Zum Inhalt springen

Das Heiligthum

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Conrad Ferdinand Meyer
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Heiligthum
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 211–212
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von H. Haessel
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[211]
Das Heiligthum.

Waldnacht. Urmächt’ge Eichen, unter die
Des Blitzes greller Strahl geleuchtet nie!
Dämmernde Wölbung, Ast in Ast verwebt,
Von keines Vogels Lustgeschrei belebt!

5
Ein brütend Schweigen, nie vom Sturm gestört,

Ein heilig Dunkel, das dem Gott gehört,
Darin, umblinkt von Schädel und Gebein,
Sich ungewiß erhebt ein Opferstein …
Es rauscht. Es raschelt. Schritte durch den Wald!

10
Das kurze römische Commando schallt.

Geleucht von Helmen! Eine reis’ge Schaar!
Vorauf ein Gallier und ein Legionar:
„Die Stämme können dienen. Beil in Schwung!
Cäsar braucht Widder zur Belagerung!“[1]

15
Erbleichend spricht der Gallier ein Gebet,

Den Römer auch ergreift die Majestät
Des Orts, doch hebt gehorchend er die Axt –
Der Gallier flüstert: „Weißt du was du wagst?
Die Stämme – diese Riesen – sind gefeit,

20
Hier wohnt ein mächt’ger Gott seit alter Zeit,

In dessen Nähe nur der Priester tritt,
Ein todtenblasses Opfer schleppt er mit.
Versehrtest nur ein Blatt du freventlich,
Stracks kehrte sich die Waffe wider dich!“ …

[212]
25
Die heil’gen Eichen drohen Baum an Baum,

Die Römer lauschen bang und athmen kaum,
Schwer, schwerer wird der Hand des Beiles Wucht
Und ihr entsinkt’s. Sie stürzen auf die Flucht.
„Steht!“ Und sie stehn. Denn es ist Cäsar’s Ruf,

30
Der sie durch strenge Zucht zu Männern schuf!

Er ist bei seiner Schaar. Er deutet hin
Auf eine Eiche. Sie umschlingen ihn,
Sie decken ihn wie im Gedräng der Schlacht,
Sie flehn. Er ringt. Er hat sich losgemacht,

35
Er schreitet vor. Sie folgen. Er ergreift

Ein Beil, hebt’s, führt den Schlag, der saust und pfeift …
Sank er verwundet von dem frevlen Beil?
Er lächelt: „Schauet, Kinder, ich bin heil!“
Erstaunen! Jubel! Hohngelächter! Spott!

40
Soldatenwitz: „Verendet hat der Gott!“

Die Rinde fliegt! Des Stammes Stärke kracht!
Vom Laub zu dunklerm Laube flieht die Nacht.
Die Beile thun ihr Werk. Die Wölbung bricht –
Auf Riesentrümmer fällt das weiße Licht.


  1. Von Massilia.