Christoph Kolumbus

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Autor: Carl Falkenhorst
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Titel: Christoph Kolumbus
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 165,177-182
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[165]

Christoph Kolumbus.
Gemälde im Marinemuseum zu Madrid. Mit Randzeichnung von Peter Schnorr.

[177]

Christoph Kolumbus.

Ein Gedächtnißblatt zum vierhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas.
Von C. Falkenhorst.

Ein unzertrennliches Band verknüpft den Namen des Christoph Kolumbus mit der Großthat der Entdeckung Amerikas, und wie diese Großthat von keiner andern auf dem Gebiet der Entdeckungsreisen übertroffen wird, so verdunkelt auch der Ruhm des Kolumbus den aller anderen Weltentdecker und Seefahrer. Kolumbus gehört zu den wenigen Heldengestalten der Menschheit, welche von allen Völkern und in allen Welttheilen in dankbarer Erinnerung verehrt werden. Um den kühnen Genuesen hat die Nachwelt einen Kranz von Sagen und Legenden gewoben, in denen er nicht nur als Bahnbrecher, sondern auch als Märtyrer erscheint. Die wissenschaftliche Forschung hat im Laufe der letzten Jahrzehnte viele von diesen Legenden in das Reich der Uebertreibungen verwiesen; in ihrem Lichte erscheint Kolumbus auch mit menschlichen Schwächen und Fehlern behaftet, nicht als eine ideale Gestalt, wie wir sie aus den Jugendbüchern früherer Zeiten kennengelernt haben, aber dennoch groß durch die unbeugsame Energie in Verfolgung seiner Ideen.

Im Laufe dieses Jahres wird die Welt den vierhundertjährigen Gedenktag jenes wichtigen Ereignisses feiern, den Gedenktag der ersten Landung des Kolumbus am Gestade einer der amerikanischen Inseln; dieses Jubiläum der Entdeckung Amerikas erweckt überall das lebhafteste Interesse für das ruhmreiche Zeitalter der großen Entdeckungen, und wenn jetzt nicht nur der engere Kreis der Gelehrten, sondern auch weite Volksschichten sich ausführlicher mit den Lebensschicksalen des Entdeckers der Neuen Welt beschäftigen werden, so wird aus der geschichtlich geläuterten Betrachtung für sie die wichtige Ueberzeugung entspringen, daß unser Held viele der Leiden, die er erdulden mußte, selbst verschuldete, daß die Welt gerechter ist, als man gewöhnlich meint.

Um Kolumbus in richtiger Weise würdigen zu können, muß man vor allem den Schauplatz kennenlernen, auf dem er auftrat, muß man sich in den Geist des Zeitalters vertiefen, dessen Kind der glückliche Seefahrer war.

Schon um die Mitte des fünfzehnten, Jahrhunderts wurde es den Völkern, die auf den Stätten der alteuropäischen Kultur saßen, zu eng in dem Becken des Mittelländischen Meeres, und von den Oceanküsten Europas schweiften die Gedanken der Händler und der Fürsten hinaus in die unbekatnne Ferne. Aus dem Orient brachten die Mohammedaner allerlei kostbare Handelsartikel; die Kunde von dem fernen reichen Indien wurde immer volksthümlicher, und es wuchs der Wunsch, mit jenem Wunderland in unmittelbare Handelsbeziehungen zu treten. Was man damals unter Indien verstand, das waren wohl alle Länder am Indischen Ocean von der Sansibarküste Ostafrikas bis zu dem fernen China. Man kannte jene Länder seit geraumer Zeit aus guten Schilderungen wie z. B. denen des berühmten Reisenden Marco Polo, man kannte in großen Umrissen die alte Welt bis zu den Küsten Kathais, d. h. Chinas, und bis zu der Goldinsel Cipangu, d. h. Japan. Es ging aber auch in Europa die Sage, daß in dem fernen Orient sich ein christliches Reich unter dem Erzpriester Johannes befinde, und wenn die Kunde von den Handelsschätzen die Kaufleute entstammte, so spornte die Sage von jenem Christenreiche die Fürsten, welche mit den Mauren kämpfen mußten, zu Entdeckungsfahrten an. Man wollte den fernen unbekannten Brüdern die Hand reichen, sich mit ihnen verbünden und so die verhaßten Mohammedaner von zwei Seiten angreifen.

Das Kloster La Rabida in Spanien.

Dank dem weiten Blicke des Prinzen Heinrich des Seefahrers übernahm Portugal die Führung in diesem Streben nach hohen und weiten Zielen. Seine Seefahrer beschloffen, Afrika zu umsegeln und dadurch den Seeweg nach Indien zu öffnen. Mit eiserner Ausdauer drangen sie vor, bis Bartolomeu Dias das Vorgebirge der Guten Hoffnung entdeckte und Vasco [178] da Gama am 20. Mai 1498 mit seinem Geschwader in dem Hafen von Calicut an der ostindischen Halbinsel anlangte.

Die Entdeckerarbeit der Portugiesen beruhte auf einem wohldurchdachten und sicheren Erfolg versprechenden Plane, aber sie schritt nur langsam vorwärts, denn erst im Laufe der Jahrzehnte wuchs mit den Erfolgen der Muth der Seefahrer. Das Problem des Seeweges nach Indien beschäftigte lebhaft die Gelehrten und die Handelsleute, und da der Weg um Afrika herum so beschwerlich war, so dachte man darüber nach, ob es nicht einen andern geben könnte, und Kosmographen fanden einen, der sich aus der Kugelgestalt der Erde ergab. Im fünfzehnten Jahrhundert zweifelte kein Gebildeter an der Kugelgestalt der Erde, die ja schon den Gelehrten des Alterthums bekannt war; nur über die Größe dieser Kugel war man nicht einig.

