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Das Asyl für Obdachlose in Berlin

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Textdaten
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Autor: Hermann Heiberg
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Titel: Das Asyl für Obdachlose in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 820
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[813]

Die Obdachlosen Berlins vor dem Asyl.
Originalzeichnung von E. Hosang.

[820] Das Asyl für Obdachlose in Berlin. (Mit Illustration S. 813.) Es ist Winterszeit. Ueber der großen Stadt liegt bereits der Schleier des Abends. Auch ist’s eisig kalt, und ein schneidender Schneewind läßt selbst die Passanten in den Pelzmänteln eiliger fortschreiten, um ein gewärmtes Zimmer zu erreichen.

Aus den Fabriken kommen die Arbeiter; Gewerbtreibende und geschäftsthätige Männer, Frauen und Kinder eilen vorüber. Lastfuhrwerke, welche die Abendzüge erreichen sollen, knarren mit ihren hochbepackten Ladungen, Kisten und Ballen, dahin und sperren die Straßen, und nur mühsam winden sich die Droschken erster und zweiter Klasse, die Equipagen und die Handwagen durch den Wirrwarr des Verkehrs.

Alles strebt nach einem bestimmten Ziel: der Ablösung von den Lasten des Tages; Ruhe, Speise und Trank winkt endlich Allen!

Und doch nicht Allen! Tausende in der großen Stadt wissen nicht, wohin sie sich für die Nacht wenden sollen. Sie haben kein Brot und keine Schlafstelle und der mitleidlose Himmel sendet Kälte und Nässe herab und läßt Alles noch schwerer, hoffnungsloser empfinden.

Vor der Büschingstraße 4, vor dem hohen Eingangsportal des Männerasyls stehen an die Hunderte, drängen und stoßen und schieben sich, um in die vordersten Reihen zu gelangen; denn um 6 Uhr wird geöffnet und nur 300 werden eingelassen! Die Uebrigen bleiben zurück. Wohin diese sich dann wenden sollen, sie wissen es nicht! Ein dunkles Hausportal, der Thiergarten selbst in Winterkälte, ein verrufenes Lokal, wo für einen Groschen – den letzten – wenigstens der hungerige, ermüdete Körper Ruhe findet!

Und der nächste Tag? Gering bezahlte Arbeit, Mitleid für den Bettler – oft Geduld und Entsagung müssen über diesen forthelfen. Und dann kommt wieder der Abend, die Kälte, der Hunger – das bittere Elend! Dieser kurze Hinweis auf die Noth so Vieler, bei Weitem nicht immer Unwürdiger, vergegenwärtigt die segensreiche Einrichtung des Asyls der Obdachlosen. Nachdem von Seiten des Hausvaters eine Musterung und dann eine Reinigung der zugelassenen Asylisten stattgefunden hat, eine Reinigung, welche sich auch auf ein warmes Bad ausdehnen kann, wird eine heiße Milchsuppe mit Brot verabreicht und die Aufgenommenen, je nach ihrem Alter, in den drei großen, hellen und erwärmten Schlafsälen in guten Betten untergebracht. Hier ist auch noch Trinkwasser und Material zum Ausbessern der Kleider und Stiefel vorhanden, welche erstere während des Bades desinficirt werden. Am nächsten Morgen erhält der Asylist heißen Kaffee und eine Berliner Schrippe. – So mag er denn neugestärkt den Daseinskampf wieder beginnen!

Und nun noch ein Schlußwort aus der Statistik des letzten Jahresberichts: während dreizehn Jahren haben 185 800 hier Unterkommen gefunden!

Die Namen der Männer, welche den Gedanken zu diesem Asyl faßten, die ihre Zeit und Aufmerksamkeit diesem humanen und segensreichen Werke widmeten und auch ferner widmen, verdienen, auf goldenen Tafeln eingeschrieben zu werden, und ein im besten Sinne christliches Werk ist es, diesem Asyl für die Nothdürftigen und Elenden ein jährliches Scherflein zuzuwenden, das auch im kleinsten Betrage von dem Vorstande des Berliner Asylvereins für Obdachlose entgegengenommen wird und bei 3 Mark jährlich zur Mitgliedschaft berechtigt. Hermann Heiberg.