl. jährlichen Miethzins, die Versammlungen der Landschaft gehalten wurden. Das größere, 1580 begonnene Eck-Gebäude enthielt den mit den Wappen der württ. Klöster und Städte gezierten| Versammlungssaal, der jetzt der Kammer der Standesherren eingeräumt ist. Im Hofe stand noch zu Anfang unseres Jahrhunderts die Landschaftsküche, aus welcher die Ausschußmitglieder gespeist wurden; in den Nebengebäuden wohnten die landschaftlichen Einnehmer, Consulenten und Secretäre, und waren Stallungen für ihre Pferde. In dem jetzigen Cameral-Amts-Gebäude (Linden-Straße) war die Kastkellerei und in der Nähe des Bauhofes, wo sich jetzt die 1834 erbaute Realschule befindet, die Heuwage und eine Zehentscheuer. Unmittelbar vor dem Tunzhofer- oder Siechen-Thor, vor welchem vor 1476 ein sogenanntes Steinhaus lag, befand sich bis 1791 das mit einer Mauer umfangene Siechenhaus mit seiner 1452 erbauten Heiligkreuz-Capelle. Das Bettel- oder Seel-Haus stand vor dem Seel-Thor, in dem nachmaligen Gasthaus zum gelben Hause, bis das Siechen-Haus mit dem Seel-Hause 1791 in das frühere Gasthaus zur Rose vor dem Hauptstädter Thor verlegt wurde. Vor dem Siechen-Thore befand sich der (erste) herrschaftliche Küchen-Garten; vor dem Büchsen-Thore, nahe bei dem damals kirchenräthlichen Holz-Garten, lagen die herrschaftlichen Werkhäuser und die 1763 angelegte, neuerlich fast ganz eingegangene, Stadt-Allee. Auf einer Anhöhe bei der Brag stand bis 1788 der 1597 errichtete, 35′ hohe, eiserne Galgen, an welchem von 1593–1606 vier vorgebliche Goldmacher aufgehenkt wurden, und auch der Jude Süß Oppenheimer 1738 endigte.

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Mit dem Bau der Vorstadt-Mauern, welche gleichfalls Umgänge und Brustwehren hatten, wurde zwar schon 1448 an der Eßlinger Vorstadt begonnen; vollendet aber war die Ummauerung beider Vorstädte erst 1567, wo sich hinsichtlich der Kosten dahin vertragen wurde, daß die Herrschaft, die Stadt und das Amt je gewisse Bezirke übernahmen. Die Haupt-Thore[17] der Eßlinger Vorstadt waren: gegen Osten das äußere Eßlinger Thor, bei dem jetzigen Gebäude des Kriegs-Ministeriums, gegen Süd-Westen das Hauptstädter Thor, bei der Einmündung des Wilhelms-Platzes, beide 1478 erbaut, und als Neben-Thor gegen Süden das 1564 errichtete Lazareth-Thor. Das Academie-Thor in der jetzigen Neckar-Straße war erst 1793 errichtet und als Canstatter Thor 1806 weiter hinab unter das jetzige Bibliothek-Gebäude versetzt worden. Die Turnier-Acker-Vorstadt hatte sechs Thore: das 1490 erbaute| Tunzhofer- oder Siechen-Thor, das ursprünglich bei dem Gasthaus zum grünen Baum da in der jetzigen Königs-Straße stand, wo sich diese mit der Schloß-Straße kreuzt, bis 1807 am Ende der neuangelegten Königs-Straße das „Königs-Thor“ erbaut wurde; das 1575 neu gebaute untere See- oder See-Gassen-Thor, bei dem jetzt dem Catharinenstift eingeräumten Gebäude in der Friedrichs-Straße; diesem Thor zunächst stand noch bis 1811 die 1717 erbaute städtische Ziegelei; das Sebastians- oder Büchsen-Thor nächst dem ehemaligen Schießhause, 1748 neu erbaut und 1855 abgetragen; das obere See-Thor auf dem Bollwerk, am Ende der jetzigen Garten-Straße, das bei Trockenlegung des oberen Sees einging; das Reinsburger oder, wie es auch wegen eines noch 1522 dabei gestandenen rothangestrichenen Heiligenbildes hieß, das Rothebild-Thor zwischen der jetzigen Infanterie-Kaserne und der Paulinen-Straße, und das 1564 erbaute Seel-Thor am südwestlichen Ende der Legions-Kaserne in der Tübinger Straße. Ein kleines, 1569 geschlossenes Neben-Thor führte zu dem am unteren See gelegenen Waschhause. Auch mehrere der Hauptthore waren mit jenseits des Grabens gelegenen Außen-Thoren versehen. Außer den Thor-Thürmen hatten die Vorstadt-Mauern noch 15 Thürme, wovon genannt werden: 1464 der Lederthurm in der Eßlinger Vorstadt; 1451 der weiße Thurm, in welchem der Nachrichter wohnte, an dem jetzigen Wilhelms-Platz; der Schellen-Thurm, worin die zu öffentlichen Arbeiten Verurtheilten, die sogenannten Schellenwerker, verwahrt wurden, zwischen dem Seel- und Hauptstätter-Thor; der Waag- oder nachmalige Peinlichfrag-Thurm, worin die Peinlichbeschuldigten gefoltert wurden, zwischen dem Seel- und Rothebild-Thor; und der außerordentlich starke Pulver-Thurm zwischen dem Rothebild- und Büchsen-Thor, beide 1564 erbaut und erst 1818 abgebrochen. So umkreisten die Vorstädte, welche zusammen einen beinahe dreimal größeren Raum, als die alte Stadt umfaßten, diese ringsum, mit Ausnahme der östlichen Seite, wo, wie schon erwähnt, das von dem Lustgarten begrenzte Schloß lag. Nach einer ums Jahr 1620 gemachten Aufnahme H. Schickhardts hatte die Stadt mit den Vorstädten 15.400′ im Umfange. Im Jahr 1589 zählte sie 1288 Privat-Gebäude, wovon 496 auf die innere, 440 auf die obere und 352 auf die Eßlinger Vorstadt kamen.

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Zum Schutz gegen Feindes-Gefahr und Feuersnoth dienten einige der Turnier-Acker-Vorstadt nördlich sich anschließende, der Herrschaft gehörige, mit Fischen besetzte Seen, die der „Seemeister“ zu beaufsichtigen hatte. (Vergl. S. 17.) Vor dem schon erwähnten Bollwerk war namentlich der schon 1304 genannte, 9 Morgen| große obere See gelegen, welcher aber schon 1555 nicht mehr im Stande war. An ihn stieß westlich der bis zum Büchsen-Thore hinabgehende, 1393 erstmals erwähnte, 61/2 M. große mittlere See an, der 1700 trocken gelegt, 1752 mit Maulbeerbäumen zur Seidenzucht besetzt und später in Gärten umgeschaffen wurde, die daher noch jetzt „Seidengärten“ heißen. An diesen stieß der durch ihn gespeiste, von ihm nur durch den als Straße zum Büchsen-Thore dienenden Damm getrennte, 1440 angelegte untere See, der bei einem Umfange von 35 M.[18] bis zum Seegassen-Thor hinabreichte und eine 1464 und 1517 angelegte Bleiche begrenzte. Er war noch 1695 mit Fischen besetzt. Nach seiner erst 1737 erfolgten Trockenlegung entstanden hier die sogenannten „Seewiesen“.

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b. Neuere Ausbildung.
Der beschriebene Zustand hat sich im Laufe eines Jahrhunderts völlig verändert. Der Lustgarten mit seinen Gebäuden, ausschließlich des neuen Lusthauses, ging allermeist schon bei Erbauung des neuen Schlosses und Anlegung der Planie ein, und das Jägerhaus mit einigen anstoßenden alten Gebäuden an der Königs-Straße ward 1818 vollends beseitigt. Mit dem Abbruche der Mauern der alten Stadt, wovon nur noch der kleine Rest längs der Königs-Straße, der noch jetzt „unter der Mauer“ heißt, übrig ist, und der Thore, sowie mit Ausfüllung der Gräben derselben wurde schon vor 190 Jahren begonnen; diejenigen der Vorstädte verschwanden erst unter der jetzigen Regierung bis auf einige Mauerreste beim Bollwerk, an den Seewiesen und an der Heusteige, wo auch noch ein kleiner Thurm steht. Weil übrigens die Turnier-Acker- und theilweise auch die Eßlinger Vorstadt höher lagen, als die alte Stadt, so sind die von dort herabführenden Straßen noch jetzt zum Theile steil. Wurde hiedurch für die Salubrität viel gewonnen, so hat das äußere Bild der Stadt unter König Wilhelm auch sonst sich verschönert: düstere Farben sind von freundlichen verdrängt, Plätze und Straßen erweitert und so viel möglich geebnet, und gefälligere, solidere Bauten, erst durch Barth, Groß und Thouret, jetzt durch Gaab, Breymann, Mauch, Egle, Leins etc. greifen immer mehr Platz, und neue Stadt-Theile gehen Radien gleich fortwährend nach allen Seiten vom Kern aus, so daß jetzt der Umfang der Stadt zwei Wegstunden betragen mag. Auch der Weiler Berg und noch mehr Heslach rücken durch neue Bauten der Stadt immer näher. Unter König Friedrich entstanden| 1806–1807 die untere Hälfte der jetzigen Königs-Straße von dem grünen Baum an, wo jetzt das große schöne Gauger’sche Haus steht, und die Schloß-Straße, 1810–11 begonnen, die zunächst für die Gerbereien bestimmte Tübinger Vorstadt, die verlängerte Friedrichs-, Kronen-, Dorotheen- und Charlotten-Straße, 1812 der Charlotten-Platz. Noch mehr aber gewann unter König Wilhelm die Stadt nicht nur an Ausdehnung, sondern auch an Schönheit. Die Tübinger Vorstadt mit der Christophs-, Sophien- und der querlaufenden Tübinger- und Gerber-Straße wurde 1820 ausgebaut; dasselbe war 1832 der Fall mit der 1820 begonnenen verlängerten Hauptstädter-Straße. Die zu Verbindung mit der letzteren dienende, 1832 eröffnete Wilhelms-Straße mit dem Wilhelms-Platze wurde 1833 vollendet, die Catharinen-Straße zur dereinstigen Verbindung mit der Charlotten-Straße 1838 eröffnet, und die Sophien-Straße 1832 bis zur Marien-Straße, 1838 aber bis zum (alten) Post-Platz erstreckt. Ein weiterer namhafter Stadt-Theil entstand in westlicher Richtung nach dem 1836 erfolgten Abbruche des Rothenbild-Thores auf dem Platze des ehemaligen herrschaftlichen Küchen-Gartens, wo 1839 die 1852 bis zum Tübinger-Thor verlängerte Paulinen-, sowie die Augusten-Straße mit der 1846 in gefälligem Styl erbauten Freimaurerloge Wilhelm zur aufgehenden Sonne, die verlängerte Rothenbild-Straße, und 1852 die Reinsburg-, obere und untere Silberburg-Straße entstanden. Die an der Nordwest-Seite der Stadt hinziehende, zu Anfang dieses Jahrhunderts für fremde Truppen angelegte, Militär-Straße, an welcher anfänglich nur Häuser von zwei Stockwerken (einschließlich des Unterstockes) gebaut werden durften, erhielt seit 1838 auch größere Gebäude, und wurde 1847 mit der verlängerten Garten- und der nicht lange zuvor angelegten Forstweg-Straße verbunden; von der unteren Friedrichs-Straße westlich ziehend wurde 1845 die Alleen-Straße angelegt. Die in der neueren Periode begonnene, mit großartigen Gebäuden besetzte, Neckar-Straße ist noch in der Fortsetzung begriffen. Die verlängerte Canzlei-Straße ward 1838, die bis zum Büchsen-Thore zu erstreckende verlängerte Schloß-Straße 1846 eröffnet und die von dieser aus auf den Seewiesen-Platz führende See-Straße 1852 begonnen. Um dieselbe Zeit wurden die südöstlich in die Neckar-Straße einmündende Archiv-, die mit der ersteren parallel laufende Urbans-, und die Olga-Straße angefangen.

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Seit der Regierung des Königs Wilhelm wurde die Stadt besonders auch durch mehrere ansehnlichere Gebäude bereichert, welche auf Staatskosten unter Zustimmung der Stände mittelst Verwendung| von Finanz-Überschüssen aus den 1830–40r Jahren für Staats- und öffentliche Zwecke theils neu errichtet, theils bedeutend erweitert wurden, als da sind: das Gebäude des Staats-Archives und der Naturalien-Sammlungen, das Museum der bildenden Künste, das Münz-Gebäude, die Real-Schule, die polytechnische Schule, das Gymnasium, die Canzlei an der Königs-Straße, die Infanterie-Kaserne, die Kavallerie-Caserne vor dem Königs-Thor, das Stadtgerichts-Gebäude, mehrere Pfarr-Wohnungen, die ständischen Gebäude etc. Im Ganzen kann man wohl behaupten, daß die Stadt seit Anfang dieses Jahrhunderts auf das Doppelte sich erweitert hat. Es bleibt aber zu bedauern, daß hiebei, wie mehrere neue, krumme und schiefe Straßen-Anlagen beweisen, nicht selten blos das Bedürfniß des Augenblickes berücksichtigt und daher Manches ausgeführt wurde, was zumal wegen der Unregelmäßigkeit der alten Stadt einem schöneren Erweiterungs-Plane für immer im Wege steht. Auch wird noch lange zu beklagen sein, daß die öffentlichen Brunnen innerhalb der Straßenbahnen gebaut wurden und größere und kleinere Häuser-Vortreppen noch immer die Fußwege vielfach unterbrechen. An den neuangelegten Straßen werden zwar die Häuserreihen nicht mehr zusammenhängend, sondern mit offenen Zwischenräumen und Einfahrten gebaut; nicht minder bleibt aber im Interesse der Feuer-Sicherheit, sowie der Annehmlichkeit und Gesundheit der Wohnungen zu wünschen, daß künftig mehr als bisher auf die Erhaltung grüner Plätze oder Gärten hinter den Häusern innerhalb der einzelnen Quartiere (Stadt-Viertel) von Seite der Bau-Polizei Bedacht genommen und die Anhäufung von Hinter-Gebäuden vermieden werde.

Von überwölbten Stadt-Thoren ist, nachdem das Büchsen-Thor in neuester Zeit abgebrochen worden, nur noch das Königs-Thor vorhanden, da solche durch Schranken mit angebauten Wach- und Thorwart-Häuschen, namentlich an der Friedrichs-, Tübinger-, Wilhelms-, Charlotten- und Neckar-Straße ersetzt worden, welche nach einem Vertrage von 1835 auf gemeinschaftliche Kosten des Staats und der Stadt zu erhalten sind.

c. Das Aussehen der Stadt
ist freundlich und der schon erwähnten Mängel ungeachtet, welche parallele und geradlinige Straßen-Anlagen mehrfach verhinderten, im Ganzen nicht unregelmäßig, da wenigstens die ehemalige obere Vorstadt und mehrere neue Stadt-Theile in der Regel von Querstraßen rechtwinklicht durchschnitten sind. Seit den neueren Verschönerungen kann Stuttgart mit seinen Umgebungen vielmehr den schöneren| Städten beigezählt werden, wobei freilich von der alten Stadt mit ihren krummen und engen Gassen, die hierin allen alten, nicht umgebauten Städten gleicht, abzusehen ist. Wie von den umliegenden Höhen aus die Stadt ein stets wechselndes Diorama darstellt, so sind es auch die neuen Stadt-Theile, die den Blick auf die Höhen eröffnen, welche – Stadt und Landschaft malerisch vereinigend – überall hereinblicken, und besonders wenn die Weinreben grünen, ungemein erheitern. In die Gärten hinausreichend ist die Stadt innerhalb ihres Weichbildes selbst noch reich an Gärten, welche, namentlich in einzelnen neueren Theilen, die Annehmlichkeiten eines halbländlichen Lebens gewähren. Schon hieraus erhellt, daß die Bauart eine weitläufige ist, und es nimmt auch in der That, wie schon vor 26 Jahren behauptet werden konnte[19], die Stadt einen Flächenraum ein, worauf nach der Bauweise (der älteren Stadt-Theile) von Paris oder Wien drei bis viermal mehr Menschen wohnen könnten. Die neuere, manche Vortheile bietende Bauart mit Höfen und Einfahrten trägt sehr dazu bei, die Straßen frei und rein zu erhalten. Keine neue Straße darf weniger breit als 50′ angelegt werden, und in alten Straßen soll kein Haus neu errichtet werden, wenn nicht eine Straßen-Breite von 40′ erreicht werden kann. Einzelne neuere Straßen, die Neckar- und Paulinen-Straße etc. haben noch größere Breite, und es wäre, zumal da neuerlich Gebäude von größerer Höhe häufiger werden, zu wünschen, daß auch bei anderen Straßen-Anlagen diese Rücksicht einträte. Die schönsten Straßen sind die in eine reizende Landschaft auslaufende Neckar-Straße und die derselben beinahe parallel laufende, gegen 80′ breite und 4000′ lange Königs-Straße, wo Sonntags die hohe und niedere, schöne und junge Welt sich bewegt und durch Post und Eisenbahn das lebhafteste Treiben herrscht. An diese reiht sich die durch die Kriegsberge begrenzte Friedrichs-Straße an. In den besuchteren Straßen gewinnen neuerdings die Gebäude durch Einrichtung schönerer Kaufläden und Magazine zu ebener Erde einen weiteren Schmuck. Die meisten neuen Häuser haben einschließlich des Parterre drei, die neuesten vier bis fünf Stockwerke, wovon besonders die mittleren eine Zimmerhöhe von 12–15′ erreichen. In einfachem Style gehalten, sind die Wohn-Gebäude meist zweckmäßig und bequem eingerichtet, manche mit Altanen oder Balkonen, Säulen-Portalen und Vorhallen versehen[20].| Die Mansarden und Giebeldächer werden von in rechtem Winkel stehenden Dächern verdrängt, von welchen das Wasser in bis zum Boden herabreichenden Röhren abgeführt werden muß. Den Massivbau sollen zwar die Behörden seit 1840 empfehlen; da aber ungeachtet der Nähe ergiebiger Steinbrüche die Preise der Werksteine sich immer noch hoch stellen, so ist der Holzbau noch vorherrschend, indem gewöhnlich nur das Äußere des ersten Stocks aus Steinen erbaut, das Übrige aber aus Fach-Werk bestehend, blos durch eine Verblendung bedeckt wird. Doch findet das Beispiel, welches Hof und Staat seit 1816 und die Stadt seit 1836 durch Massivbau geben, in neuerer Zeit auch von Privaten mehr Nachahmung; die Zahl der massiven Gebäude ist 95, wovon 26 Privaten gehören.

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d. Die Gesammtzahl der Gebäude.
Am 1. Juli 1853 wurden 5051, nämlich 3130 Haupt- und 1921 Neben-Gebäude gezählt, mit einem Brandversicherungs-Anschlag von 23.294.700 fl.; davon kommen auf Stuttgart selbst 2706 und 1708, auf Berg 109 und 63, auf Gablenberg 151 und 45, auf Heslach 164 Haupt- und 105 Neben-Gebäude. Hierunter sind 6 Königl. Schlösser und Paläste, 5 andere Kron-Gebäude und 44 Staats-Gebäude. Die Zahl und der Werth der Gebäude ist hier am Größten im Lande, fast dreimal größer als in dem in dieser Hinsicht nächstbedeutenden Bezirke (Ulm). Die Zahl der Haupt-Gebäude, die von 1451 im Jahr 1740 bis 1811 nur auf 1531 gestiegen war, hat sich seit 1811 mehr als verdoppelt. Im Jahr 1815 waren es 1976 Haupt- und 656 Neben-Gebäude mit 7.487.500 fl. B.-V.-Anschlag, welcher sich seitdem verdreifacht hat. In den 20 Jahren 1834–1853 wurden 499 Haupt- und 831 Neben-Gebäude neu errichtet; die Zahl der ersteren hat sich um etwa 1/7, der Gesammt-Brand-Vers.-Anschl. aber (1834–1835 12.828.475 fl.) beinahe um das Doppelte erhöht. Seit 1843 hat die Gebäude-Zahl um 14,4 (im ganzen Lande um 5,5) Prozent zugenommen, und ist der durchschnittliche Werth eines Gebäudes von 4114 fl. 24 kr. auf 4472 fl. 36 kr. gestiegen. In der Stadt selbst, wo 1834–1853 im Durchschnitte jährlich 18 Haupt- und 36 Nebengebäude neu errichtet wurden, fiel in die Jahre 1845–1846 und 1846–1847 die größte (55 H. und 89 N.), in die Jahre 1848–1849 und 1849–1850 die kleinste (10 H. und 4 N.) Zahl der Neubauten; in der Periode von 1851–1852 bis 1853 dagegen wurden 39 neue Haupt-Gebäude errichtet. In der| ganzen Gemeinde kamen auf ein Hauptgebäude der Privaten 15,6, in der Stadt insbesondere aber 16,5 Einwohner[21].

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e. Von den Königlichen und öffentlichen Gebäuden

verdienen folgende näher beschrieben zu werden:

I. Zur Ausstattung der Königlichen Civilliste (Krondotation) gehörig:
Das neue Königl. Residenz-Schloß[22] liegt bedeutend niedriger als die oberen Stadttheile, in reizender Lage am nordöstlichen Ende der Stadt, in dem vormaligen Lustgarten, da, wo unter Andern das S. 123 erwähnte Armbrust-Haus einst stand. Der Erbauer, Herzog Carl Eugen, legte am 3. September 1746 den Grundstein dazu. Die Baumeister waren: der Major und Ober-Bau-Direktor, nachmalige General v. Leger, der die ersten Pläne dazu entwarf und die Ausführung des ganzen Baues leitete, der vormals anspachische, nachmals württembergische Ober-Bau-Direktor, Major und nachheriger Oberst-Lieutenant, Leop. Retti, und der Nachfolger des letzteren seit 1752, der Ober-Bau-Direktor Major Pierre Louis Philippe de la Guepière. Werkführer war: der anspach’sche Hof-Zimmer-Meister Hoffmann; Bau-Conducteur: der nachmalige Major und Ober-Bau-Direktor Fischer, Bau-Designateur: Etienne Dupuis. Bau-Unternehmer waren: Joh. Georg Zitt und der Bau-Meister J. F. Weyhing. Der rechte Flügel wurde 1750 fertig, der linke kam 1754, das Haupt-Gebäude 1760 (wie die Jahreszahl auf dem die Krone umgebenden Balkon angibt) unter Dach; das ganze Bauwesen gerieth aber in’s Stocken, als in der Nacht 13.–14. November 1762 der bereits vollständig möblirte und kostbar ausgestattete rechte Flügel abbrannte und der Herzog 1764 seine Residenz nach Ludwigsburg verlegte. Hiedurch verzögerte sich der Ausbau bis zu dem Besuche des Großfürsten| Paul (nachmaligen Kaisers) von Rußland im J. 1782, wo der linke Flügel ausgebaut wurde, indeß der abgebrannte rechte erst 1791 wieder begonnen ward. Seine Vollendung verdankte das Schloß indessen erst dem König Friedrich, welcher 1805–1807 unter der Leitung Thourets den inneren Ausbau des rechten Flügels, sowie der übrigen noch nicht vollendeten Theile des Baues vornehmen ließ. Das Schloß stößt gegen Nord-Osten an den Königl. Hofgarten, gegen Süd-Osten an die Akademie-Gebäude; seine Süd-West-Seite mit der reizenden Aussicht auf die Planie wird von einem hübsch angelegten Garten eingeschlossen, und gegen Nord-Westen breitet sich vor ihm der umfangreiche großartige Schloß-Platz aus. Das Ganze besteht aus drei Theilen: dem Haupt-Gebäude oder Corps de Logis, und zwei Seitenflügeln, die wie jenes nach Norden und Süden vorspringen und dadurch Gelegenheit zur Aufführung mehrerer einzelner, von der Vorderseite des Haupt-Gebäudes verschiedener Façaden boten, die, ohne den Gesammt-Eindruck zu stören, dem Ganzen eine große Manchfaltigkeit der Ansichten verleihen. Das Haupt-Gebäude mißt auf seiner Hinter-Seite 600, auf der Vorder-Seite aber gegen den Schloß-Hof, gleich wie die beiden Flügel, 300 Fuß. Der Durchschnitt des Corps de Logis, sowie der Flügel und Vorsprünge beträgt 70′, so daß die Flügel gegen den Schloßhof eine Façade von 140′ Breite haben. Nach dem ursprünglichen Plane sollten sich diese Flügel in langen Galerien fortsetzen und in je einem großen Eck-Gebäude, wovon das eine zum Opern-Haus, das andere zur Haupt-Wache bestimmt gewesen, endigen. Das Schloß hat, das Erd-Geschoß mit eingerechnet, drei Stockwerke, deren drittes aber auf allen Seiten in Mansarden besteht, mit Ausnahme der Seite gegen den Schloß-Hof, wo dieselben mit geraden Stöcken und Attiken darüber wechseln. Unter allen Gebäude-Theilen befinden sich Sous-Terrains, die zum Theil zu Magazinen benützt werden. Auf sämmtlichen, in Zwischenräumen durchbrochenen Attiken sowohl, als auf den Verdachungen der Frontons, sind verschiedene, von Kinder-Engeln, Trophäen und anderen Attributen begleitete Statuen, allegorisch die fürstlichen Tugenden und Eigenschaften zu versinnlichen bestimmt, von italienischen Steinhauern ausgeführt, aufgestellt. Das ganze Gebäude ruht durchaus auf einem Pfahlroste, ist aus glattbehauenen Sandsteinen, die in den Eßlinger Bergen und in der Reinsburg gebrochen wurden, gearbeitet und hat einen sehr glücklichen und ganz gleichen Farbenton. Das ziemlich flache Dach ist mit Schiefer bedeckt. Die Fenster sind, mit Ausnahme derer in den Vorsprüngen, die rundbogig, und derer der Südseite, welche horizontal bedeckt| sind, im Stichbogen, die Thüren sämmtlich im Rundbogen überwölbt. Die Schlußsteine sind beinahe alle mit manchfaltig wechselndem ornamentalem und figürlichem Schmuck verziert. Zwischen den Thür- und Fenster-Öffnungen laufen gekuppelte Wand-Pfeiler nieder, welche im Erdgeschoß aus einfachen Wandstreifen mit Quader-Fugen, in den beiden oberen Stöcken aus Wand-Pfeilern jonischer und korinthischer Ordnung bestehen. Ein ziemlich kräftiges Gesims, das gegen den Hof zu mit einem Zahnschnitt-Fries verziert ist, trennt die beiden Stockwerke; auch unter dem stark ausladenden, um das ganze Gebäude laufenden Kranz-Gesims ist eine Platte mit kräftigen Zahnschnitten angeordnet. Den interessantesten Anblick bietet das Schloß von der westlichen Seite dar, wo man das Haupt-Gebäude sammt den Flügeln übersieht. Auf den Vorder-Seiten der ganz gleichen Flügel, von denen sich Frei-Treppen ausbreiten, tritt die mittlere Partie gleichsam als Avant-Corps hervor. Zwei Paar auf gemeinsamem Sockel stehende toskanische Säulen und zwei deßgleichen Pilaster tragen einen Balkon, der in der Mitte noch einen, von zwei ähnlichen Säulen gestützten, Vorsprung hat. Drei rundbogige Eingangs-Thüren führen im Erd-Geschoß durch diese Flügel in’s Innere, drei ähnliche öffnen sich auf den Balkon. Diese mittlere Partie theilt übrigens ihre Vorder-Seite in zwei ungleiche Hälften, da diejenigen auf der äußersten Seite gegen Süden und Norden ein Fenster weiter zählen, das den Durchgang in die früher projectirte Galerie hätte bilden sollen. Außer diesem West-Portal haben die Flügel-Gebäude auch noch ein weiteres gegen den Hof sich öffnendes Portal mit einem von zwei gekuppelten toskanischen Säulen und zwei Wand-Pfeilern getragenen Balkon, von denen jene den rundbogigen Eingang, diese zwei Rundbogen-Fenster einschließen. – Am Schönsten stellt sich jedoch das mittlere Haupt-Gebäude mit seinen vollendeten drei Stockwerken, deren drittes noch eine Attika mit freistehenden Figuren trägt, dar. In der Mitte springt es als Avant-Corps mit abgerundeten Seiten-Flächen hervor, in den Ecken, die es mit den Flügel-Gebäuden bildet, ist es dagegen in einem nach innen gekehrten Bogen ausgeglichen, der Veranlassung zu einem Balkon mit rundbogigen Thür-Öffnungen im zweiten Stock und ähnlich überwölbten Fenstern im Erd-Geschoß gab. Dem Avant-Corps baut sich ein großer Portikus aus gekuppelten dorischen Säulen und Wand-Pfeilern, mit einem Balkon vor, der mit einem durchbrochenen steinernen Geländer und dazwischen aufgestellten Postamenten mit Kinder-Gruppen umzogen ist. Vor diesem Portikus, der zur Auffahrt dient, sitzen auf Postamenten einerseits Minerva, andererseits Herkules in Sandstein gehauene,| überlebensgroße Figuren. Das Giebelfeld, durch welches das Avant-Corps nach oben abgeschlossen wird, enthält in hübscher Relief-Darstellung das württembergische Wappen, auf der einen Seite von einer sitzenden Pallas mit dem Ölzweig in der Hand und einer neben ihr mit Blumen tändelnden Kinder-Gruppe, auf der andern von einem ruhenden Mars und einer andern mit Kriegs-Geräthschaften spielenden Kinder-Gruppe umgeben; eine Allegorie, die sich in den, auf der Verdachung des Giebels freistehenden, Figuren mit dazwischen angebrachten Trophäen wiederholt. Das Dach hat die Form einer von einem vergoldeten Geländer eingefaßten Kuppel, über die sich die kolossale, gleichfalls vergoldete, Königs-Krone erhebt, die 1806 an die Stelle eines Kurfürsten-Huts trat. Der große ansehnliche Hof ist auf seiner offenen Seite gegen den Schloß-Platz durch Ketten abgegrenzt, welche nur drei Einfahrten frei lassen und an steinernen Postamenten hängen, auf denen Kandelaber stehen. Den Haupt-Eingang bewachen auf vierseitigen Pfeilern die Schildhalter des Königlichen Wappens: ein Hirsch und ein Löwe, nach den Modellen Isopi’s in der Gießerei zu Wasseralfingen 1823 aus inländischem Eisen gegossen.

