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Burney Tagebuch 3/Zusätze

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Rotterdam Tagebuch einer musikalischen Reise (1773) von Charles Burney
Zusätze
Anmerkungen zum zweyten Bande


[281]
[Anhang]
Zusätze.


Die Kapelle Sr. Durchlaucht des regierenden Herzogs von Mecklenburg, Schwerin, ob solche gleich durch den Abgang würdiger Subjekte, seit einigen Jahren etwas gelitten hat, sollte angeführt worden seyn. Besonders hat hier die heilige Musik ihren Sitz, weil Sr. Herzogl. Durchl. keine andre Vokal- als Kirchenmusik, und nur sehr selten einen oder den andern Instrumentisten Concert oder Solo spielen hören mögen. Herr Carl August Westenholz, aus Lauenburg gebürtig, ist Kapellmeister. Im Singen und der Komposition ist er ein Schüler des Herrn J. A. Kunzen, und auf dem Violonschell von dem Herrn Franz Xaverius Woczitka, der ehemals an diesem Hofe in Diensten stund, und gegenwärtig churfürstl. bayerische Dienste hat. Herr Westenholz hat verschiedenes für das Violonschell, besonders aber für die Kirche geschrieben. Vor einigen Jahren ward hier in Hamburg die ramlersche Cantate, die Hirten bey der Krippe von seiner Komposition aufgeführt, welche ungemein vielen Beyfall fand, und itzt, wie ich gehört habe, unter der Presse ist.

Herr Hofrath Johann Wilhelm Hertel, gebohren in Eisenach, ist schon seit langer Zeit Hofkomponist. Er war ehedem ein vorzüglich guter Violinist nach der Bendaischen Schule, seines [282] kurzen Gesichts wegen aber hat er dieses Instrutment ganz bey Seite gelegt, und dagegen das Clavier desto mehr kultivirt. Er hat verschiedenes drucken lassen, wodurch er sich als einen gründlichen, und geschmacksvollen Komponisten bekannt gemacht hat. Er hat itzt ein Werk zum Druck fertig, welches aus lauter ausgebreiteten Chorälen besteht. Eine Gattung von Musik, welche besonders des regierenden Herrn Herzogs Durchl. lieben; und deren Wirkung auf den Zuhörer desto grösser ist, jemehr er mit den Choralmelodien der protestantischen Kirche bekannt ist.

Die ehemalige Signora Affabili, die itzt an den Herrn Kapellmeister Westenholz verheyrathet ist, kam schon 1759. von einer Operettengesellschaft, bey der sie Prima Donna war, an diesem Hof. Sie hatte damals eine sehr helle und reine Stimme von grossem Umfange, eine sichre Intonation, und ungemeine Fertigkeit im Allegro. Sie soll von allen diesen Eigenschaften fast noch nichts verlohren haben.

Madame Reinert, eine Sopranistinn, aus Manheim gebürtig. Ihr Ehemann, ein vorzüglich guter Waldhornist fürs Cantabile, hat sie einige Jahre nach Italien geführt, woselbst sie ihren Geschmack und Vortrag sehr verfeinert hat. Ihre Stimme ist weder sehr stark noch von weitem Umfange, aber sehr rührend, und ihre Intonation ist vollkommen. Ihr Adagio singt sie meisterhaft [283] und weiß sie einen ungemein glücklichen Gebrauch vom Temporubato zu machen.

Herr Selmer war, ehe ihm seine schwächliche Gesundheit nöthigte, sein Instrument zu verlassen, ein vortrefflicher Hoboist. Sein Ton war im höchsten Grade[WS 1] rührend, und seine Adagios fanden immer den sichersten Weg zum Herzen seiner Zuhörer, weil der Ausdruck allemal aus dem seinigen, das sehr gefühlvoll war, entsprang.

