Das Handbuch der Inquisition

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Titel: Das Handbuch der Inquisition
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 249-251
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Das Handbuch der Inquisition.

Die Herrschaft der Kirche über die Völker und Staaten so wieder herzustellen, wie sie im „glorreichen“ elften Jahrhundert war, hat sich die Hierarchie seit der Restauration immerdar bemüht. Es ist der fünfte Papst, der seit 1815 die dreifache Krone trägt, und wie verschieden in ihrem Charakter und ihrer weltlichen Politik diese fünf Päpste gewesen sein mögen, die Idee zu verwirklichen, die durch diese dreifache Krone ausgesprochen wird, ist meist ihr Streben gewesen. In vielen Staaten ist es ihnen gelungen, bei den Herrschern den Glauben zu erwecken, daß die Kirche für die weltliche Gewalt eine Stütze sei, die nicht fehlen dürfe, wenn nicht Alles fehlen solle. Nach Heilmitteln gegen die angebliche revolutionäre Krankheit der Zeit überall suchend, wo sie nicht zu finden sind, haben verschiedene Regierungen mit dem heiligen Stuhl Verträge geschlossen, die seine Macht auf Kosten der ihrigen vermehren und dem geistlichen Einfluß, dem Mönchswesen, sogar dem Jesuitismus Thüren und Thore öffnen. Am weitesten geht in dieser Beziehung das österreichische Concordat, das, nicht zufrieden damit, die Kirche zu einem Staat im Staate zu machen, einen Zustand der Dinge vorbereitet, der leicht den Staat der Kirche unterthänig machen kann. Eine Hierarchie im Geist des Mittelalters - das ist das Ziel einer mächtigen und weit verbreiteten Partei, im Protestantismus sowohl wie im Papstthum. Den Völkern sagt man, daß ein weltbeherrschendes Papstthum sie gegen die Tyrannei der Könige schützen werde; den Königen sagt man, daß dasselbe Papstthum, wenn sie mit ihm auf gutem Fuße blieben, ihnen den stummen Gehorsam der Völker sichern werde. Nicht blos in Rom, Madrid und Avignon werden solche Dinge gesagt, sondern auch mitten unter uns. Wahrlich, es gehört Muth, viel Muth dazu, das in Deutschland zu thun, wo das hierarchische System, als der finstere Ferdinand II. es zur Herrschaft erhob, einen dreißigjährigen Krieg entzündete, der zwei Drittheile der deutschen Bevölkerung, zwanzig Millionen Menschen, vernichtete und ganze Provinzen zu Einöden machte.

Nach jenem Kriege stößt man in Oesterreich bis zur Zeit Maria Theresia’s auf eine Kette von Maßregeln der Verfinsterung und brutalen Verfolgung Freidenkender. Es ist der pfäffische Geist, dem die weltliche Gewalt ihr Schwert geliehen hat, der alle diese Gräuel, die Gegenreformation in Böhmen, Mähren und Schlesien, wie das Blutgericht in Eperies hervorgerufen hat. Vereinzelte Aeußerungen blutgieriger Unduldsamkeit sind diese Gräuel nicht, sie entspringen vielmehr einem System, und zwar eben jenem hierarchischen System, das uns neuerdings wieder empfohlen wird. Wie ausgebildet dasselbe war, ergiebt sich aus der Thatsache, daß seine Urheber, die wir in den beiden engverbundenen Mönchsorden der Jesuiten und der Dominikaner suchen müssen, ein Handbuch der Wissenschaft der Verfolgung geschrieben haben. 1558 in Rom als Leitfaden für die geistlichen Gerichte gedruckt, aber sorgfältig geheim gehalten, wurde es von den Jesuiten und Dominikanern zwei Jahrhunderte lang gemeinschaftlich befolgt und 1761 von den ersteren, die eben mit den Dominikanern im Streit waren, im Auszuge veröffentlicht. Die von allen Seiten angefeindeten Väter Jesu verloren in ihrer Wuth die Besinnung und verriethen ein gemeinschaftliches Geheimniß, um der Welt zu zeigen, daß die von Niemand verfolgten Dominikaner ganz eben so schlimm seien, wie sie selbst. Ein französischer Schriftsteller, Michiels, hat sich (in der in Gotha erschienenen deutschen Ausgabe seiner „Geheimen Geschichte der österreichischen Regierung seit Ferdinand II. bis auf unsere Zeit“) das Verdienst erworben, den Hauptinhalt dieses „Handbuchs für Inquisitoren“ wieder bekannt zu machen. Da man heute von gewisser Seite alles Abscheuliche vertheidigt, so hat sogar die Inquisition ihre Vertheidiger, ja ihre Lobredner – Louis Veuillot, die Mitarbeiter der römischen Civilta Cattolica und Andere mehr – gefunden. Wir wollen jetzt die Inquisition aus ihrem eigenen Handbuch kennen lernen und die Mittel zeigen, durch welche die vielgepriesene kirchliche Weltordnung der Vergangenheit von ihren Werkzeugen aufrecht erhalten wurde.

