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Casanova und Hagenbeck

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Textdaten
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Autor: Hermann Dorner
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Titel: Casanova und Hagenbeck
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 42–47
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Casanova und Hagenbeck.


Auch in früheren Jahren hat man hin und wieder Gelegenheit gehabt, ausländische Thiere lebend bei uns zu sehen, sei es durch Vermittlung jener Sorte „wandernder Künstler“, welche mit Affen, Bären, Kameelen, Wölfen oder Hyänen auf den Messen und Jahrmärkten umherzogen oder – schon beachtenswerther – in mehr oder minder großartigen Menagerien, von denen die van Aken-Kreuzberg’sche, die von Renz, Scholz u. A. allgemein bekannt geworden sind. Aber erst seitdem die mit Recht überall beliebten „Thiergärten“ (welche die Deutschen gar zu gern „Zoologische Gärten“ nennen) eine größere Ausdehnung gewonnen haben, mehrt sich die Zufuhr fremder lebender Thiere aus allen Weltgegenden in großartigster Weise, und oft ist es in der That bewundernswerth, daß es hat gelingen können, Thiere aus entlegenen Himmelsstrichen, die ihrer ganzen Natur nach mit ihrer heimathlichen Umgebung auf’s Innigste zusammenhängen, nicht nur in die Gewalt der unternehmenden Jäger oder Thierhändler zu bringen, sondern auch sie zu transportieren und Jahre lang mit neu angepaßter Kost und unter fremden klimatischen Verhältnissen am Leben zu erhalten. Der Besucher eines Thiergartens sieht neben einander Eisbären, Paviane, Elephanten, Giraffen, Ameisenbären, Elenthiere, Waschbären, Känguruhs, und es kommt ihm kaum mehr in den Sinn, daß jedes dieser Thiere mit der überlegtesten Sorgfalt und Vorsicht von seiner früheren Umgebung getrennt und neuen Verhältnissen angepaßt worden ist, wie er auch schon längst nicht mehr daran denkt, durch wie viele Hände und aus wie entlegenen Gegenden diejenigen Stoffe herbeigeschafft worden sind, deren er täglich zu seiner Erhaltung und Bequemlichkeit bedarf.

Unter denen, welche mit Ueberwindung persönlicher Gefahren [043] an Leben und Gesundheit weit über die Grenzen der Culturländer reisen, um den Gärten neues Material zu schaffen, ist Casanova, früher Director eines großen Affentheaters, das 1859 in Petersburg durch eine Feuersbrunst gänzlich zu Grunde ging, der Bedeutendste. Schon mehrmals ist derselbe von Suakim, einem im südlichen Nubien gelegenen Hafenort am rothen Meer, weiter südlich nach Habesch gegangen, wo die begehrten Schaustücke der Thiergärten meistens mit leichter Mühe wohl erworben, aber nur mit großen Schwierigkeiten und Anstrengungen erhalten werden können.

Eine solche Erpedition nimmt im Ganzen acht bis zehn Monate in Anspruch und wird am zweckmäßigsten kurz nach der Regenzeit, also etwa im November, wo man am leichtesten junge Thiere in großer Anzahl vorfindet, begonnen. Von Suakim geht die Reise mit dem theils schon in Europa, theils in verschiedenen Orten Afrikas besorgten Reisematerial, also vor allen Dingen mit einer Anzahl von mindestens dreißig Kameelen und den zur Aufsicht nöthigen Leuten, mit genügendem Proviant, Stricken, Eisenstäben, Waffen und den zum Austausch nöthigen Waaren, wie Branntwein, Zucker, Reis, Seife etc., nach dem etwa fünfundzwanzig Tagereisen südlicher gelegenen Cassala, der Hauptstadt des Takalandes. Daß auch eine gute Summe Geldes mitgenommen werden muß, versteht sich von selber, und zwar muß dieses Geld in Maria- Theresien-Thalern (etwa ein und ein Drittel Thlr. preuß.) bestehen, dem einzigen, welches die Bewohner jener Gegenden als vollgültig annehmen, das daher auch die Engländer vor ihrer Expedition nach Abessinien in großen Mengen prägen ließen.