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Die Nord-Seite des Schlosses bildet für sich ein architektonisches Ganzes von großem Reiz. Sie besteht aus einem Avant-Corps in der Mitte und zwei, die beiden Arrière-Corps flankirenden, ziemlich weit vorspringenden Seiten-Flügeln. Der mittlere Vorsprung mit seinen abgeschrägten Seiten-Flächen hat im Erd-Geschoß, zu dem eine breite Frei-Treppe führt, drei rundbogige Eingänge, im zweiten Stock einen von hübsch verzierten Kragsteinen getragenen Balkon, und darüber einen Giebel, in dessen geräumigem Feld man eine allegorische Relief-Darstellung des Frühlings und Sommers in weiblichen Figuren mit lieblichen Kinder-Gruppen sieht. Auf der Verdachung des Giebels stehen runde Figuren, die einen ähnlichen Gedanken, wie den in dem Tympanum dargestellten, versinnlichen sollen. Der nordöstliche und nordwestliche flügelartige Vorsprung, von welch letzterem aus ein Gang in das Theater führt, haben gegen Norden drei miteinander verbundene Rundbogen-Fenster, daneben, durch Wandstreifen mit Quader-Fugen getrennt, je ein Fenster im Stichbogen und Eckwand-Pfeiler mit Quader-Fugen. Die anderen architektonischen Theile sind dem Style des Ganzen analog durchgebildet. Die Ost-Seite des Schlosses ist weniger ansprechend. Dem Haupt-Gebäude legt sich hier ein Avant-Corps und diesem das Treppen-Haus, das unter dem Kranz-Gesims mit dem en relief ausgeführten Königlichen Wappen geschmückt ist, vor. Die beiden Vorsprünge gegen Norden und Süden haben sechs rundbogige| Fenster und glatte Wände bis auf die Eck-Pfeiler, die mit Quader-Fugen durchzogen sind. Der südlichen Seite endlich legen sich, wie der nördlichen, in der Mitte ein Avant-Corps und gegen Osten und Westen zwei Seiten-Flügel vor. Diese beiden Vorsprünge haben je vier rundbogige Fenster und Eckwand-Pfeiler mit Quader-Fugen. Der mittlere Vorsprung, ein Treppen-Haus, an das sich rechts und links ein kleiner Rundbau anschließt, ist dreistockig, und hat wie das Arrière-Corps viereckige Fenster und Thüren. Die Eckwand-Pfeiler und Pilaster zwischen den Fenstern und Thüren haben Quader-Fugen und auf der Attika stehen steinerne Vasen. Obgleich das Schloß nicht einen, sondern mehrere Bau-Meister hatte, sich auch mehrere Stylarten der damals in Deutschland so verbreiteten Bauweise daran erkennen lassen, so entbehrt dasselbe dennoch durchaus nicht einer gewissen Harmonie der Gesammt-Anlage, wie es auch in seinen Verhältnissen das Gepräge des Großartigen trägt und in der Ausführung den besten Geschmack jener Zeit verräth.

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Treten wir unter dem Portikus des Haupt-Gebäudes durch das aus drei großen Flügel-Thüren bestehende Haupt-Portal in das Innere, das durch beide Stockwerke in zwei mit einander parallel laufende Reihen von Zimmern eingetheilt ist, so nimmt uns hier eine sehr helle und geräumige, aus mehreren Abtheilungen bestehende Vorhalle auf, die, sammt dem Platz vor der großen Treppe, durch die reiche Abwechslung architektonischer Formen und die interessante Zusammenstellung von Bögen und architravirten Gesimsen, gekuppelten Säulen und Pfeilern von dorischer und jonischer Ordnung, gewölbter und flacher Decken sehr hübsche perspektivische An- und Durchsichten darbietet. Die früher weißgeputzten Wände und Decken wurden 1853 mit passendem farbigem Schmuck und Vergoldung nach den Angaben und unter der Leitung des Hof-Bau-Meisters Knapp verziert. Die von hier aus in den oberen Stock führende Frei-Treppe wird die Marmor-Treppe genannt, weil die Wände des Treppen-Hauses wie die Ruhe-Bänke mit grünlichem, röthlichem und schwarzgeflecktem Marmor bekleidet sind. An den Wänden laufen Pilaster mit korinthischem Kapitäl empor, auf denen das überreich verzierte Haupt-Gesims ruht, über dem unter der Decke eine Reihe Nischen und gegen Osten und Westen große Zier-Schnörckel mit sinnbildlichen Figuren zum Vorschein kommen. Auf der Ruhe-Bank stehen in einer Nische um einen Kandelaber gruppirt zwei antik drappirte weibliche Figuren, ein Werk Dannecker’s (oben S. 106). Darüber sieht man auf einem Gesims die Büste des Herzogs Carl Eugen von Württemberg in carrarischem Marmor, von Le Jeune. Das trefflich in Öl| gemalte Decken-Gemälde stellt eine Allegorie auf das unter dem Einfluß der Künste und unter der Fruchtbarkeit der Jahres-Zeiten blühende Württemberg dar. Es wurde von dem Galerie-Direktor Guibal im Jahre 1758 (welche Zahl mit dem Namen des Künstlers auf dem Gemälde selbst angebracht ist) gemalt. Durch ein Vestibule, dessen Wände mit grünem und röthlichem Marmor bedeckt sind, und in welchem Leuchterträgerinnen: vergoldete Statuen auf Postamenten zwischen den in das anstoßende Gemach führenden Eingängen stehen, gelangt man in den großen Marmor-Saal, der eine länglicht-runde Grund-Form hat, 63′ lang, 401/2′ breit und 401/2′ hoch ist. An den mit verschiedenem farbigem Marmor bekleideten Wänden laufen marmorne Säulen und Pilaster, mit metallenen Fuß-Gesimsen und Kapitälen geschmückt, empor. Sie tragen das Gesims, das sich vor den darüber zurückweichenden, mit figürlichem Schmucke bedeckten, oberen Wänden zu einer um den ganzen Saal laufenden Galerie bildet. Das Gemälde des Spiegel-Gewölbes der Decke, nach einer Zeichnung von Guibal, durch Hetsch (oben S. 105) ausgeführt, zeigt in der Form eines ovalen Bildes, das eben vollendet, von Engeln in die Rahme gehoben wird, eine allegorische Darstellung. Die beiden Basreliefs von cararischem Marmor, Bildnisse der Herzoge Carl Eugen und Friedrich Eugen, sind jenes von Le Jeune, dieses von Dannecker. Auf den Öfen stehen goldbronzirte Büsten Sr. Majestät des jetzt regierenden Königs. Von dem Marmor-Saal tritt man auf den Balkon des Portikus. Die südlich an den Marmor-Saal anstoßenden sog. Gesellschafts-Zimmer durchwandernd, in welchen wir eine sehr schöne Bacchus-Statue von Dannecker bewundern, treten wir in den Thron-Saal, und von da an in zwei mit ausgezeichneten Fresco-Gemälden geschmückte Säle. Diese von Hofmaler v. Gegenbaur in den Jahren 1837–1841 ausgeführten Bilder[23] stellen Begebenheiten aus der württembergischen Geschichte dar, und zwar im ersten Saal links: den Ausfall Graf Eberhard des Erlauchten aus der belagerten Stadt Stuttgart (im Jahr 1286); rechts: die Schlacht bei Eßlingen zwischen Graf Ulrich dem Vielgeliebten und den verbündeten Reichsstädten (im Jahr 1449); auf der Rückwand: den Einzug des Herzogs Eberhard im Bart in Tübingen (im Jahr 1495); ferner im zweiten Saal aus dem Leben des Grafen Eberhard des Greiners, links: dessen Flucht aus dem Wildbad (im Jahr 1367); rechts: die Zerstörung| der Veste Berneck (im Jahr 1368); und auf der mittleren Wand: die Schlacht bei Döffingen (im Jahr 1388). Die Surporten im ersten Saale zeigen: einerseits das von Genien gehaltene württemb. Wappen, andererseits das Wappen des ersten württemb. Herzogs, Eberhards im Bart, mit dessen um eine Palme gewundenen Wahlspruch: Attempto; die im zweiten Saale über der Thüre rechts: das Vaterland, die Waffen des Grafen Ulrich haltend und trauernd um den gefallenen Helden; über der Thüre links: die Württembergia, zu ihren Füßen die erbeuteten Waffen und Banner der Feinde, dem Grafen Eberhard den Sieges-Kranz reichend. An diese Bilder-Säle stößt der sogenannte rothe Marmor-Saal, dessen Wände von verschiedenartigen einheimischen Marmor-Arten bekleidet sind. Der Sockel ist von graulichem Marmor; die Wand-Pfeiler von jonischer Ordnung sind aus weißem, und die Füllungen von rothem Alabaster; Kapitäle und Gesimse vergoldet. Ein 105′ langer, 261/2′ breiter und 30′ hoher, gewöhnlich für die Hof-Concerte bestimmter Saal, eine Galerie mit Tonnen-Gewölbe, deren Wände mit marmornen Säulen und vergoldeten korinthischen Kapitälen, mit einem Haupt-Gemälde, den Olymp darstellend, zwei ovalen Bildern und verschiedenen grau in Grau gemalten Darstellungen an der Decke und kleineren Bildern über den Thüren und an den Wand-Füllungen zwischen den Säulen geschmückt sind, führt uns in den sog. weißen Saal, der 108′ lang, 48′ breit und 33′ hoch ist. Er enthält ein reich mit Stuccatur-Arbeiten verziertes Spiegel-Gewölbe, in das gegen Westen Lunetten eingelassen sind. Vor den mit Pilastern verzierten Wänden stehen neun große, prachtvoll gearbeitete Kandelaber von Isopi. Von hier aus nehmen wir den Weg durch die hinter den bisher durchwanderten Sälen und Zimmern gelegenen Gemächer, durch den ehemaligen Ball-Saal, das Vestibule des Treppen-Hauses im südlichen Flügel, die Appartements, welche Ihre Kaiserl. Königl. Hoheit, die Frau Kronprinzessin, bewohnte, mit Surports von Hetsch, mit figürlichem und anderem Schmuck, bis wir wieder in den großen Marmor-Saal gelangen, um nun die rechts an denselben stoßenden Räumlichkeiten in Augenschein zu nehmen. In diesen sehen wir, indem wir sie in der nämlichen Reihenfolge durchwandern, welche wir bei den jenseitigen eingehalten haben, und zwar in dem ersten Saal, dem ehemaligen grünen Vorzimmer, große Gemälde vaterländischer Meister, nämlich: Orest und Pylades, und Hektor’s Abschied von Andromache, von Seele (gest. 1814); Brutus’ Abschied von der Portia, von Hetsch; Abrahams Einzug in’s gelobte Land, ein großes, figurenreiches Bild, von Dietrich; in dem früheren Thron-Zimmer: eine große bemalte| Porzellain-Vase aus Sèvres, kostbare, mit Silber eingelegte Kandelaber von Eben-Holz, einen runden Tisch mit einer auf der Ober-Fläche hübsch bemalten Lava-Platte. Das darauf folgende sogenannte Conferenz-Zimmer, dessen Wände durch Lissenen von reich vergoldeter Bildhauer-Arbeit in verschiedene, mit grauem Atlas tapezirte und mit rothem Atlas drapirte Felder eingetheilt sind, enthält: die trefflichen Bildnisse Friedrich I., Herzogs von Württemberg, Friedrich II., Königs von Preußen, und Peter des Großen von Rußland. An den Seiten-Wänden sieht man Reliefs in cararischem Marmor: das Stillschweigen und Nachdenken darstellend, von Le Jeune. Der in der Ecke zwischen dem nördlichen Flügel und dem Haupt-Gebäude sich befindende blaue Marmor-Saal hat seinen Namen von dem hellblauen Anhydrit, womit die Wände bekleidet sind. Der Sockel besteht aus grau-gelblichem Marmor, und die Pilaster mit ihren vergoldeten Kapitälen sind aus weiß-gelbem Kalkspath. Besonders interessant ist unter Anderem die darin aufgestellte Statue eines Amors in carrarischem Marmor von Bildhauer Schweickle (oben S. 109). In dem daranstoßenden sogenannten gelben Cabinet sind die Büsten des Königs Friedrich und der ehemaligen Königin von Westphalen in Marmor aufgestellt; die Wände sind mit den in Öl gemalten Bildnissen der Herzoge Wilhelm Carl, Ludwig Eugen und Friedrich Eugen, in deren Mitte sich das des Königs Friedrich I. in ganzer Figur und im Krönungs-Ornat von Hetsch befindet, geschmückt. In dem sogenannten blauen Cabinet bewundern wir das ausgezeichnet schön gemalte Porträt der Gemahlin des Kaisers Paul von Rußland, einer Schwester des Königs Friedrich von Württemberg, und zwei allerliebste Statuen in cararischem Marmor, Ceres und Bacchus, von Dannecker. Zwei andere Statuen, Bacchus und Ariadne, sind nach Antiken ausgeführt, und ein kleineres Bild stellt den Kaiser Alexander I. von Rußland dar. An den Wänden des folgenden Zimmers, des sogenannten Militär-Zimmers, hängen verschiedene geistvoll gemalte Schlachten-Bilder und militärische Scenen von Seele, unter denen namentlich eines, der Ausritt des Königs Friedrich mit Gefolge von Monrepos, wegen der treffenden Ähnlichkeit der darauf dargestellten Persönlichkeit vielfaches Interesse erweckt. Von den darin aufgestellten plastischen Arbeiten spricht eine Vase von Isopi mit bildlichen Darstellungen aus einer Fabel Äsop’s besonders an. Durch einen mit Schilden und Lanzen verzierten Vor-Saal und eine Galerie mit Tonnen-Gewölbe, die zu einer hübschen Treppe führt, gelangen wir in das sogenannte Gobelin-Zimmer, so genannt wegen der durch Lissenen von blauem| Glase in Felder eingetheilten Gobelins-Tapeten mit mythologischen Darstellungen. Das darauf folgende prachtvoll ausgestattete und mit Statuen nach Antiken, Vasen etc. geschmückte sogenannte gestickte Zimmer führt in das grüne Zimmer, worin das Sehenswertheste einige Gemälde sind, u. A. Amor und Psyche, Achill und Briseis, Daniel in der Löwengrube von Hetsch, der Staubbach von Koch etc. (gest. 1844). Die zwei Medaillons, Bildnisse des Königs in carrarischem Marmor darstellend, sind von Muralt. Das sogenannte weiße Zimmer in der Ecke gegen den Schloß-Platz, der Lieblings-Aufenthalt des verewigten Königs Friedrich, enthält, außer einigen Copieen nach Antiken und einem Gladiator von Canova, zwei Basreliefs mit lebensgroßen Figuren, Theseus und Ariadne, und Arria und Pötus, von Scheffauer (oben S. 105). Der Vor-Saal, der in die Gemächer des westlichen Vorsprungs am nördlichen Seiten-Flügel des Schlosses, oder über die mit der Statue der Pallas von Velletri geschmückte Treppe hinab zu dem vorderen Portal dieses Flügels führt, enthält verschiedene Marmor-Büsten und Gyps-Abgüsse nach Antiken. In dem anstoßenden gelben Zimmer, einer tempelartigen Rotunde mit Wänden von Gyps-Marmor und Nischen, in denen Vasen aufgestellt sind, steht, von den bis auf die oberen Bögen zugeschlossenen Fenstern in ein reizendes Dämmerlicht gehüllt, eine Statue der Venus von cararischem Marmor, und davor ein Dreifuß von einheimischem Marmor. Durch eine Reihenfolge von Gesellschafts-Zimmern mit prachtvollen Möbeln, kostbaren Gefäßen, Vasen, Schalen u. dergl., gelangt man in den Sommer-Saal, den Mittelpunkt des nördlichen Flügels, an den die Gemächer Ihrer Majestät der Königin stoßen, und von dem aus man die reizendste Aussicht auf den Schloßgarten genießt. Ein flüchtiger Blick in das auf der hinteren Reihe der Gemächer des Haupt-Gebäudes liegende Vorzimmer Ihrer Majestät zeigt uns das herrliche Gemälde unseres, der Kunst zu frühe entrissenen, zur höchsten Meisterschaft befähigten G. Schick (oben S. 109), Noah’s Opfer und mehrere vortreffliche Copieen nach Raphael, Dominichino etc. Die darauf folgende weiße Galerie steht zur Zeit leer, aber in dem daran stoßenden sogenannten gelben Zimmer sehen wir außer den Statuen des Frühlings und Winters von Scheffauer’s Meisterhand und einigen antiken Büsten, ein großes Gemälde von Hetsch, Tullia über den Leichnam ihres ermordeten Vaters fahrend. Das sogenannte Fahnen- oder Standarten-Zimmer schließt die Reihe der im mittleren Stockwerke des Schlosses befindlichen Gemächer ab. Man sieht darin verschiedene antike Büsten auf Tischen und an den Wänden, außer mehreren ausgezeichneten| Bildern von alten Meistern zwei Gemälde unserer Landsleute Carl Heideloff und Dieterich. Von jenem ist die Darstellung Kaiser Maximilians am Grabe des Herzogs Eberhard im Bart, von Letzterem: Herzog Eberhard im Bart von Württemberg, im Kloster Einsiedel das Weißdornreiß pflanzend, welches er von Palästina mitgebracht hatte. – Verfolgen wir unseren Weg durch die Gemächer des Erd-Geschosses in der nämlichen Richtung wie im oberen Stocke, so treten wir von der großen gewölbten Säulen-Halle unter dem großen Marmor-Saal gegen Süden in drei mit Fresken aus der württemb. Geschichte geschmückte Säle. Diese großen historischen Bilder sind ebenfalls von Hof-Maler v. Gegenbaur gemalt, und zeichnen sich namentlich durch die mit größter Sicherheit und Gewandtheit gehandhabte Technik der Fresco-Malerei aus. In dem ersten Sale sieht man, an der Wand zur Linken: Graf Eberhard den Erlauchten, vor Kaiser Heinrich VII. von Luxemburg zu Speyer (1309); rechts: Graf Eberhard den Greiner, Kaiser Carl IV. gegen seinen Nebenbuhler Günther von Schwarzburg vertheidigend (1348); an der Mittelwand: die Gräfin Henriette von Mömpelgard (Gemahlin des Grafen Eberhard IV. von Württemberg), den Grafen Friedrich von Zollern gefangen nehmend (1423). Die beiden folgenden Säle stellen Scenen aus dem Leben des letzten Grafen und ersten Herzogs von Württemberg, Eberhard im Bart, dar, und zwar erblicken wir im ersten Gemach auf der linken Wand: seine Pilgerfahrt nach Jerusalem (1468); auf der rechten: wie er zum Ritter vom heiligen Grab geschlagen wird (1468); auf der Mittelwand: seine Vermählung mit Barbara Gonzaga von Mantua (1474); im zweiten Saale sieht man auf der linken Seitenwand: Graf Eberhards Besuch bei Lorenzo von Medici zu Rom (1482); auf der in zwei Felder getheilten Mittelwand, links: wie ihm der Papst Sixtus IV. die heil. Rose verleiht, rechts: wie er vom Kaiser Maximilian mit der Herzogs-Würde belehnt wird (1495); endlich auf der rechten Seitenwand: Kaiser Maximilians Besuch am Grabe des Herzogs im Kloster Einsiedel (1497). Durch ein an diesen letzten Saal stoßendes Gemach von runder Grundform gelangt man jetzt in eine Reihe von Zimmern, welche zum Besuch für die hohen Gäste bei Hof bestimmt sind. Das zu einem großen Saal umgewandelte Vestibule des ehemaligen Eingangs-Portals im südlichen Flügel enthält in Nischen moderne Statuen der Minerva und des Mars, und auf Postamenten und Tischen verschiedene antike Büsten. An den Wänden oben erblickt man in halberhabenen Rundbildern allegorische Figuren. Die früher zum Aufenthalte der Prinzen von| Oldenburg dienenden Gemächer enthalten unter anderem Sehenswürdigen ein Bildniß des Herzogs Ludwig Eugen von Württemberg zu Pferd, von Hetsch, und einige Copien nach Antiken von Dannecker. Hierauf folgen drei Säle mit kostbaren Gobelins-Tapeten, von denen die des ersten Zimmers: Sabinus mit seiner Gattin und seinen Kindern, von Vespasians Spähern entdeckt; Arria und Pätus, und Peter den Großen im Kloster Troizkoi; die des zweiten: Scenen aus dem Leben der Indianer; die des dritten: Heinrich IV. König von Frankreich mit Sully, Heinrich IV. von Frankreich bei der Belagerung von Paris und eine Begebenheit aus der russischen Geschichte darstellen. Außer verschiedenen antiken Köpfen sieht man in diesen Gemächern auch noch die Büsten der Herzoge Carl Eugen und Friedrich Eugen, von Scheffauer, und die des ehemaligen Kapellmeisters des Ersteren, Jomelli. Aus dem letzten dieser Zimmer tritt man in das Vestibule des westlichen Eingangs-Portals vom südlichen Seiten-Flügel, eine von zwei Reihen von je vier Säulen jonischer Ordnung getragene Vorhalle mit horizontaler Decke. In den Nischen der Wände stehen einerseits die Statue des Ganymeds, andererseits die Gruppe Castor und Pollux. Rechts vom Eingang, in dem westlichen Vorsprung dieses Flügels, liegen die Zimmer für die Hof-Dienerschaft; der geräumige Vor-Platz aber setzt sich in die Haus-Flur fort, die sich hinter den eben durchwanderten Zimmern hinzieht und in der Mitte des Flügels, als Vorhalle des ehemaligen Eingangs-Portals, zu einem Vestibule umgestaltet, dessen Wände mit Pilastern, Halbsäulen und Nischen, in denen Figuren stehen, verziert sind, bis auf die Südwand, die sich in drei Bogenstellungen gegen das hier den mittleren Vorsprung der Süd-Façade bildende großartige Treppen-Haus öffnet. Dieses wird durch sieben hohe Fenster, über denen sich ein reichverziertes Gesims hinzieht, und sieben kleinere desgleichen über diesem erhellt, und enthält eine der schönsten und prachtvollsten Frei-Treppen, die es gibt. Sie wurde nach äußerst geschmackvollen Mustern in Wasseralfingen gegossen. Sämmtliche Wände, sowie die Decke des Treppen-Hauses, sind mit Malereien, theils aus figürlichen Darstellungen, theils aus Ornamenten bestehend, reich geschmückt. Die schöne Umgestaltung dieses Treppen-Hauses kam im Jahr 1853 zu Stande, ausgeführt nach den Zeichnungen und unter der Leitung des Hof-Bau-Meisters Knapp. Auch in dem Haupt-Gebäude setzt sich hinter den gegen den Hof stoßenden Zimmern die Haus-Flur fort, bis sie mit einem Durchgangs-Zimmer, das ein großes Bild von Hetsch, Joseph, die Träume deutend, Rebecca am Brunnen, von Bruckmann, und mehrere Gemälde älterer| Meister verwahrt, wieder in dem mittleren Vestibule des Hauptportals ausmündet. Nördlich stoßen an dasselbe die Zimmer der verewigten Königin Catharina, die einen großen Reichthum an vortrefflichen Copieen nach alten Meistern, nach Raphael, Correggio, Dominichino, Guido Reni u. s. w. und werthvoller Familienporträts enthalten. Sie ziehen sich bis zu dem einfach verzierten Vestibule des Südportals im nördlichen Flügel mit dorischen Wandpfeilern und cassettirter Decke, das sich vor dem prachtvoll ausgestatteten Speisesaal mit Reliefs in carrarischem Marmor nach Thorwaldsen ausbreitet. Die westlich an diesen Saal und die Vorhalle sich anschließenden zwei Reihen Zimmer einerseits mit der Aussicht nach dem Hof, andererseits nach dem königl. Schloßgarten, sind für fremde hohe Gäste bestimmt und auf’s Schönste eingerichtet. Östlich vom Speisesaal, und diese Seite des mittleren Flügels sammt dem nördlichen Vorsprung des Corps de Logis einnehmend, befinden sich die Appartements Sr. Majestät des Königs. Außer diesen einzeln angeführten Kunstschönheiten zeichnen sich sämmtliche Säle und Zimmer des Schlosses durch den Reichthum, die Manchfaltigkeit, Kostbarkeit und die künstlerische Behandlung der darin aufgestellten Möbel, Vasen u. s. w. aus den seltensten und werthvollsten Stoffen, durch die Menge von Uhren, Stuck-, Ciselir- und Metallarbeiten, prachtvollen Stickereien, Teppichen, Tapeten u. s. w. aus. – Die Zimmer des dritten Stockes sind zu Wohnungen für die Hofdamen und Kammerfrauen der Königin u. dergl. bestimmt.

