Zum Inhalt springen

Das Johannisopfer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Rose
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Johannisopfer
Untertitel:
aus: Sagen aus der Provinz Sachsen III, in: Zeitschrift für Volkskunde, 1. Jahrgang, S. 178–179
Herausgeber: Edmund Veckenstedt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Alfred Dörffel
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[178]
1. Das Johannisopfer.

In Dornburg, einem Dorfe in der Nähe von Barby, ist einstmals die Kirche versunken; an der Stelle, wo dieselbe stand, hat sich ein tiefer See gebildet, welcher noch jetzt der Kirchsee genannt wird. Dieser See forderte früher jedes Jahr sein Opfer, und zwar am Johannistage. Das Opfer war aber stets ein Knabe aus dem Dorfe. Wie es nun gekommen ist, dass seit vielen Jahren kein Knabe mehr im See ertrunken ist, das erzählt man sich folgendermassen.

Als der alte Pastor im Dorfe gestorben war, hatte die Gemeinde einen neuen Pastor bekommen. Derselbe liebte das Angeln sehr, und so ging er denn jeden Tag an den Scharlach- oder Kirchsee, wenn es die Jahreszeit und das Wetter nur immer erlaubten, und angelte dort. Einstmals, es war gerade am Johannistage, sass er auch am Ufer des Kirchsees und ging seinem Vergnügen mit der Angel nach. Alles war still um ihn her; da sah er, wie plötzlich zwei grosse Fische aus dem Wasser auftauchten, von welchen der eine zu dem andern sprach: „Der Tag und die Stunde ist da, aber der Knabe fehlt.“

Der Pastor war über das, was er gesehen und gehört hatte, so erschrocken, dass er eiligst die Angel aufzog und sich anschickte, nach Hause zu gehen. Indem kam ein Junge aus dem Dorfe auf den See zu. Der Pastor fragte denselben, wo er hin wolle. Der Junge antwortete, dass er sich im Kirchsee baden werde, wenn der Herr Pastor nach Hause gegangen sei. Nun musste der Pastor an die Worte des Fisches denken: er ahnte Schlimmes. Deshalb beschloss er, wenn es in seiner Macht stände, das Unglück abzuwenden. Er sagte also dem Jungen, er wolle noch nicht nach Hause gehen, sondern sich in das Gras legen und ein wenig lesen. Er möchte ihm deshalb ein gewisses Buch aus der Pfarre holen.

Der Junge ging nach der Pfarre und forderte von der Frau Pastorin das bestimmte Buch. Als er damit zurückkam, sagte ihm aber der Pastor, er hätte ihm ein falsches Buch gebracht, er möchte doch noch einmal nach der Pfarre gehen und sich das richtige Buch geben lassen. Der Junge ging richtig wieder nach der Pfarre, aber wiederum erklärte der [179] Pastor, als er mit dem Buche zurückkam, auch dies Buch sei nicht das richtige. Darauf schickte er den Jungen zum drittenmale nach der Pfarre. Als der Junge diesmal mit dem Buche kam, sagte der Pastor, das sei das richtige Buch, er wolle jetzt ein wenig darin lesen. Da sich nun der Junge doch nicht in dem Kirchsee baden konnte, wenn der Pastor dort war, so gab er das Baden auf und ging nach Hause.

Inzwischen brach die Dämmerung herein und nun machte sich auch der Pastor auf den Heimweg.

So war der Kirchsee um sein Opfer gekommen, und es ist auch später nie mehr ein Knabe darin ertrunken, aber der Pastor ist bald darauf gestorben. Also müssen die beiden Fische in dem Kirchsee doch ihre Rache an dem Pastor genommen haben.

Rose.