Etwa zweihundert Jahre vor unserer Zeitrechnung wurde von dem Alexandriner Gelehrten Eratosthenes die erste Gradmessung zwischen Syene, dem heutigen Assuan am Nil, und Alexandrien ausgeführt. Eratosthenes berechnete aus derselben die Größe des Erdumfangs auf 5323 geographische Meilen (252000 Stadien), eine Zahl, die der wirklichen später ermittelten (5400 Meilen) sehr nahe kommt. Wenn dieser Erfolg schon allein als eine Glanzleistung der Naturwissenschaft im Alterthum angesehen werden muß, so wurde er noch bedeutungsvoller durch die Lage, welche Eratosthenes der alten damals bekannten Welt auf der Erdkugel anwies. Die Entfernung von den Küsten Spaniens landeinwärts in östlicher Richtung bis zu den Küsten Ostasiens betrug nach seiner Berechnung 120 Grade. Da die Erde aber in 360 Grade eingetheilt wurde, so bedeckte die Ländermasse der alten Welt 1/3 der Erdkugel; 2/3 derselben waren unbekannt; auch diese Rechnung kam, wie sich jeder leicht auf einem Globus überzeugen kann, den thatsächlichen Verhältnissen sehr nahe. Eratosthenes wußte aus dieser Thatsache noch andere Schlüsse zu ziehen; er erörterte die Möglichkeit einer Erdumschiffung und erklärte, daß man recht wohl von Spanien nach Indien unter dem Breitengrade von Rhodus oder Thinä segeln könne, wenn es nicht die große Ausdehnung des Atlantischen Meeres verhindere; denn die bewohnte Erde bedecke nur ein Drittel des ganzen Erdumfanges. „Die bewohnte Erde,“ fügt Eratosthenes hinzu, „heißen wir nur den Welttheil, den wir bewohnen und kennen. Doch mag es in derselben gemäßigten Zone noch einen zweiten, ja mehrere bewohnbare Welttheile geben.“

So war die Frage des Seewegs nach Indien schon vor zweitausend Jahren theoretisch gelöst und zwar in meisterhafter Weise mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Entdeckung eines neuen Welttheiles!

Die Ansichten von Eratosthenes blieben aber für die Nachwelt nicht maßgebend. Spätere Geographen machten die Erde etwas kleiner und vergrößerten die Ausdehnung Asiens und Europas derart, daß Spanien von Japan nur durch ein verhältnißmäßig schmales Stück Meer getrennt erschien. In dem Jahre der Entdeckung Amerikas zeichnete der Deutsche Martin Behaim, der „große Kosmograph“, „aus fürbitt und beger der fürsichtigen erbarn und weisen als der obersten Haubtleut der löblichen Reichsstat Nürnberg“ ebendaselbst seinen „Erdapfel“, den ältesten Globus, auf welchem er die Anschauungen seiner Zeit über die Ländervertheilung auf der Erdkugel wiedergab. So wie die Länder auf diesem Globus vertheilt sind, waren sie auch nach der Ansicht aller Kosmographen jener Zeit, Kolumbus nicht ausgenommen, gelagert. Meinungsverschiedenheiten bestanden wohl in Betreff dieser oder jener Insel, in Betreff der großen Länderumrisse herrschte Uebereinstimmung.

Wir haben den Globus Martin Behaims in einer Nachbildung bereits im Jahre 1884 (Seite 176) den Lesern der „Gartenlaube“ vorgeführt. Heute fügen wir unserem Artikel nur den Theil desselben bei, welcher den Ocean zwischen Europa und Asien darstellt. Die Lage Amerikas und die richtige Gestalt der europäischen und afrikanischen Küste sind durch Umrißlinien angegeben.[1]

Aus dieser Zeichnung ersehen wir klar, daß es auf der Erde, wie sie im Zeitalter des Kolumbus in den Köpfen der Forscher sich ausnahm, keinen Raum für einen neuen Welttheil gab. Die Canarischen und Cap Verdischen Inseln sowie die Azoren waren längst bekannt und besiedelt. Das nächste Ziel, dem der Seefahrer, der von Spanien nach Westen segelte, zustreben mußte, war die Insel Cipangu. Zwischen ihr und der bekannten Welt lagen aber nach dem Glauben der Gelehrten noch zwei räthselhafte Inseln, die Insula Antilia und die Insel des heiligen Brandan.

Was lehrt uns diese Karte?

Messen wir die Entfernungen von den Azoren nach Spanien und von den Azoren nach der Insel Cipangu! Sie sind sich annähernd gleich. Nach dieser Karte schien somit eine Fahrt von den Azoren nach der Insel Cipangu kein so tollkühnes Wagniß. Durch diese Irrthümer mußte der Muth der Seefahrer gestärkt werden.

Als sich die Portugiesen mit ihren Fahrten die Küste von Afrika entlang abmühten, gab ihnen ein Italiener den guten Rath, die Westfahrt zu versuchen. Aber dieser Italiener war nicht der berühmte Genuese Christoph Kolumbus, sondern ein Florentiner Arzt, Paolo Toscanelli. Dieser Mann kannte die Schriften Marco Polos und verkehrte mit Nicolo da Conti, der in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts Indien und die Sundainseln besucht hatte. Er war auch der Meinung, daß Asien sich ungeheuer weit ausdehnen müsse, und er entwarf eine Karte und einen Plan der Westfahrt, die er dem Kanonikus Martinez in Lissabon sandte, damit sie dieser dem König von Portugal vorlege. Das geschah aller Wahrscheinlichkeit nach bereits im Jahre 1474. Die Portugiesen, die an ihrem ursprünglichen Plane der Umsegelung Afrikas festhielten, gingen auf die Vorschläge Toscanellis nicht ein. Einige Jahre darauf trat Kolumbus mit seinen Plänen auf.

