Cäsar und Stiefel

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Autor: Heinrich Leutemann
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Titel: Cäsar und Stiefel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 227–232
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Cäsar und Stiefel.


Große Hunde zu besitzen, ist bekanntlich jetzt eine immer mehr verbreitete Liebhaberei oder Mode bei den Männern geworden, und zwar eine Mode, gegen die sich weniger einwenden läßt, als gegen die meisten Moden der Damen. Jedenfalls darf es kein Wunder nehmen, daß die Leonberger Hunde, welche von Herrn Essig „erfunden“ worden sind, nun auch in andern Orten als ihrer eigentlichen Heimath wachsen, und einem solchen Seitenzweig wollen wir uns jetzt widmen.

Cäsar und Stiefel, das sind die Namen der beiden Hunde, welche auf dem größeren Bilde und zwar genau in ihrem Größenverhältniß dargestellt sind, und da Gerechtigkeit über Alles geht, so soll die Besprechung ihrer auch das gleiche Verhältniß in Acht nehmen und mit dem Leonberger Cäsar beginnen. Brieflich hatte ich schon vom Besitzer Cäsar’s, dem Fabrikbesitzer H. Bergmann in Waldheim – einem Orte, der bekanntlich seinem Zuchthause eine nicht unbedeutende Berühmtheit verdankt – erfahren, daß Cäsar mit noch vielen andern Hunden den Hof seines Herrn bewohnte, bei einem Besuche von Herrn und Hund in Leipzig wurde später meine Fahrt nach Waldheim verabredet und endlich auch ausgeführt. Denn, wie ein selbst in seinem Ursprungslande, dem Königreich Sachsen, nicht einmal sehr bekanntes Sprüchwort sagt: „Wer Nichts riskirt, kommt nicht nach Waldheim.“ Ich riskirte denn die Fahrt. Welch prächtiger Anblick aber bot sich mir bei meiner Ankunft im Hofe des Herrn Bergmann!

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Cäsar’s Kopf.
Nach der Natur aufgenommen von H. Leutemann.

Gleich einem Rudel wilder Thiere bewegten sich die Hunde durcheinander; alle löwengelb von Farbe, Cäsar, außer durch seine Größe hervorragend, noch ausgezeichnet durch das lebhaftere Gelb und die glänzend schwarze Endfärbung seines lockigen seidenweichen Haares; Minka, die Hündin, dem Riesen Cäsar an Größe und Färbung zwar nachstehend, dafür aber, wie das ihrem Geschlecht geziemt, elegant in der Form und von weit größerer Behendigkeit und Schnelligkeit, während die drei jungen halberwachsenen Hunde, welche vorläufig, wenn ich nicht irre, noch ohne Namen herumliefen, sich in jener Uebergangsperiode von der Kindheit zur Reife befanden, in welcher der Mensch oft recht unleidlich ist, die aber hier weder Hunde noch Umgebung genirte.

Was gleich beim ersten Anblick dieser Thiere so sehr ansprach, war, daß dieselben ganz frei in dem ziemlich geräumigen menschenbelebten Hofe herumliefen und sich bewegen konnten, ein Umstand, der gar nicht unwichtig für die vortheilhafte Entwicklung des Charakters und Körpers sein kann. Ein Hund an der Kette ist in vielen Fällen unvermeidlich, immerhin bleibt es aber ein sehr mäßiger Genuß, ein schönes, großes Thier dieser Art an einer Kette zu sehen, wo es von seinen Gliedern nicht entfernt den eigentlichen Gebrauch machen kann. Wie herrlich dagegen war es zu sehen, wenn wir nach unsrer Arbeit auf die Anhöhen um Waldheim stiegen, die fünf Hunde mit uns, und diese nun im fortwährenden Jagen und Hetzen über den Schnee dahinsetzten, Cäsar immer als Führer an der Spitze und ihm nach die Meute der Anderen! Manchmal, wenn gerade die Alten mit ihren langbehaarten Schweifen dem Auge zunächst waren, glichen sie einem Rudel Wölfe, welches auf der Spur eines Wildes dahinjagte,

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Cäsar und Stiefel im Salon.
Nach der Natur aufgenommen von H. Leutemann.

