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Das weiße Fräulein von Kallenberg

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Textdaten
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Autor: Maximilian von Ring
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Titel: Das weiße Fräulein von Kallenberg
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aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 465–466
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[465]
Das weiße Fräulein von Kallenberg.

Groß ist die Ueberraschung, wenn der Wanderer, über die weite Fläche von Neuhausen herüber gekommen, plötzlich an den schroffen Felsenabhängen des hier noch sehr schmalen Donauthales steht; denn jenseits dehnt sich, gleichfalls wieder mit vielen Ortschaften, die weite Ebene aus und nichts ließ hier so viele Schluchten vermuthen. Durch eine derselben gelangt man auf den Vorsprung, auf welchem die Trümmer von Kallenberg liegen. Unerschütterlich erhebt sich noch auf der äußersten Spitze des Waldfelsens der vierseitige Thum, rings von eingestürzten Mauern umgeben. Dieser Thurm, – erzählt die Sage – verschließt noch unermeßliche Schätze, die ein Ritter als Beute mit sich gebracht aus den heidnischen Nordlanden, wo er für das Kreuz gestritten. Während des Ritters Abwesenheit hatte aber der schmucke Mühlknappe im Thale das Herz seines einzigen Kindes geraubt; in der Verzweiflung über diese [466] Schande mißhandelte der kaum zurückgekehrte Ritter die Tochter und stieß sie aus der Veste. Ihre Leiche wurde am folgenden Morgen vor dem Stabgitter des Mühlgangs gefunden. Bald ergriff aber Reue über seine grausame That das Herz des Vaters und verdüsterte seinen Sinn, der jetzt nur noch darauf gerichtet war, seine Schätze zu vermehren und dieselben in den tiefen Gewölben des Thurmes zu hüten; die Thore der Burg blieben von nun an jedem Besuche verschlossen und nur zur Plage seiner Vasallen stieg noch der Ritter zuweilen aus seinem Felsenhorste hernieder. Nun schwebt in mondhellen Nächten, gleich einer Najade, des unglücklichen Fräuleins weißer Schatten der Donau entlang gegen die Mühle; während eine hohe finstre Gestalt an den jenseitigen Felswänden auf- und absteigt und die Hände ringt. Wagt es aber einmal ein Habsüchtiger, in der Mitternachtstunde zu dem Thurme hinauf zu klimmen, um die Schätze zu suchen, dann naht ihm die schwarze Gestalt und droht ihm mit furchtbar glühenden Blicken; ja, ein Hirte, der keck genug war, einst die Zinne des Thurmes zu erklettern, stürzte sinnesverwirrt hinunter in die Tiefe. Dagegen waltet des Fräuleins sanfter Geist sichtbar schirmend über den Frauen und Töchtern der Mühle; besonders hold ist sie den Liebespärchen von unwandelbarer Treue; oft schon stand sie auch braven Frauen in Geburtsnöthen bei, wenn die Hebamme nicht schnell genug von Lieberdingen oder Krähenheimstetten herüber kommen konnte.

(Vergl. Max von Ring’s: „Malerische Ansichten der Ritterburgen Teutschlands.“ 6. Heft.)