Das Haus zu den beiden Schimmeln in Köln

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Textdaten
Autor: Heinrich Pröhle
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Titel: Das Haus zu den beiden Schimmeln in Köln
Untertitel:
aus: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, S. 221–223
Herausgeber:
Auflage: 2. verbesserte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [ca. 1892]
Verlag: Meidinger
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
Der Name Ingelheim und Das Haus zu den beiden Schimmeln in Köln sind die beiden in der 2. Auflage hinzugekommenen Sagen. Siehe die Erstausgabe Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, 1886
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41. Das Haus zu den beiden Schimmeln in Köln.

Papageien pflegten in den Bäumen und Thürmen am Rheine in alter Zeit ebenso wenig zu nisten als jetzt, sondern nur Raben und Dohlen und andere europäische Vögel. Dennoch hieß das Haus in der Richmodisstraße zu Köln, worin Herr von Aducht mit seiner schönen Frau Richmodis wohnte: zu den drei Papageien. Als das alte Haus abgebrochen und an derselben Stelle ein neues erbaut wurde, erhielt es den Namen: zu den beiden Schimmeln und wurde mit zwei hölzernen Schimmeln versehen, die oben unter dem Dache hervorschauen. Diesen Namen bekam das Haus wegen folgender Begebenheit:

Wenn ums Jahr 1350 die beiden Schimmel des Herrn von Aducht die Kutsche dieses vornehmen und reichen Herrn aus dem Hofthor auf die Straße zogen, so blieben alle Leute stehen, nicht wegen der beiden Schimmel, sondern wegen der schönen Frau Richmodis, die an der Seite ihres glücklichen Gemahls in dem Wagen saß. Alle wurden von ihr so lieblich gegrüßt, daß ihnen das Herz im Leibe lachte, wenn sie die Peitsche des Kutschers knallen hörten, der im Trab mit ihr davonfuhr.

Im Jahre des Herrn 1357 kam aber die Pest nach Köln und raffte auch Frau Richmodis mit hinweg. An ein feierliche Begräbnis war in der Zeit des Schreckens und der allgemeinen Furcht vor Ansteckung nicht zu denken. Auch Herr von Aducht mußte für seine geliebte Gattin darauf verzichten. Eilig und still, roh und gefühllos drang die Totenfrau mit den Leichenträgern in das Haus zu den Papageien ein. Herr von Aducht ließ den Trauring am Finger seiner Gemahlin sitzen und im letzten Augenblicke, als der Sargdeckel zugeschlagen werden sollte, steckte er noch kostbare Juwelen an ihren Busen und Hals. Es blieb nicht unbemerkt. Auf dem Friedhofe zu St. Aposteln wurde Frau Richmodis am Nachmittage in ihre Gruft gesenkt; doch schon in der nächsten Nacht erschien die Totenfrau wieder mit den Leichenträgern und Totengräbern, die Leiche zu berauben.

Das Begräbnis hatte aber diesmal denn doch allzuschnell stattgefunden; Frau Richmodis war scheintot beerdigt worden. Noch immer erwachte sie nicht, als die Totenfrau ihr von Busen und Hals die Juwelen wieder absuchte, ohne welche man sie vermutlich ganz hätte ruhen lassen. Als aber bald die Totengräber, bald die Leichenträger sie am Arme faßten, um ihr den Trauring vom Ringfinger abzustreifen, den die hohe Frau niemals in ihrer Ehe abgelegt und um den herum sich die Haut erhöht hatte, da richtete sie den Oberkörper hoch auf und im Sarge sitzend blickte sie die Frevler starr an. Die Diebe glaubten ein drohendes Gespenst zu sehen und liefen davon. Es gelang Frau Richmodis ohne Hilfe aus ihrer Gruft zu steigen. Sie nahm die Leuchte, welche die Leichenräuber hatten stehen lassen, und steckte sogar die Kleinodien, die daneben auf der Erde lagen, wieder an ihren Körper. So ging sie bei Nacht nach dem Hause zu den Papageien zurück.

Lange pochte sie hier vergeblich an die verschlossene Thür. Endlich wollte der träge Bediente doch sehen, wer klopfe und steckte den Kopf zum Fenster hinaus. Schnell zog er ihn zurück, denn er glaubte den Geist der Frau von Aducht zu sehen. Anstatt schnell zu öffnen, eilte er erst zum Herrn von Aducht; dieser aber sprach: „Meine Hausfrau kann ebensowenig vor der Thür stehen, als meine beiden Schimmel in der Nacht allein aus ihrem Stalle gehen, auf den Söller steigen und daselbst zum Fenster hinausschauen können.“ In diesem Augenblicke hörte er aber schon Pferdegetrappel auf der Treppe. Seine beiden Schimmel waren von selbst aus dem Stalle gekommen, wo sie vor der Krippe an der Kette angebunden gewesen waren. Der Kutscher, der im Stalle schlief, war erwacht; er suchte ihnen zu wehren, als sie die Treppe hinaufgingen und kam ihnen mit der Peitsche in der Hand, aber im Hemde, nachgelaufen. Herr von Aducht hatte bei dem Getrappel die Thür aufgerissen. Er sah die Schimmel an sich vorüberstolpern, bis sie oben zum Söllerfenster gingen, dort hinauszuschauen. Da überwand er seine Furcht, öffnete selbst die Hausthür und ließ die Erscheinung in sein Haus ein.

Bald überzeugte er sich, daß seine Hausfrau wirklich lebe. Er fand den Trauring an ihrem Finger. Später entdeckte er sogar das Geschmeide noch an ihrem schönen Halse. Die Leichenfarbe im Gesichte machte nach kurzer Zeit wieder blühenden Wangen Platz und in dem Hause zu den Papageien, wo aber jetzt zwei hölzerne Schimmel aus dem Söllerfenster auf den Neumarkt herunterschauen, beschenkte sie ihn nach dieser Zeit noch mit drei Söhnen.