Fast alle Bestimmungen des „Handbuchs für Inquisitoren“ waren auf Befriedigung der Herrschsucht, der Geldgier und der Grausamkeit der Kirche berechnet. Der Inquisitor konnte nicht blos Geldstrafen auferlegen, sondern auch Vermögenseinziehungen [250] und Amtsentsetzungen aussprechen. Die Geldstrafen waren zum Unterhalt des Glaubensgerichts und seiner vielen öffentlichen und geheimen Diener bestimmt, die Vermögenseinziehungen vermehrten die Güter der Orden. Den Kindern eines Ketzers Mitleid zu schenken, verbot das Gesetzbuch der Dominikaner. „Theilnahme für die Kinder des Schuldigen, die man an den Bettelstab bringt, darf die Strenge des Gerichts nicht mildern, da die Kinder nach göttlichen und menschlichen Gesetzen für die Sünden der Väter gezüchtigt werden.“ Das geheime Motiv dieses Satzes ist leicht zu begreifen. Wenn man den Familien Mitleid gezeigt und Anstand genommen hätte, sie in’s Elend zu stoßen, so wäre es unmöglich gewesen, sie zu plündern, und man hätte ihnen wenigstens einen Theil ihrer Güter lassen müssen. Wenn man sie nicht plünderte, so verlor das Heilige Gericht seinen Gewinn, wie die Kaufleute zu sagen pflegen; und ließ man ihnen einen Theil ihrer Güter, so schmälerte man die Einkünfte der ehrwürdigen Väter. Bei dem Gedanken an eine solche Schmälerung empörte sich ihr Herz.

Ihr Geschäftsbuch fährt daher fort: „Die rechtgläubigen Kinder der Ketzer sind von dieser Strafe nicht ausgenommen, und man darf ihnen nichts lassen, nicht einmal den Pflichttheil, der ihnen von Natur zu gebühren scheint. Das ist durchaus nothwendig, um die Väter von dem großen Verbrechen der Ketzerei abzuschrecken.“ Das ist der Vorwand; der wahre Zweck besteht darin, das Vermögen der Dominikaner zu vermehren und ihre Casse zu füllen. Die mitleidigen Männer, wie leicht ließen sie sich rühren! „Indessen,“ sagt das Handbuch, „können die Inquisitoren aus Gnade für den Unterhalt der Ketzerkinder sorgen, die Söhne in einem Handwerk unterrichten lasten, und die Töchter bei einer achtbaren Frau derselben Stadt unterbringen. Denjenigen, welche ihre Jugend oder ihre Kränklichkeit unfähig macht, für sich selbst zu sorgen, kann man eine kleine Hülfe leisten.“ Ja, eine kleine und gewiß eine sehr kleine!

Wie dem Vermögen der Kinder, so erging es auch der Mitgift der Frau, ja oft selbst dem Vermögen eines Verstorbenen. „Nach dem Tode eines Ketzers,“ sagt das Handbuch, „kann man seine Güter noch immer einziehen und die Erben derselben berauben, wenn man ihm bei seinen Lebzeiten auch den Proceß nicht gemacht hat. Die Kinder und Erben der Ketzer genießen die Wohlthat der Verjährung in Beziehung auf ihre ererbten Güter erst nach einem Zeitraume von vierzig Jahren und zwar nur unter der Voraussetzung, daß sie während dieser Zeit in gutem Glauben gewesen sind, denn wenn sie inzwischen entdeckt haben, daß der Verstorbene ein Ketzer gewesen ist, so können sich die Inquisitoren auch nach vierzig Jahren der Güter bemächtigen.“