*      *      *

Die romanhafte Ausschmückung der Lebensschicksale des Entdeckers der Neuen Welt erstreckt sich auch auf seine Jugendjahre. Seine späteren Verehrer wissen von Universitätsstudien, Kämpfen mit Seeräubern und weiten Fahrten in das nördliche Polarmeer zu berichten. Die strengen wahrheitsliebenden Forscher sehen sich dagegen genöthigt, alle jene Studien und Abenteuer in das Reich der Fabel zu verweisen. Nach ihren Erhebungen gestalteten sich die ersten Lebensjahre des großen Seefahrers viel einfacher.

Christoph Kolumbus wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1446 oder im Frühjahr 1447 als Sohn des Wollwebers Domenico Colombo höchst wahrscheinlich in Genua, und zwar in der Vorstadt vor der Porta San Andrea, geboren. Außer der Wollweberei befaßte sich sein Vater noch mit Handelsgeschäften, in denen er aber kein Glück hatte, so daß er schließlich verarmte. Der junge Christoph betrieb das Gewerbe des Vaters, wobei er in dessen frühzeitig Seereisen unternahm, um Weingeschäfte zu machen; zu diesem Zwecke besuchte er z. B. im Jahre 1474 die Insel Chios.

Im Jahre 1477 kam Domenico Colombo in seinen Verhältnissen derart zurück, daß er sein zweites und letztes Haus in Genua verkaufen mußte. Dieser Umstand veranlaßte den Sohn, der damals dreißig Jahre alt war, die Heimath gänzlich zu verlassen, und da um jene Zeit Portugal eine große Anziehungskraft auf junge unternehmende Ausländer ausübte, so folgte Christoph Kolumbus dem Zuge der Zeit und ging nach Lissabon. Hier gewann er das Herz eines Edelfräuleins Namens Philippa Perestrello, die er heirathete. Der Vater des Edelfräuleins, der um jene Zeit nicht mehr am Leben war, stammte gleichfalls aus Italien und war der erste Lehnsherr der kleinen Insel Porto Santo bei Madeira gewesen. Durch diese Heirath kam Kolumbus in die engsten Beziehungen zu den portugiesischen Kolonisten und Seefahrern, mit ihnen unternahm er Seereisen nach Guinea im Süden und nach England im Norden. Er lernte den Ocean kennen. Aus dem Munde der portugiesischen Kolonisten und Seefahrer vernahm er auch zuerst die dunklen Nachrichten, die über die unbekannten Inseln und Länder jenseit des Atlantischen Oceans verbreitet wurden, über die indischen Pflanzen und Bäume, welche das Meer an die Ufer der Azoren brachte. In Lissabon, dem Sitze aller hervorragenden Kosmographen, der Werkstätte, in welcher Entdeckungspläne ausgearbeitet wurden, lernte er die Bedeutung Indiens kennen und sah, daß die Entdeckerlaufbahn Ruhm, Gewinn und Ansehen bringen könne. Sein Ehrgeiz erwachte; er begann, die Geographie oder, wie man die Wissenschaft damals nannte, die „Kosmographie“ zu studieren. Vor allem fesselte ihn das im Jahre 1410 erschienene Werk [179] Pierre d’Aillys „Imago mundi,“ d. h. „Weltbild“, ein ziemlich kritikloses Buch, auf das sich aber Kolumbus bis an sein Lebensende wie auf eine Autorität berief.

Aus diesem Buche schöpfte er die Ueberzeugung, daß der Ocean zwischen der Westküste Spaniens und der Ostküste Indiens nur sehr schmal sei, so daß man mit günstigem Winde in wenigen Tagen hinübersegeln könnte; aus ihm erfuhr er, daß das Paradies auf einem Berge im fernen Osten liege, und viele andere Dinge, die er auf seinen späteren Fahrten entdeckt zu haben glaubte.

In Lissabon erhielt er auch Kunde von dem Plane und der Karte, welche Toscanelli dem König Alfons V. von Portugal gesandt hatte. Schon damals brannte in seinem Herzen der Wunsch, auf Entdeckungen auszugehen, und er wandte sich brieflich an Toscanelli mit der Bitte um die Seekarte. Eigenthümlicherweise verschwieg er dem Florentiner Gelehrten, daß er sein Landsmann sei, und gab sich für einen Portugiesen aus. Toscanelli sandte Kolumbus bereitwilligst die gewünschte Karte und die Abschrift seines vor langer Zeit an den Kanonikus Ferdinand Maratinez gerichteten Briefes, in welchem der Plan der Westfahrt nach Indien genau beschrieben war. Die Karte Toscanellis ist verloren gegangen, aber aus dem erhaltenen Briefe erhellt, daß sie die Küsten Europas und Asiens in derselben Weise darstellte, wie dies auf dem Globus von Behaim der Fall war.

Von nun an war Kolumbus von der Möglichkeit, Indien auf dem Seeweg nach Westen zu erreichen felsenfest überzeugt; von nun an beginnt seine Entdeckerlaufbahn.

Der Atlantische Ocean nach Martin Behaim.

Er mußte aber zur Ausführung des Planes irgend einen Fürsten gewinnen. Am nächsten lag ihm der Hof von Portugal. Indessen König Alfons V. kannte diesen Plan wohl, ohne ihn weiter zu verfolgen; es wäre müßig gewesen, sich an ihn nochmals zu wenden. Da starb König Alfons im Jahre 1481 und ein unternehmungslustigerer Herrscher, Johann II., bestieg den Thron. An ihn trat jetzt Kolumbus heran.