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In der Mitte des Schloß-Platzes, im Angesichte des Schlosses, erhebt sich die Jubiläums-Säule, ein Denkmal der Erinnerung an die ersten 25 Jahre der segensreichen Regierung unseres geliebten Königs Wilhelm. In Folge der am 28. Sept. 1841 abgehaltenen Jubelfeier des Königs, (vergl. Erinnerungen an den Festzug der Württemberger und die Grundsteinlegung des Monuments nach Acten und zuverlässigen Quellen 1842), wurde der Grundstein der Säule am 27. Sept. 1842[24] gelegt,| und an demselben Tag des Jahres 1846 stand das Monument vollendet da. Auf drei Stufen steigt der ganz aus gräulich blauem in der Gegend von Wildbad gebrochenem Granit bestehende schöne Bau in die Höhe, eine Zierde des ganzen Platzes. Er besteht aus drei Haupttheilen, dem Unterbau, dem Fußgestell und der Säule selbst. Den viereckigen Unterbau schmücken Reliefs in Bronze, welche je die ganze Breite einer Seite und etwa ein Drittheil der Höhe einnehmen und Scenen aus dem Leben des gefeierten Monarchen darstellen: Thaten der Weisheit im Frieden, Scenen des entschlossensten persönlichen Muthes im Kriege, nämlich auf der gegen das Schloß gekehrten (südöstlichen) Seite: die Ständeversammlung, dem Könige, welcher die Verfassungsurkunde in der Rechten hält, die Linke auf das Schwert gestützt, den Huldigungseid schwörend; auf den drei übrigen Seiten Schlachtscenen aus den siegreichen Feldzügen der Württemberger unter Anführung ihres damaligen Kronprinzen, und zwar aus den Schlachten bei Brienne (Nord-Ost-Seite), Sens (Süd-West-Seite) und Fère-Champenoise (Nord-West-Seite). Über dem Unterbau erhebt sich, abermals auf drei Stufen das Piedestal, an dessen Ecken vier allegorische Figuren stehen, welche das Volk nach seinen verschiedenen Classen sinnbildlich vorführen, nämlich: 1) den Wehrstand, 2) Künste und Wissenschaften, 3) Handel und Gewerbe, 4) den Landbau. An der dem königl. Schlosse zugekehrten Seite des Piedestals ist folgende Inschrift in Metallbuchstaben in den Granit eingelassen: Dem treuesten Freunde | seines Volkes, König Wilhelm, dem Vielgeliebten, widmen die Stände Württembergs dieses Denkmal zur Feier seines 25jährigen Regierungsjubiläums den 30. October 1841. Auf den vier obern Ecken des Piedestals sind Hirschköpfe angebracht, von welchen Eichenguirlanden ausgehen, die den Torus der Säule, den ein Lorbeerkranz schmückt, umkränzen. Auf diesem Wulst steigt nun die Säule selbst empor bis zu dem Kapitäl, welches den Säulenstamm mit dem Laube des Ölbaumes, dem Sinnbild des Friedens, bedeckt, und an dessen Ecken acht durch Lorbeerguirlanden verbundene Füllhörner hervorspringen. Die Höhe des ganzen Monuments beträgt 101′, die der Säule 56′. Das Ganze ist das Werk des Hofbaumeisters Knapp. Die Modelle zu sämmtlichen Broncegußarbeiten gingen aus dem Atelier des Bildhauers Professor v. Wagner hervor. Drei der Reliefs wurden in dem Kön. Hüttenwerke Wasseralfingen, das vierte durch den Erzgießer W. Pelargus in Stuttgart, die vier allegorischen Figuren aber in der Kön. Erzgießerei zu München unter Leitung des Inspectors, Prof. F. Miller, gegossen.

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Das königliche Hoftheatergebäude ist ursprünglich auf den Grundmauern des S. 121 erwähnten neuen Lusthauses hergestellt, später wiederholt verändert und in neuester Zeit beträchtlich erweitert worden. Der jüngste Umbau begann im Jahre 1845, und war im August 1846 so weit vollendet, daß es feierlich wieder eröffnet werden konnte. Die Baumeister waren Hofbaumeister Gabriel und Oberbaurath v. Gaab. Das neue Theater umfaßt das ursprüngliche Hauptgebäude, dessen Grundmauern beibehalten wurden, daneben aber auf jeder Seite noch beträchtliche Anbauten, von denen sich demjenigen gegen den Schloßplatz zu noch ein reich decorirtes Avantcorps vorlegt. Das letztere ruht auf Pfeilern mit Quaderfugen, die durch drei Arcaden auf der Hauptfaçade und je eine gegen Süden und Osten mit einander verbunden sind. Auf diesem Porticus, der nach oben mit einem ornamentirten Fries abgeschlossen ist, erhebt sich ein Stockwerk mit vier Fenstern und einer Thüre, die auf einen, aus hübschen Renaissance-Ornamenten gebildeten, gußeisernen Balkon führt, in dessen Mitte das württembergische Wappen, in Bronce gegossen, eingefügt ist. Die Außenwände dieses Stockwerks sind mit corinthischen Pilastern geschmückt und mit einem dieser Ordnung angehörigen Gebälk, Architrav, Fries und Gesims bekrönt. Auf der Attika darüber stehen die vier Musen: Melpomene, Thalia, Terpsichore und Polyhymnia, modellirt von Bildhauer Braun, in Zink gegossen von Pelargus. Die Wände des südlichen Anbaues an das| ursprüngliche Hauptgebäude bestehen bis zu den Fenstern der Beletage aus Quadern mit dem Fugenschnitt und sind im Erdgeschoß mit zwei Fenstern und je einer Thüre mit kleinen halbrunden Fenstern darüber, im oberen Stock auf jeder Seite mit drei horizontal bedeckten, mit Gesimsen bekrönten Fenstern und ebenfalls kleineren aber vierseitigen darüber durchbrochen. Die Räume des Erdgeschosses enthalten westlich das Lokal der Schloßwache für die Mannschaft, östlich Zimmer für die Wache habenden Offiziere. Die Wände der Rückseite des Theaters, oder vielmehr des nördlichen Anbaues an dasselbe, dessen mittlerer Theil als Avantcorps vorspringt, sind ebenfalls bis zur Beletage von einfachen Quaderfugen durchzogen. Das Erdgeschoß und das Entresol, welche zu Magazinen und Wohnungen für das Dienstpersonal dienen, sind äußerlich sehr einfach gehalten, dagegen imponiren die Beletage und das Stockwerk darüber durch ihre großartige Anlage. Jenes zeigt drei hohe und breite geradlinige bedeckte Fenster, zwischen denen Pilaster an der Wand emporlaufen, auf deren Kämpfer die Archivolten ansetzen, welche sich um die über dem horizontalen Sturz der Hauptfenster angebrachten Halbkreisfenster schlagen. Zu beiden Seiten befindet sich je noch ein kleineres vierseitiges Fenster mit einem kleinen Rundfenster darüber. Das obere Stockwerk enthält eine Enfilade von sechs hohen Fenstern mit Pilastern und krönendem Gesims und daneben zu beiden Seiten je noch ein kleineres. Die beiden Arrierecorps der Rückseite, zugleich die Nordseiten des östlichen und westlichen Anbaues, reichen nur bis zu dem Gesims, das die Beletage des mittleren Theils von dem obern Geschoß trennt, haben je drei Fenster und kleine viereckige darüber. Eine ähnliche Höhe, sowie architektonische Eintheilung der Stockwerke und Fenster haben auch die beiden östlichen und westlichen Nebengebäude, von denen das erstere sich innerhalb der Grenzlinien der das alte Gebäude umgebenden Säulenhalle hält, das letztere aber darüber hinaus erweitert wurde. Über sämmtliche Anbauten aber erhebt sich das Hauptgebäude um ein Stockwerk. Die Fenster desselben, sieben an der Vorder- und Rück-Seite, achtzehn auf jeder der beiden Langseiten, werden von Wandpfeilern eingefaßt, auf denen das architravirte, das Gebäude abschließende Hauptgesims ansetzt, das zugleich den Vorsprung des mit Sturzblech bedeckten, auf einem beinahe 80′ breiten Sprengwerk ruhenden Walmdachs bildet. Über der Mitte des letzteren steht ein viereckiges Thürmchen mit Fenstern auf jeder Seite und Wandpfeilern auf den Ecken, auf dem sich die noch von dem alten Lusthause herstammende Windfahne mit dem von einem Engel gehaltenen württembergischen Wappen bewegt.| In dem Souterrain des Gebäudes sind die Apparate, welche die Bühne und die Zuschauerräume heizen. Der eine, ein Luftheizungsofen für die letzteren, wird mit Holz, die zwei andern zur Erwärmung der Bühne bestimmten Öfen werden mit Steinkohlen geheizt. Ebendaselbst befindet sich die Löschanstalt, die das ganze Gebäude auf jedem Gang mit Schläuchen und Spritzen in so großer Menge und so zweckmäßig vertheilt, versieht, daß jede Feuersnoth im Keime erstickt werden kann, wenn sie zeitlich entdeckt wird. Daneben ist das Pumpenwerk angebracht, welches das Wasser in die unter dem Dache befindlichen großen Behälter pumpt.

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Unter dem Porticus tritt man durch drei große Portale, mit geradlinigem Sturz und Fenster im Halbkreis darüber, in das Vestibule des Gebäudes, von dem aus man auf den Treppen rechts und links auf die Galerien gelangt. Gerade vor dem Eintretenden sind die Räume für die Billetabgabe und rechts und links von denselben Steintreppen, die zum Parterre führen. Auf dieser Etage befinden sich die Theaterbibliothek etc., Requisitenmagazine und Dienstwohnungen. Der Zuschauerraum des Theaters, der die Grundform eines Hufeisenbogens hat, und im Ganzen 1850 bis 1900 Personen faßt, besteht außer dem Parterre aus vier Galerieen, deren Brüstungen gemalte und vergoldete Verzierungen auf weißem Grund enthalten, während sämmtliche Rückwände mit dunkelrothen Tapeten bekleidet sind. Die Decke des Saals ist geschmackvoll bemalt und zeigt in passenden Verzierungen die Brustbilder der ersten Tonsetzer und Dichter. In der Mitte desselben ist eine Öffnung, durch welche man den großen, prachtvollen Kronleuchter herabläßt und hinaufzieht. Sämmtliche Galerieen springen frei hervor; nur die erste wird von Säulen mit korinthischen Kapitälen getragen, wodurch im Parterre ein Gang entsteht, der an den ringsumlaufenden Wänden Bänke enthält und außerdem für Stehplätze bestimmt ist. Das um vier Fuß ansteigende Parterre besteht aus dem Orchester, zwei Reihen Bänken für die Offiziere, und acht Reihen Sperrsitze; die übrigen Plätze bilden das offene Parterre. Das ganze Theater wird durch Gas beleuchtet, wofür zusammen 1380 Gasflammen eingerichtet sind. Die erste Galerie enthält in der Mitte die mit geräumigem Salon versehene große Hofloge: einen leichten, zeltartigen, von Säulen gestüzten Bau mit bemalter Decke, reichen Vorhängen etc. Rechts und links schließen sich an dieselbe zwei Reihen anderer Logen für hohe Fremde an. Die beiden letzten größeren Logen gegen die Bühne sind für die Königlichen Prinzessinnen Catharine und Auguste bestimmt. Die andern dazwischen liegenden Logen sind| zweireihig, haben vier bis sechs freie Plätze und werden durch einen Gang von den hinteren höheren, ebenfalls zweireihigen Logen getrennt. Von der ersten Galerie aus führt eine Treppe zu dem über dem Porticus errichteten Foyer oder Concertsaal, einem hohen geräumigen Gemach, mit einem Raum für das Orchester, vier Vorzimmern u. s. w. Sowohl die Gänge des Parterres, als die der ersten und zweiten Galerie können mit Gasöfen geheizt werden. Auf diesem Stockwerke sind die Canzleizimmer, das Zimmer für den Intendanten, der zur Loge Seiner Kön. Majestät gehörige Salon, und auf dem Gebiet der Bühne das Requisiten- und die Ankleide-Zimmer für das weibliche Bühnenpersonal. Den hinteren Anbau nimmt in der Mitte das große hohe und helle Coulissenmagazin ein, das rechts und links von Arbeitszimmern für den Theatermaschinisten, den Hausverwalter und einer Dienstwohnung umgeben ist. In dem westlichen, erweiterten Anbau befinden sich die Männergarderoben, das Zimmer zum Aufstellen der Statisten und große Coulissenmagazine. – Auf der zweiten Galerie ist zunächst über der Hofloge die Fremdenloge angebracht, die rechts und links von zweireihigen Logen flankirt wird, welche in der Mitte und auf beiden Seiten durch offene Plätze unterbrochen werden. Auf dieses Stockwerk ist auch das Buffet, ein geräumiger Saal mit Spiegelgewölbe und Oberlicht, verlegt. Auf dieser Etage befinden sich unter Anderm der Balletsaal nebst dem Ankleidezimmer, der Musiksaal u. s. w. – Die dritte Galerie enthält außer einigen wenigen reservirten Logen, den Prosceniumslogen und den Logen für das Ballet- und Chorpersonal nur offene Sitze und Stehplätze. – Die vierte Galerie hat nur offene Plätze zum Sitzen und Stehen und einen für das Militär reservirten Raum. Zierliche Säulchen, von geschmackvollen Kapitälen bekrönt, tragen die Decke, unterhalb der die Galerie noch mit einer fransenartigen Verzierung geschmückt erscheint. – Zwischen dem Zuschauerraum und der Bühne befindet sich ein bis zur vierten Galerie sich erhebender Bau, dessen zwei von corinthischen Pilastern eingefaßte Hauptetagen von einem Gesims bekrönt werden und auf einer vergitterten Loge aufsitzen. Sie enthalten in der Hauptetage zwei reich geschmückte, fürstlich ausgestattete Logen, rechts für den König und die Königin, links für das Kronprinzliche Paar. Die darüber befindlichen kleineren, ebenfalls mit Vorhängen verzierten Logen werden zum Theil von anderen Mitgliedern des Königl. Hauses, zum Theil von den höchsten Hofbeamten benützt. Über den letzteren sind die eigentlichen Prosceniumslogen.

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Den Vorhang der Entreacts schmückt eine Copie des raphaelischen| Bildes der Poesie in den Stanzen des Vatikans zu Rom. Das Bühnenhaus hat bis unter das Dach gegen 100′ Höhe, so daß neben dem nöthigen Raume für die Maschinerien ober- und unterhalb alle Vorhänge ungerollt in die Höhe gezogen werden können, während die nördlich und westlich an sie anstoßenden großen Coulissenmagazine das rasche Ineinandergreifen bei Scenirungen u. dgl. ungemein erleichtern. Für die Herstellung der Bühnendecorationen ist durch einen hohen und hellen Malersaal und einen kleineren Saal hinlänglich gesorgt. Über der Bühne sind zu beiden Seiten hinter der Scene drei Maschinen-Galerien angebracht, von denen aus jene mit Gas beleuchtet wird. Darüber endlich befindet sich der sogenannte Schnürboden, und über den Zuschauerräumen die Maschinerie zum Niederlassen und Emporziehen des Kronleuchters. Auf der nämlichen Höhe, zunächst unter dem Hängewerk der Decke, sind die bereits erwähnten Wasserbehälter zum ersten raschen Dienste bei drohender Feuersgefahr aufgestellt, ein großer, der 24 Eimer Wasser faßt, und drei kleinere, 10 Eimer fassende. Auch über diese Räume, wie überhaupt durch das ganze Haus, Bühne, sowie Zuschauerräume, verzweigt die vortrefflich angelegte Löschanstalt ihre Schläuche, wobei überdieß noch die eigenthümliche und ausgezeichnete Einrichtung getroffen ist, daß innerhalb der Wände der Umfassungsmauern des Hauptgebäudes die Löschmannschaft, (zunächst aus einer Abtheilung der freiwilligen Feuerwehr bestehend), ohne vom Publikum bemerkt oder genirt zu werden, auf Leitern vom Souterrain aus in alle Stockwerke bis zum höchsten gelangen kann. Letztere Anordnung wurde vom Hofbaurath Büchler eingeleitet, dem das Theater, seitdem er dasselbe übernommen, überhaupt mehrere sehr zweckmäßige bauliche Einrichtungen oder Veränderungen verdankt.

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An das Schloß stoßen südöstlich die unter dem Namen „Academie“ bekannten, auf die Schloßflügel gehenden Schloß-Neben-Gebäude an. Ursprünglich eine Reiterkaserne, zu welcher 12. Mai 1740 der Grundstein gelegt ward und nach Legers Plan aus Steinen erbaut, bestand sie aus dem mittleren Hauptgebäude und den beiden anstoßenden Flügeln. Als die unten zu erwähnende Carls-Academie 1775 von der Solitude hierher verlegt worden, kamen die durch Oberbaudirector Fischer ausgeführten beiden äußeren Flügel aus Fachwerk und zwei Pavillons hinzu, so daß die vier Flügel drei geräumige Höfe einschließen, deren mittlerer und größter später mit einem schönen Brunnen geziert wurde. Sie haben mit dem Unterstocke zwei Stockwerke und Mansarden. In dem äußersten Flügel gegen Norden befanden sich unten der Rangir-Saal und| oben der kleine für den Herzog bestimmte und der große Speise-Saal der Zöglinge; ersterer eine schöne Rotunde mit von 24 korinthischen Säulen getragener Kuppel, beide mit trefflichen Deckengemälden von Guibal u. A. geschmückt[25]. In den vormaligen Speise-Sälen ist jetzt die königl. Privatbibliothek, in dem darauf folgenden Flügel die geheime Cabinets-Kanzlei und in dem anstoßenden Pavillon das Königl. Plan- und Landkarten-Cabinet untergebracht. Die unteren Räume der beiden Flügel, wo einst der Rangir-Saal und das Winterbad waren, dienen jetzt als Stallungen für die ausgezeichneten Königl. Pferde. In dem oberen südlichen Flügel befindet sich das Königl. Hofjägermeisteramt. Im Übrigen sind die Gebäude Adjutanten des Königs, Kön. Hofbeamten und Hofdienern zur Wohnung eingeräumt, mit Ausnahme des an die Neckarstraße stoßenden Hauptgebäudes, welches ursprünglich für die Garnisons- und dann für die Academie-Kirche eingerichtet war. Im J. 1810, als die Kirche im alten Schloß verlassen worden, wurde das Gebäude von Thouret geschmackvoll, wiewohl von der gewöhnlichen Kirchenform etwas abweichend, eingerichtet und die Hofkirche hierher verlegt. Hinter dem Altar erhebt sich ein sehr schönes, die Himmelfahrt Christi darstellendes großes Wandgemälde von Hetsch, hinter welchem die 1836 von Walker gebaute Orgel mit 24 Registern sich befindet. (Das 1839 erbaute Hofpredigerhaus steht in der Kanzleistraße.)

Nächst den s. g. Academie-Gebäuden an der Neckarstraße steht das 1839 von Salucci aus Stein erbaute schöne und sehr geräumige Königl. Reithaus mit Galerien für Zuschauer.

An der Königsstraße, zunächst dem Königsthore, steht das Marstallgebäude, ein langes Viereck, von Herzog Carl Eugen auf der Solitude erbaut und 1805–6 – wohl um den Anbau der Straße rasch zu fördern – hierher versetzt. Es ist einstöckig mit Attiken und Mansardwohnungen und in der Mitte mit einer Kuppel geziert. Von den, einen Hof mit zwei Brunnen umschließenden vier Flügeln sind die beiden Hauptflügel, deren einer die Königsstraße begrenzt, je 840′ und der obere und untere Seitenflügel je 245′ lang; die untern Räume enthalten Stallungen für etwa 300 Pferde, eine Reitschule, Remisen für die Königl. Wägen und Pferdgeschirre, sowie die Lakier-, Schmiede-, Sattler- und Wagner-Werkstätten. Unter den für Marstallsbeamte, Hofangehörige etc. bestimmten| Wohnungen befindet sich auch die des Oberststallmeisters mit Kanzlei.

Von der Königsstraße ausgehend, zwischen dem Residenzschloß, dem alten Schlosse (S. 113) dem Prinzenbau und der alten Kanzlei (S. 126 und 128), sowie den Schloß-Nebengebäuden und dem Waisenhause, zieht sich die sogenannte Planie hin: der schönste, mit Rasen, wilden Kastanienbäumen und Gesträuchen besetzte, durch ein Bassin mit Springbrunnen belebte Spaziergang innerhalb der Stadt, welcher wegen seines saftigen Grüns und kühlenden Schattens namentlich in der heißen Jahreszeit sehr besucht ist. Sie entstand unter Herzog Carl Eugen, indem nach einem Plane des Oberbaudirectors Fischer in den Jahren 1777 u. f. mehrere Werkstätten am alten Schlosse und einige kleine Hofgebäude mit Gärtchen sowie die Ruinen des Neuen Baues (S. 127) weggeräumt, der Bach überdohlt, das Terrain eben gelegt und mit Baumgängen versehen wurde.

An den nördlichen Flügel des Residenzschlosses grenzt der in der Richtung gegen Canstatt sich hinziehende „Schloßgarten[26], gewöhnlich die „Anlagen“ genannt. Er theilt sich in 1) den innern Schloßgarten mit 120 M., 2) den äußern Schloßgarten mit 113 M. an welchen sich 3) der Park Rosenstein mit 3327/8 M. anschließt; im englischen Style gehalten, sind die beiden letzterwähnten Theile seit 1817 unter[e 1] der Leitung des Vorstandes der Bau- und Garten-Direction, Directors von Seyffer, durch Oberhofgärtner Bosch angelegt worden. Der innere Schloßgarten wurde schon 1805 geschaffen aus einer Wüste, welche den Schutt und Unrath aus der Stadt aufgenommen hatte, aus dem Academie-Garten, der aus kleinen, den einzelnen Zöglingen eingeräumten Gärtchen bestand; aus dem herrschaftlichen Holzgarten; aus dem in Abgang gerathenen, meist an Weingärtner stückweise verpachteten Lustgarten; aus einem großen Theile der unmittelbar unter diesem gelegenen Herrschaftswiesen und einigen von Privaten erkauften Grundstücken. Zugleich wurde der S. 128 erwähnte botanische Garten, welcher übrigens niemals vollständig war und in neuerer Zeit in einen Blumengarten verwandelt ward, hierher verlegt. Das schwierige Werk wurde innerhalb dreier Jahre vollendet und der Garten am 10. October 1808 dem Publikum geöffnet. Es waren hiebei täglich 20–40 vierspännige Züge, gegen 200 Strafarbeiter, 4–6 Compagnien Soldaten und 40–50 Taglöhner thätig; viele tausend Bäume und Gesträuche, meistens aus dem Englischen Dörfchen in| Hohenheim, wurden herbeigeschafft, und die Alleen anfänglich mit schon erwachsenen wilden Kastanienbäumen besetzt, welche auf der Solitude mit Wurzel-Ballen ausgegraben und auf Blockwagen herbeigebracht wurden. Der Garten hat ein oberes und zwei untere, mit ausländischem Geflügel besetzte, Bassins, welche aus dem oben erwähnten Canal des Nesenbaches mit einem Wasser gespeist werden, das indessen weder erfrischend noch schön genannt werden kann. Durch die Mitte des Gartens führt eine gerade, breite, schattenreiche Allee, welche oben mit Platanen, unten mit Kastanienbäumen besetzt ist, und auf deren beiden Seiten Wege für Reitende und Fahrende gehen, indeß rechts und links angenehme Fuß-Pfade durch grünende Rasen und blüthenreiche, malerisch gruppirte Gebüsche führen. Im Blumengarten stehen zwei Gewächshäuser mit Einrichtungen zur Blumentreiberei. Sommers wird um das obere Bassin die Orangerie aufgestellt, deren stärkste Exemplare noch aus dem Pomeranzenhause des Herzogs Christoph (S. 124) stammen, die schlanken großen aber vor etwa 100 Jahren in Italien angekauft worden sind. Diese 1817 aus Ludwigsburg übersiedelte Orangerie wird in dem längs der Ludwigsburger Straße 1818 erbauten großen Gebäude überwintert, das von einem Gemüsegarten für die Hof-Öconomie und zwei kleinen Treibhäusern zur Gemüsetreiberei umgeben ist. Am untern Ende des inneren Gartens stehen Wachthäuschen, gewöhnlich mit Militär-Posten besetzt. An Kunstgegenständen enthält der Garten ein über dem Wassereinfluß des oberen Bassins angebrachtes Nymphenpaar, von Dannecker componirt und von Distelbarth in, auf der Stadt-Markung gebrochenem, feinem Keuper-Sandstein colossal ausgeführt, und seit 1854 mehrere von Hofbildhauer von Hofer in cararischem Marmor nach Antiken ausgeführte mythologische Statuen. In dem unteren Rondel zwischen den beiden untern Bassins steht eine von demselben Künstler aus demselben Material gearbeitete, 1850 aufgestellte Hylasgruppe.