Jeder Ketzer verlor in Folge der bloßen Thatsache der Ketzerei alle Stellen, und es bedurfte nur dann eines Urtheils, wenn Begünstiger der Ketzerei ebenfalls abgesetzt werden mußten. Auch die Kinder der Gottlosen wurden sofort aus ihren Aemtern entfernt und zu allen öffentlichen Anstellungen unfähig erklärt. Die politische und bürgerliche Aechtung erstreckte sich von väterlicher Seite auf das zweite Geschlecht, überschritt aber von mütterlicher Seite das erste nicht. Folglich konnten der Sohn und die Tochter, der Enkel und die Enkelin eines Ketzers keine Pfründe erhalten, kein Amt bekleiden. War es aber die Mutter, die sich vom Satan verführen ließ, so verschonte der Fluch die unschuldigen Häupter ihrer Enkel und Enkelinnen. Auch die Geflüchteten und die rückfälligen Bekehrten, die man trotz ihrer Reue verbrannte, da das Feuer seine Rechte nie verlor, führten den Untergang ihrer Nachkommenschaft herbei. Ein Mann, der unkirchlicher Ansichten überführt oder beargwöhnt wurde, verbreitete mithin Armuth und Hunger um sich und theilte den Seinigen vor seinem Tode einen Peststoff mit. Nichts entging dem Orden, der die Gegenwart an sich riß, der ganzen Familie blos einige Lumpen überlassend, und die Zukunft unfruchtbar machte. Welche Macht erwuchs aber auch dem Orden, welche Gewinne, welche Fischzüge machte er! Stellen, Pfründen, Güter, Schlösser, Hausgeräth, Diamanten und baares Geld, Alles fiel in seine Hand. Es war ein beständiges Einstreichen und Besitzergreifen. Die mörderischen Speculanten sangen jeden Tag ein Tedeum, um Gott für ihren Wohlstand zu danken. Welch’ ein Geschäft wäre zu machen gewesen, wenn man die Heilige Hermandad in eine Actiengesellschaft hätte verwandeln können! Welche Dividenden wären den Capitalisten zugefallen!

Um das Werk der Beraubung und Verfolgung zu krönen, führten die Geschäftsleute in Kutten auf ihre Schlachtopfer noch einen letzten Streich. Jede angebliche Ketzerei hatte den vollständigen Verlust jeder Art von Autorität zur Folge: die Diener und Bauern brauchten ihrem Herrn, die Unterthanen dem König, die Soldaten dem General, die Frau dem Manne, die Kinder dem Vater nicht mehr zu gehorchen. Jeder einem Ketzer geleistete Eid war nichtig, kein Ketzer konnte einen letzten Willen machen oder anvertrautes Gut zurückfordern.

Wie stand es nun mit den Garantien der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, welche die Urtheilssprüche umgaben? Um Jemand in seinem Hause zu verhaften und in die Kerker der Inquisition zu schleppen, bedurfte es eines einzigen Angebers, der seine Aussage insgeheim machte und sie nicht durch Zeugen zu unterstützen brauchte. Sogar an einem öffentlichen Gerücht und an den hingeworfenen Aeußerungen einiger Bummler, daß Der und Jener vom katholischen Dogma abweichen dürfte, hatte man genug. Der Richter ließ die Schwätzer vorladen und verhörte sie. Zu Gunsten des Glaubens, wie das Handbuch sagt, wurde das Zeugniß eines Jeden angenommen, welcher reden wollte oder mußte. In dieser Beziehung ist die in dem düsteren Buche abgedruckte Liste erbaulich. Als zum Zeugniß zuzulassen werden genannt: Excommunicirte, Mitschuldige des Ketzers, Ehrlose und Verbrecher aller Art, Ketzer, Götzendiener und Juden, sogar Meineidige, die in derselben Sache und zum Nachtheil des Angeklagten falsch geschworen haben. „Wenn ein Zeuge,“ sagt der fromme Gesetzgeber, „einen Meineid geleistet hat, so kann er seine erste Aussage zurücknehmen, und der Richter muß sich an die zweite halten, vorausgesetzt, daß sie den Gefangenen belastet, denn wenn sie diesem günstig ist, so gilt die erste.“ Das Gericht kümmerte sich also nicht um die Wahrheit und schenkte der Unschuld keine Beachtung; es suchte blos Schuldige, oder vielmehr Schlachtopfer.

