Damaskus in Syrien
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Ein gebirgiges, unangebautes und menschenleeres Terrain, mit wenigen Dörfern und einigen Lagerplätzen wandernder Kurden- und Araberstämme, aber an malerischen Trümmern verschiedener Zeiten, an Gräbern und Heiligenstätten der Christen, Juden und Mohamedaner reich, umgibt, wie die Wüste eine Oase, jene lachende, von vielen Bächen reich bewässerte, immer blühende und grünende Ebene, auf welcher das gepriesene Damaskus liegt. – Der Anblick dieser berühmten Stadt macht einen eigenen, wahrhaft berauschenden Eindruck auf den schmachtenden Reisenden. Der Contrast steigert sein Entzücken. Der Mohamedaner glaubt, hier sey das Eden der Bibel, und er nennt die Arme des Barrady die vier Ströme des Paradieses. Mohamed selbst, so erzählt die Legende, soll sich, als er mit seinem Heere hierher kam, bei’m Anblick der üppigen Gegend und der prachtvollen Stadt abgewendet
[42] haben, mit den Worten: „um das himmlische Eden nicht zu verlieren, betrete ich dieses nicht.“ Eine Moschee heiliget die Stelle, wo er dieses gesprochen.
Damaskus (Damaschk), einst Hauptstadt des Chalifats, jetzt die des türkischen Paschaliks, ist eine der ältesten Städte der Welt. Die Zeit ihrer Gründung ist unbekannt; schon vor 4000 Jahren war sie volkreich und groß. Ihr jetziger Umfang ist etwa 3 Stunden. In frühern Zeiten viel dichter bevölkert gewesen, hat sie gegenwärtig immer noch 140,000 Einwohner, und ist nach Constantinopel und Cairo die volkreichste Stadt des ganzen türkischen Reichs.
Das Innere von Damask ist schmutzig, eng, winklicht, wie das aller türkischen Städte. Nur eine einzige Straße ist schnurgerade, gut gepflastert, eine halbe Stunde lang und ziemlich breit. Es ist dieselbe, deren in der Apostelgeschichte, 2. Cap., Erwähnung geschieht. Hier wohnte der feurige Paulus. Man zeigt noch das hohe Fenster, von wo herab er sich durch ein Seil rettete, um der Wuth des Pöbels zu entgehen, der, von den Priestern aufgehetzt, ihn, wegen der Annahme des Christenglaubens, erwürgen wollte.
Die Häuser sind schlecht gebaut, von bloßem Koth, auf einer 2 bis 3 Fuß hohen, steinernen Unterlage. – Auch die besten haben ein gemeines Ansehen. – Aber ihre innere Einrichtung ist durchgängig bequem, oft reich und schön, und deutet auf das, was man in den Türkenstädten so selten begegnet, auf Wohlstand und äußere Behaglichkeit. Die Wohlfeilheit der Lebensmittel ist außerordentlich groß und macht die Erlangung der Mittel des Genusses so leicht! Das Brod ist als das feinste, weißeste und schmackhafteste im Morgenlande berühmt. Es bildet, frisch mit gezuckertem Rahm gegessen, das gewöhnliche Frühstück der Menge, dem Wohlhabendere Mokkakaffee, syrischen Honig, oder Rosenconserve hinzufügen. Südfrüchte bringt die Ebene im Ueberfluß hervor, und Citronen, süsse Orangen, Aprikosen und Pfirsiche, köstliche Pflaumen und die herrlichsten Trauben wachsen nirgends von besserer Güte. Sie werden zu köstlichen Konfituren bereitet, zu Glace und Eissorbetten, welche in zierlich aufgeputzten Läden in allen Straßen feil sind.