Die Gegend zwischen Suakim und Cassala ist öde, sandig und spärlich bevölkert. Wasser gehört zu den Kostbarkeiten und muß aus den in den ausgetrockneten Flußbetten gegrabenen Brunnen entnommen werden. Wer also eine solche Reise unternimmt, muß sich darauf gefaßt machen, auf fast alle Annehmlichkeiten des civilisirten Lebens zu verzichten, er muß sich daran gewöhnen, in den auf heiße Tage folgenden kalten Nächten mit einem Lager unter freiem Himmel vorlieb zu nehmen, er muß suchen, im Umgang mit den Thieren unter denen die Kameele die „allerliebenswürdigsten des Erdballs“, die Scorpione und Kameelzecken aber die abscheulichsten sind, Ersatz zu finden für die mannigfaltigen Bequemlichkeiten, welche ihm in der Heimath seine menschliche Umgebung verschafft.

Von Cassala aus geht Casanova noch etwa funfzehn Tagereisen weiter, an die Ufer des Atbara und Setith, wo er durch Vermittlung der in jenen Gegenden nomadisirenden und in fortwährenden Fehden und Raubzügen begriffenen Homraner Elephanten erlangt. Es vereinigen sich zu solchen Jagdzügen eine größere Anzahl Homraner unter Anführung eines bewährten Elephantenjägers, die, unterstützt von dem ihnen zu Gebote stehenden eigenthümlichen Spürtalent, meistens bald eine Elephantenheerde aufgefunden haben. Sie setzen den Fliehenden auf den kleinen, aber ausgezeichneten Pferden nach, was bei der Unebenheit des Terrains, den furchtbaren Dornen der Akazien und der heißen Tagesgluth nicht eben ein leichtes Stück Arbeit ist, und suchen die Jungen, welche früher ermüden, von den Alten abzusondern. Leistet ein alter Elephant einem gefesselten Jungen Hülfe, so wird er in einer eigenthümlichen, bei der Gewandtheit der Jäger aber sicheren Weise getödtet. Während nämlich einer derselben die Aufmerksamkeit des Thieres von vorne fesselt, nähert sich ein anderer von hinten springt vom Pferde und haut mit einem kurzen zweischneidigen Schwerte dem Thiere die Achillessehne des nächsten Hinterfußes durch. Wendet sich das dadurch wüthend gemachte Thier gegen diesen, der sofort wieder auf sein Pferd gesprungen ist, so wiederholt der erste dasselbe Manöver am anderen Hinterfuße des Elephanten, der nun, zum Weiterkommen unfähig, mit Lanzen und Schwertern leicht getödtet wird. Während dieses Kampfes beschäftigen sich Andere mit dem Jungen, reißen es mit übergeworfenen Stricken zu Boden und fesseln es dann in solcher Weise, daß es nothgedrungen mit den Jägern vorwärts muß. Von der im Anfang des Jahres 1867 veranstalten Jagd kehrte Casanova mit sechszehn Elephanten im Mai 1867 nach Suakim zurück. Im folgenden Jahre konnte Casanova zweiunddreißig junge Elephanten noch vor Cassala käuflich erlangen.

Alte Elephanten werden nicht eingefangen, weil das mit sehr bedeutenden Gefahren und Schwierigkeit verknüpft, der Transport kaum zu ermöglichen ist und die Thiere voraussichtlich weder lange in der Gefangenschaft aushalten, noch auch je recht zahm würden. Alte Elephanten bringen sogar den Besitz an schon eingefangenen jungen mitunter in Gefahr, indem sie in nächtlicher Weile, durch das Schreien und Brüllen der letzteren aufmerksam gemacht, sich dem Lager der Jäger und Thierhändler nähern und in dasselbe einzudringen trachten. Es muß also in der Nacht stete Aufsicht vorhanden sein und ein tüchtiges Feuer unterhalten werden, auch schon wegen der eben so dreisten als feigen Hyänen, die das Lager nächtlich umkreisen und zu erhaschen suchen, was nur irgend zu holen ist. Die hier in großen Schaaren vorkommenden gefleckten Hyänen nähern sich sogar den Schlafenden und treiben die Frechheit so weit, Gewehrriemen, Lagerdecken oder was sonst in der Nähe ist, und sei es gar das Kopfkissen, zu benagen.

