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Bey Punitz fährt der Teufel mit deinem Schneider zum Fenster hinaus

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Titel: Bey Punitz fährt der Teufel mit deinem Schneider zum Fenster hinaus
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aus: Clausthalischer allgemeiner Harz-Berg-Calender auf das Jahr 1805
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Erscheinungsdatum: 1804
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Erscheinungsort: Clausthal
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[33]
Bey Punitz fährt der Teufel mit einem Schneider zum Fenster hinaus.

     Zu Neu-Dr... im Kräbener Kreise, eine Stunde von dem südpreußischen Städchen Punitz, an der schlesischen Grenze lebte ein ehrlicher Schneidermeister, dem der Teufel im December des Jahres 1797 so übel mitspielte, daß er, sammt seiner Ehegenossin, darüber beynahe des Todes gewesen wäre. Die Art, wie der Böse diesen guten Leuten ganz unvermuthet erschien, war aber auch in der That höchst überraschend; und verdient, zur öffentlichen Warnung, so wie, zur völligen Überzeugung, der so genannten starken Geister, die an keinem Körper des Teufels und anderer geistigen Wesen von der Art glauben wollen, bekannter gemacht zu werden.

     Es war ein unfreundlicher sehr kalter Decembertag, als der erwähnte Schneidermeister, des Morgens, früher als gewöhnlich, aufstand, um einige Schneiderarbeit, welche Eil hatte, mit Beyhülfe seiner weiblichen Hälfte desto sicherer bis gegen Abend zu vollenden. Schnon eingemal hatte er, ziemlich früh am Morgen, sie auf dem gemeinschaftlichen Lager sanftschüttelnd erminnert, aufzustehen, und einzuheizen, damit ihnen bey der Arbeit die Fingerspitzen nicht kalt und unbrauchbar werden möchten.

     O, wenn er gewußt hätte, welch ein seltsames Unglück ihnen beyderseit an diesem frühen Morgen bevorstand, wie gern würde er dem schlaftrunkenen Hausmütterchen noch Ruhe vergönnet haben, wie gern selbst unfleißig bis an den hellen Morgen, im warmen Bette geblieben seyn! Indessen sie hatten nun einmal das gewöhnliche Schicksal aller Sterblichen: nicht zu wissen, selbst nicht einmal dunkel zu ahnen, was uns auch nur für den nächsten Augenblick vorbehalten ist.

     Um seiner lieben Hausehre mit einem guten Beyspiele vorzuleuchten, sprang er zuerst aus dem Bette. Dieß würkte so kräftig auf die Betthüterinn, daß auch sie sich selbst überwand, und im Hurra die Anstalten zu einer baldigen warmen Stube traf. Sie raffte augenblicklich ein Bündel trocknes Reisig zusammen, wickelte in dessen Mitte ein wenig Kien, zündete diesen an, und wollte eben das schon brennende Ganze, mittelst der Ofengabel in das Ofenloch des ungeheuren Ofens pressen, als sie plötzlich mit einem lauten Schrey zurück bebte, wie beflügelt zum Manne in di eWerkstätte eilte, und viel unverständliches O und Ach, wie Angst und Entsetzen es einzugeben pflegen, hervorstieß.

     Mann. Was giebts? Grete! um des Himmels willen was ist dir?

     Frau. Daß Gott erbarm! Der Teufel steckt in unsern Ofen.

     Mann. (dem die Nähnadel aus der Hand fällt) Wie? Was? Der Gott sey bey uns! –

     Frau. Er selbst leibhaftig.

     Mann. (der sich zusammen nimmt und den Braren machen will) Ey was, das kann nicht seyn; das glaub ich nicht. Wer weiß, was du gesehen hast.

     Frau. (angstvoll horchend) Nun höhre selbst! ach Gott! so höre doch!

     Mann. (Entsetzt sich, und springt von seinem Sitze auf) Der Ofen knackt, ach Herzensgrete laß uns...

So weit war er mit seinem Rathe, als der krachend zerplatzende Ofen ein ungeheures Loch bekam, durh welches der Teufel leibhaftig daher fuhr.

