Brügge in Flandern
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Brügge, Hauptstadt der Provinz Westflandern, liegt etwa 4 Stunden vom Meere, zwischen Ostende und Ghent im Mittelpunkt von Kanälen, die es mit den meisten großen Städten Belgiens und Hollands verbinden. Dieser vortheilhaften Lage verdankt es die Erhaltung eines lebhaften Zwischenhandels mit belgischen und auswärtigen Produkten. Seine Fabriken beschäftigen etwa 4000 Menschen. Die bedeutendsten sind die in wollenen Stoffen. Jetzt hat der Ort, in 6000 Häusern, gegen 30,000 Einwohner.
Brügge war einst das große Entrepôt für den ganzen Handel des Nordens und Westens von Europa. Als die Venetianer des Weltverkehrs Zügel führten, in jenen Jahrhunderten, als die Schifffahrt so mangelhaft war, daß eine Reise aus der Ostsee nach dem Mittelländischen Meere und zurück in einem Jahre nicht gemacht werden konnte, bedurfte der Norden eines Zwischenmarkts, wo er seine Produkte gegen die Waaren Venedigs und Genuas vertauschte. Brügge, reich und groß, füllte dieß Bedürfniß aus und leitete dadurch die Quelle unermeßlichen Reichthums in seine Mauern. 30,000 Bürger kleidete es einst in ritterlichem Waffenschmuck, und bekannt ist, wie die stolze Königin Johanne, Gemahlin Philipps des Schönen von Frankreich, als sie hier verweilte, bei’m Anblick des [66] grenzenlosen Luxus der Bürgerweiber von Brügge ausgerufen: ich glaubte hier die einzige Königin zu seyn und ich finde viele hundert glänzender als ich! In jener Zeit war Brügge auch die Wiege der wieder auflebenden Künste. Van Eyck, der Erfinder der Oelmalerei, stiftete hier die niederländisch-niederdeutsche Schule. – Amerika’s Entdeckung, die Auffindung des Wegs nach Indien und Afrika, der Verfall Venedigs, die Verschüttung des Ostender Hafens endlich durch Kaiser Friedrich, worauf die größten Kaufleute nach Antwerpen auswanderten, brachten Brügge von seiner schwindelnden Höhe pfeilschnell herab. Der Reichthum entfloh mit dem Handel, der ihn geschaffen hatte, und längst ist Brügge nur noch ein Schatten von ehedem. Zeuge aber von dem was es gewesen ist, sind seine grandiöse Bauart, die vielen Paläste im altspanischen und venetianischen Style, die seine Mauern umschließen.