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Der äußere Schloßgarten, von dem inneren nur durch die von der Canstatter auf die Ludwigsburger Staatsstraße führende Quer-Straße getrennt, bestand ursprünglich aus zum Theil sumpfigen Wiesen, Äckern und Weingärten, die theilweise Privat-Eigenthum waren. Die noch bestehende Platanen-Allee wurde zwar schon 1812 angelegt; aber erst unter der jetzigen Regierung, 1817 und 1818, nachdem noch bedeutende Grundstücke angekauft worden, ward der übrige Theil geschaffen und gleichfalls dem Publikum übergeben. Durch den in einfacherem Style gehaltenen Garten führt die schon erwähnte Haupt-Allee in gerader Linie für Reitende und| Fahrende mit Fußwegen zu beiden Seiten und einigen durch Gebüsche führenden Seitenpfaden. Etwa in der Mitte befindet sich die S. 12 beschriebene Mineralquelle. Von einer links am obern Eingange eingerichtet gewesenen Restauration und Maierei sind nur noch einige Gebäude vorhanden. Nächst diesem Eingange stehen seit 1848 zwei von Hofer in cararischem Marmor ausgeführte colossale Pferdebändiger mit Pferden, welche für jeden Plastiker als classische höchst naturgetreue Modelle dienen können. – Der innere und der äußere Schloßgarten bildet eine Annehmlichkeit, die nicht leicht bei einer Stadt gefunden wird, da man durch sie von Stuttgart bis Berg eine Wegstrecke von 3/4 Stunden im Schatten reiten, fahren und gehen kann. Die Liberalität, welche die Gärten den Stadt- und Land-Bewohnern geöffnet hat, wird auch im vollsten Maße genossen, da dieselben das ganze Jahr hindurch der beliebteste Spaziergang sind.

Von der östlichen Grenze des Schloßgartens zieht der Hauptweg auf das Königl. Landhaus im Park Rosenstein[27], welcher, sowie die damit zusammenhängenden Gärten der prachtvollen (Villa) Wilhelma[28], auf der Markung von Canstatt gelegen ist.

II. Eigenthum von Mitgliedern der Königlichen Familie.
Der auf der südöstlichen Seite der Stadt an der Neckarstraße der Planie gegenüber gelegene Wilhelms-Palast, Eigenthum der Königl. Prinzessinnen Marie, vermählt mit dem Grafen von Neipperg, und Sophie, Gemahlin des Königs Wilhelm III. der Niederlande, wurde von Sallucci erbaut und 1840 vollendet. Er ist 183′ lang, 128′ breit und 80′ hoch, massiv in edeln Verhältnissen aufgeführt; er hat zwei Keller, ein Souterrain und zwei Stockwerke, wovon das obere ein Entresol enthält. Von den beiden Avantcorps hat das vordere in der Mitte einen Balkon, welcher von zwei toscanischen Säulen und zwei Eck-Pfeilern mit Pilastern und Bogen getragen wird; rechts und links vom Balkon sind Auffahrten; innen vor dem Vestibule wird er durch vier gekuppelte toscanische Säulen getragen. Von den vier Sälen ist| der im ersten Stocke befindliche der schönste. Er reicht durch alle Stockwerke, und wird unten von acht jonischen, im zweiten Stock von acht korinthischen Säulen getragen; das Gebäude hat eine geschmackvolle Einfriedigung, und seiner Schönheit entspricht auch die innere Einrichtung.

Die kronprinzliche Villa, Eigenthum Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen Karl, ist 1/4 Stunde nordöstlich von der Stadt, zunächst über dem Weiler Berg und dem Rosenstein gegenüber, auf einem Hügel, bisher der „Höllische Bühl“ genannt, gelegen. Im Jahr 1846 von C. Leins im Bau begonnen und 1853 vollendet, zählt dieselbe zu einer der schönsten und reizendsten Schöpfungen der Neuzeit. Es war ein glücklicher Gedanke, die Spitze dieses, eine weite Aussicht beherrschenden Hügels mit dem prachtvollen Schlosse zu krönen, und den sanft ansteigenden, wellenförmigen Boden in einen bewundernswerthen Garten umzuschaffen. Überall, vom Schloß und Park aus, öffnet sich das schönste, an die Umgebungen von Florenz erinnernde Panorama landschaftlicher Reize: südöstlich das Neckarthal mit der ehemaligen Wiege des Königshauses und der Alpkette im Hintergrunde, südlich das ländliche Gaisburg und Gablenberg und südwestlich Stuttgart.

Bei der fast kegelförmigen Gestalt des Berges, welchen der Kronprinz Höchstselbst auserlesen, und der kleinen Ausdehnung des ebenen Platzes auf der für das Gebäude bestimmten Spitze, wovon nichts abgetragen werden sollte, ist dem Architekten[29] die allgemeine Bauanlage gleichsam ganz gegeben gewesen. Der Boden des Erdgeschosses wurde als eine den Berggipfel berührende Tangenten-Ebene angenommen, und, um einen hinreichenden Raum zur Circulation der Wagen um das Gebäude zu erhalten, die Abdachung rings umher um 20′ tiefer gelegt. Die dadurch gewonnene Erdmenge diente zur Verflachung des Terrains nach dem Rosenstein zu, und zur Herstellung einer Terrasse gegen Gaisburg, sowie zur Anlegung eines großen, Stuttgart zugekehrten amphiteatralischen Platzes. Die Hauptaxe des Gebäudes geht in der Richtung von Süden nach Norden, genau auf die Mitte des gegenüberliegenden Rosensteins.

Durch die erhöhte Lage des Erdgeschosses war es möglich, die Räume für Küchen und Dienerschaft in den dadurch entstandenen Unterbau (Souterrain) zu verlegen, und an diesen auf der Nordseite| zwei 130′ lange, 40′ breite Flügel anzuschließen, die einen 130′ langen und 53′ weiten Hof zwischen sich fassen, der dicht bis an die Hausfront stößt. In dem östlichen Flügel ist die Anfahrt, der Hauptaufgang zum Hause, in dem westlichen dagegen Wagenremise und Stallungen angebracht. Diese Nebengebäude haben wieder terrassenförmige Bedeckung in demselben Niveau mit dem Boden des Erdgeschosses, so daß dieser, gleichsam über die Flügel fortgesetzt, anmuthige Spaziergänge bildet, die zur Erhöhung der Annehmlichkeit mit hübschen, auf Steinsäulen ruhenden Lauben überdeckt sind, welche verschiedene Arten amerikanischer Reben mit ihrem kräftigen fußbreiten Laube beleben.

Der auf die erwähnte Weise geschaffene, um den ganzen 171′ langen und 202′ breiten Unterbau sich herziehende (von S. nach N.) 350′ lange und (von O. nach W.) 338′ breite freie Raum ist südlich und westlich durch eine, auf hohen Futtermauern stehende, am Rande mit Kastanien besetzte Balustrade begrenzt und an den Ecken und in der Mitte durch breite Treppen unterbrochen, die nach den tieferliegenden Theilen des Gartens führen, von wo aus Grotten und Wasserbecken, die in der Futtermauer ausgehöhlt sind, ihren Zugang erhalten. In einer westlich gelegenen Grotte steht eine schöne Gruppe aus cararischem Marmor, den in einen Faun verwandelten Jupiter, der die Antiope in den Armen hält, vorstellend. Das Gebäude ist über dem Souterrain zweistockig, und die vier Ecken sind noch durch thurmartige luftige Aufbaue, oder Attiken, überragt, die zwischen der Verlängerung ihrer inneren Seitenwände einen breiten, zu oberst um das gläserne Dach der Mittelpartie führenden Gang fassen. Der Würfel des Gebäudes selbst mißt von O. nach W. 128′, von S. nach N. 106′, vom Hofboden bis zum Hauptgesimse einschließlich 65′ und sammt der Attike auf den vier Ecken 76′. Über diese wagrechte Ausdehnung treten auf der Ostseite zwei Portiken, an beiden Enden derselben und durch beide Stockwerke gehend, über die Flucht des Gebäudes hervor, auf der Südseite im untern Stockwerk eine große Veranda auf jonischen Säulen und auf der Westseite gleichfalls im untern Stockwerk ein halbrunder Vorbau von 16′ Radius.

Der Unterbau und die daranstoßenden Nebengebäude sind im Äußern ganz aus rothen Keupersandstein-Quadern, in grober Rustico-Bearbeitung, erbaut. Die zwei, beziehungsweise drei Stockwerke darüber sind aus sogenanntem weißem Keupersandstein-Quaderwerk, die Fenster und Thüren der Erdgeschosse alle mit Bögen geschlossen, und sämmtliche Architektur-Theile auf die mannigfaltigste Weise im reinen Renaissance-Styl des 15. Jahrhunderts ornamentirt,| mit Incrustation polirter Marmorplatten, die wichtigeren Theile auch mit Bildwerken höherer Gattung und statuarischen Arbeiten geschmückt. Das obere Stockwerk hat geradlinige Architectur; im ganzen Umfange herrscht die jonische und corinthische Ordnung, mit reichem modillonärem Haupt-Gesimse. Nur auf der West-Seite ist eine Ausnahme, in einer die ganze Front des mittleren Avant-Corps einnehmenden Bogenstellung mit doppelter, cannellirter Säulenreihe. Die Bedachung ist, soweit sie nicht aus Glas besteht, aus Metallblech hergestellt.

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Auf das Innere übergehend, so enthält das Erdgeschoß die Räume für die Repräsentation, indeß die oberen Stockwerke zu Wohngelassen bestimmt sind. Nach Ersteigung des in zwei breiten Läufen angeordneten Haupt-Eingangs im östlichen Neben-Gebäude, den ein mit rings umlaufenden Altanen und Blumen-Behältern ausgestattetes Glas-Gewölbe überspannt, überrascht den Besucher die auf der nordöstlichen Ecke des Erdgeschosses liegende gewölbte Vorhalle, mit allegorischen Bildern von Maler Pilgramm und an beiden Gewölbsteinen mit Reliefen von Bildhauer Güldenstein verziert; indeß die beiden, in weißem cararischem Marmor nach der Antike gehauenen Statuen der Ceres und Flora die Rückwand schmücken. Darauf folgt, die Mitte der Ost-Seite einnehmend, eine lange, beiderseits mit einer reich sculptirten Säulenstellung auf hohen Postamenten eingefaßte Galerie mit reichem Mosaik-Boden. Die Decke derselben ist von Eichen-Holz, sehr anmuthig cassetirt, und an den Nebenwänden sind gelungene Relief-Darstellungen aus der Odyssee und Iliade von Bildhauer Zell in Medaillen-Form. Die Büsten des Apolls von Belvedere und der Diana, sowie eine große Zahl florentinischer kunstvoller Alabaster-Arbeiten sind in den Nischen zwischen den Säulen aufgestellt, und zur Annehmlichkeit dieses Raumes trägt noch wesentlich das heitere Spiel des Wassers eines vor dem Mittelfenster auf dem Rand der Terrasse freischwebenden, von Stotz in Wasseralfingen gegossenen, und mit von Bildhauer Güldenstein modellirten Figuren geschmückten Bronce-Brunnens bei, dessen Wasser über die ganze Terrasse in ein weites, von duftenden Blumen-Beeten umgebenes Becken herabstürzt. Der dritte Raum, der die Ecke gegen Süd-Ost bildet, mit eigenthümlich nach der Mitte ansteigender Decke, führt zu dem Speise-Saal, der als länglichtes Viereck die vorspringende Mitte der Süd-Seite ausfüllt. Dieser Saal ist rings von Arkaden umgeben, gestützt durch graue, cannelirte Marmor-Säulen, auf zierlichen Postamenten. Die Decke mit achteckigen Vertiefungen sehr| reich bemalt, paßt sehr gut zu der gelben Lackirung der Neben-Wände und zu den kostbaren Malachit-Vasen, welche in den Nischen an den Langwänden stehen. Vor diesem Saal ist die Terrasse durch die oben erwähnte große Laube, auf jonischen, von amerikanischen Reben umrankten Stein-Säulen, beschattet, und ein bequemer, doppelarmiger Fahrweg führt von dem Plateau, die ganze Höhe des Unterbaues überwindend, bis zur äußeren Speise-Saal-Thüre herauf. Eine geräumige, halbachteckige, durch zwei gewundene Flügel-Treppen mit dem Plateau gleichfalls zusammenhängende Erweiterung vermehrt noch den ebenen Raum vor dieser Laube, und die Statuen der vier Jahres-Zeiten, nebst einer schönen, von Kinder-Figuren getragenen Erz-Schaale erhöhen den Reiz dieses harmonischen Ganzen. Das an den Speise-Saal stoßende süd-westliche Eck-Zimmer, mit einer sehr zierlichen Decke, in welcher Genien von der Hand des Malers Schmidt die runden Täfelungs-Felder ausfüllen, vermitteln den Eingang zum großen Saal (Tanz-Saal), der, weit höher als die seither durchwanderten Räume, aus zwei Reihen korinthischer Säulen übereinander gebildet wird. Hier laufen Galerien für das Orchester in der Höhe umher, und gegen Westen und Osten dehnt sich dieser prächtige Raum in zwei halbrunde, weite Nischen aus, deren Hauptschmuck je ein Paar sich gegenüberstehender marmorne und mit reich vergoldeter Bronce ornirter französischer Kamine ausmacht, welche mit ihren hohen Spiegeln die Perspektive bis in’s Unendliche verlängern. Die Farbe des ganzen Saales ist glänzendes Weiß mit reicher Vergoldung; die ganze Weite des Saals ist an seinen beiden schmalen Seiten über den durch reiche Gliederung umrahmten Haupt-Pforten mit lebensvollen Genrebildern, von der kunstgewandten Hand unseres Landsmannes Carl Müller, ausgefüllt, zwei Scenen aus dem italienischen Volksleben darstellend. Nach Durchschreitung des Saales betritt man die nördliche Enfilade, die mit einem, auf die Terrasse des westlichen Neben-Gebäudes sich öffnenden Cabinet beginnt, das eine kleine Zahl herrlicher Öl-Gemälde, von de Keyser und unserem Landsmann German v. Bohn, beherbergt. Daran reiht sich der Billard-Saal, dessen Decke von polirten, lichtgrauen Marmor-Säulen mit weißen Füßen und Knäufen getragen ist. Den Schluß bildet der Bibliothek-Saal, ganz in dunkler, sehr kunstvoller Holz-Täfelung ausgeführt, mit einem hohen, weißen Marmor-Kamin, von der schönsten Sculptur, wie alle die köstlichen Marmor-Arbeiten, welche diesen Landsitz schmücken, in der Werkhütte des Baues selbst aus den rohen, von Italien bezogenen Blöcken gemeißelt. Zum Wohnstockwerk führt von der oben| beschriebenen Galerie aus eine breite Marmor-Treppe, in mehrere Absätze getheilt. Da diese Treppe im Mittelpunkt des Gebäudes liegt, so ist sie durch ein Glasdach erhellt; eine Reihe weißer, jonischer Marmor-Säulen krönt das Treppen-Haus, dessen Rückwände mit allegorischen Figuren, die zwölf Monate des Jahres darstellend, verziert sind. Über dem Austritts-Platz wölben sich drei Kuppeln, die einerseits zum Zugang der Gemächer des Kronprinzen, andererseits zu denen der Frau Kronprinzessin führen. Dieses Stockwerk ist durchaus einfacher gehalten, als die Säle im unteren Stockwerk, doch nicht ohne dem Decorateur Paul Wirth, von dem der größte Theil der Ornamentation dieses zierlichen Gebäudes herrührt, reiche Gelegenheit zur Entfaltung seines schönen Talents gegeben zu haben. Die gegen Süden gelegene Wohnung des Kronprinzen besteht aus sieben Zimmern und Cabinetten, diejenige Seiner Großfürstlichen Gemahlin aus acht Piecen, die nach Osten und Norden zu liegen. Im Attikstock, zu dem zwei Treppen auf beiden Seiten der Haupt-Treppe führen, sind die Gelasse der die hohen Herrschaften umgebenden Personen und das Reservoir, welches das vom Neckar herauf durch ein Druckwerk getriebene Wasser aufnimmt, um, wieder herabfallend, durch vielästige Röhrenleitungen eines Theils sowohl im Gebäude selbst zu dienen, als auch auf seinem weiteren Weg durch mehrere springende Brunnen und Wasserkünste den Garten zu beleben, andern Theils die Gärtnerei und die Gewächs- und Treib-Häuser zu versorgen und endlich für die Wiesenwässerung zu dienen.

Außer der von der Villa aus an dem Weiler Berg vorüberziehenden Fahr-Straße ist neuerlich auf der West-Seite des Hügels eine Zufahrt angelegt worden, welche quer über die Land-Straße und den Nesenbach unmittelbar in den äußeren Königl. Schloßgarten führt.

Der gegen 52 M. große Garten dehnt sich mit allmäliger Abdachung bis zum Mühlcanale bei Berg aus, und bietet, in herrlicher Anlage, die interessantesten botanischen Seltenheiten dar. Er hat großen Theils eine äußerst üppige Vegetation und zerfällt in den oberen und unteren Garten[30]. Der obere, welcher die nächste Umgebung des Schlosses bildet, ist in französisch-italienischem Styl angelegt und zeichnet sich hauptsächlich durch drei geschmackvolle, mit den Reben der herrlichsten Tafel-Trauben überwölbte Säulengänge aus, welche mit mehreren, durch drei Springbrunnen belebten| Blumen-Parterre’s und einem terrassenförmig angelegten Weinberge in Verbindung stehen. Eine Platanen-Allee führt in den im englischen Styl angelegten unteren Garten, der für die Botaniker von hoher Wichtigkeit ist. Hinter einer großen Rasenfläche mit einer Fontaine, welche aus sechs Röhren das Wasser in den verschiedenartigsten Formen hervorsprudelt, sind viele seltene Arten von Tannen zu sehen: die fast schwarze pinus austriaca, die japanische, indische und virginische Ceder, Balsam- und Eiben-Tanne, die prachtvolle Norfolk-Fichte, die Brasil-Tanne etc. Außer manchen anderen romantischen Partien mit Garten-Häuschen, Kiosks u. dergl. sind ferner zehn Blumenbeete zu erwähnen mit einer seltenen Sammlung von Rosenbäumchen und Dahleen, sowie unter dem Schatten von fünf Linden eine Sammlung Neuholländer Pflanzen; sodann ein kleiner Irrgarten mit schönen ausländischen Gesträuchen und Baumarten, namentlich aber der äußerst malerische, etwa 80′ tief zum Neckar sich hinabsenkende terrassenförmig angelegte Mühlrain, oben mit einer Veranda auf zwölf Säulen und einer Sammlung der lieblichsten Alpen-Pflanzen, von wo sich über moosbewachsene Felsen und Pflanzen ein Wasserfall in mancherlei Formen in den Neckar hinabstürzt. – In dem Küchen-Garten finden sich die edelsten französischen Obstbäume, die in einem eigenen Katalog verzeichnet sind. Haupterzeugnisse sind Spargeln, Artischocken, Cardonen und Blumenkohl. Von den Gewächshäusern dieser Abtheilung ist das Orchideenhaus mit seinen parasytischen, sonderbar gebildeten Pflanzen und deren balsamisch duftenden Blumen und den Pflanzen-Gebilden, welche auf den Rinden anderer Pflanzen leben, das Merkwürdigste, da diese Wucher-Pflanzen aus Amerika’s, Asiens und Afrika’s tropischen Regionen in vielerlei Species hier ihre Vertreter haben. Das Ananashaus wird durch Dung erwärmt. Die hier stehenden Gewächs-Häuser haben mehr als 250 Fenster, welche alle mit gußeisernen Sprossen versehen sind. – Das 1846–1847 von C. Leins ausgeführte massive Orangerie-Haus ist 101′ lang und 56′ breit, und bildet ein länglichtes Viereck mit zwei Stockwerken, das untere für die Pomeranzen-Bäume, das obere zum Absteig-Quartier für hohe Gäste bestimmt. Auf beiden Seiten schließen sich an diesen Mittelbau zwei Gewächs-Häuser an, die, in gekrümmten Linien laufend, mit der Orangerie ein weites Hufeisen bilden, und auf beiden Seiten mit durchaus gläsernen Pavillons von cylindrischer Form endigen. Die gekrümmten Glas-Häuser von 16′ Lichtweite haben einen inneren Radius von 81′ und einen äußeren von 104′, und die Rotunden einen Durchmesser von 37′, bei einer Höhe von 201/2′ bis zum Anfang des kegelförmigen| Daches, das mit einem gußeisernen Umgang versehen ist. Das Gerippe dieser Glas-Häuser ist durchaus von Schmied-Eisen, und die Wände und Dächer aus Glas sind doppelt, mit einem 4″ weiten Luftraum dazwischen. Die Erwärmung geschieht durch Wasserheitzung. Von den großen Orangerie-Bäumen, etwa 200 an der Zahl, die 1847 aus Italien kamen, sind hauptsächlich einige Exemplare der großfrüchtigen cytrus decumana hervorzuheben. Von den Seiten-Flügeln ist der rechte zu einem Wintergarten mit den schönsten Blatt-Pflanzen und einem kleinen Bassin mit Wasserfall eingerichtet, indeß die linke Seite eine außerordentlich reiche Sammlung von Camellien und Azaleen, und die Rotunde, mit einem Springbrunnen aus weißem Marmor, nur Warmhaus-Pflanzen enthält, namentlich mehrere Palmen-Arten, Paradies-Feigen, Lianen und andere exotische Gewächse. Nach diesem Allem ist der überdieß höchst gedeihliche, oft üppige Bestand der Pflanzen dieses Gartens, worin wir bereits haus-hohe Bäume treffen, ein sehr reicher. Außer den Orangen sind vorhanden: gegen 7000 Camellien, 3000 Azaleen in 170 Varietäten, 1200 Rhododendren in 140 Arten, 1000 Ericas und Epacris, mehr als 15.000 der schönsten Neuholländer Pflanzen, mehrere tausend Pelargonien von den englischen Fancy und Zonale, 200 Arten Orchideen, gegen 150 Arten Farrenkräuter, etwa 3000 andere schönblühende Warmhaus-Pflanzen; abgesehen von den unzählichen Land- und Topf-Rosen, Zwiebel-Gewächsen und perennirenden Land-Pflanzen.
III. Von Staats-Gebäuden verdienen folgende hervorgehoben zu werden:
Das Kronprinzliche Palais, am Schloß-Platze zwischen der Fürsten- und Kanzlei Straße, 270′ lang, 90′ breit, mit drei Stockwerken von 19–20′ und 13′ Höhe. Der Bau, nach den Planen des Ober-Bau-Raths v. Gaab, im Frühjahr 1846 begonnen und im Jahr 1850 vollendet, ist im römischen Style durchaus von Stein mit flachem Zinkdach aufgeführt. Über der in der Mitte des Avant-Corps befindlichen Einfahrt ist eine auf vier Säulen ruhende Altane angebracht. Rechts und links dieser Einfahrt (Durchfahrt) im Vestibule führen zwei Haupt-Treppen in das zweite Stockwerk. Im Stock zu ebener Erde rechts vom Vestibule des Eingangs ist die Wohnung des Prinzen in sieben Zimmern mit Salon; links befinden sich acht Fremden-Zimmer. Im zweiten Stock (der Bel-Etage), befindet sich in der Mitte der Speise-Saal, an welchem sich links die Räume für Festlichkeiten mit Tanz-Saal anreihen; beide Säle sind in Stuckmarmor ausgeführt. Rechts befinden sich die Wohnräume der Frau Kronprinzessin| in sieben Zimmern mit Salon. Der dritte Stock mit zwanzig Zimmern enthält Wohnräume für Hof-Damen, Cavaliere und das Dienst-Personal. Das gegen die Fürsten-Straße gelegene Neben-Gebäude ist 120′ lang, hat drei Stockwerke und ist mit steinernen Umfassungs-Wänden im gleichen Style aufgeführt. Dasselbe enthält zu ebener Erde Stallungen und Remisen, und im Entresole die Wohnungen des Stall-Personals und Räume für Geschirr etc. In der zweiten Etage, welche durch bedeckte Gänge an die Wohn-Zimmer des Haupt-Gebäudes sich anreiht, befinden sich außer der prachtvoll eingerichteten griechischen Haus-Capelle mit schönen Gemälden und reicher Cult-Einrichtung nebst Sacristei, sechs Zimmer für die Garderobe, und fünf Zimmer für die Verwaltung. Die weiter nöthigen Gelasse für die Ökonomie und für Dienerschaft sind in dem Souterrain des Haupt-Gebäudes vorhanden.

Das Stände-Haus, an der Kronprinz-Straße, besteht aus drei zusammenhängenden alten Gebäuden der S. 134 erwähnten alten Landschaft. Der von Barth 1819 erbaute Saal der Kammer der Abgeordneten hat die Form eines Halbkreises, empfängt sein Licht hauptsächlich von der gewölbten Decke, die auf sechszehn korinthischen Säulen ruht, hinter welchen die Galerieen für die Zuhörer angebracht sind, und hält 90′ im Durchmesser. Vor einer großen Nische befindet sich der Königliche Thron, über demselben, zwischen Genien, das Brustbild des Königs in Basrelief, und zu beiden Seiten, gleichfalls in Basrelief, die Brust-Bilder der Herzoge Eberhard I., Christoph, Carl Eugen, Ludwig Eugen, Friedrich Eugen und des Königs Friedrich.

