Christliche Symbolik/Schlange

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[325]
Schlange,

Sinnbild der Bosheit wegen ihres Schleichens und wegen ihres Giftes, zugleich Sinnbild der Verführung wegen ihrer glänzenden Schönheit und zierlichen Beweglichkeit. Mit allen [326] diesen Eigenschaften erscheint die Schlange im Paradiese, indem sie die Eva verlockt, das Gebot des Herrn zu übertreten und vom Apfel zu essen. Sie wird im 1. Buche Mosis selber nicht Teufel genannt, dass sie aber denselben darstelle, beweist Buch der Weisheit 2, 24. Johannes 8, 44. Apostelgeschichte 12, 9. Eigentlich ist sie nur das Werkzeug des Teufels. Nach Jesaias 11, 8. ruhte im Paradiese die Otter friedlich neben dem Säugling. Sie wurde erst vom Teufel besessen und dadurch schädlich. Dies drückt das 1. Buch Mosis 3, 14. dadurch aus, dass Gott die vorher mit Füssen begabte Schlange verflucht, zur Strafe fortan auf dem Bauche zu kriechen. In den Mährchen des Mittelalters und in Volkssagen tritt überall der Volksglaube hervor, wonach die Schlange alle Sprachen verstehe, und wer Schlangenfleisch esse, werde dieser Gabe theilhaftig. Andrerseits wurde es Volksglaube, die giftigste Viper greife doch niemals einen nackten, sondern immer nur bekleidete Menschen an, in Erinnerung an das Paradies, aus dem sie verbannt worden. Isidor XII. 4. Vincent. Bellov. spec. nat. XX. 14.

Die um den Baum ringelnde Schlange ist allgemeines Sinnbild 1) des Paradieses, wenn es an Raum gebricht, etwas mehr davon darzustellen, aber auch 2) der von der Sünde umstrickten Welt, der Menschheit. — Auf Bildern des Sündenfalls hat die Schlange zuweilen einen Jungfrauen- oder einen Jünglingskopf, oder auch beide zugleich. Diese seltsame Symbolik erklärt sich aus der jüdischen Fabel, nach welcher Eva, ehe sie noch das Weib Adams wurde, mit der Schlange, in welcher der männliche Teufel Sammael verborgen war, Adam aber eben so mit der Teufelin Lilith gebuhlt haben soll. Eisenmenger, entdecktes Judenthum I. 371. Gfrörer, Kirchengeschichte I. 80. Darauf nun bezieht sich der menschliche Doppelkopf der Schlange. Der Jungfrauenkopf ist Lilith, der Jünglingskopf Sammael; auf einem italienischen Miniaturbild der Pariser Bibliothek hat die Schlange beide Köpfe, um Adam und Eva zugleich zu verführen. Didron, icon. p. 81; annales I. 74. Twining, symbols, pl. 76. [327] Auch Conrad von Megenberg im Buch der Natur 1482, Fol. 123, erwähnt das Menschengesicht der Schlange. Auf einigen Bildern dieser Art fällt auf, dass der Jungfrauenkopf der Schlange dem Kopf der Eva selber ähnlich ist. Sollte damit nicht Eva’s eigne Seele gemeint seyn, in die das Gift der Verführung eingeschlichen, und objectiv aufgefasst wird? Auf einem Bild des chron. Zwifalt. in der Stuttgarter Bibliothek p. 56 ist auch die Seele der sterbenden Maria nur als ein ihr ganz ähnlicher Kopf gemalt.