Der künftige Entdecker der Neuen Welt stand vor den Räthen des Königs, die in nautischen Fragen sicher gebildeter waren als er, und begründete vor ihnen einen Plan, den sie längst kannten. Er imponierte ihnen nicht und man hielt ihn hier für einen „Prahler und Schwätzer“. Um so mehr war man aber erstaunt, als man die Forderungen des kühnen Fremdlings hörte. Er forderte Erhebung in den Adelstand, den Titel „Admiral des Weltmeeres“, die Würde eines Vicekönigs der neuentdeckten Länder und andere Ehren und Vortheile. Solche Auszeichnungen hatte die Krone von Portugal damals selbst ihren bewährtesten Entdeckern nicht eingeräumt. Der König lehnte das Anerbieten des Kolumbus ab, und die Portugiesen setzten ihre Fahrten längs der Küste von Afrika fort. Dies geschah um das Jahr 1483.

Da verließ Kolumbus Portugal und wandte sich nach Spanien. Am Hofe von Ferdinand und Isabella gab es keine so bewanderten Kosmographen wie in Lissabon, in dieser Beziehung brauchte also Kolumbus nicht soviel zu fürchten; aber in Spanien fehlte der Sinn für Handelsfahrten, und so mußte Kolumbus sich nach einem andern treibenden Grunde für die Ausrüstung einer Expedition umsehen. Und diesen fand er leicht. In Spanien tobte der Krieg gegen die Mauren; die Glaubensfrage beherrschte die öffentliche Meinung, und so stellte Kolumbus die Bekehrung der Heiden in den fernen Ländern und die Beschaffung von Goldschätzen zur Wiedereroberung des Heiligen Grabes als das Hauptziel seiner Expedition auf.

Der spanische Hof nahm sein Anerbieten durchaus nicht kühl auf. Bevor man aber Schiffe für Entdeckungsreisen ausrüstete, wollte man zuerst die Beendigung des Krieges mit den Mauren abwarten. Kolumbus erhielt eine kleine Unterstützung und wurde auf die Zukunft vertröstet.

Es begann für ihn die schwere Prüfungszeit des Wartens und der Ungewißheit, und da Granada sich länger vertheidigte, als man angenommen hatte, beschloß er, Spanien zu verlassen und sein Glück in Frankreich zu versuchen.

In der Nähe der Hafenstadt Palos erhebt sich auf einem dürren Hügel das alte Franziskanerkloster la Rabida. Dem fremden Wanderer, der es heute besucht, wird auf einer Plattform ein kleines Kreuz gezeigt. An dieser Stelle brach im Jahre 1491 Kolumbus erschöpft zusammen und bat die Mönche um Wasser und Brot für sich und seinen kleinen Sohn Diego. Eines der Gemächer des Klosters ist heute mit Gemälden geschmückt, welche Scenen aus den Entdeckungsfahrten des Kolumbus darstellen; von den Fenstern desselben blickt man auf den Ocean hinaus, und hier im Angesicht des Meeres klagte der fremde Seefahrer den Mönchen seine Noth, erzählte von seinen kühnen Plänen und seinen getäuschten Hoffnungen. Die Franziskaner meinten wohl, daß es rathsam sei, den seltsamen Menschen in spanischen Diensten festzuhalten, und da einer derselben, der Pater Juan Perez de Marchena, Beichtvater der Königin Isabella war, so gelang es ihm, zwischen dieser und Kolumbus zu vermitteln. Das war ein Wendepunkt in dem Geschick des Weltentdeckers. Granada fiel im Januar 1492; ein Vertrag zwischen Kolumbus und der Krone von Spanien kam zustande; drei Schiffe wurden für die Westfahrt ausgerüstet, und bereits am 3. August 1492 konnte das Geschwader den Hafen von Palos verlassen.

In unserer Zeit, die Hunderttausende, ja Millionen für Entdeckungsexpeditionen ausgiebt, dürfte es interessieren, zu erfahren, wieviel diese erste Fahrt des Kolumbus, die denkwürdigste aller Seefahrten, Spanien gekostet hat. Die Gesammtkosten werden auf 1140000 Maravedis angegeben, und dies beträgt laut einer Berechnung von Sophus Ruge nach unserm Gelde 29184 Mark!

Was Kolumbus mit seiner ersten Fahrt bezweckte, das hat er klar und deutlich in der Einleitung zu seinem Bericht über die erste Reise an Ferdinand und Isabella ausgesprochen. Dieselbe lautet:

„Nachdem Eure Hoheiten in diesem gegenwärtigen Jahre 1492 dem Kriege gegen die Mauren, welche in Europa regierten, ein Ende gemacht und in der großen Stadt Granada Friede geschlossen, dieses selbe Jahr am 2. Tag des Monats Januar sah ich in Kraft der Waffen die königlichen Banner Eurer Hoheiten auf den Thürmen der Alhambra wehen und sah den maurischen König aus den Thoren seiner Stadt ziehen und die Hände Eurer Hoheiten küssen.

In demselben Monat beschlossen Eure königlichen Hoheiten in Ihrer Eigenschaft als katholische Christen und Liebhaber und Verbreiter des heiligen christlichen Glaubens und als Feinde des Mohammedanismus und aller Abgötterei und Ketzerei, mich, Christoph Kolumbus, nach den Gegenden Indiens zu schicken, von denen ich Euren Hoheiten Kunde gegeben, und mich an den Fürsten Grand Khan zu beordern, der in unserer Sprache König der Könige heißt. Dieser hatte wie seine Vorfahren nach Rom geschickt, um Lehrer in unserem allerheiligsten Glauben zu erbitten, [180] auf was der Heilige Vater nie eingegangen ist, wodurch so viele Völker in Götzendienst und Sünden dahingestorben sind.