Das Gebäude der K. öffentlichen Bibliothek aus Fachwerk, an der Neckar-Straße, wurde 1807–1809 zu einem Invaliden-Haus errichtet und diente als solches bis 1817, wo den Invaliden die Gebäude des vormaligen Ritterstifts in Comburg zur Unterkunft angewiesen wurden. Das 280′ lange und 72′ tiefe Gebäude, in welches nach dem Abbruche des Herren-Hauses (S. 129) 1820 die unten zu beschreibende öffentliche Bibliothek verlegt wurde, hat in seinen drei Stockwerken außer den Lese-Zimmern zwölf Säle. In dem großen Saale wurde früher das Capitel des Militär-Verdienst-Ordens gehalten, und an den Wänden standen neben eroberten Fahnen die jetzt in der Garnisons-Kirche aufgestellten Obelisken mit den Namen der in den Feldzügen von 1806–1814 gefallenen württ. Officiere.

Das oberhalb der Bibliothek stehende Gebäude des K. geheimen Haus- und Staats-Archives und der K. Naturalien-Sammlungen wurde 1821–1827 unter Barths Leitung aus| Steinen in einfach edlem Style zweistöckig erbaut und 1837 durch Aufsetzung des dritten Stocks erhöht. Es ist 228′ lang und 47′ tief; auf beiden Enden der Vorder-Seite stehen über den Treppen der beiden Portale je von sechs Säulen getragene Balkone hervor. In dem gewölbten Erdgeschosse befinden sich die Archive, in den beiden oberen Stockwerken mit zehn Sälen etc. die hienach erwähnten naturhistorischen Sammlungen.

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Das Museum der bildenden Künste (Kunst-Schule und Sammlung der Kunst-Schätze des Staats) am untersten Theile der Neckar-Straße wurde in den Jahren 1838–1843 nach Barths Plan auf einer bedeutend abgegrabenen Fläche von Gärten erbaut. Mit dem von der Straße zurückstehende Mittelbau einschließlich seines Avant-Corps 163′ lang und 49′ tief, verbinden sich zwei vor- und rückwärts springende, an die Straße stoßende Seiten-Flügel, vorne und hinten je mit einem Pavillon endigend, und mit diesen je 181′ 8″ lang und 40′ 5″ tief; hinter dem Mittelbau schließt sich ein Rückbau an, der 70′ 6″ lang und 46′ 5″ breit ist. Das Gebäude hat zwei Stockwerke und ist ganz von Steinen im italienischen Style erbaut, und macht mit den architravirten Wänden, den Attiken über den Flügeln und der sich um das Dach ziehenden Galerie einen höchst gefälligen Eindruck. Im Fries der beiden vorderen Pavillons ist in allegorischen Bildern die geschichtliche Entwicklung der Bildnerei und Malerei durch zwei Hoch-Reliefs von Prof. v. Wagner, erstere nach einer Composition von diesem, letztere nach einer solchen von E. v. Wächter, dargestellt. Den Haupt-Eingang im Mittelbau bildet der durch zwei jonische Säulen getragene Porticus, aus welchem man über Vorhalle, Vorplatz und ein Säulen-Vestibule, in welchem die Modell-Statue Schillers von Thorwaldsen steht, zu zwei in den oberen Stock führenden steinernen Haupt-Treppen gelangt. Der Unterstock mit sieben Sälen, einer Galerie und sieben Zimmern ist für die Kunst-Schule und die plastischen Werke bestimmt; der zweite Stock, mit einem sehr geräumigen, hellen Corridor mit Säulen und Pfeilern, enthält in vier großen, in den Pavillons mit Oberlicht eingerichteten, Sälen und elf Cabinetten etc. die Gemälde-Galerie und die Kupferstich-Sammlung. Auch befindet sich in diesem Stocke über dem Porticus der Fest-Saal, dessen Wände mit Fresco-Malereien geschmückt werden sollen, wovon bis jetzt nur zwei Wand-Gemälde und die Felder über den Thüren ausgeführt sind. Jene stellen, von Alexander Bruckmann componirt und gemalt, die Entstehung der classischen und der romantischen Kunst, diese die drei Künste: Architectur, Sculptur und Malerei in allegorischen Bildern dar. Der| Rückbau enthält zu ebener Erde das Lapidarium mit den im Lande gefundenen römischen Stein-Inschriften etc., und über demselben zwölf Zimmer für Künstler, Geräthe etc. Die Beschreibung der Kunst-Sammlungen s. weiter unten. In dem mit einer eisernen Grillage abgeschlossenen, mit Gesträuchen und Blumen bepflanzten Vorhofe zwischen beiden Flügeln, 163′ lang und 122′ tief, ist von der Straße aus sichtbar eine mit Reliefs geschmückte, der berühmten mediceischen nachgebildete, 8′ hohe Vase von Distelbarth, ein Geschenk des Freiherrn Carl v. Reichenbach, eines Stuttgarters, aufgestellt. Um das Gebäude führt ein 12′ breiter Fahrweg, auch befinden sich neben und hinter demselben zugehörige Rasenplätze und Gärten.

Das Gebäude der K. Münz-Stätte, dem eben erwähnten gegenüber, an der anderen Straßen-Seite gelegen, ward 1842 u. folg. von Ober-Baurath v. Groß erbaut. Das mittlere oder Haupt-Gebäude ist 150′ lang und hat einen 101′ langen, nach hinten sich ausdehnenden Rückbau. Das Vordergebäude ist in drei Stockwerken ganz von Steinen mit Refends im neuromanischen Style ausgeführt. Zu dem Haupt-Eingange führt eine zweiarmige Frei-Treppe. Die Gewölbe, die Probiröfen, das Laboratorium, Präg-Maschinen u. dergl. sind in den Souterrains, im Parterre und Rückbau. Der zweite Stock ist für die Kanzlei-Gelasse des Bergraths-Collegiums, und der dritte zu Wohn- und Kanzlei-Zimmern eingerichtet. Die zweistöckigen Neben-Gebäude mit Dienst-Wohnungen etc. sind mit dem Haupt-Gebäude durch Thorbögen verbunden, und meist aus Back-Steinen erbaut. Die Gesammt-Front hat 250′ Länge. Hinter den Gebäuden schließt sich ein großer Hof und Garten an.

Das Kanzlei-Gebäude an der Königs-Straße ward von den Ober-Bauräthen v. Barth und v. Groß auf dem Platze der S. 128 erwähnten alten Gebäude 1833–1838 aus Steinen erbaut, und umfaßt mit dem gleichfalls steinernen Hinter-Gebäude in einer Länge von 216′ und Tiefe von 133′ ein ganzes Quadrat. Das Gebäude hat vier Stockwerke und über dem mittleren Eingang einen auf acht dorischen Säulen stehenden Balkon. Es ist der Sitz der Staats-Haupt-Kasse, der Staatsschulden-Zahlungs-Kasse, des Ober-Tribunals und beinahe sämmtlicher Collegial-Stellen des Regiminal-, des Cult- und des Finanz-Departements, wie es denn 69 Zimmer und einen zugleich für die Verhandlungen des Cassations-Hofes bestimmten Gerichts-Saal enthält. Der mit Fässern ausgelegte Keller hat Raum zu 1500 Eimern.

Das Post-Gebäude, an der Schloß- und Fürsten-Straße,| ursprünglich eine auf dem ehemaligen botanischen Garten (S. 128) 1810 erbaute Reiter-Kaserne, mit einem äußeren und einem inneren Hofe, besteht aus vier Pavillons, welche zwei Seiten- und zwei Quer-Flügel verbinden, und hat zwei Stockwerke, wovon der untere aus Steinen ist. Im Sommer 1851, als die K. Posten in die unmittelbare Staats-Verwaltung übergegangen, wurde das Gebäude für die Post-Commission, die Ober-Post-Kasse, das hiesige Post-Amt mit Post-Stall und einige Dienst-Wohnungen eingerichtet. – Die Lage desselben ist ganz geeignet, da gegenüber an der Schloß-Straße

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die Eisenbahn-Station sich befindet. Der Haupt-Bahnhof, mit der Personen-Halle beginnend, geht von da innerhalb des durch die Schloß-, Friedrichs- und Königs-Straße gebildeten Stadt-Viertels mit letzterer parallel bis zum Waaren-Bahnhof bei der Ludwigsburger Straße hinab. Die Bahnfläche liegt 860,2′ über dem Meere und bleibt von der inneren Drehscheibe in der Personen-Halle bis dahin, wo sich die Bahn nach Canstatt und Ludwigsburg abzweigt, horizontal. Das dreistockige, 113′ lange und 82′ breite Verwaltungs-Gebäude an der Schloß-Straße, nach Zeichnungen v. Etzels, massiv von Steinen, bildet den Eingang zum Bahnhof, hat ein hohes Vestibule, rechts und links die Locale zur Billet-Abgabe für die westliche und östliche Bahn, mit einem dazwischenliegenden Post-Bureau, und in den oberen Stockwerken die Kanzleien der Eisenbahn-Verwaltung und eine Dienst-Wohnung. Hieran stößt die Personen-Halle, 366′ lang und 92′ breit, von Steinen erbaut, mit beiderseitigem Trottoir, freitragendem, mit Blech bedecktem Dache und einer Dreh-Scheibe zu Benützung sämmtlicher Geleise. An die östliche Seite der Personen-Halle grenzt das 122′ lange, 32′ breite Wart-Saal-Gebäude mit dem Wart-Saal III. Classe nebst Restauration, dem Wart-Saale I. und II. Classe und einem Zimmer des Bahnhofs-Inspectors; im Erdgeschosse, zu welchem eine freitragende gußeiserne Wendel-Treppe führt, sind die Räume für die Magazins-Verwaltung. In dem 1853 erworbenen anstoßenden Gebäude in der Schloß-Straße Nro. 10 sind Kanzlei-Büreaus der Eisenbahn-Commission und der Telegraph untergebracht. Der Bahnhof hat in die Kronen-Straße eine Abfahrt für Equipagen etc.; über diese Straße führt ein auf drei Reihen eiserner Säulen ruhender Viaduct mit hölzernem Oberbau an zwei massiven Bahnwärter-Häuschen vorüber zu der zweiten großen Dreh-Scheibe vor der Locomotiv-Remise. Diese ist 96,6′ lang und 45,6′ breit, massiv von Stein, mit Blechdach, beiderseitigen bogenförmigen Öffnungen,| den erforderlichen Entleerungs-Gruben und Wasser-Reservoir etc. versehen. Ein zweiter, dem zuvor erwähnten gleich construirter Viaduct über die Schiller-Straße führt zu der 150′ langen, 69,6 breiten Wagen-Remise, welche ebenso wie die Locomotiv-Remise gebaut ist und auf jeder Giebel-Seite fünf Einfahrten hat. Durch eine vor derselben befindlichen Schieb-Bühne kann die Communication mit den Geleisen in die Locomotiv-Remise hergestellt werden. – Von hier ab beginnt der Waaren-Bahnhof. Derselbe ist horizontal und in gleichem Niveau mit dem Personen-Bahnhof angelegt, gegen die Ludwigsburger Staats-Straße mit einer Stein-Treppe für Fußgänger und mit Rampen für Fuhrwerke versehen. Auf demselben stehen ein älteres Wohnhaus, zwei Güter-Schuppen je 156,6 lang und 56′ breit, mit eisernen Krahnen, eine Brückenwage von 200 Zollcentnern Tragkraft und eine Schieb-Bühne. Sämmtliche Gebäude auf diesen Bahnhöfen wurden 1844–1846 ausgeführt und 1846 dem Betrieb übergeben. Alle Geleise des Bahnhofes werden durch 28 Weichen, wovon 20 auf dem vorderen und 8 auf dem Güter-Bahnhof, mit einander verbunden.

Von den Gymnasium-Gebäuden, längs der Kronprinz-Straße stehend, hat der an die Gymnasiums-Straße grenzende Theil, 60′ lang, 72,6 breit, im Jahr 1685 dreistöckig erbaut, 1840 ein viertes Stockwerk erhalten. Der Saal ist im dritten Stocke; auf dem nördlichen Giebel steht ein Observatorium. Das durch Hof und Einfahrt getrennte zweite Gebäude in der langen Straße, an dessen Stelle früher eine Dienst-Wohnung stand, wurde 1840 ganz neu ebenfalls aus Stein erbaut. Drei seiner vier Stockwerke sind gleichfalls zu Lehrzimmern, das vierte zur Wohnung des Rectors eingerichtet.

Das Realschul-Gebäude, an der Ecke der Rothen- und Kanzlei-Straße 1834/35 auf der Stelle der Heuwage (S. 135) ganz von Steinen erbaut, hat 90,8′ Länge und 75′ Tiefe und vier Stockwerke, mit vierundzwanzig Zimmern und einem Observatorium. Die Stadt, welche schon einen Theil dieser Baukosten trug, hat für den später weiter erforderlichen Raum zu sorgen.

Die neue Infanterie-Kaserne, wohl eine der größten Deutschlands, bestehend aus einem Haupt-Gebäude und zwei Flügeln, je 529′ lang, diese zu Kanzleien, Wohnung der Stabs-Officiere etc., wurde 1827 im Bau begonnen und 1843 vollendet. Sie steht erhaben an dem nordwestlichen Ende der Stadt auf einem Flächenraume von 143/8 M. 28 R. an der Stelle der alten Calwer-Thor-Kaserne S. 134, ist ganz von Steinen und hat vier Stockwerke.| An der ganzen inneren Seite ziehen sich geräumige Arcaden gegen den Hof hin. Es haben drei Regimenter, je zu acht Compagnien, die Compagnie zu 75 Mann gerechnet, Raum. Neben den Haupt-Gebäuden liegen große Öconomie-Gebäude mit Küchen etc., auch fünf Röhr- und ein Tief-Brunnen. Gegen die Straße ist der Hof durch einen eisernen Staketen-Zaun mit drei Einfahrts-Thoren geschlossen. – Hinter dem Haupt-Gebäude, und etwas höher als dieses, steht der 1837 ganz von Stein erbaute Militär-Hospital für die hiesige Garnison, ein dreistöckiges, 250′ langes, 50′ hohes und 50′ tiefes, von einem, den Reconvalescenten zum Spaziergang dienenden, Garten umgebenes Gebäude, dessen Eintheilung unten beschrieben ist. Nächst dem Spital steht einer Seits die gleichzeitig erbaute Wohnung des Verwalters und anderer Seits das Anatomie-Gebäude.

Die neue Reiter-Kaserne vor dem Königs-Thore, an der Ludwigsburger Straße, wurde 1841–1845 von Professor v. Mauch erbaut. Der Flächen-Gehalt der Gebäude und Umgebung beträgt 235/8 M., 45,3 R. Der von den Stallungen abgesonderte, für die Mannschaft bestimmte, massive Hauptbau ist mit seinen zwei vorspringenden Flügeln 444′ 8″ lang und hat in der Mitte vier, im Übrigen drei Stockwerke; die zu beiden Seiten vor und rückwärts stehenden Stall-Gebäude bilden mit dem Hauptbau einen vorne offenen Hof und endigen südöstlich mit zwei Pavillons, welche die Kanzlei und Wohnungen für den Stabs-Officier und den Adjutanten enthalten. Diese Stall-Gebäude sind je 441′ lang, und hängen rückwärts mit zwei weiteren, in die Quere gebauten Stallungen zusammen, 254′ lang und 41′ tief. In der Mitte dieser Stallungen ist rückwärts auslaufend das 211′ lange, 54′ breite Reithaus angebaut, und zwischen dem Stall- und dem Mannschafts-Gebäude befinden sich zwei Küchen-Gebäude mit zwei Schmiede-Werkstätten. Der geräumige Hof ist offen, mit zwei Röhren- und vier Pump-Brunnen versehen.

Weitere Gebäude des Staats sind: das Wohn- und Kanzlei-Gebäude des Justiz-Ministeriums an der Karls-Straße; des Stadt-Gerichtes an der neuen Brücke; hinter demselben das den hier stationirten Landjägern eingeräumte Haus; des Amts-Oberamts-Gerichtes an der Rothenbild-Straße (das nächst diesem stehende Gebäude des Amts-Oberamts ist ausnahmsweise Eigenthum der Amts-Corporation); das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten an der Königs-Straße; das Ministerium des Innern am Dorotheen-Platz; die ehemalige, nun größtentheils der Central-Stelle für Gewerbe und Handel eingeräumte Legions-Kaserne an der Königs-Straße;| die Stadt-Direction am Dorotheen-Platze; das Dienst-Gebäude des Cult-Ministeriums am (alten) Post-Platz; das Waisenhaus an der Planie; der Catharinen-Stift an der Friedrichs-Straße; das Kunst- und Münz-Cabinet an der Neckar-Straße; die polytechnische Schule an der Königs-Straße, nebst dem neuen Laboratorium auf dem Seewiesen-Platz; der Thierarznei-Schule an der Canstatter Land-Straße; das Dienst-Gebäude des Kriegs-Ministeriums auf dem Charlotten-Platze; die Kaserne der Leibgarde an der Hospital-Straße; das Reithaus derselben an der Kanzlei-Straße; die Kasernen-Verwaltung am Post-Platze; die Militär-Straf-Anstalt vor dem Büchsen-Thor; das Militär-Schießhaus am Hasenberge; das Pulver-Magazin in dem Röthenwald; das Kanzlei-Gebäude des Finanz-Ministeriums und der Ober-Finanz-Kammer an der Königs- und Kronen-Straße; das Cataster-Gebäude, zugleich Sitz des statistisch-topographischen Büreaus, an der Büchsen- und hohen Straße; das Stadt-Cameral-Amt und das Land-Cameral-Amt an der Linden-Straße, die Holzgarten-Verwaltung an der Militär-Straße.

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IV. Kirchen- und Pfarr-Gebäude.
Die Stifts-Kirche. Wo sich jetzt dieses Gotteshaus[31] erhebt, stand im 13. Jahrhundert ein Bau von geringem Umfang. Als Graf Eberhard, der Erlauchte, das Stift zum heiligen Kreuz von Beutelsbach, nachdem das dortige fürstliche Erbbegräbniß 1312 von den Eßlingern zerstört worden, mit den Gebeinen seiner Vorfahren nach Stuttgart verlegte, wurde die hiesige Kirche umgebaut und beträchtlich erweitert, so daß die Stiftsherren schon 1321 in der neuen Stifts-Kirche zum heiligen Kreuze ihren Einzug halten konnten, wie eine im Chor der Kirche befindlich gewesene Inschrift: „MCCCXXI in die Johannis Baptiste supervenerunt Canonici de Beutelspach VII. Cal. Jul.“ andeutete. Damals soll auch die neue Kirche, wie die alte war, größtentheils von Holz hergestellt, und nur der Chor auf Kosten Ulrichs, Grafen von Württemberg, Propsts zu St. Guido in Speier (der 1327 als Domherr und 1334–1347 als Propst vorkommt) durch den Steinmetzen Walther von Stuttgart erbaut worden sein. Im Jahr 1419 fiel indessen ein Theil dieses Chors ein, und man beschloß nun, da auch die anderen Theile der Kirche baufällig geworden| waren, sie ganz von Stein aufzuführen, worauf 1436 der Grundstein zum neuen Bau gelegt wurde, der aber, da die Geldmittel, der Verheißungen einer päpstlichen Ablaß-Bulle von 1463 ungeachtet, spärlich flossen, nur langsam von Statten ging. Im Jahr 1452 wurden die Gewölbe eingesetzt, und erst 1495 war die Kirche, mit Ausnahme der Thürme, vollendet. Nach dem ursprünglichen Bau-Plan sollte die Kirche drei Thürme erhalten: einen großen über der westlichen Façade und je einen kleineren über den Kreuzes-Armen. Dieser Plan kam jedoch, wahrscheinlich wegen der Kosten, nicht zur Ausführung (ungeachtet alle damals gewöhnlichen Mittel hervorgesucht wurden; selbst eines der Frauenhäuser (oben S. 92) mußte jährlich 1 Pfd. dazu beisteuern. Cleß, Landes- und Cultur-Geschichte II. Th. 2. Ab. S. 265). Der südliche kleine Thurm, dessen drei unterste Stockwerke noch aus der Periode des ersten steinernen Baues stammen, wurde 1488 um drei Stockwerke erhöht, 1578 mit einem durchbrochenen steinernen Umgang und neuem, 1798 mit Schiefer gedecktem, Dachstuhl versehen. Der kleinere nördliche Thurm wurde nebst der Schnecken-Treppe kaum bis über die Schiffsgewölbe geführt, und dann mit einem Giebel-Dache bedeckt. Auch der große Thurm auf der West-Seite blieb unvollendet; 1490 begonnen, wurde er 1495 bis zum unteren, 1513 bis zum mittleren, und 1531 bis zu seinem obersten Umgang, auf den man sogleich das Dach setzte, geführt. Seine Höhe bis zum Knopfe beträgt 214 württ. oder 188,7 Par. Fuß. Das fürstliche Gruft-Gewölbe unter dem Chor wurde 1608 auf Befehl des Herzogs Johann Friedrich erbaut, und 1683, weil es an Raum darin gebrach, erweitert. Außer dem bereits genannten Steinmetzen Walther ist unter den Baumeistern der Kirche nur ein Meister Eberlin von Stuttgart, der 1451 und 1456–1467 vorkommt, bekannt; auch von Steinmetzen-Zeichen findet man nur ein einziges, auf einem Wappenschild erhaben ausgehauenes, an einer Thüre des den kleineren Thurm auf der Süd-Seite begleitenden Treppen-Thürmchens (Abg. bei Heideloff a. a. O. 17). Wesentliche Veränderungen am Bau der Kirche kamen später nicht mehr vor. Nur im Innern wurden 1700 und 1701 die Füllungen der Emporen mit Malereien geschmückt, die aber bei einer im Jahr 1840–1842 durch Professor Heideloff vorgenommenen gründlichen Restauration des Innern durchbrochenen hölzernen Brüstungen weichen mußten; auch wurden zu Anfang dieses Jahrhunderts die baufällig gewordenen steinernen Gewölbe des Chors durch hölzerne ersetzt. Einen herrlichen Schmuck erhielt aber die Stifts-Kirche 1841 u. f. durch die Munificenz unseres Königs in den prachtvollen Glas-Malereien,| welche drei Fenster des Chors und das Fenster über dem westlichen Haupt-Eingange mit den Gemälden der Geburt, der Kreuzigung, der Auferstehung und einer Darstellung des Königs David zieren. Diese Gemälde wurden, die Kreuzigung nach Carton des Prof. Dieterich, die übrigen nach Cartons von Prof. v. Neher, von den bayerischen Glas-Malern Gebrüder Scheerer trefflich ausgeführt. Die architektonischen und ornamentalen Verzierungen auf denselben erfand und zeichnete Architekt C. Beisbarth.