Eine andere Erklärung gab Münter (christl. Sinnbilder II. 46.), indem er das Menschengesicht der Schlange auf die zahlreichen und besonders im alexandrinischen Zeitalter der ersten christlichen Jahrhunderte weit verbreiteten Bilder des ägyptischen Agathodämon zurückführte. Dagegen aber lässt sich einwenden, dass jener Agathodämon, als Personification der Weltseele in Gestalt einer Schlange mit Menschen- oder auch Löwenkopf und Nimbus, immer nur eine gute Bedeutung hatte und folglich nicht auf die anerkannt böse Paradiesesschlange angewandt werden konnte. Nur ausserhalb der orthodoxen Kirche, bei den gnostischen Ophiten, wurde in ganz antibiblischer und widerchristlicher Weise das natürliche Verhältniss umgekehrt und die Schlange des Paradieses als Agathodämon aufgefasst, der vom höchsten Gott abgesandt worden sey, dem Adam die Erkenntniss zu gewähren, die ihm der niedere Erden- und Judengott untersagt habe. Vgl. Neander, gnostische Systeme S. 245. Darum beteten die Ophiten auch die Schlange förmlich an.

Die Schlange des Paradieses ist das Böse selbst, kann also nie eine gute Bedeutung haben. Eine nur äusserliche Verwandtschaft hat sie daher mit den in heidnischen Mythen vorkommenden Drachen und Lindwürmern, die unter dem Baume der Hesperiden, des goldnen Vliesses, unter den Lindenbäumen des deutschen Heldenbuchs etc. von frommen Helden erschlagen werden. Inzwischen hat das gar keinen innern Zusammenhang mit der christlichen Idee, heiligen Geschichte und Symbolik, und es ist vollkommen überflüssig, [328] davon in einem Werk über specifisch christliche Symbolik zu reden. Der Paradiesesbaum mit der Schlange ist bisher von den Erklärern nur deshalb so oft auf den Hesperidenbaum bezogen worden, weil es ihnen darum zu thun war, die Selbstständigkeit und Eigenthümlichkeit der christlichen Ideenwelt in Zweifel zu ziehen und das Christliche überall aus heidnischen Wurzeln herzuleiten; da doch alle Vergleichungspunkte darauf hinauslaufen, dass dieselbe Giftschlange eine schlimme Bedeutung in den heidnischen Mythen annahm, wie in der ganz davon verschiedenen und unabhängigen christlichen Geschichte; eine zufällige Uebereinstimmung, die ganz natürlich ist, weil an der Schlange hier wie dort immer die nämlichen gefährlichen Eigenschaften wahrgenommen wurden.

Während in heidnischen Mythen immer ein männlicher Heros die Schlange überwindet, hält ganz unbekümmert darum und ohne Kenntniss dieser heidnischen Symbolik das 1. Buch Mosis die Vorstellung von „des Weibes Samen“ fest, welcher der Schlange den Kopf zertreten soll, 1. Buch Mos. 3, 15. Diese Hervorhebung des weiblichen Elementes stellt der Sünderin Eva die Mutter des Erlösers, Maria, gegenüber, der ersten Schuld auf Erden die erste wieder rein himmlische Unschuld auf Erden. Deshalb ist es in der kirchlichen Bildnerei allezeit Maria, welche den Kopf der Schlange tritt, unter deren Fuss sie sich windet, gewöhnlich den Apfel im Maul, der sie speciell als die Schlange des Paradieses bezeichnet. So in der Lorenzkirche zu Nürnberg und öfter. Fiorillo I. 259. Zuweilen ist der Apfel im Maul der Schlange auch die Weltkugel selbst, was den nämlichen Sinn hat, denn indem die Schlange die ersten Eltern verführte, hat sie die ganze Welt verführt. Das Zertreten des Schlangenkopfs durch Maria hat sein alttestamentalisches Vorbild in der Enthauptung des Holofernes durch Judith. Marian. Liederschatz, Augsb. 1841, S. 118.

Ursache und Folge der Sünde wird häufig contrastirt in den Bildern der verführenden und der überwundenen [329] Schlange, oder der von der Schlange verführten und verderbten Menschheit. Ersteres geschieht, indem man dem von der Schlange umwundenen Apfelbaum des Paradieses das Kreuz Christi gegenüberstellt, zu dessen Füssen sich die Schlange unter Dornen krümmt. Letzteres wird bezeichnet durch eine Schlange, die sich durch ein menschliches Gerippe windet, wie sie vordem durch den fruchtreichen Baum sich wand. Solche Gerippe mit Schlangen finden sich öfter auf Gräbern.