Eure Hoheiten gedachten mich, Christoph Kolumbus, in besagte Gegenden Indiens zu schicken und genannte Fürsten, Völker und Länder kennenzulernen, ihre Verhältnisse, Anlagen und Neigungen zu erforschen, damit man wisse, wie man sich zu benehmen habe, um dort unsern allerheiligsten Glauben einzuführen. Sie befahlen mir, nicht, wie sonst geschieht, zu Land nach dem Orient zu reisen, sondern Indien auf dem Weg nach Westen hin zur See aufzusuchen, was, soviel man weiß, bisher noch von niemand versucht worden ist.“

Dieser Auftrag, die Karte Toscanellis und die in d’Aillys „Imago mundi“ verzeichneten Ansichten beherrschten Kolumbus ganz und gar, und erst wenn wir uns diese Thatsachen vergegenwärtigen, wenn wir stets den Globus von Martin Behaim vor Augen haben, können wir das Thun und Handeln des Kolumbus auf seinen Reisen verstehen. Er sucht nicht die alten Landkarten der Erde nach seinen Entdeckungen umzumodeln, sondern vielmehr seine Entdeckungen mit jenen in Einklang zu bringen. So glaubt er felsenfest, Indien erreicht zu haben, so hält er die Insel Haiti für Cipangu und läßt von seinen Matrosen auf Cuba eine Urkunde ausstellen, daß sie das Festland Asiens betreten hätten. Auf die Richtigkeit seiner Karte vertrauend, steuerte er auch sicher von den Canarischen Inseln nach Westen; denn er mußte ja hier an der Insel Antilia vorüber geradeaus nach Cipangu gelangen.

*      *      *

„Land! Land!“ Durch Nebelbänke getäuscht, stießen die Matrosen auf der ersten überoceanischen Fahrt wiederholt diesen Ruf aus, bis am 12. Oktober wirklich der Strand von Guanahani erblickt wurde. Die Kanone erdröhnte und mit Freudenthränen sangen die Mannschaft und der Führer das „Te Deum laudamus“. Mit fliegenden Fahnen landeten die Spanier auf der kleinen Bahamainsel, welche von Kolumbus „San Salvador“ genannt wurde, fielen auf die Kniee, küßten den Boden und ergriffen von dem Lande Besitz für den König und die Königin von Kastilien und Leon.

Kolumbus wird in Ketten nach Spanien zurückgebracht.
Nach einem Gemälde von F. Jover.

Bald nahten die Eingeborenen. „Im Gru[nde] schienen sie mir armselig,“ schrieb Kolumbus. „Wie ihre Mütter sie auf die Welt gesetzt, gingen sie nackend.“

Ja, es waren armselige Insulaner, deren Speere nur aus Stäben mit einem Fischzahn anstatt der Eisenspitze bestanden; aber in ihren Nasen trugen sie Goldblättchen als Schmuck und gaben dieselben gern für Glöckchen, bunte Mützen und Glasperlen hin. Nach der Herkunft des edlen Metalls befragt, wiesen sie nach Süden, und Kolumbus brach schon am 14. Oktober dorthin auf. Er berührte drei kleinere Inseln, die er „S. Maria de la Concepzion“, „Fernandina“ und „Isabella“ nannte. Sie waren schön, aber von dem Reichthum Indiens war auf ihnen nichts zu sehen. Die Herbstregen nahten damals ihrem Ende und die tropische Natur prangte in ihrer Jugendfrische, in diesem herrlichen Schmucke stellte sich den Entdeckern am 28. Oktober auch ein Hafen der Insel Cuba vor. Der gelehrte Jude Luis de Torres, der Hebräisch, Chaldäisch und Arabisch verstand, und der Spanier Rodrigo de Perez unternahmen eine Expedition in das Innere des Landes, um den Großkhan aufzusuchen! Sie fanden Dörfer und lernten die Sitte des Tabakrauchens kennen; den Großkhan fanden sie nicht, wohl aber erfuhr Kolumbus, daß in der Nähe eine goldreiche Insel Babeque liege. Dorthin wandte er sich und entdeckte Haiti oder Hispaniola, wo er endlich Gold in einem Flusse, dem Rio del Oro, fand. Hier strandete am Weihnachtstage sein Admiralschiff, und hier wurde die erste Niederlassung „Navidad“ gegründet. Etwa vierzig Spanier unter Führung von drei Offizieren bezogen die „Burg“, aber niemand von ihnen sollte Spanien wiedersehen. Bevor Kolumbus wiederkehrte, war die erste Ansiedlung in der Neuen Welt von den Eingeborenen völlig vernichtet worden.

Doch wer kennt nicht die Reisen des Kolumbus, die ersten Eindrücke, welche die Neue Welt auf den staunenden Spanier ausübte? Die volkreichen Städte Indiens hatte man nicht gefunden, aber war nicht die Natur indisch, tropisch, und hatte man nicht bei den Eingeborenen Gold gefunden? Sicher hatte man den Ostrand Indiens erreicht. In diesem Glauben segelte Kolumbus heimwärts.

Nun feierte der Seefahrer seinen größten Triumph. Vom Jubel des Volkes begrüßt, zog er durch Spanien nach Barcelona, wo der Hof sich aufhielt. Umgeben von den Großen des Reiches, empfingen ihn der König und die Konigin in huldvollster Weise.

Da zeigte Kolumbus die verschiedenen Pflanzen der Neuen Welt, gegen vierzig prächtig gefärbte Papageien, auch sechs Indianer traten auf; Goldproben legte er vor, indem er dabei in bewegten Worten die Pracht Indiens und die Gutmüthigkeit der Bewohner schilderte, die sich leicht zum Christenthum würden bekehren lassen. Es war der glorreichste Tag seines Lebens.

Noch in demselben Jahre 1493 trat Kolumbus seine zweite Reise an. Diesmal stand er an der Spitze einer wirklichen Flotte. Vierzehn Karavellen, drei Lastschiffe und auf ihnen etwa 1200 Bewaffnete gingen mit Christoph Kolumbus nach der Neuen Welt. Der Admiral hatte jetzt eine doppelte Aufgabe zu lösen. Zunächst sollte er eine Kolonie gründen und dann seine Entdeckungen fortsetzen, von der Insel Hispaniola, die er für Cipangu hielt, nach Kathai und Indien segeln und rund um Afrika nach Spanien heimkehren. Es sollte sich bald zeigen, daß er beiden Aufgaben auf einmal nicht gewachsen war.


