Das Hutten-Sickingen-Denkmal auf der Ebernburg
Das Hutten-Sickingen-Denkmal auf der Ebernburg.
Im schönen Nahethale, oberhalb Kreuznach, da wo die Alsenz in die Nahe mündet, liegen in dem Winkel, den die beiden Flußthäler mit einander bilden, kaum achtzig Meter über der Thalsohle, die Trümmer der Ebernburg, jener Feste, welcher einst in den ersten Jahrzehnten des sechzehnten Jahrhunderts Franz von Sickingen den Ehrennamen einer „Herberge der Gerechtigkeit“ schuf, auf der so mancher Vorkämpfer der kirchlichen Reformation eine Zufluchtsstätte fand, und wo vor allem jener ideale Freundschaftsbund sich schloß, der Franz von Sickingen mit Ulrich von Hutten, den Helden des Schwertes mit dem Helden der Feder, zu gemeinsamem Ringen nach demselben Ziele verband.
Die Staffelgiebel, welche heute von der Höhe des Burgberges herab dem Wanderer entgegen schauen, sind kein Ueberrest der alten Burg; sie gehören dem Gasthause an, das die friedliche Neuzeit auf der Stelle des alten Palas erstehen ließ und das der Besucher lechzende Zunge mit Speise und Trank erquickt, aber auch durch manche Reliquie aus der alten Zeit, die es in seinem Innern oder in seine Wände eingemauert pietätvoll bewahrt, den Geist des Beschauers zurücklenkt auf die große Vergangenheit.
Die Schicksale der Ebernburg seit dem tragischen Ende Franz v. Sickingens am 7. Mai 1523 sind wechselnde, vorwiegend unglückliche gewesen. Die drei verbündeten Fürsten, der Landgraf Philipp von Hessen, der Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz und der Erzbischof von Trier, welche Franz von Sickingen auf seiner Burg Landstuhl zu Fall gebracht hatten, rückten auch vor die Ebernburg. Wohl suchte Sickingens tapferer Burghauptmann, Ernst v. Tautenburg, den Söhnen des Gefallenen die Feste zu erhalten, aber eine fünftägige Beschießung aus Kartaunen und anderem groben Geschütz zwang ihn zur Uebergabe. Am 6. Juni zog der Feind in die Burg ein und schleppte eine stattliche Beute an Kriegsmaterial, Vorräthen von Nahrungsmitteln, goldenen Geräthen und kostbaren Gewändern weg, darunter Stickereien im Werthe von 10 000 Gulden. Das Blei von den Dächern, 600 Gulden werth, ward einem Trierischen Edeln um 40 Gulden überlassen, Holz- und Balkenwerk durften die Bewohner des im Kampfe zerstörten Dörfchens Ebernburg zum Wiederaufbau ihrer Wohnungen nehmen, und schließlich ließ der Pfälzer Kurfürst Ludwig Feuer in die Burg legen, daß sie bis auf den Grund niederbrannte. Erst 19 Jahre nachher, 1542, erhielten Sickingens Söhne die 3 Burgen ihres Vaters, Landstuhl, Ebernburg und Hohenburg, durch Kaiser Karls V. Vermittlung zurück, und Johann Schweickart v. Sickingen, ein Enkel Franzens, baute auch die Ebernburg wieder auf. Aber im Jahre 1688 fiel sie in die Hände der Franzosen, welche sie stark befestigten und trotz eines energischen Versuchs zu ihrer Wiedereroberung bis 1697 hielten, zur Pein und Qual des umliegenden Landes.
In diesem Jahre 1697 nun rückte der Prinz Ludwig von Baden mit 30 000 Mann vor die Burg; es gelang ihm am 20. September, sich in dem Dorfe Ebernburg festzusetzen; eine scharfe Beschießung der Burg machte endlich die Vertheidiger mürbe und am 28. September räumte die Besatzung, noch 250 Mann stark, die Feste. Im Frieden von Ryswyk, der bald darauf dem Kriege ein Ende machte, war unter anderem ausbedungen, daß an der Ebernburg die von den Franzosen neu hergestellten Werke geschleift werden sollten, die Burg selbst aber an die Sickingen zurückfalle. Allein der kaiserl. Oberingenieur Fontana nahm seinen Auftrag zu weit; es wurden im Sommer 1698 nicht nur die neuen Werke geschleift, sondern auch alle Burggebäude in die Luft gesprengt. Vergebens protestirte der rechtliche Inhaber Franz Friedrich von Sickingen-Ebernburg beim Reichstage zu Regensburg und verlangte Ersatz; die Burg blieb in Trümmern bis heute. Die Linie der Ebernburger Sickingen starb 1768, die der Sickingen zu Sickingen 1836 aus, und nur die der Hohenburger blüht heute noch in Oesterreich weiter.
Auch Ulrich von Hutten hat, nachdem er die Ebernburg verlassen, keine glücklichen Tage mehr gesehen. Vier Monate nach seinem ritterlichen Beschützer Franz von Sickingen, am 1. September 1523, starb er auf der einsamen Insel Ufnau im Zürchersee.
Dort aber auf der Ebernburg, der Stätte, wo das Bewußtsein der in ihrer Verbindung liegenden Macht, der gegenseitige Austausch, die wechselseitige Ergänzung den beiden freiheits- und kampfesmuthigen Geistern den höchsten Schwung, die herrlichste Zuversicht verlieh, dort erhebt sich auch das Denkmal, welches das deutsche Volk den vorbildlichen Streitern für die Freiheit des Glaubens und des Geistes errichtet hat.
Ein Kreuznacher Bürger, der Bildhauer Karl Cauer, hat vor Jahren schon, noch ehe der bestimmte Plan zu der Aufstellung des Denkmals ans Licht getreten war, den Entwurf zu demselben gefertigt, und jetzt sind die vier Söhne des 1885 verstorbenen Meisters berufen worden, die Ausführung zu unternehmen. Auf einem drei Meter hohen Postament erhebt sich die überlebensgroße Gruppe. Der kleinere Hutten, von fast hagerer Gestalt und in dem schmalen Gesicht die Spuren schwerer
[366] körperlicher Leiden zeigend, steht, in der schlichten Gelehrtentracht, wie in lebhafter Bewegung herzugeeilt, rechts neben Sickingen. Seine rechte Hand umspannt, sie wie in stürmischer Erregung zerknitternd, eine Schriftrolle, wohl eine seiner Streitschriften, die er von der Ebernburg ins Reich sandte, und weist mit ihr hinaus, dem Blicke und den Gedanken des Freundes Richtung gebend. Sein Auge hängt voll Begeisterung an den Zügen des Genossen, und seine Linke legt sich vertraulich und dringlich zugleich auf die gepanzerte Schulter neben ihm. Franz von Sickingen aber steht da, erhobenen Hauptes, eine echte Rittergestalt, die rechte Faust am Griffe des Schwertes, bereit, es zu ziehen und zu schwingen für seine und des Freundes Ideale. Wunderbar ist der energische Ausdruck dieses von dem federngeschmückten, malerischen Hute umrahmten Kopfes, das kühne durchbohrende Auge, der schmale, in festem Entschlusse zusammengepreßte Mund; trotzig und anmuthig zugleich ist die Haltung des Helden, die Wendung seines Hauptes, der Griff nach dem Schwerte. So schauen die beiden ins Land hinaus, ein Abbild ihrer wild bewegten, aber auch von hohem Schwunge der Gedanken getragenen Zeit, das Herz des Beschauers im Innersten ergreifend. S.