Ein schönes Auto von Calderon (la serpiente de Metal) stellt den Kampf Mosis mit Belphegor (dem Satan) und Idololatria (dem personificirten Götzendienst) dar, die sein Volk verführen. Als ihnen alle Mittel fehlschlagen, Verlockung, das goldne Kalb, die Waffen der Amalekiter etc., ergrimmen sie und schicken die feurige Schlange in’s Lager Israels. Da richtet Moses die eherne Schlange auf und alle Wunden werden unschädlich. Staunend fragen Belphegor und Idololatria, wie das möglich sey? Da sagt Moses: „Die Sünde ist ein Gift, wer dessen Wirkung an den Sündern heilen will, muss die Gestalt des Sünders annehmen, ohne an der Sünde Theil zu haben.“ Das deutet auf Christum, der Menschengestalt annahm, um die Menschen von den Bissen der höllischen Schlange zu heilen. Um das Bild noch deutlicher zu machen, erblickt man im Hintergrunde auf dem Hügel, auf dem das goldne Kalb gestanden, plötzlich das Crucifix. v. Schack, dramatische Literatur der Spanier III. 270. Das ist die einzig passende Erklärung des Schlangensymbols bei Moses, mit Bezug auf Joh. 3, 14, wo die eherne Schlange als Christus gedeutet ist. Dagegen haben Alle geirrt, welche dabei wieder an den Agathodämon denken zu müssen glaubten, oder an die Heilsschlange des Asklepios, der bei den Griechen Gott der Aerzte war.

Durch den Spruch: „Seyd klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Matth. 10, 14.) wird der Christ ermahnt, dem bösen Geist in Hinsicht auf Erkenntniss nicht nachzustehen, nur aber nicht durch bösen Sinn und Willen das Wissen zu missbrauchen, sondern sich in Gesinnung und [330] That immer nur vom heiligen Geist (der Taube) inspiriren zu lassen. Schlange und Taube stehen sich hier geradezu als Teufel und heiliger Geist gegenüber. — Die Vergleichung mit Dan, einem der zwölf Söhne Jakobs (1. B. Mos. 49, 17.) hat eine einfach ethnographische Bedeutung für die jüdischen Stämme und keinen Bezug auf christliche Symbolik. Das häufig auf alten Kirchen des europäischen Südens vorkommende Steinbild eines Weibes, an deren Brust Schlangen saugen, ist dagegen der ältern heidnischen Symbolik entlehnt, in welcher die in der Erde lebende Schlange auch das Element der Erde bedeutete, und stellt lediglich eine Personification der Erde dar. Vgl. Piper, christl. Mythol. II. 67.

Die Schlange über dem Kelche, Attribut des Evangelisten Johannes, wird erklärt als Gift, welches er einmal ohne Schaden im Kelche getrunken habe. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass sich gerade in dieses Sinnbild jene schon bezeichneten gnostischen Vorstellungen gemischt haben können, die den Agathodämon in’s Christenthum übertrugen. Und vielleicht gerade weil bei diesem Evangelisten Johannes allein die Deutung der Mosesschlange auf Christum vorkommt, wurde Werth darauf gelegt, ihm die Schlange zum Attribut zu geben. Allein die ganz abgeschmackte und nichtswürdige Weise, in welcher die modernen Erklärer bei christlichen Symbolen stets zunächst an geistlose Nachahmung oder Adoption heidnischer Symbole denken, ist hier so wenig als anderswo anwendbar. In Böttigers kleinen Schriften I. 93 ff. wird mit einem fast lächerlichen Aufwand von Gelehrsamkeit die Agathodämon-Hypothese in Bezug auf den Kelch mit der Schlange durchgeführt. Wenn hier die Schlange allerdings etwas mehr zu bedeuten scheint, als das physische Gift, welches Johannes unschädlich getrunken, so doch gewiss nicht den Agathodämon oder gar die mystische Schlange des Dionysos. Man muss vielmehr jenes Gift geistig und ganz so verstehen, wie das oben erwähnte Sinnbild von der Schlangenweisheit, mit Taubensinn vereint, nämlich als die ihres Gifts beraubte Schlange der Erkenntniss. Alsdann [331] behält die Legende Recht, welche vom Gift spricht, aber auch die Symbolik behält Recht, die in der Schlange nichts Böses mehr sieht. Der Evangelist Johannes aber ist der weiseste, geistreichste unter allen Evangelisten. Auf ihn passt vor allen die Schlangenklugheit mit der Taubeneinfalt. Es ist nicht unbedeutsam, dass vom heiligen Bernhard von Clairvaux dieselbe Legende vom Kelch und von der Schlange erzählt wird. Dieser Heilige war einer der weisesten und zugleich mildesten des Mittelalters.