     Der gute Gretchen sank auf der Stell [34] ohnmächtig nieder. Der Schneidermeister aber, dessen Werkstätte dem Fenster ganz nahe war, that einen entschlossenen Sprung zum Fenster hinaus. Der Teufel. kohlrabenschwarz, wie er unter den Weißen[1] von jeher war, schien für dießmal nicht das Weib, sondern den Mann holen zu wollen; denn er ließ jene unberührt liegen, und suchte pfeilschnell auf der ihm eröffneten Fluchtbahn durch das Fenster den Schneider einzuholen. Um ihn desto eher zu erhaschen, nahm er seine Zuflucht zur Teufelslist; denn man vernahm aus seinem Teufelsrachen deutlich die Worte: „Herr Gevatter! ich bins ja! – hör er doch, Herr Gevatter!“ – Wahrscheinlich wollte der Versucher zu allem Bösen, den seynsollenden Herr Gevatter dadurch veranlassen, sich versäumend nach ihm uzusehen, indem er hoffte, ihn dann desto eher ereilen und packen zu können. Der Schneider war indeß kein Narr, und dachte in seinem Sinn: „Dein Gevatter, ist gewiß der Teufel, wenn Du der nicht etwa gar selbst bist.“

     Dieser Gedanke gab dem Schneidermeister Vogelschnelle; und nie mag es dem Teufel saurer geworden seyn, einem ihm so ernstlich Entfliehenden dennoch zu seiner Beute zu machen. Wahrscheinlich hätte der Fürst der Hölle seine Verfolgung für dießmal auch ganz aufgeben müssen, wenn der arme Flüchtling, als er bereits ziemlich weit voraus war, nicht, nach alter Sitte, sicher und dreist geworden wäre. Denn indem er sich nach dem vorgeblichen Vevattersmann, der ihm noch jetzt seinen Zuruf unaufhörlich zuschrie, endlich doch ein einzigsmale neugierig umsah, jedoch indeß rasch fortlief, hatte er das Unglück, seinen Fuß an einen Stein zu stoßen, und stolpernd in einem zwar nicht sehr nassen, aber sumpfigen Graben zu stürzen. Jetzt war’s um ihn geschehen; der Teufel holte ihn bald ein; aber – man denke! – anstatt den Ereilten, nach Teufels Sitte, noch tiefer in den Morast zu versenken, um so die arme Seele in ihren Sünden umkommen zu lassen, zog er den fast erstickenden Schneidermeister dienstfreundlich und wahrhaft gevatterlich aus dem Graben.

     „Aber Gevatter! – hieß es jetzt – kennt er mich denn wirklcih nicht mehr, oder will er mich nicht kennen?“

     Der aus dem Sumpf gezogene Gevatter zitterte, wie Espenlaub, wischte sich den Schmutz aus dem Gesichte, wagte einen halb verstohlenen Blick nach seinem dienstbeflissenen Verfolger, und erkannte in ihm seinen wirklcihen Gevattersmann – den Schornsteinfeger aus Punitz.

     Dieser Mann hatte in einem benachbarten Dorfe Berufsgeschäfte gehabt, und sprach bey dem erzähltermaßen verunglückten Schneidermeister, indem er über dessen Wohnort nach Punitz zurückkehrte, mit vor. Das Wetter dieses Tages war, wie schon gesagt, sehr böse. Ein kalter Wind und arges Schneegestöber machten die Straßen unwegsam und fast unkennbar. Den Schornsteinfeger bangte vor der Rückkehr nach Punitz, Theils der Wölfe, theils der Finsterniß und des Schneegestöbers wegen; denn es war bereits Abend, und doch hatte er noch eine Stunde Weges bis nach Hause. Er gab daher seine Besorgnisse, wie seine Wünsche, dem Gevatter Schneider zu verstehen; allein dieser war so wenig gastfreundschaftlich, daß er den Gevatter Schornsteinfeger – der übrigens wegen des Nachtquartiers auch gerade keine guten Worte verschwenden wollte, – unter den ungünstigsten Wetter und bey einer wirklcih gefährlichen Tageszeit (gegen die Nacht) – abmarschieren ließ.

[35]      Dieser war indessen kaum fünfhundert Schritte vom Dorfe entfernt, als er die Unmöglichkeit, seinen Marsch noch bis Punitz fortzusetzen, einsah. Er kehrte daher um, und war fest entschlossen, im Hause des ungastfreundlichen Gevatters zu übernachten und sollte es selbst ohne die Einwilligung desselben geschehen.