Als Zeugen ließ die Inquisition auch die Frau, die Kinder, die übrigen Verwandten und die Dienstboten des Angeklagten zu. Der Bruder konnte gegen den Bruder aussagen, der Vater den Sohn anklagen, der Sohn den Vater belasten: „denn,“ sagt die Inquisition, „man ist Gott mehr Gehorsam schuldig, als den Eltern, und kann man den Vater als Feind des Vaterlandes tödten, so kann man seine Verbrechen gegen den Höchsten um so mehr enthüllen.“ Auch wurde der Sohn, der die ketzerische Gesinnung seines Vaters verrieth, zur Belohnung für seine Schändlichkeit von den Strafen befreit, welche die Kinder der Schuldigen trafen. „Die Aussagen von Zeugen aus der Familie,“ sagt das Handbuch, „sind sehr nothwendig, weil das Verbrechen der Ketzerei gewöhnlich im Umkreise des Hauses vorkommt.“ Welche Sicherheit blieb bei solchen Gesetzen der Familie! Gleich einem Nachtvogel nistete sich die Unruhe unter den achtbarsten Dächern ein. Herren und Diener, Väter und Söhne fürchteten sich gegenseitig, Brüder betrachteten sich mit Argwohn. Als in Toulouse ein Vater 1312 seinen Sohn angeklagt hatte, bekannte er auf der Folter, daß der Haß ihn fortgerissen habe, einen Unschuldigen zu verleumden.

Eine Gegenüberstellung der Zeugen und der Angeklagten fand nicht statt, denn das wäre zu gerecht gewesen, und nicht einmal die Namen der Ankläger wurden bekannt gemacht. Die Vertheidigung war ein bloßer Schein oder eine freche Verhöhnung. Das Gericht wählte den Sachwalter des Dulders selbst, und dieser war immer ein frömmelnder Diener der Inquisition. „Seine Hauptsorge,“ sagt das Handbuch naiv, „muß darin bestehen, den Angeklagten zu ermahnen, daß er, wenn er schuldig ist, gestehe und um Verzeihung für sein Verbrechen bitte.“ Die Verzeihung war der Tod in den Flammen, der Tod unter großem Schaugepränge. Zwei Zeugen oder Angeber, die zum Abschaum der Menschheit gehören konnten, genügten zu einer Verurtheilung. Das nächste Autodafe zierte ein Schlachtopfer mehr, oder es verfaulte 20 Fuß tief unter der Erde.

Man sieht also, daß die Lebenden wie die Todten durch nichts, weder durch den reinsten Glauben, noch durch die offenbarste Unschuld, vor der Inquisition geschützt wurden. Dieses Ungeheuer konnte zu jeder Zeit Jeden mit seinen Fängen an sich ziehen und zwischen seinen Kinnladen zermalmen. Da der Verfolgte nicht allein fiel, da jedem Urtheile die Einziehung des Vermögens folgte, so verfügte das furchtbare Gericht über das Eigenthum ebenso schrankenlos wie über die Person. Ein Vermögen, welches die Blicke der finsteren Mönche auf sich zog, war eine immerwährende Gefahr. Wie viele Reiche hätten in dem Augenblicke, wo man ihnen den Sanbenito über die Augen zog, mit dem römischen Geächteten ausrufen [251] können. „Ich Unglücklicher, mein Haus in Alba richtet mich zu Grunde.“

Ein Institut dieser Art mußte die bürgerliche Rechtspflege, die politischen Körperschaften und selbst die königliche Gewalt weit überragen. Es war ein unwiderstehliches Werkzeug der Unterdrückung; Caligula, Nero und Heliogabal hätten in ihren schlechtesten Tagen nichts Besseres erfinden können. Es war aber auch ein Werkzeug der Erpressung, ein Alles verschlingender Polyp, der das Mark eines jeden Landes von jedem beliebigen Platze aus verzehren konnte. Niemals gab es ein geschäftliches Unternehmen, das so sinnreich eingerichtet war. Binnen hundert Jahren mußte ein Königreich, das man den Inquisitoren überlieferte, ihnen als Eigenthum der todten Hand gehören, wenn sie nicht ihre Räubereien selbst beschränkten, oder wenn die Regierung ihnen nicht Schranken setzte.