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Die Stifts-Kirche (die Abbildung des Grundrisses s. Heideloff a. a. O. IV.) steht in der Nähe des alten Schlosses und ist in nordöstlicher Richtung in verschiedenartigem Style gebaut. Auf der südwestlichen Seite steigt der über die Wände der Seiten-Schiffe etwas vortretende, von vier starken Strebe-Pfeilern gestützte, und bis über seinen dritten Stock von einem Treppen-Thürmchen begleitete, viereckige Thurm in vier Stockwerken empor, nimmt auf dieser Höhe noch zwei achteckige Geschosse auf, und endigt, statt in einer durchbrochenen Pyramide, wie es im Plane war, mit einem metallenen Zelt-Dach. Die mit einfachem Giebel-Dach bekrönten Streben sind mit reichverzierten Baldachinen geschmückt, unter denen auf Consolen die Stand-Bilder der vier Evangelisten, schwere Gestalten von wenig Ausführung, aber guter Wirkung, stehen. Auf einem der Spruchbänder, die sie in den Händen halten, liest man die Jahrszahl 1495. Die weiteren vier auf der Ost-, sowie auf der Nord- und Süd-Seite auf den Thurm-Pfeilern ruhenden Streben erscheinen über dem Giebel-Dach der Kirche verziert. Da, wo der vierseitige Thurm in das Achteck umsetzt, sind seine Ecken, die früher freistehende Pyramiden-Thürmchen getragen, abgeschrägt und mit Wasserspeiern in der Form fabelhafter Thier- und Menschen-Bildungen versehen. Um die zwei obersten achtseitigen Geschosse laufen drei durchbrochene Galerien, deren Füllungen nach dem Muster der baufällig gewordenen alten in diesem Jahrhundert ausgeführt sind. Über dem einfachen spitzbogigen Haupt-Portal mit seinem einfachen Wechsel von Rund-Stäben und Kehlen in den Leibungen ist ein großes Spitzbogen-Fenster, dessen Maßwerk bei der Einsetzung der Glas-Gemälde durch anderes ersetzt wurde, in die Thurmwand eingelassen. Auf dem Schlußsteine des Bogens liest man gleichfalls die Jahrszahl 1495. Den reichsten und schönsten architektonischen und plastischen Schmuck am Äußeren der Kirche entfaltet aber das Portal auf der Südost-Seite, das sogenannte Apostel-Thor (abgebildet bei Heideloff V. und in den Jahresheften des w. Alterthums-Vereins). Zwei im obersten Absatz mit gekuppelten Halbfialen unter verzierten Giebeln geschmückte, nur wenig über die| Mauer vortretende Strebe-Pfeiler umrahmen nebst dem einfachen, einen Kranz von Baldachinen überragenden Gesimse, den durch einen schmalen Pfeiler in zwei Hälften getheilten horizontal bedeckten Eingang, dessen elliptischer Bogen durch einen geschweiften Spitz-Bogen überhöht wird, der, mit seiner Kreuz-Blume auf der Spitze, den Krappen auf den Schenkeln und den beiden Fialen zu beiden Seiten, eine zierliche Wimperge bildet. Darüber stehen in zwei horizontalen Reihen, in flachen, in die Mauer eingelassenen Nischen runde Figuren: Christus und die zwölf Apostel, herrliche Gestalten voll Ernst und Würde. Die Spitz-Säulen, welche die Wimperge stützen, sind unterwärts zu Baldachinen gewölbt, unter denen Figuren auf Consolen standen, die jetzt leider fehlen. Die Felder der Bögen enthalten schön gearbeitete Relief-Darstellungen, und zwar sieht man in dem elliptischen Bogen-Feld die Kreuz-Schleppung Christi, in dem Feld zwischen dem geschweiften Spitz- und dem Thür-Bogen die Auferstehung. Dieses Bildwerk von hoher Vortrefflichkeit ist, wie aus der Jahres-Zahl ersichtlich, welche man in dem Baldachin eingehauen findet, auf welchem Petrus steht, im Jahr 1494 vollendet worden. Auf die unbekannten Künstler oder Stifter derselben beziehen sich wohl die Wappen an den Consolen der Apostel Simon und Paulus, von denen das eine drei Lilien, das andere ein Sparren mit drei Sternen im Schilde führt. Dem anderen Eingang auf derselben Seite der Kirche, der sogenannten Braut-Thüre, deren Spitzbogen durch einen sogenannten Eselsrücken mit Krappen auf den Schenkeln überhöht erscheint, wurde später eine von einer Galerie mit germanischem Maßwerk bekrönte, gewölbte Vorhalle mit spitzbogigen Arkaden vorgebaut. Der Schluß-Stein des Netz-Gewölbes dieser Vorhalle zeigt in einer Relief-Darstellung Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntniß; die Consolen, welche die Bögen tragen, bestehen in Engelsbrust-Bildern mit Wappen-Schilden in den Händen. An dem einzigen freistehenden Eck-Pfeiler stand früher auf einer ähnlich gebildeten Console unter einem Baldachin eine (jetzt fehlende) Statue. Der auf der Süd-Ost-Seite stehende Thurm, welcher noch heute den Kreuzes-Arm des Quer-Schiffes der alten Kirche bezeichnet, zeigt in den Scheidungs-Gurten seiner drei ältesten Stockwerke den romanischen Rundbogen-Fries mit darüber hinlaufender prismatischer Zahnschnitt-Verzierung, und Fenster mit primitiven Spitzbogen, in denen der oberen (von 1488 an erbauten) Geschosse dagegen den germanischen Spitzbogen-Fries mit Spitzbogen-Fenster. Der darüber aufgeführte, schon vielfach umgeänderte Holzbau hat einen Umgang mit eisernem Geländer, und ist mit einem geschweiften Dache bedeckt, das, ehe es| in einer feinen Spitze endigt, sich noch zu einem Glocken-Stübchen umbildet. Gegen Süden und gegen Osten schließen sich Treppen-Thürmchen dem Thurme an. Der Bau des jenseitigen runden, noch romanischen, wurde aber schon nach dem ersten Stockwerk wieder verlassen; dieses, in seinen unteren Theilen noch alt, setzt bald vom Viereck in’s Achteck um und steigt, von großen, schmalen, vierseitigen Fenstern durchbrochen, luftig und leicht bis zum dritten Stocke des Thurms in die Höhe. Eine beim Niederlegen des Bodens um die Kirche nöthig gewordene steinerne Treppe mit gothischem Geländer führt zu seinem Eingang und, durch eine andere Thüre, in den Chor. Auf der Nord-Seite lehnt sich an diesem Thurm der nunmehr von dem hohen Kirchen-Dach verdeckte, alte Giebel des über die Schiffe der Kirche erhöhten Chors (wie dies bei Kirchen des Übergangs-Styls, in welchem die ältesten noch vorhandenen Theile der Stifts-Kirche erbaut sind, häufig vorkommt) mit dem (theilweise noch vorhandenen) romanischen Rundbogen-Fries unter dem Kranz-Gesims und einer runden Öffnung in der Mitte. Die stark über die Mauer-Fläche hervortretenden Strebe-Pfeiler des Chors sind auf ihren Vorsprüngen und auf der mit einem einfachen Giebel bekrönten Spitze schmucklos; nur der erste südliche ist auf seinem oberen Absatz mit gruppirten, von Giebeln übersetzten Halb-Fialen verziert, aus denen sich noch ein Pyramiden-Thürmchen entwickelt, dessen Spitze nebst Blume sich frei erhebt. Zwischen diesem verzierten Chor-Strebe-Pfeiler und dem folgenden glatten ist eine spitzbogige glatte Nische (wohl ursprünglich eine Thüre) in die Chorwand eingelassen, in deren Bogen-Feld ein treffliches freistehendes, theilweise verstümmeltes, plastisches Bildwerk romanischen Styls: Christus am Kreuz mit Maria und Johannes, und sinnbildlichen Relief-Gestalten von Thieren an den Sockeln der letzteren, aufgestellt ist. Die Fenster des Chors sind dreitheilig, mit Ausnahme des ersten südlichen, das viertheilig, durch einen mit Maßwerk ausgefüllten Streifen in zwei Hälften getheilt ist, und der Anlage nach wohl noch zum alten Chor gehört haben mag. Das Maßwerk in den Fenster-Bögen des Chors ist etwas reiner im Styl, als das der Fenster des Schiffs. Gegen Norden ist die Sacristei mit einem späteren, durch schlanke und elegante, verzierte Streben gestützten Chor-Schluß an den Chor angelehnt. Die nördliche Wand des ursprünglich projectirten, aber während des Baues wieder verlassenen und mit einem Giebeldach überdeckten, Thurms enthält im unteren Stocke zwei Fenster mit horizontalem Sturz und darüber ein einziges großes sechstheiliges, im Spitzbogen überwölbtes. Ein rundes Thürmchen mit einer interessanten Doppel-Treppe und einem| Zelt-Dach, deren Spitze eine Kreuz-Blume trägt, steigt zu gleicher Höhe mit ihm empor. Sonst macht auf der Nord-Seite der Stifts-Kirche nur noch eine Rose über dem nordwestlichen Eingang einigen Anspruch auf künstlerische Geltung. Die Streben der Schiffe, welche nach außen nur wenig hervortreten, erscheinen sämmtlich als aus dem Grundriß der Spitz-Säule construirte Halb-Pfeiler mit einer pyramidalen, durch Krappen und Kreuz-Blume verzierten Spitze; die Fenster sind viertheilig und, mit Ausnahme der beiden westlichen, in ihren Spitz-Bögen mit spätgothischem Maßwerk ausgefüllt. Ein sehr einfaches Kranz-Gesims läuft um die ganze Kirche, deren Schiffe ein hohes, die Bedeckung des Chors weit überragendes Dach bedeckt. Das mittlere Schiff wird von den beiden Seiten-Schiffen, von der Arkadenhöhe an, überragt. Im Innern tragen zwei Reihen Pfeiler, deren Gliederungen in die spitzbogigen Arkaden verlaufen, die kunstvoll construirten Netz-Gewölbe. Die weit in das Innere der Kirche gerückten Strebe-Pfeiler bilden kleine Capellen, über welche zierliche Netz-Gewölbe gespannt sind. Fünf nicht sehr hohe, aber breite Fenster auf jeder Seite erhellen die Kirche. Die mit figürlichen Relief-Darstellungen verzierten Schluß-Steine stehen in einem hübschen Verhältniß zu den interessanten Gewölben, deren Reihungen verschiedenartige geometrische Figuren bilden. Das letzte östliche Gewölbe des südlichen Seiten-Schiffs schließt sich an die westliche Wand des alten romanischen Thurms an, das letzte östliche des nördlichen dagegen öffnet sich gegen eine gewölbte Empor-Bühne (bei Heideloff a. a. O. abgebildet) mit spitzbogigen Arcaden, zu der man durch eine steinerne Wendel-Treppe gelangt. Ein hängender Schluß-Stein des Netz-Gewölbes dieser Empore trägt das in Stein ausgeführte und bemalte Bild des heil. Urban, des Schutz-Patrons der Weingärtner, das gerade unter dem Schluß der spitzbogigen Arcade zum Vorschein kommt, welche in die zwischen die beiden letzten nördlichen Streben eingelassene sog. Urbans-Capelle führt, deren Decke flach ist, aber durch freie, mit Maßwerk angefüllte Rippen den Schein eines Gewölbes erhält. Das durch eine einfach gegliederte spitzbogige Arcade sich gegen das Mittel-Schiff öffnende Erd-Geschoß des romanischen Thurms enthält ein spitzbogiges Kreuz-Gewölbe, dessen Rippen auf hübschen, mit Blattwerk im romantischen Styl verzierten, Capitälen ruhen und in einer einfachen Rosette schließen. Der ehemalige Lettner zwischen Chor und Mittel-Schiff war mit den Darstellungen der Verkündigung der Geburt Christi, der Beschneidung und Offenbarung „ebenmäßig ganz schön und zierlich in Stein gehauen“ geschmückt, wurde aber zu Anfang dieses Jahrhunderts als baufällig| abgetragen. Der um vier Stufen vom Boden der Schiffe erhöhte Chor, zu dem man durch den sehr hohen, auf fünfseitigen Halb-Pfeilern ansetzenden, einfach gegliederten Triumph-Bogen gelangt, ist südlich aus der Axe gerückt und im Achteck abgeschlossen. Seine jetzigen Gewölbe sind den ursprünglichen alten von Holz nachgebildet. Ein kleines Thürchen mit gedrücktem Bogen führt vom Chor in die Sacristei, welche ursprünglich aus zwei hohen Kreuz-Gewölben mit Gurten und Schluß-Steinen bestand, später aber noch zwei dazwischen gespannte Stern-Gewölbe und einen Chor-Schluß mit Netzgewölben erhielt. Den großen Thurm tragen zwei bedeutend stärkere, reicher als die übrigen gegliederte, Pfeiler.

Die an den vierten nördlichen Pfeiler des Mittel-Schiffs angelehnte steinerne Kanzel (die Abbildung bei Heideloff S. 21) zeichnet sich durch ihren reichen und geschmackvollen architektonischen und bildnerischen Schmuck aus. Auf ihrem sechsseitigen, mehrfach sternförmig über’s Eck gesetzten Fuß, windet sich spiralförmig der Schaft in die Höhe, auf dessen durchbrochenem Knauf ein oben sich erweiternder Aufsatz sich erhebt, der nach Außen in einen Kranz von geschweiften Spitz-Bögen mit Krappen und Kreuz-Blumen geschmückt und von wechselndem Maßwerk durchflochten, als Fuß-Gesims der Brüstungen ausladet. Diese letzteren bestehen aus vier, durch zierliches Stabwerk von einander getrennten Nischen, in denen die Figuren der vier Evangelisten in halb erhabener Arbeit und trefflicher technischer Behandlung angebracht sind. Das Geländer der Treppen ist mit durchbrochenem, das des Treppen-Bodens mit Blenden-Maßwerk verziert. Der eben so reiche als geschmackvoll im Styl der Kanzel gehaltene Schall-Deckel ist neu und wurde nach den Zeichnungen des Professors C. Heideloff ausgeführt.

Unter den Monumenten der Kirche ist wohl das steinerne Grab-Denkmal des Grafen Ulrich mit dem Daumen, der als Gründer des (gleichwohl älteren) Stiftes Beutelsbach angesehen wird, und seiner Gemahlin Agnes, Herzogin von Liegnitz (Abbildung bei Heideloff VI.), das interessanteste. Es gehört zu den ältesten schwäbischen Grab-Monumenten und dürfte nicht sehr lange nach dem (1265 erfolgten) Tod des gräflichen Ehepaars gefertigt worden sein. Von Graf Eberhard dem Erlauchten 1321 in dem Chor der Stifts-Kirche aufgestellt, hat es im Verlaufe der Zeit bedeutende Verstümmelungen erlitten. Die beinahe ganz freien Figuren sind in Lebens-Größe ausgeführt, und waren früher, wie man noch deutlich erkennen kann, bemalt. Ulrich, dessen Füße auf zwei Löwen, als dem Symbol des Heldenmuths, ruhen, ist in den langen Waffenrock gekleidet und mit dem cingulum| militare umgürtet; auf den Schultern über dem Mantel sind die württembergischen Wappenschilde angebracht. Das Haupt, das wie das seiner Gemahlin auf einem gestreiften Kissen ruht, ist mit einer Krone aus Weinlaub geschmückt. Agnes, seine Gemahlin, zu deren Füßen zwei Hunde liegen, als Symbol der ehlichen Treue, ist in ein langes faltenreiches Gewand gekleidet, über dem auf der Brust eine Spange mit dem württembergischen und polnischen Wappen den unter den Armen aufgezogenen Mantel zusammenhält. Ihr Haupt schmückt eine Laubkrone aus Ulmenblättern und ein geröllter, über eine Spitzenhaube geworfener, Schleier. Zu Häupten Beider sind Schilde mit dem württembergischen und dem polnischen Wappen angebracht, und die auf der abgeschrägten Kante um das Monument laufende Inschrift zeigt die Todestage an. – Eine Hauptzierde der Kirche bilden die auf Befehl des Herzogs Ludwig von Württemberg um 1574 begonnenen, aber erst unter seinem Nachfolger Herzog Friedrich vollendeten, in Stein ausgeführten, trefflich gearbeiteten eilf Standbilder württembergischer Fürsten, die unter einem an allen Stellen reich verzierten architektonischen Gerüst in glatten, durch Atlanten in Hermenform getrennten, Nischen geharnischt, barhäuptig und die Helme zu ihren Füßen auf Löwen stehen. Es sind die Statuen der Grafen: Ulrich, des Stifters (gest. 1265); Ulrichs II. (gest. 1279); Eberhards des Erlauchten (gest. 1325); Ulrichs des III. (gest. 1344); Ulrichs des IV. (gest. 1366); Eberhard, des Greiners (gest. 1392) und seines in der Schlacht bei Döffingen (1388) gefallenen Sohnes; Eberhard des III., des Milden (gest. 1417); Eberhards des IV. (gest. 1419); Ulrich des V. des Vielgeliebten (gest. 1480) und Heinrichs (gest. 1519). Diese Monumente gehören zu den schönsten Werken des Renaissancestyls in Württemberg[32].

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Unter den andern beachtenswerthen Werken der Sculptur, welche die Stiftskirche verwahrt, ist außer dem bildnerischen Schmuck des Lettners (theilweise verstümmelt, in dem Chor vereinzelt und zusammenhangslose aufgestellt) insbesondere ein Votivbild aus Stein zu nennen mit drei halbrunden, von hohen Baldachinen aus spätgothischem Stab- und Ranken-Werk bedeckten Nischen, das in einer| der zwischen den Streben der Schiffe angeordneten Capellen in die Mauer eingelassen ist. (Abgebildet in den Jahresheften des w. Alterthums-Vereins.) Von den figürlichen Darstellungen der letzteren ist indessen nur noch das Bildwerk der mittleren erhalten. In derselben steht Christus als Weltrichter, mit der Rechten einladend, mit der abgewandten Linken abwehrend. Den um seine Schultern befestigten Mantel halten Engel, deren Flügel eine Art Glorie um das Haupt des Erlösers bilden, ausgebreitet, und es erscheinen zu beiden Seiten, wie unter seinen Schirm sich flüchtend und für alle Erdennöthen die allerbarmende Liebe anflehend, knieend in Verehrung die vierzehn Nothhelfer. In der Predella darunter sieht man die sieben klugen und sieben thörichten Jungfrauen, jene von einem knieenden und betenden Engel begleitet, diese von einem Dämon angegrinst.

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Von den Grabmonumenten, deren die Kirche eine außerordentlich große Menge besaß[33], verdienen noch erwähnt zu werden: das Standbild eines geharnischten Ritters auf einem Löwen stehend, den Helm zu seinen Füßen, an der östlichen Wand der Thurmcapelle. Die Umschrift der ornamentirten Gedächtnißtafel, vor der die Statue steht, nennt den „Anno 1562 den 15. Martii gestorbenen Hannß Herter, von vnnd zue Herteneckh, Fürstl. Württ. Hauß-Hoffmeister, vnnd Obervogt zue Sultz.“ Diesem Denkmal gegenüber ist in die Wand ein Monument aus rothem Marmor eingemauert, das den Ritter St. Georg im Costüm der Zeit, den Lindwurm zu seinen Füßen, rechts den betenden Donator, Dr. Georg Hartsesser (Dekan des Stifts 1490–1510), links Christus mit erhobener Rechten, darstellt. Künstlerisch weit interessanter als dieses ist das Denkmal des Dr. Ludwig Vergenhans (bei Heideloff abgebildet S. 24), der, ein Bruder des berühmten Nauclerus, 1481–1512 Propst des Stifts war. Dasselbe ist in der von ihm selbst erbauten Capelle in die westliche Wand eingemauert und ebenfalls aus rothem Marmor gemeiselt. Es stellt den Verstorbenen in einer zierlichen, aus gothischem Ast-, Ranken- und Blatt-Werk gebildeten, laubeartigen Nische in Lebensgröße und im Meßgewand dar. In einer andern Capelle sieht man ein Epitaphium mit einer schönen Reliefdarstellung der Mutter Gottes im Strahlenglanze unter einem aus gothischem Pflanzen-Ornament| gebildeten Baldachin, zu ihren Füßen den Donator, einen im Jahre 1502 verstorbenen Canonicus der Stiftskirche, Namens Heller. Endlich verwahrt man noch im Chor, mit einem eisernen Gitter umschlossen, das von Meister Schlör aus Hall verfertigte Grabmal des Grafen Albrecht von Hohenlohe, der im Jahr 1575 im Turnier bei Herzog Ludwig’s von Württemberg erster Hochzeit todt gerannt worden (s. oben S. 123). Vier knieende Geharnischte tragen den mit ringsumlaufendem Epitaphium versehenen Katafalk, auf welchem die lebensgroße Gestalt des Verstorbenen in voller Rüstung mit gefalteten Händen ruht. Das ganz bemalte Grabdenkmal wurde von dem Bildhauer Prof. v. Wagner 1844 passend restaurirt. Andere Grabmonumente mit und ohne figürlichen Schmuck sieht man ferner im Chor, in den Strebepfeiler-Capellen u. s. w.

Die erste Orgel erhielt die Kirche schon 1381. Die jetzige wurde 1737 von Martin von Hayingen für die Klosterkirche Zwiefalten gebaut und 1807–11 hierhergebracht, 1837–45 mittelst einer Collekte, woran sich der König und die Königin mit 1000 fl. und 300 fl. betheiligten, von Walker wesentlich verbessert, mit einem gothischen Gehäuse versehen und aus dem Chor an die jetzige Stelle versetzt. Sie ist eines der vollendetsten Werke Deutschlands und hat in vier Manualen und zwei Pedalen 4236 Pfeifen, wovon 900 bis 1000 auf einmal in Thätigkeit gesetzt werden können.

Die älteste Glocke, welche mit dem Stift von Beutelsbach herübergekommen sein soll, ward laut der Inschrift schon 1285 gegossen. Das Meßglöcklein wurde 1407, die große Glocke, 123 Ctr. schwer, ward 1520 von Marx Hiller in Biberach gegossen. Diese und das 1600 gegossene Silberglöckchen hängen im großen Thurm, der außerdem eine 1530 erbaute Uhr mit drei Schlagglocken hat. Im kleinen Thurm hängen die von Martin Billing in Biberach gegossene Salve-Glocke und die 1585 gegossene Thor-Glocke.

St. Leonhardskirche. An deren Stelle stand ursprünglich eine Capelle gleichen Namens, die schon im J. 1334 erwähnt wird und um’s Jahr 1400 bei zunehmender Bevölkerung der Vorstadt vergrößert wurde. Es ist indessen keine Spur mehr von ihr vorhanden; denn die jetzige Kirche ließ Graf Ulrich, der Vielgeliebte, 1470–1474 neu erbauen; ihr Thurm aber, St. Moritzthurm genannt, mit zwei Glocken von 1462 und 1483 und 1613 errichteter Schlaguhr, wurde erst 1491 vollendet. Hauptveränderungen erlitt dieselbe im Laufe der Zeit keine, so daß der Bau so ziemlich in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten ist, die Emporen und einige Anstriche im Innern und von Außen abgerechnet.

Das Äußere der St. Leonhardskirche ist ganz schmucklos.| Einfache, mit glatter Schräge abgestufte und bedachte Strebepfeiler stützen die Gewölbe von Außen, und zwar drei schräg gestellte an den Ecken (an der vierten Ecke südöstlich tritt der Thurm hervor), vier je auf der Nord- und Süd-Seite und zwei an der Westseite. Auf der letzteren befindet sich auch der Haupteingang, ein aus Rundstäben und Kehlen in einfachem Wechsel gegliedertes Portal mit elliptischem Bogen, das in neuerer Zeit, um es etwas reicher zu gestalten, durch einen geschweiften Spitzbogen mit Krappen und Blume überhöht wurde (eine Stiftung des Werkmeisters Heimsch). Daneben ist je ein spitzbogiges und darüber ein großes rundes Fenster, eine mit Fischblasenmaßwerk ausgefüllte Rose in die Wand eingelassen. Ein hoher Giebel, mit einer (in neuerer Zeit restaurirten) Kreuzblume auf der Spitze, umfaßt sämmtliche Schiffe der Kirche und vermehrt durch seinen ungeheuern Umfang die nüchterne Einfachheit der westlichen Façade. Auf der Nord- wie auf der Süd-Seite führen je ein kleinerer horizontal bedeckter Eingang und ein spitzbogiges, einfach profilirtes Portal in die Seitenschiffe, deren nördliches noch zwei besondere (neuere) Eingänge für die Emporen erhalten hat, zu denen man auf Freitreppen mit gußeisernen, nach gothischen Mustern ausgeführten Geländern gelangt. Der gegen Osten den Chor weit überragende Kirchengiebel hat auf seiner Spitze eine zierliche, noch aus der Zeit der Erbauung stammende, Kreuzblume. Die Chorstrebepfeiler haben ein Giebeldach mit hübscher Blume auf der Spitze. Das Maßwerk in den Fenstern der Kirche, wie in denen des Chors, ist ziemlich styllos. Der viereckige Thurm hat drei Stockwerke, deren oberes das Glockenhaus bildet und vier spitzbogige Fenster enthält. Sämmtliche vier Seiten desselben sind durch Giebel mit Kreuzblumen auf der Spitze, von denen aus das achtseitige Zeltdach schlank in die Lüfte emporschießt, überhöht. Ein östlich angebautes Treppenhäuschen mit Zeltdach und Blume auf dessen Spitze begleitet den Thurm bis zur Stockhöhe des Chors.

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Das Innere hat drei gleich hohe Schiffe, aber kein Querschiff. Zwei Reihen von je vier achtseitigen Pfeilern, deren Profilirung sich unmittelbar in die der spitzbögigen Arcaden fortsetzt, trennen die Seitenschiffe von dem Mittelschiff, das eine sehr bedeutende Breite hat und dadurch dem gesammten Innern das Gepräge des Weiten, Geräumigen verleiht. Sie tragen die feinen und zierlichen, äußerst hübsch combinirten Netzgewölbe. Die Seitenschiffsgewölbe ruhen einerseits auf den Hauptsäulen der Pfeiler, anderseits setzen sie ohne Gurtträger oder Consolen an den Seitenmauern der Kirche ab. Durch je fünf dreitheilige, ziemlich hohe, spitzbogige Fenster| auf der Nord- und Süd-Seite, zwei etwas weniger lange an der westlichen Façade, und die Rose über dem Hauptportal erhalten die Schiffe der Kirche ihr Licht. In das (neu eingesetzte) Maßwerk des Rundfensters sind Glasmalereien eingelassen, die im Mittelfeld ein würdiges Brustbild Christi, in den andern geschmackvolle Ornamente enthalten, und, von Stadtrath Denninger gestiftet, von den Gebr. Scheerer ausgeführt wurden. Durch den breitgesprengten Triumphbogen mit scharf ausgekehlter, vorn in ein birnartiges Profil zusammenlaufender Gliederung, gelangt man in den nur um zwei niedrige Stufen über den Boden der Kirche erhöhten, aus dem Achteck geschlossenen, von fünf zweitheiligen, langen und schmalen Fenstern erhellten Chor, dessen Netzgewölbe an Feinheit und Zierlichkeit denen der Kirche gleich kommen, diese aber an Höhe überragen. Nördlich führt eine Thüre mit flachem Bogen und Kreuzstäben in die mit Netzgewölben bedeckte Sacristei, einen nach der Vollendung der Kirche zwischen den letzten nördlichen Schiffs- und den ersten Chorstrebe-Pfeiler gespannten Anbau mit drei spätgothischen Fenstern. Eine ähnliche, nur etwas kleinere Thüre öffnet sich in den der südlichen Abseite östlich vorgebauten Thurm. Die Schlußsteine der Kirchen- und Chor-Gewölbe sind mit Bildern von Heiligen, zum Theil von sehr guter, halberhabener Arbeit geschmückt – Die Kirche hat 1852 an Stelle der alten von 1621 eine neue gute, von Walker gebaute, Orgel erhalten.

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Außerhalb der Kirche, vor dem Chorschluß gegen Osten, steht der s. g. Ölberg (abgebildet bei Heideloff S. 27), ein im Jahre 1501 von Jakob Walther, gen. Kühhorn, und seiner Gattin Clara Mager auf dem (damaligen) Gottesacker gestiftetes ausgezeichnetes Bildwerk. Dieses aus vier lebensgroßen Figuren bestehende Monument mit seinem altersgrauen, hin und wieder malerisch mit einer Schichte immergrünen Mooses bedeckten, Gesteine ist, obgleich seit vierthalb Jahrhunderten den Verheerungen der Elemente preisgegeben, noch ziemlich gut erhalten. Eine im Jahre 1839 mit Hilfe einer Collecte (wozu der König 600 fl. und die Königin 100 fl. beitrugen) vorgenommene Restauration ergänzte einige beschädigte Theile, bei welcher Gelegenheit dasselbe auch, besseren Schutzes wegen, mit einem eisernen Gitter umgeben wurde. Auf einem Berge, an welchem Schlangen, Eidechsen und anderes Gewürme hinankriecht, auf dem Menschenknochen und Schädel umherliegen, der Schädelstätte, ist das steinerne Kreuz errichtet, an welchem Christus hängt, eine edle, würdevolle Gestalt, von herrlichem Ebenmaß des Gliederbaus und ergreifender Macht des Ausdrucks eines, alle Theile des Körpers durchzuckenden, aber von erhabenster Seelengröße| gemilderten und geadelten Schmerzes. Zu beiden Seiten des Kreuzes stehen, rechts vom göttlichen Erlöser: die Mutter Gottes, gebeugten Hauptes, mit der Rechten das Gewand unter der Brust zusammenhaltend, mit der Linken ein anderes Ende desselben über dem Herzen erfassend, eine Gestalt von ebenso hoher Anmuth als tragischer Größe; links: der Lieblingsjünger Johannes, das lockenumwallte Haupt voll süßen Ausdrucks in innigster Bewegung zur Mutter des Herrn emporrichtend, die Linke, wie betheurend, fest an die treue Brust drückend. Zu den Füßen des Gekreuzigten aber knieet, mit Inbrunst den harten Stamm des Kreuzes umklammernd und an ihren Busen drückend, das Antlitz sehnsuchtsvoll zu dem Erlöser erhoben, Maria Magdalena, die kreuzumarmende Patronin der Büßenden, in deren Gestalt der Künstler die Stifterin, Clara Mager, personificirt zu haben scheint. An der Vorderseite des Berges sind unter den Statuen der Maria und des Johannes Wappenschilde angebracht, die darauf ausgehauenen Wappen sind aber nicht mehr recht zu erkennen; dagegen steht hinten am Kreuzesstamm in leserlicher Schrift der Zeit die Jahreszahl 1501. Der Meister des Werks ist nach Heyd Herzog Ulrich Band I. S. 199 derselbe, der den berühmten Ölberg im Dom zu Speier verfertigte.