[230] während andere Male, wenn man die Jungen mit ihren noch kurzhaarigen Schweifen am nächsten sah, die ganze Gruppe an eine Löwenfamilie erinnerte, wie sie in alten Zeiten über die schneebedeckten Gebirge Griechenlands geeilt sein mögen.

Cäsar ist von seinem Besitzer selbst gezogen worden und wird im Juli dieses Jahres drei Jahr alt; seine Farbe, ein lebhaftes Löwengelb, mit schwarzen Haarspitzen auf der oberen Mitte des Körpers, und weiß an Kehle, Wangen, Bauch und Innenseite der Beine, wurde schon angedeutet.

Cäsar hat eine Rückenhöhe von siebenundsiebenzig Centimeter, Schulterhöhe von zweiundachtzig Centimeter, Stirnhöhe von hundert Centimeter, von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel hundertvierundvierzig Centimeter, ganze Länge bis zum Schwanzende zweihundertsieben Centimeter. Sein Gewicht beträgt sechsundsiebenzig Kilo gleich hundertzweiundfünfzig Pfund. Er erblickte das Licht dieser schnöden Welt mit noch zwölf anderen Geschwistern zugleich; es war dies aber noch nicht das Höchste, denn ein anderes Mal hat dieselbe Hündin siebenzehn Junge geworfen, ein so seltener Fall, daß der Besitzer ihn in aller Form vom dortigen Thierarzt bescheinigen ließ. Unter dreizehn scheint es Minka überhaupt nicht zu thun. Cäsar ist von allen Jungen der früheren Würfe der einzige im Besitz seines Herrn gebliebene und hat dadurch eine große Anhänglichkeit an denselben und dessen Familie, aber ebenso an Minka gewonnen, und Beispiele davon werden noch angeführt werden.

Das System, nach welchem Herrn Bergmann die Aufzucht solch schöner Hunde gelungen, ist nach seinen Mittheilungen im Wesentlichen folgendes. Selbstverständlich sind natürlich „gute Eltern“, wie der Berliner sagt, eben so ein trocknes, vor der Witterung geschütztes Lager, gutes regelmäßiges Füttern, Kämmen, Baden. Das Wichtigste davon ist aber eine richtige Quantität des Futters. So bekommt z. B. die Hündin, wenn sie tragend ist, so viel Milch und Fleisch, als sie nur will, nach dem Wurfe aber mehr Suppe aus Milch, Mehl und Brod und erst nach acht Tagen allmählich wieder Fleisch. Die Jungen bekommen schon nach der dritten Woche rohes Fleisch, aber nur in großen Stücken auf ein Bret genagelt oder in einen flachen hölzernen Napf, wo dann die kleine Gesellschaft mit Eifer ihre ersten Kauübungen anstellt und, wenn Milch zugegossen wird, auch selbst saufen lernt. Durch das Kauen saugen die Jungen den Fleischsaft aus dem Fleisch und zahnen leichter. Wenn sie allein fressen, nach der vierten Woche, bekommen sie außer Milch täglich drei Mal klein gehacktes Fleisch bis zur achten Woche, von da an nur zwei Mal täglich Futter und zwar früh Brodsuppe und dann Fleisch, soviel sie wünschen, und Mittags Fleisch, nur nicht bei heißer Witterung. Außerdem muß das Fleisch stets mager sein, und müssen alle Knochen vermieden werden, da sich an denselben die Hunde die Zähne verletzen und später wegen Verdauungsbeschwerden krank werden, ganz wie der Mensch. Das Fleisch ist fast immer Pferdefleisch, ausgenommen wenn auch ein andres Stück Vieh gefallen ist. Der Futternapf wird stets nach der Fütterung weggenommen, und Abends wird nie gefüttert, weil sonst die Hunde für die Nacht zu träge und nicht wachsam genug sind. Das ist die Art, auf welche Herr Bergmann es erzielt hat, daß ihm von allen seinen selbstgezogenen Hunden nie einer krank geworden ist. Kostspielig ist sie allerdings, denn im vorigen Jahre z. B. verzehrten ihm fünf Hunde neunhundert Liter Milch, viertausendachtzig Pfund Fleisch, zweitausendfünfzig Pfund Brod, dreihundert Pfund Mehl, sechszig Pfund Salz. Von diesem Jahre an werden sie natürlich Alles nach Kilos vertilgen.