Auch von den erwähnten zweiunddreißig Elephanten brachte Casanova nur den kleinsten Theil lebend nach Europa. Noch vor Cassala brach – man kann es in der That nicht anders nennen – ein Aufruhr unter den Thieren aus, nachdem sie schon durch die Behandlung von Seiten der Europäer fast gezähmt worden waren. Merkwürdiger Weise dürfen diese sich sehr bald nach der Gefangennahme den Thieren zutraulich nähern, sie streicheln und kosen, besonders wenn dieselben schon einmal nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sind, daß sie ihren Willen jetzt unterzuordnen haben, während die Annäherung eines Arabers sie sofort in einen aufgeregten Zustand versetzt, so daß sie schreien und sich wild und ungeberdig benehmen. Nun war während des Transportes, der mit der ganzen Heerde natürlich erst dann begonnen wird, wenn es den Thieren gestattet werden kann, sich in größerer Freiheit zu bewegen, plötzlich ein Elephant wieder wild geworden. Die großen Ohren aufgerichtet, schreiend und stampfend und alle Bemühungen der Wärter und Diener, ihn zu halten, vereitelnd, hatte er sich in völlige Freiheit gesetzt, und das Beispiel dieses Thieres wirkte auf die übrigen so aufreizend, daß in kurzer Zeit auch kein einziger mehr im geordneten Zuge geblieben war. Nach allen Richtungen waren zweiunddreißig Thiere, von denen jedes zu seiner Bewältigung mehr als acht Menschen verlangt, auseinander gestoben, und man kann sich die Bestürzung denken, welche diese wilde Flucht hervorrief. Aber – so groß war schon die Macht der Gewöhnung – die Thiere ließen sich wieder beschwichtigen; einige Hiebe mit der Nilpeitsche, die Macht der Menschenstimme, die Entschlossenheit Casanova’s und der Wärter wirkten so eindringlich, daß alle, mit Ausnahme der zwei größten, wiedererlangt wurden.

Außer Elephanten werden, entweder durch die erwähnten Jagdzüge oder auch durch Ankauf der auf die dortigen Märkte gebrachten Thiere, namentlich Giraffen, gefleckte Hyänen, große und kleine Katzenarten, Antilopen, Ichneumons, Strauße, Gaukler- und Schopfadler, Geier, Marabus, Nashornvögel, Kragentrappen, Krokodile und andere erworben. Die für die Thiergärten bestimmten müssen, mit Ausnahme weniger kleinerer Thiere oder derjenigen, welche, wie die Antilopen, schon an und für sich eine liebenswürdigere Gemüthsart haben, immer jung eingefangen werden. Es werden also die Alten getödtet und die Jungen gefangen, oder auch es werden die Jungen bei Abwesenheit der Alten vom Lager entführt. Man fängt übrigens auch größere reißende Thiere, indem man dieselben aus ihrer – wohl nicht selbst gegrabenen, sondern nur als passend in Besitz genommenen – Höhle in einen Käfig jagt. Hat man eine solche Höhle aufgefunden, so nähert man sich derselben vorsichtig von hinten her und stellt schnell den gut mit Eisenstäben befestigten kleinen Käfig vor einen Theil des meist ziemlich großen Eingangs. Durch den noch freien Theil des letzteren wirft man glühende Kohlen oder brennende Holzstücke in’s Innere und treibt das Thier, sobald es Miene macht hier auszubrechen, mit Knitteln und Waffen wieder rückwärts. Endlich bleibt dem Leoparden oder Löwen, um sich vor der immer größer werdenden Gluth zu retten, nichts anderes übrig, als in den Kasten zu springen, der dann sofort geschlossen wird. Von nun an gelangt der Gefangene nie wieder auf freien Boden, sondern wird höchstens aus einem Käsig in den anderen gejagt.

Als besonders interessante Neuigkeit brachte Casanova im Sommer vorigen Jahres auch ein zweihörniges afrikanisches Nashorn nach Europa. Schon vor zwei Jahren hatten die Homraner auf ihrem Streifzug gegen die Elephanten ein sehr junges Nashorn gefangen; es ging aber schon auf dem Wege zu Casanova zu Grunde, und so ist das ersterwähnte überhaupt das erste zweihörnige Nashorn – wenigstens [044] seit der Römerzeit, wo vielleicht auch dieses in den Spielen vorgeführt wurde –, das lebend nach Europa gelangte. Es ist dasselbe im Januar vorigen Jahres von Chek (Häuptling) Mosa noch sehr jung gefangen worden, so daß es noch ein halbes Jahr später lediglich mit Milch ernährt werden mußte. Seinetwegen hatte Casanova etwa dreißig Ammen aus Afrika mitnehmen müssen, lauter prachtvolle, mit braunem glänzendem Haar und sonderbaren Ohren gezierte Ziegen.