An großen Gebäuden ist Damask nicht reich. Es hat über 200 Moscheen; aber sie sind meistens klein und versteckt, und verschönern durch ihre schlanken Minarets nur die Fernsicht der Stadt. Der Eifer der Christen erbaute in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung hier eine Menge Kirchen; – unter diesen eine höchst prachtvoll und groß. Dieser Tempel, die Metropolitankirche, Johannes dem Täufer, dessen Haupt hier verwahrt wird, geweiht, ist byzantinischen Styls, 650 Fuß lang, und über 150 Fuß breit. Die Türken verwandelten sie in eine Moschee, und kein Christ darf bei Todesstrafe sie betreten. Das ausgedehnteste der öffentlichen Gebäude ist das große Karavanserei, zur Beherbergung der Karavanen bestimmt. Es bildet ein unermeßliches, nach innen offenes Viereck, dessen hohes Dach nach dem Hofe zu von korinthischen Säulen getragen wird. Ein Springbrunnen, der [43] seine Wasserstrahlen hoch in die Luft schleudert und in einem weiten Marmorbecken sammelt, ziert die Mitte des Hofes. Oben in den Gallerien sind die Wohnungen der Reisenden; unten die Ställe und Hallen für Pferde und Waaren. Hier ist reichlich Platz für 2000 Kameele und 5000 Menschen; wenn aber die große Jahres-Karavane nach Mekka sich hier sammelt, (die der Pascha mit 5000 Kriegern durch die Wüste zu geleiten hat,) dann beherbergt das Haus zuweilen wohl 10,000 Pilger.
Einen reizenden, erquickenden Aufenthalt gewähren zur heißen Jahreszeit die über den spiegelhellen, rauschenden Fluthen des Barrady auf eingerammtem Pfahlwerk angelegten Kaffeehäuser. Nach der Quayseite zu sind sie offen und auf Säulen ruhend, an denen sich blühende Schlingpflanzen hinaufranken. Springbrunnen plätschern in der Mitte der Salons, und des Abends, bei der reichen Beleuchtung argantischer Lampen hinter bunten Glasglocken, rufen sie unwillkührlich die morgenländischen Beschreibungen von Feenpallästen in’s Gedächtniß. Man denke sich dazu die Mährchenerzähler, die sich mit der Guitarre begleiten, die türkische Musik, die in Opiumträumen verzückten Gesichter der Türken, und die syrischen Tänzerinnen voll glühender Ueppigkeit.
Durch Damask’s Lage an der Grenze der Wüste, die es zum Sammelplatz der Karavanen, welche sie in mancherlei Zwecken beschreiten, und zum Markt macht für den Tausch aller Erzeugnisse Arabiens, Persiens und Ostafrika’s gegen europäische und westasiatische Waaren, wird reichlicher Verdienst seiner Bevölkerung immer gewiß, und bei der Ueppigkeit des Bodens fordert die Befriedigung der materiellen Ansprüche des Lebens hier weniger Anstrengung, als irgendwo auf der Erde. Aber trotz dieser äußern Zeichen der öffentlichen Wohlfahrt wird der schärfer Beobachtende doch bald gewahr werden, daß es um die höhern Interessen des Lebens hier um kein Haar besser bestellt ist, als im ganzen türkischen Reiche, und sich Christen nicht nur, sondern auch die meisten Muselmänner, nach Veränderung eines Zustandes sehnen, der ihnen längst als erdrückend, oder als unerträglich erschien. Ich rede hier, was alle Reisende von Bedeutung berichten, Männer, wie Buckingham, Kinneir, Chateaubriand, Joubert u. A., deren Zeugnisse von der im ganzen türkischen Reiche verbreiteten Sehnsucht nach einem politischen Messias einstimmig und unverwerflich sind.
Wer vermag auch die Uebel alle aufzuzählen, welche die Bevölkerung dieser Länder quälen! – Wie viele sind ihrer und wie alt sind sie schon geworden! – Sie gehen zurück bis auf die letzten Zeiten der alten Aera, als Römer und Griechen zu einem Volke verschmolzen waren. Alle Laster beider Nationen vereinigten sich damals, häuften sich auf. Physische Wollust, Blutdurst, Stolz des Patriziats, Verruchtheit des Sklaven, Kriecherei des Freien, alles Schlechte, was die alte Welt geschaffen, verband sich in Fäulniß und bildete ein häßliches Ungeheuer, einen aus Blut und Koth gekneteten Koloß: – die römisch-griechische Gesellschaft unter den Byzantinern.