„Bildung muß sein!“ Und so sollte denn unser Cäsar sich diese zu seiner Schönheit auch noch aneignen und wurde im Frühling des vorigen Jahres zu einem alten Jäger in einer andern Stadt, welcher sich seit vielen Jahren mit Hundedressur beschäftigt und schon Hunderte von Hunden dressirt hat, in die Lehre gegeben. Aber schon nach drei Tagen kam, nicht etwa der Hund, wie man denken wird, sondern der Dressirer, und bat den Herrn Cäsar’s, doch mit ihm zu kommen, da sich das Thier nicht bändigen lasse und ganz wüthend sei. So war es auch. Cäsar hatte allen Bildungsversuchen des ihm Fremden mit fletschenden Zähnen Hohn gesprochen, hatte sich nicht anrühren, am allerwenigsten strafen lassen. Sein Herr fand das Thier, welches in der ganzen Zeit nicht gefressen hatte, ganz erregt, legte es an eine Kette, aber nach seinem Fortgehen schallte noch eine Viertelstunde lang das jammernde Geheul des in seiner Hoffnung auf Befreiung getäuschten Thieres hinter ihm her. Sieben Wochen lang wurden die Versuche der Dressur fortgesetzt, aber ohne allen Erfolg, und als nun sein Herr sich endlich entschloß, ihn abzuholen, schien das Thier ganz stumpf, folgte zwar, aber doch ganz theilnahmlos dem Wagen und erholte sich erst nach Monaten wieder zu seiner früheren Lebhaftigkeit. Man könnte streiten, ob diese Geschichte für oder gegen den Werth des Hundes spricht, für eine edle Anhänglichkeit an seinen Herrn spricht sie jedenfalls, und diesem muß er dadurch nur werther geworden sein. Uebrigens hat Cäsar nach der Hand durch seinen Herrn in wenigen Wochen Alles gelernt, was dieser wünschte.

Es ist schon angedeutet worden, daß durch das freie Zusammenleben dieser Hunde sich ihre Körperschönheit sowohl wie ihre Charaktereigenthümlichkeit und ihre Klugheit viel freier entwickeln kann, als bei Hunden in minder freier Lage. Freilich so gescheidt wie Unsereiner werden sie niemals, aber eben weil wir Menschen im Bewußtsein unseres großen Verstandes einen Vergleich mit Thieren in dieser Beziehung kaum der Mühe werth halten, sind wir dann um so mehr verwundert, wenn wir durch unerwartete Fälle doch immer wieder dazu genöthigt werden. So war z. B. einst Minka von ihrem Herrn aus irgend einem Grunde in ihren Lattenzwinger, der sonst blos ihr Schlafgemach war, eingesperrt worden, und doch empfand sie gerade damals große Sehnsucht nach ihrem Cäsar, der die goldene Freiheit unbeengt genoß. Sie lag mit starkem Lederhalsband an einer Kette, um ihr Entweichen nach etwaigem Durchbeißen der Latten zu verhindern. Aber trotzdem liefen am andern Morgen die beiden Hunde frei und in traulichster Einigkeit im Hofe herum. Die nähere Besichtigung zeigte, daß Cäsar die Latten von außen, Minka sie hingegen von innen durchgebissen hatte, und nachdem so Cäsar Zutritt gewonnen, hatte er zum Schluß das Halsband Minka’s noch durchgefressen und ihr zur ersehnten Freiheit verholfen.

