Bildzauber (Bibliothek für Alle)

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Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Bildzauber
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aus: Bibliothek für Alle, 4. Jahrgang, 9. Bd., S. 170–171
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1912
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originalsubtitel:
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Der Artikel Bildzauber erschien fast wortgleich auch unter der Verfasserangabe W.K. in: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1909, 1 Bd., S. 217–219
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[170] Bildzauber.

Das Wort „Bildzauber“ führt uns in eines der dunkelsten Gebiete der Geschichte des Aberglaubens. Man versteht darunter eine schon von indischen und griechischen Magiern geübte Zauberei vermittels eines entweder aus Ton, Wachs oder Metall geformten oder auf Holztäfelchen und flache Steine gemalten Bildes, um in der Ferne auf diejenige Person zu wirken, die das Bild vorstellen sollte.

Diese Art der Zauberei diente hauptsächlich der Liebe und dem Hasse. Indem man das Bildnis des oder der Geliebten mit sich selbst durch magische Künste und Beschwörungen verbinden ließ, glaubte man sich auch der Liebe der betreffenden Person zu versichern. Dieses ist die harmlosere Seite des Bildzaubers. Anders verhielt es sich dagegen mit jenen Bildern, die als „Rachepuppen“ von den Zauberern angefertigt wurden. Je nachdem man eine solche Rachepuppe peinigte, enthauptete, ersäufte, eines Gliedes beraubte oder verbrannte, glaubte man der durch die Puppe dargestellten Person dasselbe zuzufügen, also entweder sie rasch zu töten oder langsamem Siechtum zu überliefern.

Auch im Mittelalter und in den Hexenprozessen spielt das Zauberbild eine große Rolle. In Frankreich wurden viele Prozesse gegen arme Unschuldige geführt, die dem Könige mittels der verhängnisvollen Wachsbilder nach dem Leben getrachtet haben sollen. Auch der Name „Hexenschuß“, eine Bezeichnung, die wir noch heute für eine bestimmte Art von Kreuzschmerzen gebrauchen, stammt daher, daß man annahm, die Hexen könnten ohne äußere Verwundung einem Menschen oder Tier durch Bildzauber und vermittels eines sogenannten Albschosses (Albgeschoß) allerlei schädliche Dinge in den Körper hexen, namentlich Tiere, Nägel oder Nadeln.

[171] Dieser merkwürdige Aberglaube hat sich sogar bis in die heutige Zeit erhalten. Im Alpengebiet, wo die Elemente des Volkswahns noch am zähesten eingewurzelt sind, lebt auch der Glaube an den Bildzauber noch fort. Vor wenigen Jahren beschuldigte sich zum Beispiel vor dem Landgericht in München in einem Prozesse eine bayrische Maid allen Ernstes, ihren plötzlich verstorbenen, treulosen Geliebten durch einen Dolchstich getötet zu haben, den sie – seiner Photographie mitten in die Brust versetzt hatte! Die rachsüchtige Schöne war arg enttäuscht, als der Gerichtshof dieser Äußerung keinen Wert beilegte, sondern nur das Mädchen ermahnte, derartigen Unsinn für die Zukunft zu unterlassen, um wenigstens vor ihrem Gewissen Ruhe zu haben.

Worauf ist nun dieser seltsame Aberglaube zurückzuführen? Wir wissen, daß Naturvölker einen großen Abscheu davor haben, sich malen oder photographieren zu lassen. Dieser Abscheu hat seinen Grund darin, daß sie in der Vorstellung leben, das Bild stelle einen wirklichen Teil ihrer Person dar. Überall findet man noch heute bei den Wilden diese Ansicht, die im Altertum besonders durch die Darstellung der Gottheiten durch Stein- und Holzfiguren verstärkt wurde. Die Statue eines Gottes war heilig. Verletzte man sie, verletzte man auch den Gott selbst. Aus diesen religiösen Empfindungen heraus erweiterte sich dann der Glaube von dem Einssein von Bild und Person bis zu dem naiven Aberglauben vom Bildzauber, der natürlich von gewissenlosen, geldgierigen Leuten, die mit diesen Beschwörungen ein gutes Geschäft machten, immer mehr ausgebildet wurde.