Die Schlange, welche der Apostel Paulus auf der Insel Malta in’s Feuer schleuderte, ist wieder einfach Sinnbild des Bösen. Apostelgesch. 28, 1. Steine aus der Grotte, worin es geschah, sollen gegen Schlangenbiss helfen. Niebuhr, Reise I. 19. — Auch der Apostel Andreas soll durch sein Gebet eine riesenhafte Schlange besiegt haben. Nach der Apostelgeschichte des Abdias.

Schlangen sind das Attribut vieler Heiligen in dreifacher Beziehung. Erstens nämlich solche Schlangen, denen die heiligen Martyrer vorgeworfen wurden, die aber, ihre Heiligkeit respectirend, dieselben unverletzt liessen, so die Heiligen Didymus, Paternus, Phocas, die Heiligen Anatolia, Christina, Thecla. Zweitens Schlangen, die durch ihre Grösse oder Menge eine Gegend beunruhigten, aber von Heiligen vertrieben wurden, wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass in einigen Fällen diese Schlangen wohl nur symbolisch zu verstehen sind und nicht wirkliche Schlangen, sondern die alten heidnischen Priester, Druiden etc. bedeuten, die von christlichen Bekehrern vertrieben wurden. So war einer der berühmtesten Schlangenvertreiber der heilige Patricius (Patrik), Apostel von Irland. Nach der Legende bannte er alle Schlangen des Insellandes auf das Vorgebirge Cruachanaigle, von wo sie sich in’s Meer hinabstürzen mussten. Der heilige Romanus zu Rouen überwältigte dagegen eine einzige, aber ungeheuer grosse Schlange, indem er ihr sein Skapulier umwarf. Andere heilige Schlangenvertreiber waren St. Magnus, Julius, Hilarius von Arles, wiederum in Gallien als Gegner [332] der heidnischen Druiden. — Drittens Schlangen, welche sich gleich andern wilden Thieren, von der Macht des Heiligen bezwungen, frommen Einsiedlern dienend unterordneten. St. Aemilianus oder Millan wurde als Einsiedler unter Schlangen, als seiner einzigen Gesellschaft, lebend, die ihm aber nichts zu Leide thaten, über hundert Jahre alt. St. Josephus Anchieta lebte im wilden Walde, zähmte giftige Schlangen und wilde Vögel, die sich auf seine Arme setzten etc. Nieremberg, hist. nat. 205. St. Verdiana, eine fromme Jungfrau in Etrurien, lebte 30 Jahre lang einsam in einer Zelle mit zwei grossen Schlangen, die sie durch das Kreuzeszeichen gezähmt hatte, im 13ten Jahrhundert. 1. Februar. Eben so der Einsiedler Goderich. Dem Stabe des Abts Heldrad folgten alle Schlangen von Novalese. Görres, Mystik II. 225. Als Räuber den heiligen Chariton gefangen hielten, kroch eine Schlange in ihre Weinflasche und vergiftete den Wein, dass alle umkamen und der Heilige frei wurde. Surius zum 28. September.