Von ihren Zähnen machen überhaupt diese Hunde, um ihre Privatzwecke zu erreichen, einen sehr ausgiebigen Gebrauch und welche Kraft sie dabei entwickeln, mag Folgendes beweisen. Das für die Hunde bestimmte Fleisch wurde früher in einem Raum auf dem Hofe aufbewahrt, welcher durch eine Lattenthür verschlossen war. Mehrere beobachtete Versuche seitens der Hunde, die Latten durchzufressen, wurden zwar bestraft, trotzdem waren eines natürlich schönen Morgens die Latten zerbissen und das Fleisch verschwunden. Dies wiederholte sich mehrere Male und die Thiere lagen dann stets früh wie todt da, so hatten sie sich vollgefressen. Nun wäre das an sich eine ganz hübsche Beobachtung gewesen, und wenn die Hunde ihrem Herrn mehr wegfraßen, als sie sollten, so hätte man schließlich auch hier sagen können: „Er hat’s, er kann’s, wohl bekomm’s ihm, Amen!“ Aber die Sache war doch weder in der Ordnung, noch den Thieren gesund, und so wurde denn nun eine vollkommene Holzthür eingesetzt, und der schlaue Hausmann hing obendrein das Fleisch noch in einem Korb an die Decke, und rieb sich vergnügt die Hände. Aber trotzdem, und diese Energie der Hunde ist erstaunlich, war am andern Morgen die Thür offen, der Korb lag leer am Boden, die Hunde aber lagen um so voller im Hofe. Die Thiere hatten die Schlagleiste abgerissen, so die Thür aufgesprengt, hatten vom Hackeklotz aus, auf welchen der Hausmann beim Aufhängen des Fleisches gestiegen war, den Korb ausgehoben und heruntergeworfen. Jetzt wurde das Fleisch vier Treppen hoch hinter einer Doppelthür verwahrt, aber auch hier wurden die Schlagleisten durchgebissen, die Thür also abermals gesprengt und das Fleisch geholt, bis zuletzt Nichts übrig geblieben ist, als das Fleisch hinter einer überall mit Eisenblech beschlagenen Thür aufzubewahren.

Diese Neigung zu Diebereien ist besonders stark bei Minka, wenn sie tragend ist oder Junge hat. Wenn man z. B. als Gattin des Besitzers eine Kalbskeule zu russischem Salat bestimmt und zum Abkühlen in ein Zimmer des Erdgeschosses gestellt hat, ohne daß vielleicht die Thür fest genug geschlossen ist, so kommt Minka am hellen Tag gleich einer Katze in die jetzt leere Stube geschlichen, packt die kaum hingestellte, also noch heiße Keule des Kalbes, entflieht mit ihr, und wenn einige Minuten danach die vortreffliche Keule vermißt wird, und Minka nicht blos an den Pfotenabdrücken, sondern auch auf der Flucht als Dieb erkannt worden ist, so liegt sie doch ganz harmlos in ihrer Hütte. Alles [231] Suchen nach dem wesentlichen Bestandtheil zum russischen Salat bleibt vergebens, und erst Abends wird Minka erwischt, wie sie eben den Rest der verflossenen Kalbskeule verzehrt. Sie hatte dieselbe sofort nach dem Raube im Garten vergraben und mit großer Weisheit die Zeit der Aufregung erst vorübergehen lassen.

Man wird vielleicht sagen: „das sind schlechtgezogene Hunde,“ aber erstens sind es nicht meine Hunde, und andererseits wäre erst noch der Beweis zu liefern, ob es überhaupt möglich ist, Hunden solche Unarten abzugewöhnen, wenn man ihnen einmal so viel persönliche Freiheit läßt, wie es hier der Besitzer auf Grund eigner Erfahrung zur schöneren Entwickelung der Thiere für gerathen hält. Wenn man jeden Hund in der Nacht an der Kette hält, auch am Tage ihn nicht ohne directe Aufsicht läßt, so kommen solche Sachen natürlich nicht vor, aber nicht weil der Hund besser gezogen ist, sondern weil es ihm eben unmöglich ist, zu sündigen (was ja auch bei’m Menschen eine sehr billige Tugend ist), und es ist selbstverständlich, daß bei einem Thier die ihm eigenthümlichen Instincte, und der Hund ist doch ein Raubthier, sich um so mehr entwickeln werden, je mehr ihm die natürliche Freiheit gelassen wird. Mir ist ein solcher Hund viel interessanter als eine gutgezogene willenlose Schlafmütze, die den Charakter, zu dem sie eigentlich verpflichtet ist, fortwährend verleugnet.