Herr Abel, ein Bruder des Gambisten zu London, ist ein vorzüglich guter Geiger, von der Bendaischen Schule; dabey ein sichrer Anführer eines Orchesters, und zugleich ein guter Miniaturmahler.

Herr Kunzen, ein Bassonist, zieht einen schönen vollen Ton aus seinem Instrumente, hat grosse Fertigkeit in den Fingern und der Zunge, und einen sehr gefälligen Vortrag. Er komponirt für sein Instrument. Ich will hier Gelegenheit nehmen, nach meinem Gefühl eine Anmerkung zu machen; – ich habe seit einiger Zeit etliche Bassonisten gehört, welche in aller Absicht vortrefflich waren, nur nicht in Absicht des dem Instrumente eigenthümlichen Tones. Diese Herrn hatten durch allerley Mittel gekünstelt, höhere Noten heraus zu bringen, als es die natürliche Gränze seines Umfanges zuläßt. – Dieser Zweck war ihnen allerdings geglückt, aber der Inhalt des Bassontons, der sonst in den obersten anderthalb Octaven einem vollen männlichen Tenor entspricht, war [284] so dünn und mager geworden, daß man ohne Hülfe der Augen nicht gewußt hätte, was man für ein Instrument hörte. Sollte bloß die Eitelkeit Schuld daran seyn, mehr Töne herausbringen zu können, als ein andrer? Möchte man doch nur bedenken, daß das Instrument schon an sich keinen eingeschränkten Umfang hat, und das einige Töne mehr zum wahren Endzwecke der Musik nichts beitragen können. Wie würde ein Baritonist gefallen, der durch die Fistel bis in die Gränzen des Alts hinaufsänge? Oder ist es Künstlerneid? Dies letztere scheint mir fast wahrscheinlich, aus folgenden Gründen. Sehr wenige gute Komponisten haben bisher für dieses Instrument so geschrieben, daß es sich damit von allen seinen vortheilhaften Seiten zeigen könne. Aus Noth haben sich also fast alle Bassonisten ihre Solos und Concerte selbst machen müssen. Es ist nicht unnatürlich zu glauben, daß sie sich am besten gefielen, wenn sie Etwas setzten, daß ihnen niemand nachspielen könnte. Hieran, deucht mich, liegt es, daß das Instrument nach seiner völligen Natur, und seinem Vermögen über das Herz, noch grössestentheils unbekannt ist, und so lange so bleiben wird, bis Männer dafür eigentlich komponieren, die mit einer praktischen Kenntniß des Instruments alle die übrigen Eigenschaften eines vorzüglichen Komponisten verbinden und dieses erinnert mich an den Herrn Eichner, ehemaligen zweybrückischen Concertmeister, welcher bestimmt zu seyn [285] scheint, dem Basson das allgemeine Ansehn unter den singbaren Instrumenten zu verschaffen, auf welches er seiner Natur nach Anspruch hat. Herr Eichner ist selbst ein Bassonist von der ersten Klasse. Sein Ton, den er aus dem Instrumente zieht, ist voll und männlich, ohne dick oder plump und hohl zu seyn. Wie reich er an neuer und gefälliger Melodie ist, werden die Musikliebhaber schon aus seinen in England gestochenen Trios, Quartetten und Claviersachen wissen. Er würde nicht nur den Bassonisten, sondern auch allen Musikliebhabern einen grossen Gefallen erzeigen, wenn er eine Sammlung von Solos und Concerten für das Instrument, desen Tracktament er so völlig kennt, im Druck, oder auch nur in Abschrift durch die Notenhändler bekannt machte. Freylich wäre dabey zu wünschen, daß er statt der letzten Sätze weniger Rondeaux geben möchte, als sonst zu vermuthen steht, indem er dieser Tändeley durch seinen Aufenthalt in England scheint einen Geschmack abgewonnen zu haben.