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Die Hospitalkirche. Auch an der Stelle der Hospitalkirche stand früher eine um 1350 erwähnte Capelle, die Liebfrauen-Capelle, die aber unter Graf Ulrich, dem Vielgeliebten, eingerissen wurde, um einer neuen Kirche Platz zu machen, zu welcher er 1471 den Grundstein legte. Schon nachdem das Chor fertig geworden war, übergab sie der Graf 1473 dem von ihm neugegründeten Dominikanerkloster als Klosterkirche; ihr Bau wurde aber erst 1493 vollendet. Die Mönche begannen sogleich auf dem ihnen neben der Kirche eingeräumten Platz den Bau eines Klosters, der jedoch so langsam von Statten ging, daß erst 1505 der westliche Theil des projectirten Gebäudes fertig, das Ganze aber nie vollendet wurde. Die Kirche erhielt nach der Reformation den Namen Hospitalkirche und wurde zur städtischen Kirche gemacht. Sie hatte nur ein einziges Thürmchen über dem Dach des Chors, an dessen Stelle 1730 (welche Jahreszahl über dem horizontalen Sturz der Thüre zu lesen ist) der 1738 vollendete jetzige Thurm kam. In den Jahren 1821–1822 wurde eine durchgreifende Erneuerung der Kirche vorgenommen, wozu der König 1000 fl. beitrug. Man brach die Treppenhäuser außen an der Kirche ab; die alte glatte Decke machte hölzernen Kreuzgewölben Platz; in die nördliche Wand gegen den Klostergarten wurden vier Fenster eingebrochen, und die Errichtung| neuer Emporen zog auch im Äußeren einige Änderungen nach. Im Jahre 1834 schenkte Dannecker der Hospitalkirche das im Chor aufgestellte Modell seiner Christusstatue.

Das Äußere zeigt gegen Westen ein mittelst Rundstäben und Hohlkehlen profilirtes rundbogiges Portal, das durch einen ähnlich gegliederten Pfeiler in zwei spitzbogig abgeschlossene Hälften getheilt wird; darüber unter ziemlich hohem Giebel ein nicht sehr hohes viertheiliges Spitzbogenfenster und zu beiden Seiten desselben je ein dreitheiliges deßgleichen; gegen Süden: einen ähnlichen Haupteingang, auf dessen von einem Capitäl bekrönten Mittelpfeiler ein in Stein gehauenes Marienbild steht; ferner eine Reihe von sieben Fenstern, von denen das über dem Portal viertheilig ist, während die andern dreitheilig sind und das erste und letzte wegen späterer Einbauten an ihrer ursprünglichen Höhe verloren; gegen Osten legt sich der Kirche der Chor mit Schluß aus dem Achteck vor; gegen Norden führten nur zwei Thüren in die Kreuzgänge, die ganze übrige Wand bildete, ehe die (viel späteren) Fenster eingebrochen wurden, eine einfache Mauermasse. Der moderne, der Ostseite des südlichen Seitenschiffes vorgebaute, viereckige Thurm mit vier rundbogigen Fenstern im Glockenhaus, hat einem Umgang mit eisernem Geländer, einen hölzernen Aufsatz und ein mit Schiefer gedecktes Dach. Er ist mit Schlaguhr und drei Glocken versehen, deren eine von 18 Centnern Kurz dahier 1845 goß. Die nur auf der West- und Süd-Seite angebrachten Strebe-Pfeiler der Kirche sind glatt, haben ein geschweiftes Pultdach und davor einen einfachen Giebel, auf dessen Spitze eine Kreuzblume steht; die des Chors dagegen sind in ihren obern Absätzen verziert.

So schmucklos das Äußere, so einfach ist das Innere. Zwei Reihen von je fünf achtseitigen, durch profilirte Spitzbogen-Arkaden mit einander verbundenen, glatten Pfeilern ohne Capitäle, theilen dasselbe in drei Schiffe, von denen das mittlere die größte Breite hat. Die (später eingesetzten hölzernen) Kreuzgewölbe des Mittelschiffs ruhen südlich auf sculpirten Consolen, nördlich kreuzen sich ihre Gurten an der Fläche der Pfeiler; die der Seitenschiffe setzen einerseits an den Pfeilern, anderseits an den Wandungen der Kirche ohne Gurtträger ab. Ein (nicht mehr vorhandener) Lettner trennte das Langhaus von dem Chor, zu dem ein Triumphbogen führt, dessen Gliederung aus Hohlkehle und Karnieß bis auf die Sockelhöhe herniederlauft. Die noch ursprünglichen Sterngewölbe des Chors haben hübsch sculpirte Schlußsteine mit figürlichem Schmuck in halb erhabener Arbeit. Fünf Fenster erhellen den Chor, ein sechstes gegen Süden ist bei der Ausführung des Thurms vermauert| worden. Das Mittelfenster und das letzte auf der südlichen Seite ist vier-, die andern sind dreitheilig. Das Maßwerk in ihren Bögen ist ziemlich unrein. Durch eine kleine Thüre mit Kreuzstäben im gedrückten Bogen gelangt man in die Sacristei, die im untern Stock einige Netzgewölbe, deren Gurten theils von Consolen getragen werden, theils sich an der Wand kreuzen, und drei durchaus ungleiche Fenster enthält; in ihrem oberen, durch ein einziges dreitheiliges Fenster erhellten Stock mit flacher Decke befand sich früher die s. g. Bibel, ein Gefängniß für Geistliche, welche jetzt zu einem Betsaal für die Hospitaliten dient. Der interessanteste architektonische Schmuck im Inneren ist der aus offenen gewölbten Hallen gebildete steinerne Kirchenstand, den Graf Ulrich der Vielgeliebte in dem nördlichen Seitenschiff für sich erbauen ließ. (Abgeb. bei Heideloff VII.) Er besteht aus drei Arkaden, deren profilirte Bögen auf achtseitigen Pfeilern ruhen, die nur gegen das Mittelschiff mit einem Dreiviertelsäulchen geschmückt sind und einen vom Achteck in’s Viereck umsetzenden Fuß haben, sowie aus drei entsprechenden Kreuzgewölben, deren Gurten an der nördlichen Wand auf zierlich sculpirten figürlichen Consolen, südlich an den Pfeilern auf Consolen mit den kleinen, lebhaft bewegten Statuetten der verschiedenen beim Bau beschäftigten Werkmeister absetzen. Die Schlußsteine der Kreuz- sowohl als der Quergurten-Gewölbe sind ebenfalls mit figürlichen Darstellungen geschmückt. Auf den Halbsäulen der Pfeiler gegen das Mittelschiff sitzen capitälartig die Brustbilder von Propheten, die als Consolen unter hübsch componirten Baldachinen die (leider fehlenden) Statuen der vier Evangelisten trugen. Eine Galerie mit kräftig gearbeitetem Maßwerk ausgefüllt und von einem hübsch profilirten Gesimse abgeschlossen, bildete die Bekrönung des fürstlichen Standes und gestaltete denselben zugleich zu einer Emporbühne. An einem der Baldachine ist die Jahreszahl 1479, die Zeit der Vollendung des Werks, bezeichnend, angebracht.

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Von den aus Eichenholz geschnitzten Kirchenstühlen der ehemaligen Prediger-Mönche stehen nur noch die Rücksitze der nördlichen und südlichen Chorwand; die übrigen, mit runden Brustbildern auf den Seitenbrüstungstafeln und halb erhabenen ornamentalen und figürlichen Darstellungen darunter sind, zum Theil zu besonderen Stühlen verwendet, im Langhaus der Kirche aufgestellt. Die Seitenwände der auf der Nordwand des Chors stehenden Stühle sind durchbrochen und zum Theil mit geschmackvollen Ornamenten ausgefüllt. Unter der Füllung der ersten Seitenwand gegen Osten ist in einer Nische der heil. Ulrich in halb erhabener Arbeit dargestellt. Die übrigen Seitenwände sind in ihren Ausladungen mit| fabelhaften Thieren verziert; auf den Seitenlehnen der Stühle sitzen allerlei kleine genreartige Figürchen. Auf der Rückwand ist in einem Spruchband eine Inschrift zu lesen, nach welcher die Prediger-Mönche Conrad Zolner und Hans Haß die Verfertiger dieser im J. 1493 vollendeten Stühle waren. Die Stühle an der südlichen Chorwand, die nach einer Inschrift auf der Rückwand von „Hans Ernst von Beblingen“ im J. 1490 ausgeführt wurden, entbehren des figürlichen Schmucks, sind aber in ihren ornamentalen Theilen um so trefflicher gearbeitet. (Abbildung bei Heideloff S. 30.)

Unter den noch vorhandenen Grabdenkmälern, deren die Hospitalkirche eine sehr große Menge, besonders vieler adeliger Familien, z. B. deren v. Sachsenheim, v. Stein, v. Plieningen, v. Welling, v. Hallweil, v. Leiningen, v. Göllnitz u. s. w. zählte, verdienen besonders erwähnt zu werden: das im Chor der Kirche aufgestellte großartige, aus feinem Sandstein gehauene, im Renaissancestyl ausgeführte Monument des Obersten v. Bouwinghausen und seiner beiden Gemahlinnen (gest. 1619 und 1635), und die in die Wand des südlichen Seitenschiffs eingelassene (theilweise zertrümmerte) steinerne (früher über einem Altar angebracht gewesene) Votivtafel mit einem Aufsatz von drei aus Rankenwerk gebildeten Baldachinen, unter deren mittlerem der Donator in Rüstung knieend die unter dem ersteren sitzende Maria mit dem Kinde, über deren Haupt zwei schwebende Engel eine Krone halten, anbetet, während das unter dem dritten Baldachin ausgebreitete Wappen den Stifter als den Ritter Georg v. Sachsenheim zu erkennen gibt.

Die Orgel, ursprünglich von dem blinden Conrad Schott, ist in neuerer Zeit gut hergestellt worden.

Eine Thüre auf der Nordseite der Kirche führt in die Kreuzgänge des ehemaligen Klosters (Abbildung bei Heideloff S. 31), deren südlicher an die Kirche anstoßender aber bei einer Restauration zu großem Bedauern Vieler eingerissen wurde. Sie öffnen sich gegen den Garten in spitzbogigen, kräftig gegliederten Arcaden, die auf achtseitigen Pfeilern ruhen. Spätgothisches, aber flüchtige Technik verrathendes, Maßwerk ist in die Bögen gespannt. Von der Decke, welche, wie es scheint, aus feinen Kreuzgewölben hätte bestehen sollen, sind nur noch die Ansätze an den Pfeilern sichtbar. Im J. 1839 erhielten einige Bögen neue, nach den schönen Mustern der alten ausgeführte, Füllungen. Ringsum schlossen sich die Zellen der Mönche an. Unter den Grab-Denkmälern, Epitaphien u. s. w., die einst ebenfalls in großer Anzahl| in den Kreuzgängen aufgestellt gewesen, sind nur noch wenige interessante erhalten. Das Denkmal des „Junker Dietrich von Wyler“ (gest. 1507), eines in voller Rüstung auf einem Löwen stehenden jungen Mannes, erregt wegen der Naivetät der Auffassung und hübschen Darstellung das Interesse des Kunstfreundes; den Historiker fesselt das einfache Monument des berühmten Reuchlin, das sich dieser schon bei Lebzeiten mit einer von ihm selbst verfaßten Inschrift in drei Sprachen errichten ließ. Das Denkmal besteht in einer einfachen Tafel, auf der man in den obern Ecken des oblongen Steines links die Worte: צלמ התוומ‎ (ewiges Leben), rechts: ΑΝΑΣΤΑΣΙΣ (Auferstehung) liest. Die Grabschrift selber lautet: ANN. CHR. M. D. I. SIBI. ET. POSTERITATI. CAPNIONIAE. IOANNES. REUCHLIN. PHORCENSIS. Reuchlins Leiche wurde übrigens (1522) nicht in der Hospital-, sondern in der St. Leonhards-Kirche beigesetzt, da sein bekannter Streit mit den Prediger-Mönchen in Cöln ihn auch in Conflikt mit denen zu Stuttgart gebracht hatte.

Die Kirche in Berg, ein 1853 unter v. Gaab begonnenes und 1855 vollendetes neues Gebäude in gothischem Styl, erhebt sich an der Stelle des alten, aus dem 15. Jahrhundert stammenden Kirchleins, (oben S. 113) dessen Raum durch die Zunahme der Bevölkerung unzureichend geworden war. Am 30. Sept. 1855 wurde die neue Kirche eingeweiht. Nächst derselben wird nun statt des alten auch ein neues größeres Schulhaus gebaut.

An den auf 56.886 fl. sich belaufenden Kirchenbaukosten trug die Staatskasse 40.000 fl., während der König, der sich für eine würdige Ausführung dieses auch zur Zierde der Gegend gereichenden Kirchen-Gebäudes besonders interessirte, die weitern Kosten auf die Oberhofkasse übernahm, die nun auch zu den Kosten des Schul-Gebäudes beiträgt. Bei dem Kirchen-Gebäude ist deutscher Spitzbogenstyl zur Anwendung gebracht. Gegen Westen erhebt sich der zierliche, der Kirche vorspringende Thurm, auf einer Vorhalle ruhend, zu der von Westen, Norden und Süden je ein aus Rundstäben und Kehlen profilirtes offenes Portal führt. Diese Portale sind an den Thurmwänden durch einen Ziergiebel mit Krappen auf den Schenkeln, Blume auf der Spitze und manchfach variirtem Blendenmaaßwerk im mittleren Felde desselben überhöht. Die Giebel selbst aber sind wiederum von Rahmen mit Mauerblenden eingeschlossen. Der Thurm steigt in zwei Stockwerken vierseitig in die Höhe und wird von zwei Strebe-Pfeilern gegen Westen und gegen Norden und Süden gestützt. Diese Strebe-Pfeiler sind nicht glatt, sondern haben Blenden auf den Seiten; sie treten im ersten Absatz| zurück, nehmen auf demselben eine über Eck gestellte Fiale mit verzierter pyramidaler Spitze auf und schließen oben mit einfacher Schräge und Giebel mit Blume davor ab. In den Ecken, welche der Thurm mit der Kirche bildet, erscheinen nördlich und südlich die Streben als Halbpfeiler, sie sind aber im Übrigen wie die andern freistehenden verziert und bekrönt. Über dem westlichen Portal ist ein hübsch profilirtes dreitheiliges Spitzbogenfenster mit Maaßwerk im Bogen in die Thurmwand eingelassen; gegen Norden und Süden aber ersetzt seine Stelle eine durch treffliches Maaßwerk belebte und geschmückte Rose. In der Höhe des Anfangs des Kirchendachs wird der Thurm durch ein Gesims mit dem Spitzbogenfries abgeschlossen, über dem er in’s Achteck umsetzt, indem er, um den Übergang in’s Achteck zu vermitteln, auf jeder seiner abgeschrägten vier Ecken, parallel mit den Seiten des Octogons gestellt, je eine große Fiale mit verzierter pyramidaler Spitze nebst Blume aufnimmt. Das erste seiner achteckigen Geschoße, das im Innern die Uhr enthält, hat undurchbrochene Wände und ist nach oben mit einer Galerie bekrönt, die indessen nur decorativ erscheint und mit Blendenmaaßwerk in den Füllungen verziert ist. Über dieser Galerie erhebt sich das zweite achteckige Geschoß, dessen Seiten von je einem zweitheiligen Spitzbogenfenster durchbrochen werden mit hübschem Maaßwerk im Bogen und überhöht von einem Spitz-Giebel mit Krappen auf den Schenkeln, Blume auf der Spitze und einem einfachen vertieften lateinischen Kreuze im Mittelfelde. Auf diesem achteckigen Geschoße steigt die achtseitige Pyramide schlank empor. Diese besteht aus acht freistehenden Rippen, zwischen denen im manchfachen Wechsel zierlichen Spiels durchbrochenes Rosettenwerk eingespannt ist. Wo die acht Rippen, auf welchen Krappen sitzen, zur äußersten Spitze zusammenlaufen, werden sie von einem Gesims zusammengehalten, auf dem die große schöne Kreuzblume ihre Blätter gegen oben öffnet. Die zu beiden Seiten des Thurms gegen Westen erscheinenden Wände der Kirche haben je ein zweitheiliges Fenster mit Maaßwerk im Spitzbogen und sind von der Höhe der Strebepfeiler-Absätze an mit Mauerblenden, die den Kleeblattbogen in der Spitze haben, verziert. Die Nord- und Süd-Wände der Kirche sind von je vier zweitheiligen Fenstern mit Maaßwerk im Spitzbogen durchbrochen, zwischen denen vier Strebepfeiler die Wände stützen. Diese sowohl als die auf den Ecken über Eck gestellten sind mit Blenden auf den Seiten verziert, mit Satteldach bedeckt und auf der Vorderseite mit Giebel und Kreuzblume darauf bekrönt Aus dieser Bekrönung steigt aber noch eine über Eck gestellte Fiale frei über die Galerie empor, welche auf dem Kranz-Gesims,| unter dem der Spitzbogen-Fries fortläuft, Kirche und Chor vom Beginn des Daches an, auf der Höhe der Absätze der westlichen Streben, umzieht. Sie hat verschiedenartig wechselnde, von Maßwerk durchbrochene Füllungen, erscheint übrigens, da sie keinen Umgang hat, gleich der des Thurms nur als Decoration. Auf der Mitte der Südseite führt ein kräftig gegliedertes spitzbogiges Portal, das geradlinig bedeckt ist und durchbrochenes Maßwerk in der Bogenfüllung hat, in die Kirche. Es wird durch eine Wimperge mit Krappen, Kreuzblume und Blendenmaßwerk im mittleren Felde überhöht und zu beiden Seiten von kleineren Strebepfeilern begleitet, welche über einer einfachen Laubwerkbekrönung, wo die Giebelschenkel ansetzen, die zwei über Eck gestellte Fialen mit blendenverziertem Leib und Krappen- und Blume-geschmückter pyramidaler Spitze tragen, die den Ziergiebel stützen. Über dem Portal ist eine Rose mit durchbrochenem Maßwerk angebracht. Gegen Osten legt sich der Kirche der zierliche, etwas niedrigere Chor mit seinen fünf zweitheiligen, mit wechselndem Maßwerk verzierten, Fenstern vor. Die vier Chorstreben sind ähnlich abgesetzt, gegliedert und verziert, wie die Thurmstrebepfeiler. In der Ecke, welche das Chor gegen Süden mit der Kirche bildet, ist die kleine, flach gedeckte Sakristei erbaut. Der über das Chordach weit hervorragende Kirchengiebel trägt eine Blume auf der Spitze und ist ebenfalls unter dem Dachgesims mit dem Spitzbogenfries verziert. Die nördliche Seite der Kirche ist der südlichen in Eintheilung und Anlage sämmtlicher Architekturtheile ganz ähnlich, nur bewegen sich die Verzierungen hin und wieder in andern Motiven. Die Vorhalle unter dem Thurm, durch die man von Westen aus in die Kirche gelangt, hat ein spitzbogiges Kreuzgewölbe, dessen Rippen auf Säulchen mit Laubwerk-Capitälen ansetzen und dessen Schlußstein mit dem Wappen des Baumeisters verziert ist. Das westliche Kirchenportal, dessen Wände sich im rechten Winkel abtreppen, ist spitzbogig aber geradlinig bedeckt, und enthält durchbrochenes Maßwerk im Bogen.

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Das Innere der Kirche ist in drei Schiffe getheilt, von denen das mittlere die größte Breite hat. Zwei Reihen von je vier achteckigen Pfeilern, deren vier Eckkanten ausgekehlt sind, und zwei Halbpfeilern an den östlichen Wänden der Seitenschiffe und an der Westwand, tragen die Kreuzgewölbe, deren Rippen auf Consolen an den Nord- und Süd-Seiten der Pfeiler und der Seitenschiffe ruhen. Drei Stufen führen unter dem gleich den Pfeilern profilirten Triumphbogen in den aus dem Achteck geschlossenen Chor mit seinem zierlichen Gewölbe, dessen Rippen auf Consolen in den| Ecken der Chorwände sitzen. Gegen Süden führt eine Thüre in die Sakristei; von Norden aus tritt durch ein ähnliches, der letzteren gegenüber durch die Wand gebrochenes Portal, das Kronprinzliche Paar während dessen Sommeraufenthaltes auf der nahen Villa in den für dasselbe errichteten Kirchenstand. Der dem Ende des 15. Jahrhunderts angehörende, noch aus der alten Kirche stammende Taufstein hat einen sternförmig über Eck gesetzten Fuß und ein mit bildlichen und ornamentalen Darstellungen geschmücktes Becken. Hinter der Orgel führt eine Thüre in den Thurm. Die Kirche ist im Innern geschmackvoll bemalt. Die Kappen der Gewölbe sind gelblich, die Rippen durch leichte andere Farben unterschieden, die Pfeiler haben ihre Naturfarbe, die Wände aber, sowohl der Kirche als des Chors, einen hübschen blauen Ton. Die Kirche ist ganz aus Sandsteinen erbaut, und zu dem achteckigen Geschoß, den Pyramiden, den Fialen und der Galerie weißer Sandstein gewählt, was die Wirkung des Ganzen beträchtlich erhöht. Die Dächer der Kirche und des Chors sind mit Schiefer gedeckt.

Die Kirchen in Gablenberg und Heslach bieten nichts Merkwürdiges dar; die erstere stand schon 1562, die letztere, die an die Stelle der S. 126 erwähnten Wallfahrtskirche gekommen, wurde 1554 zu bauen begonnen.

Die Hofkirche ist S. 160 erwähnt.

Die ev. Garnisonskirche an der Hospitalstraße wurde 1776, nachdem die frühere Garnisonskirche zur Academie-Kirche bestimmt worden war (S. 160), in einer ehemaligen Remise eingerichtet und 1827 erweitert. Sie hat weder Thurm, noch Glocken und Uhr, jedoch eine im Jahr 1825 aufgestellte vorzügliche Orgel mit 25 Registern von Walker. – Die Waisenhauskirche, 1716 eingeweiht, ist ein einfacher, in dem Waisenhaus eingerichteter Bet-Saal, mit einer guten neueren Orgel von Walker. – Die reformirte Kirche, gleichfalls ein Bet-Saal, ist in dem ehemaligen Landhause Nr. 51 an der langen Straße eingerichtet.

Die katholische Pfarrkirche zum hl. Eberhard, an der Königsstraße, 1808 von König Friedrich von der Solitude hierher versetzt und 1. October 1811 eingeweiht, ist von reichem Baustyl, hell und freundlich, 98,5′ lang und 90′ breit, ausschließlich des 40′ langen und 20′ breiten Chors. Das Portal mit der Attike ist von corinthischer, die Säulen, welche die kuppelförmige Decke tragen, sind von jonischer Ordnung. Der kleine Thurm ist ein bloßes Glockenhaus. Das Innere der Kirche ist einfach, aber geschmackvoll, die Orgel alt, doch gut. Ein Schmuck der Kirche ist das 1841 aufgestellte große, trefflich ausgeführte Altarbild von| Dietrich, die Auferstehung Christi darstellend. Zwei Gemälde, die Kreuzigung Christi und die Himmelfahrt Mariä, hat 1846 Hofkammerrath Schwing gestiftet.

Die Synagoge der Israeliten befindet sich in dem dieser Gemeinde zugehörigen Hause Nr. 16 an der langen Straße.

Theils ältere, theils neuere pfarramtliche Wohnungen sind folgende vorhanden: der Stiftsgeistlichen an der Kanzleistraße; des evang. Stadtdecans an der Gymnasiums-Straße; des ersten Helfers an der Hospitalkirche an der Rothen Straße; der Geistlichen an der St. Leonhardskirche an der Christophs-Straße; der katholischen Geistlichen an der Kanzlei-Straße; sodann die Pfarrhäuser in Gablenberg und Heslach.

V. Stadt- und Stiftungs-Gebäude.

Das Rathhaus an dem Markt-Platze, 1456 erbaut, 1582 renovirt und 1824 von Oberbaurath v. Groß zweckmäßig verändert und verschönert, hat drei Stockwerke. Im Giebel ist eine Uhr, mit beweglicher Kugel, welche die Mond-Phasen anzeigt. Über dem Unterstocke befindet sich eine ehemalige Capelle gothischen Styls, welche einst zu dem peinlichen Gerichte in irgend einer Beziehung gestanden sein mag. In den untern Räumen befindet sich noch das K. Hallamt und das Waag- und Lager-Haus.