Die gemeinschaftlichen Spaziergänge mit den Hunden in’s Freie habe ich schon erwähnt. Für die Hunde, natürlich alle ohne Halsband und Maulkorb, also in makelloser Kopf- und Halsbehaarung, ist dies ein Hauptgenuß, um so größer aber der Schmerz, der ihre Seele durchbebt, wenn ihnen einmal beim Ausgange des Herrn das Hofthor verschlossen bleibt. Unendliches Heulen und Bellen erschallt, alle richten sich am Gitter auf, oder springen an demselben mit verzweifelten Sätzen empor, bis der Herr ihren Augen entschwunden ist oder ein menschliches Rühren fühlt und Gewährung winkt. Geht aber dann das Thor auf, so fliegen gleich abgeschossenen Pfeilen die Thiere hervor, der sich zuerst durchdrängende Cäsar voran, aber bald überholt von der schlanken Minka, und hinter ihnen mit fröhlichem Geheul die Jungen. Höchlich muß man sich dann in Acht nehmen, von den überfreudig heransetzenden Hunden nicht umgeworfen zu werden, besonders wenn, wie zur Zeit meiner Anwesenheit, Glatteis ist. Durch solche öftere Begleitung ist natürlich bei den Hunden die Vorstellung des selbstverständlichen Mitgehens bei jedem Gange entstanden, und sie suchen daher, sowie sie ihren Herrn vermissen und auf irgend eine Art aus dem Hofe herauskommen, denselben schleunigst, nicht etwa durch bloße Deputation, sondern in ganzer Masse, auf und finden ihn stets, sei es im Schulexamen, Gerichtssaal, Rathhaus etc., was gewiß sehr interessant, aber nicht immer angenehm sein mag. Auch auf stundenweit entfernte Orte folgen sie der Spur ihres Herrn, suchen ihn der Reihe nach in jedem Orte, wo er sich aufgehalten, und freuen sich dann ganz unmenschlich, wenn sie ihn endlich gefunden, mag auch die Toilette, in der sie sich z. B. bei schlammigem Wege ihrem Herrn vorstellen, andere Gefühle bei demselben hervorrufen.

Es war vergessen worden zu erwähnen, daß, als Minka die besagten siebenzehn Jungen bekam, dieselben alle binnen drei Tagen starben. Das Geheul des armen Thieres dabei soll herzzerreißend gewesen sein, den Korb, in welchen die todten Thierchen zunächst gelegt worden, spürte sie wieder auf und trug dieselben alle wieder auf ihrem Lager zusammen, um Wiederbelebungsversuche mit ihnen anzustellen. Nur mit List konnten sie ihr wieder genommen werden, aber das letzte davon hat sie zwei Tage lang im Maule herumgetragen, es überall, wo Herr und Herrin gerade waren, vor deren Füße gelegt, aber – es doch nicht anrühren lassen, selbst ihrem Herrn zeigte sie dann die Zähne, der einzige derartige Fall. Dieses letzte Junge ist zuletzt spurlos verschwunden, und wahrscheinlich von der Mutter vergraben worden.

Nun wollen wir uns aber einmal dem kleinen Stiefel zuwenden, der auf dem Bilde einen so geringen Raum einnimmt und deshalb auch hier nur wenig Text beanspruchen darf. „Stiefel muß sterben,“ heißt es in dem alten, ebenso kurzen als rührenden und – wahren Volksliede; denn Stiefel ist in der That bereits todt, und wenn auch bei seiner Kleinheit die Lücke, die er in der Welt zurückläßt, nicht sehr bedeutend sein wird, so ist es doch schade um das kleine immer ängstliche Kerlchen, welches, wenn ich nicht irre, sein Herr, der Herr Sulry in Waldheim, immer im Rock bei sich trug, weil das Hündchen damals, im Winter, sonst gewiß stets Schnupfen gehabt hätte. Auf dem Bilde, welches ich für Herrn Bergmann malte und von welchem der Holzschnitt eine Copie ist, ist er natürlich nur des Gegensatzes wegen angebracht worden, und es ist begreiflich, daß sein Portrait schneller fertig wurde, als das Cäsar’s.

Oft muß man die Frage hören: „Halten denn die Thiere ruhig zum Malen?“ Antwort: Nein, leider niemals nach Wunsch, aber es ist immer noch ein himmlisches Arbeiten, wenn man ein Hausthier malt, was man sich halten oder anbinden lassen kann, und was in gewissem Grade doch pariren muß, als wenn man in zoologischen Gärten oder Menagerien Thierstudien macht. Hier bei Cäsar, dem sein Herr vom Beginn der Arbeit bis zum Schluß in seinem Modellstehen als so recht eigentlicher „Beistand“ half, war es eine Lust, das Thier zu malen, denn da er fortwährend seinem Herrn Wurst aus der Hand fressen konnte, allerdings aus der fast geschlossenen Hand, damit er nicht zu schnell satt wurde, so fand sich Cäsar sehr bald in sein dankbares Amt, und lag manchmal schon bereit vor der Thür, wenn wir zur Arbeit ankamen.