[44] Die römische Welt des Ostens mußte sich verändern, und sie veränderte sich. Nachdem alle erdenklichen Laster die Nationen des blühenden Asiens entnervt hatten, fiel es den herumschweifenden und armen Völkern der angrenzenden Wüsten und Gebirge ein, den Genuß der verweichlichten Bewohner der fruchtbaren Ebenen und herrlichen Städte zu beneiden. Gleich stark von dem Eifer entflammt, die Lehre ihres Propheten auszubreiten, als von der Raublust getrieben, fielen die Araber, denen die Turkomannen folgten, über jene Länder her, stürzten die entarteten Fürsten vom Throne, ihre entmannten Christenvölker in die Sklaverei. So bildete sich das arabisch-türkische Reich aus zwei durchaus entgegengesetzten und feindseligen Elementen. Denn da die fremden Eroberer alle vorgefundenen Einrichtungen der Gesellschaft von Grund aus zerstört und bis in ihre Prinzipien vernichtet hatten; da sie sich, auf das Recht des Stärkern gestützt, als alleinige Eigenthümer von Leib und Leben und eines jeglichen Besitzes der Ueberwundenen verkündigten: so hörte alles gemeinschaftliche Interesse zwischen diesen und jenen auf. An die Stelle der früheren Abstufungsgrade in der bürgerlichen Geltung trat der einzige der Kaste und Abstammung. Je nachdem man als Türke oder Nichttürke, als Muselmann oder Christ geboren war, war man als Herr oder Sklav, als Eigenthum oder Eigenthümer geboren.
Die Unterdrücker waren der Zahl nach gegen die Unterdrückten unermeßlich klein – kaum wie 1 zu 100: ein in seinen Folgen wichtiger Umstand! Denn es lag nun bei der herrschenden Kaste im Interesse der Selbsterhaltung und der eigenen Sicherheit, auf Mittel zu denken, die beraubte und unterjochte Mehrzahl physisch und moralisch mehr und mehr zu schwächen. Die Klugheit rieth es, und dieß brachte die Kunst der Unterdrückung bald zur höchsten Ausbildung. Viele Jahrhunderte lang bestand die Regierungsweisheit der Türken lediglich darin, die ungeheuere Majorität in strenger Unterwürfigkeit gegen die Minderzahl zu erhalten. Um einen der natürlichen Ordnung so zuwiderlaufenden Gehorsam zu ermöglichen, wurden die härtesten Strafgesetze erfunden. Deren Grausamkeit machte die Sitten barbarisch, und da der Unterschied der Kasten, zwischen Herren und Sklaven, zu zweierlei Gerechtigkeit, zweierlei Recht im Staate nöthigte, so fanden die Begriffe von Recht und Unrecht keine Basis mehr, weder im Herzen noch im Verstande, sie gingen unter.
Ursachen und Wirkungen stehen immer in Wechselbeziehung zu einander; so auch hier. Verzweiflung und Muthlosigkeit überfiel die beknechteten Völker. Ihr Leben war in ihren Augen nur noch eine mühselige Bürde, eine freudlose, schmerzhafte Pilgerschaft; die Erde ein Ort der Verweisung, des Anbaus nicht mehr werth. Die Felder wurden allmählich verlassen, die Aecker lagen brach. Alle moralischen Beweggründe zur Fortpflanzung hörten auf; ganze Provinzen entvölkerten sich, die herrlichsten Städte wurden menschenleer, und die kostbarsten Monumente, ohne Theilnahme und darum vernachlässigt, verfielen. Unwissenheit, Aberglaube und Fanatismus der verwilderten [45] Raçen vereinigten ihr Wirken mit dem der vollkommensten Despotie: Verödung, Trümmer und Elend überzogen allmählich das ganze, weite, unglückliche Reich. –