Ankunft von Casanova’s Thierkarawane in Hamburg.0 Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

[045] Am 14. März vorigen Jahres schrieb Casanova von Cassala an den wegen seines ausgedehnten Thierhandels bekannten Herrn Hagenbeck in Hamburg, daß er jetzt dreißig Elephanten, sieben Giraffen (die größte zwölf bis dreizehn Fuß hoch), zwölf ausgewachsene große Strauße, das erwähnte Rhinoceros, eine bedeutende Anzahl seltener Antilopen (darunter zwei Exemplare der Kuduantilope), zehn Nashornvögel und eine größere Anzahl Löwen, Hyänen und Marabus mit sich führe. Auch erwähnte er darin, daß ihm leider [046] schon vor Cassala zwei Nilpferde und vierzehn afrikanische wilde Büffel gestorben seien, so daß er von den letzteren nur noch zwei am Leben habe (die aber ebenfalls Europa nicht sehen sollten).

Die Thiere wurden theils, zu kleineren Abtheilungen vereinigt, getrieben, theils, wegen ihrer Wildheit oder ihrer den Anstrengungen der Märsche noch nicht gewachsenen Jugend in Kasten gesperrt, von den Kameelen getragen. Gewöhnlich wurden täglich zwei Märsche gemacht: man brach lange vor Sonnenaufgang auf, rastete während der größten Hitze und marschirte dann wieder den ganzen Abend bis zur Mitternacht. Die Kosten eines längeren Aufenthalts und die Unbequemlichkeiten während der Reise, auf der man nur selten oder nie Gelegenheit hat, sich mit neuem Vorrath zu versorgen, erfordern diese anstrengenden Märsche. Aber es gehen dadurch auch viele Thiere wieder zu Grunde, namentlich von denen, welche getrieben werden. Von Cassala bis Suakim starben von größeren Säugethieren bei dem Transport vorigen Jahres dreizehn Elephanten, zwei Giraffen, acht Strauße, die zwei letzten Büffel und zweiundzwanzig von sechsundzwanzig mitgenommenen Ariel-Antilopen (Antilope dama).

In Suakim wurde die Thierkarawane von dem Geschäftsführer Hagenbeck’s, einem Manne, der schon aus und nach vier Erdtheilen Thiere gebracht hat, erwartet. Von hier aus ging die Reise zu Schiff weiter. Das Ein- und Ausladen ist, besonders bei den größeren Thieren, mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft, die sich meistens noch dadurch steigern, daß die großen Dampfer nicht dicht an das Ufer gelangen können. Man muß die Thiere also erst auf Barken bringen und von diesen dann auf die großen Schiffe. Wie aber kann man Elephanten, Giraffen und andere Kolosse von einer Barke an Bord eines Dampfers schaffen? Man sollte meinen, das sei nur so möglich. daß man große Kasten baue. an vier entgegengesetzten Enden Stricke durchziehe und damit dann sein Heil versuche. Aber so viele Umstände macht man gar nicht. Man befestigt einen Gurt um den Bauch, einen andern oder auch nur dicke Sticke oben um die Hinterbeine und windet so das ganze Thier herauf oder hinunter, ganz in derselben Weise, wie wir es in Nr. 38 der vorjährigen Gartenlaube von den Ochsen geschildert haben. Allerdings ist das Benehmen der Elephanten bei dieser nicht gerade angenehmen Procedur ein ganz anderes als das jener Fleischmaschinen. Der plötzlich seines Haltes beraubte und in der Luft schwebende Dickhäuter schreit, zappelt und strampelt und ist in jeder Weise unliebenswürdig. Bei den Giraffen ist das Aufwinden schon gefährlicher. Kürzlich erst passirte es in London, daß eine so befestigte Giraffe beim Herablassen in den Schiffsraum das Uebergewicht bekam, mit dem Kopf voran hinunterstürzte und das Genick brach.