Ich sage ausdrücklich „wir“, denn man muß in der That eine so ernste Bestrebung, den Maler beim Malen eines Thieres zu unterstützen, als eine wirkliche Arbeit betrachten, ja es kann unter Umständen eine Anstrengung werden. Dies war wenigstens der Fall, als es sich darum handelte, die Kopfstudie, welche noch als Holzschnitt in dieser Nummer abgedruckt ist, zu malen. Es war dabei die Aufgabe, Lebhaftigkeit in Haltung und Auge zu bringen, und bei dem Umstande, daß solche große Hunde sehr von der Hitze leiden und sich immer legen wollen, um Kühlung vom Boden zu haben, war dies eine ziemliche Schwierigkeit. Wurst wollte er nicht mehr, auch hätte Füttern nichts geholfen, da es sich um den Kopf von vorne handelte. Wie halfen wir uns also? Herr Sulry, Stiefel’s Besitzer, der glücklicherweise anwesend war und viele Thierstimmen vortrefflich nachahmen konnte, stellte sich hinter die geschlossene Thür des Nebenzimmers, pochte und polterte mitunter an dieselbe, ahmte das Heulen eines gebissenen Hundes, das Bellen eines andern, kurz, verschiedene für Cäsar interessante Thierstimmen nach, so daß Cäsar nothgedrungen seine Aufmerksamkeit dem Leben hinter der Thür zuwandte und einigemal sogar aus seiner sitzenden Stellung, die wir ihm aufgezwungen hatten, aufspringen wollte. Freilich, lange durfte ein Ton nicht wiederholt werden, denn er merkte sehr bald den Schwindel, aber im Wesentlichen führte doch die Sache zum Zweck. Das Thier in der sitzenden Stellung zu erhalten, war dabei die Aufgabe seines Herrn, und da sich Cäsar an diesen zuletzt mit seinem ganzen Gewicht anlehnte, so athmete ich bei meiner Theilnahme für menschliches Leiden selbst auf, als wir Alle mit dieser Studie fertig waren.

Indem ich im Begriff bin, diese Zeilen zu schließen, lese ich, daß in diesem Jahre durch einen zusammengetretenen Verein in Dresden eine große Hundeausstellung veranstaltet werden soll, und erinnere mich dabei, daß schon damals der Besitzer Cäsar’s eine Einladung von Dresden bekam, sich an der Veranstaltung dieser Ausstellung zu betheiligen. Er wird dies ohne Zweifel thun, und so wird mancher Leser der Gartenlaube Gelegenheit haben, Herrn Cäsar noch von Angesicht zu Angesicht zu sehen und zu bewundern. Allerdings ist es zweifelhaft, ob er da noch im Fell so schön sein wird, wie in der Winterszeit, ein prachtvolles Thier wird er aber immer noch sein, und es wäre schon möglich, daß ein noch größeres Gebot als das bereits einmal geschehene von siebenhundertundfünfzig Rubel (etwa siebenhundert Thaler) auf ihn gemacht würde.

Es ist bekannt, daß die Leonberger Hunde in der Regel gegen kleine Kinder höchst duldsam sind, und sich insbesondere von den Kindern ihres Herrn Alles gefallen lassen. Auch mit den kleinen Knäbchen des Herrn Bergmann ließ sich dies beobachten. Komisch war es übrigens anzusehen, wenn das kleinere der Kinder, einundeinviertel Jahr alt, neben Cäsar stand, und mit seinem Kopfe bei weitem noch nicht an den Rücken des mächtigen Thieres reichte. An einen Schlitten angespannt ziehen die Hunde denselben mit den Kindern und wohl auch ihrem Herrn in sieben Minuten nach einem eine halbe Stunde entfernten Ort. Liegen die [232] Kinder im Freien auf den Hunden und schlafen, so rühren diese sich nicht, zeigen aber jedem sich nahenden Fremden die Zähne. Und wird ihnen von den Kindern vielleicht einmal zu übel mitgespielt, so gehen sie ruhig in eine andere Ecke, ohne ein Zeichen des Unwillens. Das sind zwar oft und überall vorkommende Sachen, aber sie helfen das Bild von dem hier geschilderten interessanten Hundeleben vervollständigen, und darum durften sie auch hier zum Schlusse nicht fehlen.

L.