Und so sehen wir jetzt die türkische Alleinherrschaft, gegründet auf die Ruinen des Reichs der Assyrer, Aegypter, der Königreiche Judäa, Syrien, Bithynien, des Pontus und Armeniens; mit den Füßen tretend den Staub der Herrlichkeit der Semiramis und der Kleopatra, der Seleuciden, des Mithridates und so vieler anderer großer Könige, dastehen, eben so verachtet als gehaßt, eben so morsch als kraftlos, gelöst aus allen Fugen, im Begriff zusammenzustürzen durch die Macht empörter Sklaven, durch die Wirkung innerer Kriege und durch die Zerrüttung der Finanzen und aller organischen Theile der Verwaltung; – sichere Beute des mächtigsten seiner Nachbarn, und nur noch durch die Eifersucht anderer Reiche ein unbeneidetes, segenloses Daseyn fristend. Die mißhandelte Menschheit von Asiens Westen, die Urmutter der abendländischen Stämme: sie sehen wir ausstrecken die flehenden Hände nach Europa und die Enkel bitten um Erlösung aus dem Elendsabgrund und um die Gabe des Friedens und der Civilisation. Welch ein Scenenwechsel in der Weltgeschichte schauerlichem Drama! –
Wird Europa sein Ohr verschließen dem Hülferuf der Mutter, und gleichgültiger Zuschauer bleiben bei dem jetzigen und künftigen Loose dieser schönen Länder und ihrer Völker? Soll es ihr Schicksal dem Zufall überlassen? Liegt es nicht vielmehr (da die Geschichte uns belehrt, daß undankbare Danaidenarbeit es immer gewesen, wenn man es unternahm, einstürzende Reiche gewaltsam aufrecht zu halten,) im Interesse der Menschlichkeit wie der Politik, daß Europa mit ruhiger Ueberlegung gemeinschaftliche und zeitige Maßregeln beschließe, um zu verhindern, daß die christlichen Völker bei’m Einsturz des Reichs mitbegraben werden, oder die lauernde, schlaue Habsucht das Gleichgewicht in dem europäischen Staatenverein gänzlich zerstöre, das, für Völker und Fürsten gleich beunruhigend, des Nordens Koloß schon so lange bedroht!
Noch deckt die Zeit mit undurchdringlichem Schleier das künftige Loos jener schönen Länder; aber Manches, was vor unsern Augen vorgeht, weckt den großen Gedanken, daß es allerdings der Zukunft beschieden seyn möge, die Völker beider Welttheile, Europa’s und Asiens, durch die Bande der Civilisation, durch die Verschmelzung ihrer geistigen und materiellen Interessen, zu einer Familie zu verknüpfen. Seit 15 Jahren wirkt England standhaft und mit ungeheuerm Erfolge in diesem Geiste. Vom Delta des Ganges drang binnen so kurzer Zeit europäische Bildung bis zu den Quellen des Indus, bis zu der Mündung des Irawaddi, und über die Eisrücken des Himalaja hin bis in die Hochebnen Thübets. Wohin wir in Asien die Blicke wenden, in die Hauptstädte des „himmlischen Reichs,“ in die Alpen Cabuls, oder in die Steppen der Mongolen, nach Birmah oder nach Persien, überall sehen wir Gesandtschaften [46] und Reisende des englischen Gouvernements, oder brittischer Civilisations- und Entdeckungsgesellschaften, gleich thätig, die Wege auszukundschaften und anzubahnen, auf welchen das Riesenwerk, das unermeßliche Asien mit seinen 100 Völkern allmählich der europäischen Kultur zu gewinnen, gefördert werden könne. Aber nicht blos von dieser Seite allein, auch von der entgegengesetzten gewahren wir große Kräfte, die zu gleichem Zwecke sich rüsten. Wir sehen den größten unter den Strömen unserer Halbkugel, das Band, mit welchem der Schöpfer die Herzen beider Continente zu verknüpfen gedachte, das aber eine barbarische Politik niemals zu benutzen erlaubte, seinem natürlichen Zwecke zurückgegeben, und ist erst der Canal, der die Donau mit dem Rhein, das schwarze Meer mit dem atlantischen verknüpft, vollendet, vollbracht das Werk, was den jetzt zu weiten Umwegen gemüßigten Handel zwischen beiden Welttheilen in eine neue Bahn führt, und den direkten Austausch und Verkehr zwischen den Binnenvölkern Asiens und Europa’s nothwendig nach sich zieht: – dann wird die Idee, daß einst eine Sonne der Civilisation die Menschheit beider Continente erwärmen werde, auch dem phantasieärmsten Kopfe etwas mehr als Chimäre seyn.