An Bord werden die Thiere so viel als möglich unter Deck gebracht und hier besonders sicher gestellt damit das fortwährende Schwanken und Werfen des Schiffes kein Unheil anrichte. Die Thiere benehmen sich dabei ziemlich ruhig und selbst die allezeit leicht erregten Elephanten sind artiger, als man glauben möchte. Vielleicht ist ihnen nach einem so anstrengenden Marsche die größere Ruhe wohlthätig, oder auch sie haben sich nun schon so in die Gewalt des Menschen gefügt, so gut erkannt, daß ihre Wildheit nur Widerwärtigkeiten im Gefolge hat, daß sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Schlimm aber, wenn während der Ueberfahrt ein Sturm ausbricht. Es ist dann kaum möglich, Alle vor Schaden zu bewahren, Kisten und Kasten fliegen durch einander, die Wärter selbst können sich kaum auf den Beinen erhalten und Matrosen und Passagiere verwünschen die unruhige Ladung, indem sie die Wärter bestürmen, wenigstens die großen Thiere über Bord zu werfen, da eine Erhaltung derselben doch nicht möglich. Der schon erwähnte Geschäftsführer Hagenbeck’s erlebte im Jahre 1867, als er vier Elephanten von England nach Amerika transportirte, einen solchen Sturm auf hoher See. Da die Thiere vom schwankenden Schiffe natürlich arg hin und her geschleudert wurden, so mußte er sich in der Weise zu helfen suchen, daß er sie mit zusammengebundenen Vorder- und Hinterbeinen auf Heu und Decken warf und sie dann noch dermaßen einpackte und festband, daß sie so wenig als möglich von den Stößen leiden konnten. Die Schiffsmannschaft verspottete ihn wegen der Maßregeln, die doch unzureichend seien, aber der wackere George gab auch dann noch nicht den Muth auf, als oben ein Theil der Seitenplanken brach und das Wasser auf verschiedenen Wegen in’s Zwischendeck eindrang und auf seine Thiere strömte. Er hatte denn auch die Genugthuung, seine Ladung lebend nach New-York zu schaffen.

Casanova’s Thiere mußten in Suez wieder ausgeladen werden, um mit der Eisenbahn über Cairo nach Alexandrien zu fahren. Im Golf von Suez ist das Wasser aber noch seichter als bei Suakim und die Thiere müssen schon in stundenweiter Entfernung auf Bote gepackt und nun langsam dem festen Lande näher gebracht werden. Bei dieser Gelegenheit geschah es denn im Mai des vorigen Jahres, daß das letzte der sechs Böte, auf welchem Thiere, Europäer und arabische Diener im bunten Durcheinander vertheilt lagen oder standen, von den Arabern umgekippt wurde. Die Araber hatten die Zugtaue an die Masten gebunden und zogen entweder höchst ungeschickt oder, was wahrscheinlicher, von dem Wunsche geleitet, ihre Ladung und Arbeit möglichst zu erleichtern, derart an, daß das Boot sich auf die Seite neigte, die Thiere umfielen und in’s Wasser plumpten. Freilich wurden sie so schnell als möglich wieder herausgezogen aber am andern Tage starben die fünf Elephanten, welche das unfreiwillige Bad genommen hatten. Außer diesen war schon vorher auf dem Schiffe ein anderer gestorben so daß von den zweiunddreißig Elephanten die Casanova in Habesch erworben hatte, nur elf lebend nach Europa gelangten.

Bei der Fahrt über das mittelländische Meer geschah kein weiterer Unfall, und Hagenbeck selbst konnte die Thiere in Triest in Empfang nehmen. Auch hier schaffte man sie zuerst in eine große Barke und von da an’s Land. „Das hätte unser Herr Leutemann sehen und zeichnen müssen,“ meinte Hagenbeck. Und in der That hätten wir ein prächtiges Bild von unserem genialen Künstler mehr gehabt. Die Thiere in allen Größen in engem Raum aneinander gepreßt, in der Mitte die Heerde Elephanten, vorne die Kiste mit den Vögeln, Hyänen, Löwen, hinten die fünf Giraffen, die Ziegen und Antilopen, und nun die Wärter, von Einem zum Anderen gehend oder kletternd, hier beschwichtigend und Frieden stiftend, dort eine gekippte Kiste aufrichtend oder einem Thiere zum sicheren Stande verhelfend – dies Alles bot allerdings einen sehr fesselnden Anblick.