Herr Eichner ist, nachdem er dieses Jahr England verlassen, mit einem ansehnlichen Gehalte in Sr. Königl. Hoheit, des Kronprinzen von Preußen Dienste aufgenommen worden.

Von der Hofmusik Sr. Durchlaucht, des regierenden Herrn Landgrafen von Hessen-Cassel, wird allgemein mit so vielem Ruhme gesprochen, daß mirs sehr leid thut, daß ich nicht mehr Personen davon kenne, als drey. Diese sind der Herr [286] Kapellmeister Fiorillo, der in Deutschland schon als ehemaliger braunschweigischer Kapellmeister bekannt ist, und die Herrn Rodewaldt und Barth, beide sehr vorzüglich brave Virtuosen, der erste auf der Violine und der andre auf der Hoboe.

Vom Hamburger Tonkünstlern, würde ich besonders wegen des Urtheils, daß Herr Burney im letzten Bande, S. 191. darüber fället, gerne eine umständlichere Nachricht geben, und sowohl Tonkünstler von Profession, als Musikliebhaber und Liebhaberinnen nennen, deren ganz unpartheyische Beschreibung diesem Urtheile alle Kraft benehmen würde. Allein, da ich Ursach zu besorgen habe, daß man mich errathen, Auswärtig, mich für partheyisch und diejenigen, die ich etwa aus Versehen nicht nennte, mich für ungerecht[WS 2] halten möchten, will ich nur überhaupt ein Paar Anmerkungen machen, ohne mich in etwas Besonders einzulassen.

Sänger und Sängerinnen von der ersten Größe hat Hamburg, da es gegenwärtig keine Opern hat, und beym Gottesdienste Sängerinnen noch nicht gerne zugelassen werden will, keine Gelegenheit zu unterhalten. Da vor einigen Jahren die Subscriptionsconcerte den Winter durch im Gange waren, hätte Herrn Burney diesen Mangel gegen Hamburg nicht aufbringen sollen; und wäre er nur nicht so schnell, fast wie durch eine Poststation, durch gereist: so hätte er auch [287] Stimmen hören können. – Er hat gewiß Sängerinnen gelobt, die gewiß nicht besser sind, als die Liebhaberinnen, die ich hier in Gedanken habe, Die beyden Concerte die Herr Burney hier angehört hat, sollten ihn nicht verleitet haben, von dem Zustande der Musik in Hamburg überhaupt ein Urtheil zu sprechen. Sogar das Erste, was der Herr Magister Ebeling veranstaltete, war in der Eile zusammenberufen, und bestund halb aus Liebhabern. Von dem Zweyten, beym Herrn Westphal, hätte ich, wäre ich an seiner Stelle gewesen, nichts gesagt, weil Liebhaber, die Freyheit haben müssen, sich nach ihren Kräften zu vergnügen, sobald sie es nur unter sich thun, ohne Zuhörern zur Last fallen zu wollen. Und das war bey dem letzten gewiß die Meinung nicht, denn man hatte nicht darauf gerechnet, daß Herr Burney hinkommen würde. Ob indessen die Liebe zur Musik (vom Geschmack mag hier die Rede nicht seyn!) in Hamburg so gering sey, mag man daraus schliessen, daß sich hier gewiß über achtzig (einige wollen über hundert sagen) Personen befinden, die davon leben, daß sie Unterricht in der Musik geben. Daß dieses nicht alle Meister sind, ist leicht begreiflich; aber das ist auch wahr, daß man in Hamburg ein Orchester zusammen bringen kann, womit ein jeder Kenner zufrieden seyn wird. Besonders wird man selten bessre Notenleser antreffen; das haben noch alle Kapellmeister mit Verwundrung bezeugt, die mit Operngesellschaften [288] hier gekommen sind, und mit einem, freylich nicht miteinander eingespielten Orchester, gearbeitet haben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hrade
  2. Vorlage: ungegerecht.
Rotterdam Nach oben Anmerkungen zum zweyten Bande
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