     Zu dem Ende schlich er von hinten heimlich ins Haus, verbarg sich, bis alles schlief, in der Küche, und kroch dann, weil ihn zu frieren anfieng, fein säuberlich in den ungeheuren Stubenofen, wo die noch warme Asche ein ihm sehr willkommnes Nachtlager darbot. Auch behagte es ihm hier so gut, daß er frühmorgens, als die Frau Meisterin einheitzen wollte, noch ruhig schlief, und von deren Vorhaben nicht eher etwas gewahr ward, als bis ihr kreischendes Angstgeschrey ihn erweckte.

     Aber, Himmel! was erblickten seine kaum eröffneten und fast geblendeten Augen! Vor dem einzigen Aus- und Einweg seines Schlafcabinets, vor der Ofenthür, war ein Bündel Gesträuche in lichten Flammen. Er glaubte nichts gewisser, als daß man ihn für seine Zudringlichkeit, lebendig braten wolle. So blieb ihm dann freilich nichts übrig, als – sich einen Weg zur Rettung und Flucht zu bahnen, so gut er konnte. Ein Paar Kacheln oder Ofensteine waren bald in die Wohnstube hineingedrängt, und so geschah dann, was oben bereits erzählt worden ist.

     Daß der Schornsteinfeger nicht zur gewöhnlichen Thür aus dem Hause gieng, sondern durch das Fenster dem Flüchtlinge nachsetzte, verräth freylich eine kleine Teufelstücke. Ich warf sie ihm auch ehrlich vor, (so erzählt der Amtmann zu Oporowka bey Punitz Herr Durschke) als er mir – bey seinem letzten Hierseyn, zur Reinigung Schornsteine meiner Wohnung – sein Abentheuer erzählte. Er erwiederte eben so ehrlich:

     „Ja, es verdroß mich auch nicht wenig, daß man, wie ich anfangs glaubte, mich lebendig verbrennen wollte, und nachher gar für den Teufel selbst hielt. Ich konnte mich daher nicht mäßigen: ich mußte einen Augenblick die Rolle desjenigen spielen, der ich seyn sollte. Der Gevattersmann erregte mein Mitleid erst da, als ich ihn in den schmutzigen Graben stürzen sah; denn er würde darinn erstickt seyn, wenn ich ihn nicht auf der Stelle herausgezogen, und überhaupt beruhigt hätte. Am meisten dauerte mich indessen sein armes Weib, das noch immer ohnmächtig da lag, als wir zu ihm zurückkehrten. Durch unsere vereinigten Bemühungen erholte sie sich endlich wieder. Ich wandte, als sie die Augen zuerst wieder aufschlug, die Vorsicht an, sie von einer Gegend her, wo sie mich nicht sehen konnte, zuvörderst des vernehmlichen Teufels wegen zu beruhigen. Denn da ihr meine Stimme wohl bekannt war, so überzeugten sich ihre Ohren von der Menschheit des Ofenbewohners früher, als dieß vielleicht ihren Augen gelungen seyn würde. – Als beyde Geisterseher endlich völlig wieder beruhigt waren, lachten wir uns recht satt über das arge Mißverständniß. Indeß war es den guten Leuten doch nicht angenehm, dasselbe erlebt zu haben. Sie baten mich inständigst, die Geschichte Niemand zu erzählen. Ich versprachs, habe bis jetzt ehrlich Wort gehalten, und ersuche Sie, Herr Amtmann, wenn Sie nacherzählen, meinen und meines Gevatters Namen nicht zu nennen.

     Diese Bitte macht dem Herzen des Schornsteinfegers zu viel Ehre, als daß nicht auch ich mich verpflichtet achten sollte, ihm Wort zu halten. Aber deshalb bleibt doch der ganze Vorfall gleich lehrreich, wenn man bedenkt, welch urige und feste Überzeugung diese vermeynte Teufeley hervorgebracht haben würde, wenn dem Schornsteinfeger beliebt hatte, nachdem er durch [36] den Ofen und das Fenster ausgefahren war, ruhig und ohne sich je zu verrathen, nach Hause zu gehen.


  1. Die schwarzen Menschen, nehmlich die Neger, mahlen ihren Teufel weiß; unstreitig weil die Engländer, welche die Neger-Menschen einem Faß Syrup gleich achten, und so wie dieses verhandeln, von außen weiß sind.

Anmerkungen (Wikisource)