Das Gebäude des unten näher zu beschreibenden Catharinen-Hospitals, 1820–27 von Thouret erbaut[34], steht auf der nordwestlichen Seite der Stadt, am Fuße der Kriegsberge, auf einem kleinen Abhange, und bildet einen 212′ breiten und 54′ tiefen, mit einem Avantcorps versehenen Querbau, nebst zwei vor- und rückwärts springenden 148′ langen und 50′ tiefen Flügeln; der überbaute Flächenraum ist im Ganzen 28.264 Quadrat-Fuß groß. Der Bau, von der Sockelhöhe bis zum Hauptgesimse in drei im Lichte 14′ hohe Stockwerke abgetheilt, ist von einfachem, edlem Style und mit Ausnahme der Hausteine an Sockeln, Pfeilern, Treppen etc. größten Theils von Bruchsteinen. Im Mittel auf der südlichen Seite befindet sich der Haupteingang. Außer der gewölbten Haupttreppe, zu welcher man durch eine geräumige, von massiven Pfeilern unterstützte Vorhalle gelangt, sind noch in den Flügeln zwei steinerne gewölbte Treppen und eine Holztreppe. In jedem Stockwerk führt durch den ganzen Bau ein breiter, lichter Gang. Der Bau enthält 63 größere und kleinere für die Kranken-, und| 9 für die Gebär-Anstalt bestimmte hohe und helle, ganz zweckmäßig eingerichtete Zimmer zu 300 Betten, 37 Dienst-Zimmer und sonstige Gelasse, 13 Küchen zum Kochen und Wärmen, 19 Abtritte mit 4 Gewölben und Souterrains und 2 Keller. In den im Mittelbau befindlichen Saale hat 1827 Dannecker die von ihm gefertigten Brust-Bilder des Königs und der höchstseligen Königin Catharina als bleibende Stiftung von ihm aufgestellt. Rückwärts des Gebäudes befindet sich seiner ganzen Länge nach ein geräumiger Hof mit einem ergiebigen Röhren-Brunnen. Ebenda steht das Waschhaus und diesem gegenüber das Leichenhaus, welches außer dem Leichen-Zimmer und einem Zimmer für den Wächter einen von oben beleuchteten geräumigen Anatomie-Saal nebst Wärm-Küche und Keller hat. Auf der mittäglichen, der Stadt zugekehrten Seite, als der Haupt-Front mit dem Eingange, liegt ein halbkreisförmiger, zum Theil mit Rasen belegter Vor-Platz, dessen sanfte, jedoch bedeutende Steigung die ganze Masse vom Grund abhebt und ebensowohl den Anblick verschönert, als eine ungestörte, wohlthätige Luftbewegung um dieses der Genesung geweihte Gebäude befördert. Die zunächst gelegenen Straßen-Quadrate dürfen nicht überbaut werden. An den Hof schließt sich der 51/2 M. große, mit Bäumen besetzte, den Kranken geöffnete, Garten der Anstalt an, der nebst den Hofräumen von einer 6′ hohen Mauer umgeben ist.

Weiter sind noch kurz zu erwähnen: die Haupt-Wache an der Königs-Straße, ein von der Stadt errichtetes Gebäude; die in der ehemaligen Stadtschreiberei eingerichtete Elementar-Schule; das für die Notariate und Rathsschreibereien bestimmte Gebäude neben dem Rathhause; die beiden massiven 1833–1836 und 1845 von der Stadt zweckmäßig erbauten, gut eingerichteten Gebäude für die evangel. Volks-Schulen an der Eberhards- und an der Hospital-Straße, und die katholische Volks-Schule an der Schloß-Straße; das letztere in gefälligen Verhältnissen unter der Leitung des Prof. Egle 1852 errichtete Gebäude ist insoferne ein schönes Zeichen der hier herrschenden confessionellen Eintracht, als die Kosten größtentheils von der Gesammt-Gemeinde übernommen worden sind. Den Bürger-Hospital, das Armenhaus und die übrigen Gebäude für wohlthätige Zwecke, sowie Gefängnisse etc. s. unten.

f. Straßen und öffentliche Plätze. Die Zahl der Straßen (Gassen) und öffentlichen Plätze betrug 1780 83, 1811 91, 1844 101, 1847 106, 1853 132. An die Stelle der alten Benennungen traten 1811 neue. Öffentliche Plätze sind, in der alten Stadt: der Markt-Platz bei dem Rathhause,| 1451 und 1820 bedeutend erweitert; der unbedeutende Ilgen-Platz; der Dorotheen-Platz; und der alte Schloß- oder Schillers-Platz, mit der anstoßenden schattenreichen Planie verbunden, eben gelegt, und durch das alterthümliche imposante Schloß und die Stifts-Kirche begrenzt. Seinen neueren Namen dankt er dem Schillers-Denkmale, welches der hiefür aus dem Stuttgarter Liederkranz hervorgegangene Verein, mit Hofrath v. Reinbeck an der Spitze, mit einem Aufwand von 53.788 fl. (wovon 42.681 fl. durch ganz Europa ersammelt worden) errichten ließ, bestehend aus einer colossalen, nach einem Modell Thorwaldsens von J. B. Stiglmaier in München in Erz gegossenen Bildsäule Schillers, in welcher der Künstler mehr den sinnenden Denker, als den poetischen Genius aufgefaßt hat. Sie wurde 8. Mai 1839 feierlich enthüllt und der Obhut der Stadt übergeben. Der neue Schloß-Platz ist S. 153 erwähnt. In der Eßlinger Vorstadt liegen der Leonhards- und der Charlotten-Platz; in der reichen Vorstadt der (alte) Post-Platz und der Hospital-Platz. Die neuen Stadt-Theile haben einige größere freie Plätze, namentlich den 1845 mit einigen Linden besetzten Wilhelms-, und den mit Alleen umgebenen Seewiesen-Platz. Hierher gehört auch das Polygon an der Friedrichs- und Kronen-Straße. Bei dem Feuer-See soll gleichfalls ein öffentlicher Platz, und westlich vor dem ehemaligen Büchsen-Thor eine Allee angelegt werden; wie denn auch neuerlich an der Tübinger Straße beim Nesenbach eine Bosquet- und Baum-Anlage geschaffen worden ist.

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g. Das Straßen-Pflaster, in der alten Stadt schon im 15. Jahrhundert, in den Vorstädten 100–200 Jahre später eingeführt, hat sich seit 1836 vervollkommnet, und ist hauptsächlich nur in der oberen Stadt in weniger genügendem Zustande. Es besteht aus den bei Vaihingen auf den Fildern brechenden blauen Kalksteinen, die äußerst schwer zu behandeln sind, und sich überdieß unter dem Einflusse der Witterung stückweise auflösen. Da die ohnedieß hohen Kosten (die vor 300 Jahren kaum 100 fl. jährlich betrugen) durch Verwendung eines tauglicheren Steines der Beifuhr wegen namhaft sich vergrößern müßten, so wurde in neuerer Zeit auf Straßen, welche von schwerem Fuhrwerk weniger frequentirt sind und den erforderlichen Fall haben, die Macadamisirung angewendet. In neuen, und bei Hausbau-Veränderungen in älteren Straßen, sollen nach der K. Verordnung vom 5. Oktober 1812 beide Seiten mit Trottoirs versehen werden, die je nach der Straßen-Breite in 3–5′ breiten, in gleicher Höhe mit der Straße liegenden Stein-Platten bestehen, sonderbarer Weise aber vor solchen Gebäuden, die keine Wohneinrichtung haben, wegbleiben. Auch| sind die Trottoirs noch hin und wieder durch Haus- und Laden-Treppen unterbrochen, obgleich auf ihre Entfernung neuerer Zeit thunlichst hingewirkt wird. Die Fuß-Pfade von Asphalt, welche das Residenz-Schloß zum Theil umgeben, haben sich wenig bewährt, und daher auch weitere Nachahmung nicht gefunden.

h. Die Straßen-Beleuchtung geschah in älteren Zeiten, jedoch nur bei außerordentlichen Veranlassungen, durch Feuer-Pfannen. Regelmäßig, aber nur für die Wintermonate, ward sie erst 1715, wo 106 Laternen an den Häusern auf Stöcken angebracht wurden (in Paris wurde sie 1671, in London 1684, obwohl noch mangelhaft, eingeführt); 1732 wurde sie aufgehoben, 1761 mit 770 Laternen wieder hergestellt, und 1786 wurden die sogenannten Reverbers (in der Mitte der Straße) eingeführt, deren Zahl sich 1811 auf 251 belief. Zur Bestreitung der „Illuminations-Kosten“ hatten die wachefreien, sowie die neuaufgenommenen Bürger und Meister bis zu 8 fl. jährlich zu entrichten, wozu noch 1/2 Proz. des Erlöses aus Gebäuden kam. Auch wurden besondere Umlagen auf die Häuser-Besitzer gemacht, bis in neuerer Zeit die Ausgabe unter den Stadt-Schaden aufgenommen worden ist. Der Jahrs-Aufwand für 341 Reverbers war 1843–1844 11.371 fl., und betrug bei hohen Öl-Preisen viel mehr. Seit 1. November 1845 aber besteht durch Vertrag mit der kurz zuvor gegründeten Gasbeleuchtungs-Gesellschaft, welche ihre Fabrik außerhalb des Büchsen-Thores, den Sitz des Verwaltungs-Raths aber in Genf hat, Beleuchtung mittelst Steinkohlen-Gas, wozu sie durch die Gemeinde 25 Jahre lang ausschließlich privilegirt worden ist. Sie hat ein der Art geläutertes Gas zu liefern, daß bei einer Brennzeit von 1 Stunde und Lichtstärke von 7 guten Wachskerzen (von 4 Stücken auf 1 Pfund) 41/2 Kubikfuß Gas, englischen Maßes, verzehrt werden, wofür sie bei 1625 Stunden Brennzeit 23 fl. 20 kr. für die Flamme jährlich erhält. Die Laternen sind in Entfernungen von 115–125′ in den Haupt- und von 150′ in den entfernteren Straßen angebracht. Als mit 450 Gas-Laternen begonnen wurde, war der Aufwand kleiner und die Lichtstärke mindestens doppelt so groß, als zuletzt bei der Öl-Beleuchtung. Am 1. Oktober 1853 brannten auf Wand-Armen in den Straßen 436, auf Candelabern in der Königs- und Neckar-Straße und auf öffentlichen Plätzen 77 Gasflammen[35]. Man tadelt, daß in dunkeln Mondnächten keine oder nur unvollkommene Beleuchtung stattfindet.

| i. Was die polizeiliche Eintheilung der Stadt betrifft, so wurde diese, nachdem 13. Mai 1796 die Häuser erstmals mit Numern versehen worden, 1808 in vier Districte eingetheilt. Nach K. Decret vom 6. April 1831 aber wurde eine neue Bezifferung vorgenommen, wobei jede Straße für sich in der Art beziffert ward, daß mit den niedersten Ziffern immer an dem niederst gelegenen Straßen-Ende angefangen und die ungeraden Ziffern stets auf der linken, die geraden auf der rechten Straßen-Seite angebracht wurden. Zugleich wurde die Zahl der Polizei-Districte auf drei zurückgeführt, so daß der District A zwischen den Nesenbach einer und die Königs- und Marien-Straße anderer Seits fällt und wesentlich den ältesten Theil der Stadt begreift, B vom Nesenbach an bis zum südöstlichen Stadt-Ende mit der Eßlinger Vorstadt und ihren Erweiterungen reicht, und C die rechte Seite von der Königs- und Marien-Straße bis zum nordwestlichen Stadt-Ende, also die reiche Vorstadt mit ihren Erweiterungen, begreift. Von den Weilern ist Heslach A, Gablenberg B und Berg C zugetheilt. Die Tafeln mit den Straßen-Namen und Haus-Ziffern haben für A grüne, B schwarze, C blaue Farbe.
  1. Die in allen Druckschriften sich findende Angabe, daß Christoph das ganze Schloß habe abbrechen lassen, ist unrichtig.
  2. Mehreres über die Bauart ist einer bei dem K. Oberhofmeisteramte befindlichen, auf genaue Untersuchungen gegründeten, handschriftlichen Abhandlung des verst. Oberbibliothekars v. Lebret entnommen.
  3. Der Tische waren es hier gewöhnlich 50, woran 420–450 Diener saßen, und zwar dreierlei: die an den 4 obern oder Trippel-Tischen, wo auch Gäste mittleren Standes und die Amtleute, wenn sie in Geschäften nach Stuttgart kamen, Platz nahmen, durften 5/4 Stunden (die andern nur 1 Stunde) sitzen bleiben, erhielten 6 Speisen, Käse und Jeder 2 Gläser Ehrenwein; unter dem Trippel kam zuerst das Zinnessen mit 5 Speisen, 1 Glas Ehrenwein und 1 Glas Wermuthwein, und hierauf das Holzessen aus hölzernen Schüsseln mit 4 Speisen. Sommers nahm man die „Morgensuppe“ um 6, den „Mittag-Imbiß“ um 9 und das „Nachtessen“ um 4 Uhr. Winters je eine Stunde später. Welche Gugelfuhr da getrieben wurde, läßt sich denken, da (z. B. im J. 1626) Jeder über jedes Essen 2–3 Schoppen, ein Edeljunge sogar eine Maas Wein bekam. Es ist nicht aufgezeichnet, ob hier auch die lustigen Personen des Hofes tafelten: die Närrinnen und Narren, die Graf Eberhard d. ä. hatte; die Narren Herzogs Ludwig, davon der Jörg 1581 von einem Hofjunker erschlagen ward; die Zwerge, deren es 1569 vier waren, und die Zwergin, die 1588 erwähnt wird. Die Musiker und Sänger aber saßen zusammen und musicirten unter dem Vorgeben, daß sie sich üben müßten, und die Andern schrieen und lärmten darein, daß der Burgvogt und der „Saalmeister“, welche die Ordnung aufrecht erhalten sollten, fast verzweifelten, bis der Letztere, nach Ablauf der gestatteten Tischzeit, drei Streiche that und nach diesem „Ausklopfen“ die Halle geräumt und die während des Essens geschlossenen Schloßthore wieder geöffnet wurden.
  4. Sieben Bücher der Hochzeit etc. des Herzogs Ludwig, nach Nic. Frischlin von Beyer. Tüb. 1598. 4.
  5. Herzog Christoph ließ 1562 durch den Maler Josias Füllmauer den Garten abconterfeien. Eine wahrscheinlich von M. Merian um 1620 in Kupfer gestochene Ansicht verwahrt die K. Kupferstich-Sammlung. Auch auf dem Grundrisse der Stadt von Merian aus derselben Zeit ist er abgebildet.
  6. Simon Schleer, Bildhauer aus Schw. Hall, erhielt 1577 „für vier gehauene Bilder auf die Thor im Rennplatz und Thiergarten“ 160 fl.
  7. Beschreib. der alten heidnischen Schriften und Bilder im F. w. großen Lusthaus zu Stuttg. St. 1695. 4. Vorstellung des Lusthauses, sammt allen dessen kunstbaren Gemälden etc. St. 1706. In Reimen, mit einer Abbildung. Ersteres enthält mehr als letzteres. Das Meiste unserer Darstellung gründet sich übrigens auf Archiv-Notizen. Das Innere des obern Saales hat Friedrich Brendel 1619 in einem Kupferstiche dargestellt.
  8. Auf Leinwand gemalt von Wendel Dieterlen, Bürger zu Straßburg, gestorben 1599 im 49. Jahre, Verfasser einiger architectonischer Schriften. Seine Belohnung war 1650 fl.
  9. Gemalt 1590 von Hofmaler Hans Steiner, Hans Karg von Augsburg, Hans Dorn von Kirchen, And. Herreneisen von Nürnberg, Jacob Zieberlen von Tübingen, Peter Riedlinger von Eßlingen, Sebastian Ramminger und Gabriel Dachs, beide von Stuttgart, und Philipp Greter. Sie erhielten 5200 fl. – Von wem die Bildhauerarbeiten sind, ist nicht zu finden; ob von Simon Schleer?
  10. Auch bei dem Hofadel ging noch 1555 der „Ehebestätigung“ das „Zusammengeben“ mit Deckebeschlagung voran. Diese sogen. „Untertrau“ bestand im Oldenburg’schen bis in die neueste Zeit.
  11. Hauptsächlich sind zu erwähnen: die oben genannte Schrift von Beyer. – J. Ötinger, Beschreibung der Hochzeit des Herzogs Joh. Friederich mit Barbara Sophia, Markgräfin von Brandenburg, am 6. etc. Nov. 1609. Stuttg. 1610. Kl. Fol. – Repräsentatio der fürstlichen Ritterspiele bei diesem Feste, gradirt und gedruckt durch Balt. Küchlern, Malern zu Schw. Gmünd. Viele Kupfer. Ohne Druckort. Fol. – Philopatrida Charitinus. Wahrhafte Relation der fürstl. Ritterspiele … bei der Taufe des Prinzen Friederich am 10. März 1616, gedruckt bei W. Rößlin und J. A. Cellius. 1616. Fol. – Esaias von Hulsen, Repräsentation … dieser Ritterspiele, bestehend in vielen Kupfern, gezeichnet von G. Thonauer, gestochen von Math. Merian. Ohne Druckort. Fol. – G. Rud. Weckherlin, Kurze Beschreibung des … bei der Taufe des Prinzen Ulrich am 13. Juli 1617 gehaltenen Freudenfestes. Tübingen 1618. – Esaias von Hulsen, eigentliche Abbildung aller Ritterspiele bei diesem Feste. 92 Kupfer, ohne Druckort. Fol.
  12. Leonhard Flexel, Bürger und Pritschenmeister zu Augsburg, hat dieses Fest in einem Lobspruch besungen, wovon die Handschrift mit vielen Bildern und Wappen auf der öffentlichen Bibliothek verwahrt wird. Ein Auszug von Ludwig Uhland ist der Ausgabe von J. Fischarts glückhaftes Schiff von Zürich, von E. Halling, Tüb. 1828 vorangesetzt. Das Beste im Hauptschießen, 100 Ducaten, gewann Wendel Stettner von Nürnberg, das im Nachschießen, ein schöner Ochse, 30 fl. werth, Peter Spieß von Neustadt an der Hardt.
  13. Im Jahre 1540 wurden die Vorräthe gestürzt und angeschlagen, im Ganzen zu 72.244 fl. 24 Schilling 5 Heller. Da fanden sich 6 große Karthaunen, worunter die „lang Singerin“, mit 1140 Kugeln zu 42 Pf.; 8 kleinere Karthaunen, worunter „die Nachtigall“, mit 1505 Kugeln à 33 Pf.; 7 Nothschlangen mit 1530 Kugeln à 18 Pf.; 2 lange Schlangen; 30 gemeine Schlangen, worunter „die Singerin“, mit 6008 Kugeln à 7 Pf.; 28 Falkonetten mit 3824 Kugeln à 2 Pf.; 8 Feuerbüchsen; 8 Hacken Hagelgeschütz; 51 Serpentenlein und Doppelhacken; 306 einfache Hacken, je 34 Pf. schwer, die auf Böcke aufgelegt wurden. Sodann, außer Wägen und Ketten, 2992 Roßeisen, 70.000 niederländische Hufnägel, 448 Schaufeln, 289 Pickel etc., 40 Wenden, 881 Ctr. Pulver, 10.329 lange neue Landknechtsspieße, 12.750 Pechringe. 90 Ctr. Salpeter etc.
  14. Dasselbe ist beschrieben und nach einer Zeichnung von Victor Heideloff abgebildet in Heinrich Schickhard’s (er schrieb sich übrigens Schickhardt) Lebensbeschreibung von Eb. v. Gemminger. 1821.
  15. Ohne die Tauben u. dergl., die auf dem Lande gegeben wurden, erforderte (1611) die Falkenmeisterei 281/2 Ctr. Rindfleisch, 49 Ctr. Lungen und Lebern, und 208 alte Hühner jährlich.
  16. Jetzt mit anstoßenden zwei Gebäuden abgebrochen, um einem auf Königliche Kosten zu erbauenden Saale zu Concerten u. dgl. Platz zu machen.
  17. Graf Eberhard im Bart hatte die Absicht, beide Vorstädte mit zwölf nach den Aposteln zu benennenden und mit deren Bildnissen zu zierenden Thoren zu schmücken. Doch erhielten nur das Siechen-Thor das Bild von Petrus und das untere See-Thor das von Paulus.
  18. Die Verschiedenheit der Größen-Angaben erklärt sich daraus, daß die Seen mit der Zeit an Umfang abnahmen.
  19. S. die sinnigen Aphorismen in Paulus Sophronizon, 1829, S. 95.
  20. Mehrere derselben sind abgebildet und beschrieben in „Zellers Privat-Gebäuden Stuttgarts, von 1806–1844.“ Stuttg. 1845. Fol. 2 Hefte (unvollendet).
  21. Im Jahr 1815 war in der Stadt der Betreff: 14–15. Bei der vermehrten Geräumigkeit der neueren Wohnhäuser würde die neue höhere Ziffer sich noch fühlbarer aussprechen, wenn sie nicht, wie auch in anderen Städten, durch inzwischen erhöhten Comfort theilweise sich ausgliche. Dies und die Verschiedenheit von Sitte und Bauart ergeben sich daraus, daß neuerlich in Berlin 47,8 (1819 nur 26,27), Wien 46,5, Leipzig 32,74, Dresden 21,2, Hannover 13, Nürnberg 12,7, Hamburg 11,1 (Hübner, Jahrb. 1854), München 23 (Beitr. z. Stat), Frankfurt a. M. 17,5 (Meidinger), Paris 23 Einwohner auf 1 Haus treffen. In London, wo 1851 329.428 Gebäude waren, kommen nicht ganz 8 Menschen auf 1 Gebäude.
  22. Verf. v. Professor Fr. Müller. Von Ebendemselben sind die Beschreibungen des K. Hoftheater-Gebäudes, der Jubiläumssäule, und der evang. Hauptkirchen. Über das Schloß s. auch Oberst v. Rösch, Beiträge zur schönen Baukunst, 1817.
  23. S. die Fresken aus der württ. Geschichte in dem K. Residenz-Schlosse zu Stuttgart, ausgeführt von A. v. Gegenbauer. Stuttg. o. J. 12.
  24. Die nebst mehreren Münzen, Schriften u. s. w. in den Grundstein niedergelegte Urkunde ist folgenden Inhalts: „Stuttgart am Dienstag dem 27. Sept. 1842. Vor einem Jahre feierte ein dankbares Volk ein seltenes Fest in selten gesehener Weise. Ein Viertel-Jahrhundert war seit der Thronbesteigung Königs Wilhelm verflossen; sein Volk blickte zurück auf diese lange Reihe von Jahren, reich an Segen und geschirmt durch eine Herrschaft der Gerechtigkeit und des Wohlwollens, wie sie Württemberg, so lange seine Geschichte reicht, in solcher Weise und in so ununterbrochener Reihe zu sehen nie das Glück hatte. Ein Gefühl – das des innigsten Dankes gegen die gütige Vorsehung und gegen den edlen Fürsten – belebte alle Württemberger. Alle Stände und Classen des Landes vereinigten sich in diesem Gefühle zur Feier des Jubiläums ihres Königs, und ein treues Volk brachte seinem Fürsten im glänzendsten Feste auf die ergreifendste Weise seine freien Huldigungen dar. Zum bleibenden Andenken an dieses seltene Fest und an das Glück, das wir der fünfundzwanzigjährigen Regierung Seiner Majestät des Königs Wilhelm danken, beschlossen die Stände des Königsreichs einstimmig, eine Festsäule errichten zu lassen. Seine Königliche Majestät geruhten, die Errichtung der Säule auf dem Platze vor dem Königlichen Schlosse zu genehmigen. Der Bau wurde so gefördert, daß ein Jahr nach der Feier jenes Festes der Grundstein zur Säule in Gegenwart der Unterzeichneten gelegt werden konnte. Möge Gottes reicher Segen stets über unserem vielgeliebten Könige und seinem hohen Hause und unserem Vaterlande walten!“

    Die Urkunde war vorher schon von dem ständischen Ausschusse und den bei der Feier erschienenen, nicht zum Ausschusse gehörenden Mitgliedern beider Kammern unterzeichnet worden. Ein Gleiches geschah unmittelbar vor der Niederlegung von Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Friedrich, Sr. Hoheit dem Herzog Alexander Constantin, Sr. Erlaucht dem Grafen Wilhelm von Württemberg, Sr. Erlaucht dem Grafen Neipperg, den sämmtlichen Mitgliedern des K. Geheimenrathes, Oberst-Hofbeamten, Gouverneur und Commandanten der Stadt, dem Stadtdirector, Hofprediger, Stadtschultheißen, Obmann des Bürger-Ausschusses und dem Hofbaumeister Knapp von Stuttgart, als Verfasser des Planes und Leiter des Bauwerkes.

  25. Wie die Räume sonst bis 1794 für die Zwecke der Academie und ihrer Zöglinge eingetheilt waren, ist aus einer mit Plan versehenen Beschreibung im Journal von und für Deutschland 1784. IV. zu ersehen.
  26. Nach Mittheilungen des Directors von Seyffer.
  27. Vergl. Beschreibung des Oberamts Canstatt v. 1832 S. 130 ff. Eine nähere Beschreibung des Rosensteins wird nächstens in den Württemb. Jahrbüchern erscheinen.
  28. S. das neuerlich erschienene Werk: „die Wilhelma; maurische Villa Sr. Majestät des Königs von Württemberg“. Von dem Baumeister derselben, L. v. Zanth. Mit Abbildungen; in vier Lieferungen, wovon im Sommer 1855 die erste erschien.
  29. Derselbe hat die nachfolgenden näheren Verhältnisse für den vorliegenden Zweck mitgetheilt. Vergl. auch Neue illustrirte Zeitschrift, Stuttgart 1851, Nr. 36 u. f.
  30. Angelegt von Hofgärtner Neuner, dessen umfassendere Mittheilungen hier des gedrängten Raumes wegen abgekürzt folgen.
  31. Über die Kirchen zu Stuttgart, ihre Geschichte mit detailirter Beschreibung ihrer architektonischen Bestandtheile und Monumente der Sculptur und Malerei ist das mit vielen trefflichen Abbildungen begleitete Werk von Heideloff: Die Kunst des Mittelalters in Schwaben. Stuttgart, 1854. 4. zu vergleichen.
  32. Abgebildet von Ed. Herdtle, in 6 Bl. 1842. – Es ist jetzt außer Zweifel, daß diese auch in den Jahresheften des w. Alterthums-Vereins abgebildeten Denkmäler, wenn nicht alle, so doch großen Theils der schon S. 120 erwähnte Bildhauer Simon Schleer oder Schlör von Schw. Hall verfertigt hat; denn nach der Landschreiberei-Rechnung von 1581–82 erhielt derselbe „für das 5. 6. 7. und 8. Epitaphium der alten Herrn von Württemberg, so er in der Pfarrkirchen allhie uffgericht“ von Herzog Ludwig 800 fl.
  33. J. H. Tiedemann und J. F. Merkel, Beschreibung der Fürstlichen Denkmale und Grabschriften in der Stiftskirche und der darin befindlichen Gruft etc., Stuttg. 1798.
  34. Die „Statuten für den Catharinen-Hospital in Stuttgart, bestätigt durch K. Entschließung vom 5. Oct. 1827.“ Stuttg. 4., enthalten Plan, Ansichten und Grundrisse.
  35. Die Gesellschaft beleuchtet auf Verlangen auch Gebäude. Am 1. Oktober 1853 waren in öffentlichen Gebäuden 240, im alten und neuen Schloß 120, im Hof-Theater 1380, in Privat-Häusern 2600 Flammen eingerichtet.
Berichtigungen und Ergänzungen
  1. Korrigiert nach Seite IV S. 161 L. 23 ist unter der Leitung etc. anstatt der Leitung etc. zu lesen.


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