Die Kolonisten, die mit Kolumbus nach Hispaniola kamen, waren verwegene Menschen, und sie wurden nicht nur von Missionaren, sondern auch von Bluthunden begleitet, die später eine so düstere Rolle in der Neuen Welt spielen sollten. Diese Abenteurer geriethen bald in blutige Händel mit den Indianern, und da das Gold nicht so reich floß, der Admiral und Vicekönig harte Abgaben auferlegte, so waren sie mit ihm nicht zufrieden. Während Kolumbus mit Entdeckungsfahrten auf den Antillen beschäftigt war, gingen inzwischen Schiffe von Hispaniola nach Spanien und wieder von dort nach der Neuen Welt. Der Admiral fürchtete, daß die Unzufriedenen ihn verleumden möchten, er gab den Entdeckerruhm preis, um seine Vortheile als Vicekönig zu wahren, verzichtete auf den Plan [181] der Weltumsegelung und kehrte auf dem Atlantischen Ocean nach Spanien zurück.

Der Tod des Kolumbus.
Nach einem Gemälde von F. Ortega.

Seine Lage am Hofe war jetzt schwieriger geworden. Die Antillen hatten wenig Gold und nur ein paar hundert Sklaven für die andalusischen Sklavenmärkte geliefert. Dadurch wurden die Kosten der Expedition nicht gedeckt, und die Gegner des Admirals hatten ein leichteres Spiel.

Noch einmal gelang es ihm aber, die Besorgnisse der Regierung zu zerstreuen, und um sein indisches Reich besser zu bevölkern, faßte er den Gedanken, dorthin Sträflinge zu verpflanzen.

Es war eine schlechte Gesellschaft, die er auf seiner dritten Reise über den Ocean führte.

Während er die neuen Kolonisten nach Hispaniola sandte, wandte er sich selbst nach Südwesten, wo er reichere Länder zu entdecken hoffte. Am 31. Juli 1498 erblickte er die Insel Trinidad und ihr gegenüber zum ersten Male das Festland von Amerika. Er legte keinen Werth auf die Entdeckung und verfolgte sie nicht weiter, obwohl er sich in der Nähe des irdischen Paradieses wähnte. Der „Vicekönig“ ließ ihm keine Ruhe; er wandte sich zurück nach Hispaniola.

Hier gährte es. Es gefiel den Spaniern nicht, daß die Brüder des Vicekönigs, Bartholomäus und Diego, herrschten, umsoweniger, als das Leben in der Kolonie kein glückliches genannt werden konnte. Die Auswanderer hatten geglaubt, daß sie schnell reich werden würden, sie mußten aber in Wirklichkeit Entbehrungen ertragen und den vierten Theil ihres Goldes an Kolumbus abliefern, der mit eiserner Strenge auf seinen ihm verbürgten Vortheil bedacht war. Die Spanier auf Hispaniola sehnten sich nach ihrer Heimath zurück, unter ihnen war der Schwur gäng und gäbe: „Sobald mich Gott wieder nach Kastilien bringe!“ und vor den Thoren des königlichen Palastes in Spanien saßen die getäuschten bereits heimgekehrten Ansiedler, wiesen mit den Fingern auf die Söhne des Kolumbus, die als Pagen am Hofe lebten, und riefen: „Schaut die Püppchen, die Söhne des Almiranten, der die Länder des Trugs und der Trübsal, den Kirchhof kastilianischer Hijosdalgos (Landedelleute) entdeckt hat!“ Als vollends die von dem oceanischen Indien heimkehrende Flotte anstatt der Gewürze Indiens und des versprochenen Goldes wieder eine Ladung indianischer Sklaven brachte, rief die Königin selbst entrüstet: „Welche Vollmacht besitzt der Admiral, meine Unterthanen irgend wem zu verkaufen?“ Und sie ließ sämmtliche Indianer wieder freigeben und auf den nächsten Schiffen nach ihrer Heimath zurücksenden.

Kolumbus selbst berichtete Ungünstiges aus seiner Kolonie, er schrieb, daß er zur Niederwerfung des Aufstandes das Schwert benutzen werde, und er bat selbst um einen ordentlichen Richter.

Die Krone sandte diesen Richter, welcher das Recht hatte, Personen, die ihm nicht passend schienen, aus der Kolonie zu entfernen. Die Wahl fiel auf den ungestümen Francesco de Bobadilla. Als dieser am 23. August 1500 in den Hafen von San Domingo einfuhr, sah er rechts und links die Leichen von sieben Spaniern am Galgen bleichen. Kolumbus war in der Stadt nicht anwesend, und der Anblick der Gehenkten, sowie der Bericht der Unzufriedenen mochten in Bobadilla die Ueberzeugung wachgerufen haben, daß der Genuese wirklich grausam und habgierig sei.

Nun beschloß der Richter, den Admiral und Vicekönig aus der Kolonie zu entfernen; aber er ging sicher zu weit und handelte nicht im Sinne der Krone, als er ihn in Ketten schlagen ließ. Kolumbus fühlte es, und als man ihm während der Ueberfahrt die Ketten abnehmen wollte, wehrte er ab und meinte, Spanien solle die Schmach sehen, die ihm angeblich auf königliches Geheiß als Lohn für seine hohen Verdienste angethan werde. Daß er in Ketten vor dem Hofe erschien, ist eine der später erdichteten Legenden. Im Gegentheil, man empfing ihn in Ehren und suchte ihn zu versöhnen, aber man setzte kein Vertrauen mehr in seine kolonisatorischen Fähigkeiten – und man hatte darin recht. Kolumbus jedoch bestand auf seinen Privilegien als Vicekönig, und wohl ist es wahr, daß er die Ketten absichtlich in seiner Wohnung aufhängen und zuletzt in seinen Sarg legen ließ. Kolumbus in Ketten ist gewiß eine der Tragödien der Weltgeschichte; aber er trug die Ketten, weil er zu sehr an seinem Vicekönigthum hing.