Die spanische Geistlichkeit wurde in Folge dessen ungeheuer reich. Am Ende des 17. Jahrhunderts besaß sie in 22 Provinzen des Königreichs Castilien zwölf Millionen Morgen Land, welche 161 Millionen Realen eintrugen. Es war der fünfte Theil des Bodens. Dazu kamen noch Gebäude von ungeheuerem Werth und zufällige Einnahmen, die der Schrecken auf eine bedeutende Höhe trieb. Der Erzbischof von Toledo bezog jährlich 200,000 Ducaten oder 800,000 Thaler unseres Geldes, der Erzbischof von Compostella 60,000 Ducaten oder 210,000 Thaler, der Erzbischof von Sevilla 400,000, der Erzbischof von Valencia 181,000 Thaler. Ordnete ein Sterbender einige tausend Messen für das Heil seiner Seele an, so zog die Geistlichkeit die willkürlich geschätzten Kosten dieser Messen vom Nachlasse ab, ohne auf die Gläubiger, welche häufig keinen Maravedi bekamen, Rücksicht zu nehmen. Die Besitzungen und besonderen Einkünfte der Inquisition sind niemals bekannt geworden, da sie alle ihre Angelegenheiten in ein undurchdringliches Geheimniß hüllte und die Neugier durch die Folter, den Scheiterhaufen und die Erdrosselung, welche reuigen Ketzern als eine Gunst bewilligt wurde, fern zu halten verstand.

Trotz ihres Einflusses, ihres Reichthums und ihrer Macht war die Inquisition nicht zufrieden. Sie entwarf den Plan, sich ein Heer zu schaffen, welches zur Unterstützung ihrer ehrgeizigen Pläne stets bereit sei. Diese Truppen sollten einen neuen Militärorden, St. Maria vom weißen Schwert genannt, bilden und den spanischen Generalinquisitor zum Großmeister haben. Dieser fürchterliche Gedanke und die bereits fertigen Statuten wurden von vierzig adeligen Familien, von den Wortführern der gesammten Geistlichkeit und vom Hohen Rathe gebilligt. Es fehlte blos noch die Genehmigung Philipp’s II. Der König begriff aber, daß er seiner Krone entsagte, wenn er die Organisation einer solchen Macht duldete und einer mächtigen, unversöhnlichen Gesellschaft gestattete, fanatische Banden anzuwerben. Durch Aberglauben und Schrecken bereits zur Herrin der Gemüther geworden, würde sie die Halbinsel bald militärisch beherrscht und das Ausland im Interesse des Glaubens oder ihres eigenen Vortheils bekriegt haben. Der Fürst zögerte, fragte, ob diese Einrichtung auch wirklich nothwendig sei, und entschied sich zum Glück für ihn, für seine Familie und sein Volk niemals. Das Weiße Schwert würde sich binnen Kurzem mit dem Blute der Könige und der Völker gefärbt haben.

Das Handbuch der Inquisitoren enthüllt das System, das von den Dominikanern auf die Jesuiten überging und von diesen auf ganze Länder und Provinzen ausgedehnt wurde. Die Dominikaner hatten in Spanien vielleicht zweihundert Menschen auf einmal verbrannt. Die Jesuiten, die ihre Hauptthätigkeit in Ländern entfalteten, wo der Protestantismus entweder gesetzlich anerkannt war, oder eine große Anzahl unterdrückter Anhänger hatte, ließen ganze Bevölkerungen zu Grunde gehen, Tausende von Flecken, reichen Plätzen und Hauptstädten zum Ruhme des Herrn in Flammen auflodern. Die Inquisition fällte Urtheile, ohne die Zeugen, oft die ehrlosesten Menschen, dem Angeklagten gegenüberzustellen; die Jesuiten verdammten bei ihren geheimnißvollen Berathungen Städte, Provinzen und Völker zu bewaffneten Missionen, Dragonaden und Glaubenskriegen. Und hat die Sturmglocke der Revolution diesem System zu Grabe geläutet? Durchaus nicht; noch im Jahre 1815 haben die Protestanten von Avignon, Nimes, Uzès, Montpellier, Alais, Vigan und Toulouse eine neue Bartholomäusnacht erlebt und die Scheiterhaufen des Mittelalters wieder aufflammen sehen. Und würde man heute, fast ein halbes Jahrhundert nach jenen südfranzösischen Metzeleien, vor einer Wiederholung zurückschrecken? Nein, aber man muß zuvor die öffentliche Meinung bearbeiten, den Protestantismus als den Geist der Revolution, die Kirchenherrschaft als das Heil der Monarchie darstellen, und zu diesem vorbereitenden Werke hat man sich mit Romantikern und politischen Reactionären verbunden, die man noch sehr mild beurtheilt, wenn man annimmt, daß sie vielleicht größtentheils nicht einmal wissen, welchen Zwecken sie dienen.