Das Landen in Triest brachte neue Aufregung. Die Kunde von dem sehenswerthen Ereigniß verbreitete sich bei den beweglichen Italienern mit Schnelligkeit, Alles lief zusammen, und die ohnehin an das Herumlungern und Faulenzen gewöhnten Tagelöhner und Eckensteher erschwerten jede Bewegung in der lästigsten Weise. Man versuchte die Thiere durch Steinwürfe aufzuscheuchen und hätte es gar zu gern dahin gebracht, daß noch etwas mehr Leben in die Masse gekommen wäre. Nur der großen Umsicht und Entschlossenheit Hagenbeck’s, sowie der Gewandtheit seiner Leute war es zu danken, daß man den Bahnhof ohne Unfall erreichte, denn Hagenbeck allein hatte den ganzen Vorrath, den Casanova in Afrika erworben, käuflich an sich gebracht, trotzdem eine Reihe anderer Thierhändler theils telegraphische Depeschen, theils besondere Agenten an Casanova abgeschickt hatte, um einen größeren oder geringeren Theil des Transportes an sich zu bringen.

Nun endlich konnten die Thiere in die Wagen geschafft werden, welche sie in kürzester Zeit nach Hamburg, ihrem nächsten Bestimmungsort, bringen sollten. Der Eisenbahntransport ist natürlich einfacher als der Schiffstransport, hat aber immerhin noch seine Schwierigkeiten. Man hat zunächst darauf zu sehen, daß die Thierwagen in die Mitte des Zuges kommen, keinenfalls an das Ende, da der letzte Wagen namentlich bei Wegkrümmungen derart schleudert, daß die Thiere leicht lebensgefährliche Stöße und Verletzungen erhalten. Ferner ist man genöthigt, die Wände der Wagen mit Heu und Leinewand auszupolstern und den Thieren einen möglichst sicheren und bequemen Stand zu bereiten. Von Allen haben es die Giraffen im Wagen am ungemüthlichsten. Denn da die Höhe der letzteren für die Langbeine nicht ausreicht, so sind sie gezwungen, den langen Hals gerade auszustrecken, was natürlich auf die Dauer sehr beschwerlich ist. Eine noch jetzt in Hamburg befindliche Giraffe von siebenzehn rheinischen Fuß Höhe hat man nur in der Weise von Wien hierher schaffen können, daß man sie in einen eigens dazu gebauten, mit einem beweglichen Dache versehenen Kasten stellte, so daß das Thier wenigstens auf den Stationen seine natürliche Stellung einzunehmen im Stande war. Komisch genug mag das ausgesehen haben. Auch mußte man sich schon bei der Hinreise nach Wien genau nach der vielfach verschiedenen Höhe der Tunnels erkundigen, [047] dann ein recht niedriges Lowry aussuchen und darnach die Höhe des Kastens einrichten. Die bei der Eisenbahn Angestellten thun zur bequemen Einrichtung solcher Transporte so viel wie nichts; jede Gefälligkeit, jede besondere Erlaubniß ist nur durch reichliche Trinkgelder zu erlangen. Ueberhaupt sind die Kosten für den Eisenbahntransport unmäßig hoch, und es wäre im Interesse namentlich der in den mittleren Theilen Deutschlands eingerichteten Thiergärten dringend zu wünschen, daß man ein geringeres Maß als die jetzt geforderte „doppelte Eilfracht“ für Thiere in Anwendung bringen möchte. Einzelne Thiere werden mitunter nach den für den gewöhnlichen Bedarf eingerichteten Tarifen transportirt, und da passirt es denn einem gefälligen Inspector zuweilen, daß er eine Antilope oder ein Zebra als einen „billigeren Esel“ betrachten zu können glaubt.

