Bienen-Winkelried (Fontane)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Theodor Fontane
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Bienen-Winkelried
Untertitel:
aus: Gedichte, Seite 237–240
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[237]
Bienen-Winkelried.


 Nur kein Gegrübel
 Was es sei;
 Wohl oder übel
 Der Scherz ist frei.

Die Wespen und die Bienen
     Sie haben sich entzweit:
Guelphen und Ghibellinen[1]
     So stehen sie im Streit.

5
Schon um die heimische Linde,

     Wie um ihr letztes Haus,
Sammelt das Bienen-Gesinde
     Sich zum entscheidenden Strauß.

Eine (sie stund auf Wache,

10
     Und das Weinen war ihr nah)

Schwur: „eine herrliche Sache
     Sei dies mori pro patria![2]
Daß ihr Stand so ein harter
     Freue sie fast zu sehn,

15
Wie die dreihundert Sparter[3]

     Würden sie untergehn.“

Sprach da eine Zweite:
     „Wohl, sie stimme dem bei,
Daß zu fallen im Streite

20
     Süß und löblich sei;
[238]
Nur sie wäre verwundert,

     Daß man auf Sparta säh’,
Pforzheim und seine Vierhundert[4]
     Hätte man ja in der Näh’“.

25
Sprach es. Da schwarz am Himmel,

     Wie Heuschreckenzug,
Nahte das Wespengewimmel
     Sich im Siegesflug.
Solche Schwärme und Flüge

30
     Nimmer der Garten sah,

Wahre Hunnenzüge
     Waren’s des Attila.

Bald in gebogenem Horne,
     Bald in gespitztem Keil

35
Stürmten sie, – aber nach vorne

     Immer den Stacheltheil;
Ach die Bienen, in Demuth
     Wurden sich des bewußt,
Und unendliche Wehmuth

40
     Schlich in ihre Brust.


Siehe, da schnell ein Sasse[5]
     Tritt hervor aus den Reih’n:
„Mach’ Euch eine Gasse
     Liebe Genossen mein!“

45
Und als ob es ihm wäre

     Heldischer Zeitvertreib
Drückt er dreizehn Speere
     Sich in Brust und Leib.

[239]
Da, die Bienen klammern
50
     Grimm an den Feind sich an,

Alle Wespen jammern:
     „Rette sich wer kann!“
Aber mit Waffen, schartig,
     Hummeln und andere mehr,

55
Fallen jetzt landsturmartig

     Ueber die Flüchtigen her.

 * * *

Abend kommt; es schattet;
     Letzte Röthe schied;
Siehe, da wird bestattet

60
     Bienen-Winkelried[6].

Solch ein Gäste-Gedränge,
     Alle mußten’s gestehn,
Und solch Leichengepränge
     Hatten sie nie gesehn.

65
Rings auf Spitzen und Thürmchen

     An dem Hecken-Zaun,
Glühten Johanniswürmchen
     Hell wie Fackeln traun;
Taghell so beleuchtet,

70
     Kam der Zug daher,

Jedes Auge gefeuchtet,
     Jedes Herze schwer.

Vorne, drei Hummelbrummer
     Schritten ernst und barsch,

75
Trommelten in Kummer

     Ihren Trauermarsch;

[240]
Dann mit Ruhm zu melden

     Kam der wächserne Sarg,
Der des Helden der Helden

80
     Irdische Hülle barg.


Vier kohlschwarze Käfer,
     – Allen wohlbekannt –
Waren, als Rappen, dem Schläfer
     Drinnen vorgespannt;

85
Auf dem Deckel oben

     Lagen, Schaft an Schaft,
Alle die dreizehn Proben
     Seiner Ritterkraft.

Still des Zuges Spitze

90
     Hat jetzt eingelenkt:

In eine Mauerritze
     Wird der Sarg gesenkt.
Dann, wie Kriegsgesinde
     Rasch den Gram vertauscht,

95
Haben im Duft der Linde

     Alle sich berauscht.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. siehe Guelfen und Ghibellinen
  2. Dulce et decorum est pro patria mori. Zitat von Horaz: „Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben.“
  3. Schlacht bei den Thermopylen 480 vor Chr., in der dreihundert Spartaner gegen eine Übermacht Perser kämpften.
  4. Schlacht bei Wimpfen 6. Mai 1622, an der ein Pforzheimer Aufgebot teilnahm.
  5. Sasse: Einwohner
  6. Der Sage nach opferte sich Arnold Winkelried in der Schlacht bei Sempach (9. Juli 1386) um eine Bresche in den Feind zu schlagen.