Tiefer als durch diesen schmachvollen Undank wurde Kolumbus durch andere Ereignisse gebeugt. Seine indische Kolonie blühte nicht auf, sie mußte eher vom Mutterland erhalten werden. Inzwischen aber war es Vasco da Gama gelungen, Indien, das wirkliche Indien zu erreichen, und reich beladen mit den kostbarsten Gewürzen landete die portugiesische Flotte in Lissabon. Die [182] indischen Inseln des Kolumbus erschienen ziemlich werthlos, alle Kaufleute drängten nach Lissabon, um durch Vermittlung der Portugiesen mit dem wirklichen Indien Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Und doch konnte jenes portugiesische Indien nicht mehr weit von Haiti, der Goldinsel Cipangu, liegen! Kolumbus raffte sich zu seiner vierten, letzten Fahrt auf, um eine Durchfahrt nach dem „Meere jenseit des Ganges“ zu finden. Aber sein sinkender Stern sollte nicht mehr steigen. Er erreichte die Küste von Centralamerika, allein weder die gesuchte Durchfahrt, noch volkreiche Länder, noch die Gewürze Indiens wollten sich zeigen. Er erfuhr nur Demüthigungen und Enttäuschungen, und gebrochen an Leib und Seele kehrte er nach Spanien zurück.

Er stritt mit der Regierung um seine ihm früher verbürgten Rechte, aber die Sonne der königlichen Huld schien ihm nicht mehr. Die Meere wurden von anderen weniger anspruchsvollen Entdeckern befahren. Man brauchte Kolumbus nicht mehr – er war ein vergessener, verschollener Mann. Am 21. Mai 1506 erreichte ihn zu Valladolid der Tod, umgeben von seinen treuen Freunden, den Franziskanern, hauchte er seinen Geist aus. Seine Leiche wurde zuerst in dem Franziskanerkloster zu Valladolid beigesetzt, erst später führte man den Sarg nach Sevilla über und hier erhielt er die Inschrift:

„A Castilla y à Leon
Nuevo mundo diò Colon.“

(Für Kastilien und Leon fand eine neue Welt Colon.)

Dies geschah später, denn unmittelbar nach dem Tode des Weltentdeckers war sein Name fast völlig verschollen. Die Zeitung von Valladolid erwähnte mit keiner Silbe das traurige Ereigniß, das sich in den Mauern der Stadt vollzog, und Geographen, welche Bücher über „Unbekannte landte“ herausgaben, meinten noch im Jahre 1508, daß Kolumbus „noch auf die gegenwertigen Tage“ am spanischen Hofe lebe.

„Durch seinen Tod,“ schreibt Peschel, „entging Kolumbus wenigstens einem Schicksalsschlage, den er vielleicht schwerer getragen hätte als die Handschellen Bobadillas. Es war ihm vergönnt, den glorreichen Wahn ins Grab zu nehmen, daß Cuba eine Provinz des chinesischen Reiches, Hispaniola die Insel Cipangu sei, und daß zwischen dem karibischen und bengalischen Golfe keine wasserbedeckte Halbkugel, sondern nur eine Landenge liege. Der Entdecker Amerikas ist ohne eine Ahnung gestorben, daß er einen neuen Welttheil gefunden habe. Er hielt den Abstand Jamaikas von Spanien für den dritten Theil eines irdischen Breitenkreises und rief deshalb aus: ‚Die Erde ist lange nicht so groß, als der Pöbel glaubt!‘ Die Verdoppelung der Welt um ein neues Festland lag nicht in Colons Sinn, und tief hätte seine That erniedrigt geschienen, wenn er hinter dem bezwungenen Ocean ein neues Weltmeer entmuthigt hätte gewahren müssen, denn seine Aufgabe, den Westen mit den morgenländischen Kulturreichen zu verknüpfen, hinterließ er nur halberfüllt.“

Die Nachfolger des Kolumbus mußten seine Irrthümer widerlegen und nach und nach der Welt Beweise beibringen, daß man auf der Fahrt nach Westen nicht den Ostrand Asiens, sondern einen neuen Erdtheil erreicht habe. Eine unmittelbare Bedeutung, welche der Indiens hätte gleichkommen können, zeigte aber dieser neue Erdtheil auch im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts nicht; denn was man zuerst entschleierte und mit dem Namen „Amerika“ bezeichnete, das waren die mit Urwäldern bedeckten, von Wilden bewohnten Küsten Brasiliens. Von der wirklichen Größe Amerikas hatte auch Waldseemüller, welcher dem neu entdeckten Lande nach dem Florentiner Forschungsreisenden Amerigo Vespucci seinen Namen gab, keine Ahnung.