Wie nun, in Hamburg angelangt, die Thiere vom Bahnhof „Sternschanze“ nach den für sie eingerichteten Stallungen geführt werden, das möge man sich lieber auf dem Bilde ansehen als beschreiben lassen. Die gezeichneten Scenen sind durchaus naturgetreu, die dabei beschäftigten Personen einbegriffen. Links führt der schon mehrfach erwähnte George seine Elephanten ihrem Ruheplatze entgegen, in der Mitte bäumt sich eine von Hagenbeck geführte Giraffe und sucht ein Käufer sein eben erworbenes Eigenthum in höchst praktischer Weise am Ausreißen zu verhindern, im Hintergrunde links steht ein anderer Käufer, der Thierhändler Jamrach aus London, mit seiner Kudu-Antilope beschäftigt, und in seiner Nähe fährt ein Wagen mit mehreren Thierkasten. Die junge Dame auf dem Bock, eine Schwester Hagenbeck’s, sucht an Kühnheit ihres Gleichen denn für was halten wohl meine schönen Leserinnen das Thierchen, welches diese Heldin auf dem Schooß hat? Es ist nichts Geringeres als eine junge gefleckte Hyäne, deren Käfig nicht mehr zum Transport ausreichte und die nun wohl oder übel in diesen sicheren Händen alle Fluchtversuche aufgeben mußte.

Zu Hause angelangt, wurden die Thiere aus den Transportkasten in die geräumigen Käfige und Ställe gebracht und alle nach Möglichkeit gefüttert und verpflegt. Interessant war es zu sehen, mit welcher Sicherheit und Schnelligkeit hier umgepackt und geordnet wurde. So wurden zum Beispiel die gefleckten Hyänen an den Ohren aus den Kasten genommen und zu den Käfigen getragen, was den widerlichen Burschen, nach ihrem schauerlichen Geheul und wüthenden Gestrampel zu urtheilen, nicht gerade angenehm zu sein schien. Zwei derselben waren übrigens bei der Gelegenheit aus dem Kasten gesprungen und liefen nun eilend an uns vorüber, um sich in irgend einem Winkel zu verkriechen. Ein Käufer von etwas umfangreichem Körper und unruhiger Gemüthsart versuchte schnell oben auf einem Kasten in Sicherheit zu kommen, da er „mehr Angriffsfläche“ biete als wir; aber es geschah Niemandem ein Leid. Hagenbeck fing die Bestien in einen großen Leinwandkätscher und schaffte sie, ohne sich an ihr Widerstreben zu kehren, richtig an den Bestimmungsort.

Wirkliche Gefahren, namentlich durch reißende Thiere, kommen bei der Sicherheit des Verkehrs freilich selten, aber doch hin und wieder vor. So befreite sich beim Transport der Renz’schen Menagerie im Jahre 1861 der größte Löwe „Prinz“, warf sich sofort auf ein Wagenpferd und wurde, in dem schon lange nicht mehr gewohnten Genusse alles Andere unbeachtet lassend, von einem Kutscher erdrosselt. Der Mann warf ihm einen Strick um den Hals, zog denselben dann durch ein Wagenrad und schnürte, jetzt von Anderen unterstützt, dem Löwen die Kehle zu, indem er ihn nach dem Rade schleifte. Ein ähnlicher Fall wiederholte sich im folgenden Jahre, wo ein ausgebrochener Königstiger auf der zwischen Hamburg und Harburg gelegenen Insel Wilhelmsburg von einem Wärter erschossen wurde, und noch im vorigen Jahre befreite sich in Antwerpen ein Tiger Nachts aus einem Transportkäfig, tödtete einen Menschen, jagte Anderen gewaltigen Schrecken ein und wurde endlich vom Director des dortigen Thiergartens erschossen.

Um mit einer Notiz über unseren Transport zu schließen, erwähnen wir noch, daß das werthvolle, die Perle des Ganzen bildende Nashorn, nach längeren vergeblichen Bemühungen Hagenbeck’s, es dem Hamburger Thiergarten zu verkaufen, endlich nach London wandern mußte, wo man tausend Psund Sterling dafür zahlte und wo es jetzt schon seit jener Zeit um mehr als einen Fuß gewachsen ist. Die übrigen Thiere kamen bald genug nach allen Richtungen wieder von Hamburg fort, nur die zwei letzten Strauße erwarb sich der dortige Garten, während die beiden anderen bereits in Berlin ihre neue stattliche Heimath gefunden hatten.

H. Dorner.