Das Fest der Rosenkönigin in Ungarn
[424] Das Fest der Rosenkönigin in Ungarn. (Mit Illustration S. 416.) Seit alter Zeit bestand in vielen Ortschaften Ungarns die Sitte, um die Pfingstzeit, wo die Rosen am herrlichsten blühen, eine Dorfschöne zur Rosenkönigin zu erwählen und sie im festlichen Zuge in dem Orte umherzuführen. Allmählich war diese Sitte während der Türkenherrschaft in Vergessenheit gerathen, und erst in neuester Zeit wurden Versuche gemacht, sie von Neuem zu beleben. Unter Anderem wußte der vor einem Jahre verstorbene ungarische Magnat Graf Guido Karácsonyi das Fest der Rosenkönigin in sinniger Weise mit einer Hochzeitsfeier zu verschmelzen. Er hat zu diesem Zwecke für die Einwohner seiner großen Besitzungen eine Stiftung von 20 000 Gulden gemacht, deren Zinsen alljährlich einer tugendhaften und armen Braut aus Vörösvár, Solmár und Szent-Iván als Heirathsgut zum Geschenke gemacht werden. Die Freude des Hochzeitstages soll nach seiner Bestimmung noch dadurch besonders erhöht werden, daß die glückliche Braut an demselben als Rosenkönigin gefeiert wird.
Eine Scene aus diesem seltenen Feste führt uns unsere Illustration vor.
Sonnig, heiter ist der Tag, ein echter Festtag! Alles ist fröhlich, übermüthig gestimmt! Wie stolz und stattlich sitzt der junge Brautführer auf seinem Rappen, der den alten Gutsherrn durch Scharren zu begrüßen scheint, wie munter schaut der Bräutigam drein, wie hoch heben sich die Spitzen seines schwarzen Schnurrbartes bei dem überlauten „Eljen“, das er seiner gütigen Herrschaft zuruft! Und wie freundlich lächeln uns die schonen Freundinnen der rosengekrönten Braut an, die neben ihrem Triumphwagen schreitend Rosen streuen. Sie haben ihre Gärtchen wohl ganz beraubt, um den Wagen ihrer Freundin so herrlich zu schmücken; sie selber haben sich nicht minder geschmückt, ihre schönste Tracht angelegt, und diese bunte Tracht ist so malerisch, daß uns daneben die modische der beiden eleganten Edeldamen nicht mehr in das Bild passen will, und wir wünschten, sie hätten sich, wie der alte Gutsherr, auch mit dem Nationalkostüm bekleidet. Und die Braut – sie senkt ihr liebliches Köpfchen, als sei sie beschämt durch die ihr erwiesene Ehre; sie träumt wohl von vergangenen Tagen und kommenden Freuden – sie lauscht der herzbewegenden Streichmusik der Zigeuner, die wirklich Zauber ausüben können durch ihre wunderbaren Melodien.
Unmittelbar nach der Trauung wird der jungen Frau das Heirathsgut ausgezahlt und ein Festgelage, welches gleichfalls aus der Stiftungskasse bestritten wird, beschließt die Feier des Tages. T. S.