Erst als Cortez und Pizarro ihre Eroberungszüge antraten, als Spanien mit dem Golde Amerikas überfluthet wurde, erkannte man die Tragweite der Entdeckung des Genuesen. Erst dann besann man sich auf den vergessenen Seefahrer, erwies dem Toten Ehren und schrieb seine Lebensgeschichte, die man mit Legenden schmückte. Erst zwischen 1540 und 1559 erfüllte man seinen Wunsch und setzte seine sterblichen Ueberreste in der Kirche von San Domingo bei. Spanien war stolz auf den Fremdling, und als es im Jahre 1795 die Insel Haiti an Frankreich abtreten mußte, wurde der Bleisarg mit den Gebeinen des Weltentdeckers nach Habana gebracht und am 19. Januar 1796 feierlich im Dome dort beigesetzt. In späterer Zeit suchte man auch ein Bildniß von Kolumbus ausfindig zu machen; verschiedene Schriftsteller gaben verschiedene Porträts, seien es Oelgemälde oder Holzschnitte, für echt aus, aber keiner vermochte bisher einen überzeugenden Beweis für die Echtheit eines derselben beizubringen. Unser Bild auf S. 165 giebt ein Gemälde aus dem Marinemuseum zu Madrid wieder, welches dort als Porträt des Kolumbus betrachtet wird. Im übrigen müssen wir uns die äußere Erscheinung des Weltentdeckers nach den Berichten der Zeitgenossen im Geiste zusammenzustellen suchen. Laut denselben war Kolumbus von hoher kräftiger Gestalt, aber nach der Eigenthümlichkeit seines Kopfes hätte man ihn eher für einen Nordländer als für einen Italiener halten sollen. In dem länglichen, gerötheten, mit Sommersprossen bedeckten Gesicht leuchtete ein Paar hellblauer Augen; auch sein Kopfhaar war röthlich, ergraute aber frühzeitig, weshalb man ihn in der Regel für älter hielt, als er wirklich war. Vielfach wurden dem großen Seefahrer Denkmäler errichtet, in Mexiko, auf Cuba, in Barcelona. Unsere Abbildung (S. 185) zeigt uns das schöne Denkmal zu Genua. Die Marmorstatue stützt sich auf einen Anker und weist auf die zu ihren Füßen knieende Gestalt von Amerika. Die runde Säule ist mit Schiffsschnäbeln geziert. Rings um dieselbe sitzen vier allegorische Gestalten: Religion, Wissenschaft, Stärke und Klugheit. Weiter unten sind Ereignisse aus dem Leben des Kolumbus als Reliefdarstelluugen angebracht. Vorn am Sockel befindet sich die Inschrift: „A Christoforo Colombo la Patria“(dem Christoph Kolumbus das Vaterland). Das Denkmal, ein Werk M. Lanzios, wurde im Jahre 1862 auf der Piazza Acquaverde errichtet. Wie viel hatte sich inzwischen seit Kolumbus’ Tode verändert!

Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von Jahrhundert zu Jahrhundert wuchs die Bedeutung der neuen Welt für die alte. Die Goldschätze Mexikos und Perus waren erschöpft, aber im Norden entrissen Spaten und Pflug dem Boden Amerikas kostbarere Schätze, den goldenen Weizen. Millionen Europäer fanden in der Neuen Welt eine neue Heimath, und es erblühte dort ein neuer Staat, der in den Künsten des Friedens, in den Werken der Kultur mit dem Mutterland wetteifert. Die Gewürze Indiens wurden in Amerika nicht gefunden, aber Amerika schenkte uns den Tabak, dessen Bau und Handel heute die Bedeutung der Gewürze bei weitem übertrifft, es gab uns die Volksernährerin, die Kartoffel – und siehe da, während auf den alten Gewürzinseln die Kultur von Nelken- und Muskatbäumen im Niedergang begriffen ist, sind auf den Antillen, die einst Kolumbus besiedelt hatte, neue Gewürzinseln entstanden, auf denen die Wohlgerüche Indiens geerntet werden. Amerika hat uns die duftende Vanille und das einzige Heilmittel gegen den winzigen Erzeuger der furchtbaren Malaria, das Chinin, geschenkt. Im Laufe der Jahrhunderte haben die alte und die neue Welt ihre Güter tausendfach ausgetauscht. Spanische und deutsche Reben reifen auf amerikanischen Weinbergen und der wilde Wein Kanadiens rankt heute um unsere Lauben.

Im Laufe der Jahrhunderte erkannte die Menschheit, daß die Entdeckung Amerikas das folgenreichste weltgeschichtliche Ereigniß sei, und unsterblich erschien die That des Mannes, der zuerst über den Ocean nach der Neuen Welt steuerte. Unsterblich ist auch darum der Ruhm des genuesischen Seefahrers – er wird alle Denkmäler überdauern, die dem großen Entdecker nachträglich errichtet wurden.

Die Geschichtsforscher machen ihm allerdings seinen Ruhmestitel streitig und belehren uns, daß schon vor Kolumbus Amerika entdeckt wurde. In der That drang das kühne Volk der Normannen auf seinen Fahrten nach Island und Grönland auch weiter westwärts vor und erreichte um das Jahr 1000 n. Chr. das Gestade von Nordamerika. Leif Erikson, d. h. Leif, dem Sohne Eriks des Rothen, gebührt dieses Verdienst, und die Normänner hatten jenes Gestade nicht nur gesehen und betreten, sondern auch besiedelt. Diese Verbindung Europas mit Amerika blieb aber nicht von Bestand. Im fünfzehnten Jahrhundert hatte man bereits den Seeweg nach jenem Lande vergessen. Im Jahre 1476 sandte König Christian I. von Dänemark einen polnischen Seefahrer, Johann von Kolno, in jene nordwestlichen Gewässer aus, und diesem gelang es in der That, Labrador und den Eingang in die Hudsonstraße zu erreichen und somit Amerika zum zweiten Male zu entdecken. Kolumbus wäre also erst der dritte Entdecker von Amerika in geschichtlicher Zeit! Aber die Größe einer Kulturthat muß nach deren Folgen beurtheilt werden, und wenn wir diesen Maßstab anlegen, so bleibt Kolumbus der wirkliche Bahnbrecher auf den unendlichen Fluthen des Atlantischen Oceans.




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Das Kolumbusdenkmal in Genua.


  1. Wir entnehmen dieses Kärtchen dem Werke „Christoph Kolumbus“ von Sophus Ruge, einem der vortrefflichsten Kenner des Zeitalters der Entdeckungen. Die Schrift ist als vierter Band der von Dr. Anton Bettelheim herausgegebenen Sammlung von Biographien „Führende Geister“ soeben im Verlag von L. Ehlermann in Dresden erschienen.